Blutmadonna - Helene Wiedergrün - E-Book

Blutmadonna E-Book

Helene Wiedergrün

4,6

Beschreibung

In einem oberschwäbischen Dorf finden Waldarbeiter das Skelett eines Mannes. Doch wer war der unbekannte Tote, den niemand vermisst? Als die Journalistin Apollonia Katzenmaier nachforscht, wird sie mit der Feindseligkeit der Dorfbewohner konfrontiert und muss erkennen, dass hinter der idyllischen Fassade ihres Heimatortes grausame Geheimnisse lauern, die weit in die Vergangenheit zurückgehen. Die Spuren führen bis nach Frankreich …

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HeleneWiedergrün

Blutmadonna

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© 2013–Gmeiner-Verlag GmbH

Im Ehnried 5, 88605 Meßkirch

Telefon 0 75 75/20 95-0

[email protected]

Alle Rechte vorbehalten

Lektorat: Claudia Senghaas, Kirchardt

Herstellung: Julia Franze

Umschlaggestaltung: U.O.R.G. Lutz Eberle, Stuttgart

unter Verwendung eines Fotos von: © aremac / photocase.com

und © hufnasi–Fotolia.com

ISBN 978-3-8392-4114-1

Vieles in diesem Buch ist frei erfunden, aber manches hat sich tatsächlich so oder ähnlich ereignet. Orts- und Personennamen wurden selbstverständlich geändert. Auch wenn die stillen Helden und vergessenen Opfer damit ungenannt bleiben, so soll wenigstens die Erinnerung an ihr Schicksal bewahrt werden.

Und die Kälte der Wälder/ Wird in mir bis zu meinem Absterben sein.

(Bertolt Brecht)

Das Eingangszitat stammt aus Bert Brechts autobiographischem Gedicht

Sie kamen zu dritt, über die Hintertreppe, die vom Garten hoch führte. Dora hörte sie kommen. Sie lag im oberen Stock im Schlafzimmer, im Ehebett, allein. Dabei hatte sie die Türen extra abgeschlossen, was sie früher nie getan hatte. Aber an diesem Abend hatte sie die Schlüssel sogar innen stecken lassen, an der vorderen und an der hinteren Tür. Dennoch kamen sie herein, ohne große Mühe. Dora hatte nicht einschlafen können, wegen dem, was geschehen war, aber auch wegen der starken Hitze. Sie hatte das Fenster halb aufstehen lassen und hörte ihre Stimmen, gedämpft, flüsternd. Dann ein etwas lauteres Fluchen, als die Tür nicht sofort aufging. Aber schließlich schafften sie es, mit einem Messer oder einem Schraubenzieher, weiß Gott, womit. Sie waren im Haus. Dora wurde stocksteif und krallte die Hände in die Bettdecke. Sie lauschte angestrengt ins Dunkel, das nur von einem fahlen Mondscheinstrahl erhellt wurde, der durch den Filter der gehäkelten Vorhänge ins Zimmer fiel. Sie hörte die Dielenbretter unter den Stiefeln knarren und wieder ihre leisen Stimmen. Dann fingen sie plötzlich an zu lärmen, zunächst in der Küche. Dora hörte ein Klirren und Scheppern (das waren die Teller und Töpfe auf dem Steinfußboden, dachte sie), Klimpern (das Besteck), Krachen und Poltern (die Stühle und der Tisch, die umgeworfen wurden). Dann gingen sie weiter ins Wohnzimmer. Hier waren die Geräusche nicht ganz so laut, der Boden war aus Holz, und die Blumenvasen zersprangen mit weniger Getöse.

Schließlich wurde es still. Der erste kam die Treppe hoch, dann hörte Dora auch die schweren Tritte der anderen. Sie hielt sich die Hand vor den Mund, um nicht zu schreien. Ihre Hilferufe hätte ohnehin niemand gehört. Zwischen dem Haus und dem Dorf lagen Wiesen und die Werkstatt, und um diese Zeit war niemand mehr außerhalb unterwegs. Dann überlegte sie, ob sie sich irgendwo verstecken konnte. Aber das Haus war so klein, und noch bevor sie den Gedanken zu Ende gedacht hatte, waren die Männer vor ihrer Schlafzimmertür. Die Klinke wurde langsam nach unten gedrückt, doch sie hatte auch hier abgeschlossen. Dora starrte wie gebannt auf die Klinke, die noch mehrmals auf und ab ging. Dann war es einen Moment still, bevor mit einem fürchterlichen Schlag die Tür aufflog. Sie hatten sie einfach eingetreten. Dora schluchzte vor Angst auf und hielt sich krampfhaft an der Bettdecke fest. Sie wagte immer noch nicht zu schreien. Die drei dunklen Gestalten traten einer nach dem anderen in ihr Schlafzimmer. In dem engen Raum, der mit Bett, Kommode, Vertiko, Schrank und Nachttischen vollgestellt war, fanden sie kaum Platz. Hin und wieder blinkte ein Uniformknopf im Mondlicht. Dora konnte ihre Gesichter nicht erkennen. Als einer in die Nähe des Fensters trat, sah sie, dass er ein schwarzes Tuch vor Mund und Nase gebunden hatte. Keiner sprach ein Wort. Die drei starrten einen Moment auf die Frau im Bett, die auf die Männer starrte. Dann flüsterte einer »Putain!« Dora schluckte. Der Sturm brach los. Sie fegten die Parfümfläschchen vom Vertiko, zogen die Schubladen der Kommode heraus und verstreuten ihre Unterwäsche und die Bettwäsche auf dem Boden, rissen die Schranktüren auf und zerrten ihre Sonntagskleider, den Wintermantel, die Anzüge von Karl von den Bügeln, zogen die Schachteln herunter, die auf dem Schrank standen, und zertrümmerten die Weihnachtskugeln und Krippenfiguren, die dort fein säuberlich den Sommer über in Stroh gelagert waren, rissen die Vorhänge von den Fenstern, zerschmetterten den Spiegel der Kommode, indem sie den Nachthafen dagegen warfen, und schleuderten die Nachttischlampen gegen die Wand, dass sie klirrend zu Boden fielen.

Dora hatte sich vor Furcht im Bett zusammengekrümmt und hielt die Hände schützend über den Kopf. Sie ließ den Sturm über sich hinwegfegen. Als er sich gelegt hatte, richtete sie sich langsam auf. Die drei Männer standen am Fußende des Bettes und starrten sie wieder an. Dann öffneten sie nacheinander ihren Hosenladen. Doras Hände krampften sich in die Decke. Doch die drei seichten nur auf das Bett. Dora sah ihnen stumm zu, so wie die Männer ohne ein weiteres Wort ihr Zerstörungswerk verrichtet hatten. Dann verschwanden sie.

Dora hatte keinen von ihnen erkannt.

Als Rotzinger mich wegen der Leiche anrief, las ich gerade einen von Apollonias Krimis. Vier Bananenkisten voll hatte ich mit zu mir nach Hause geschleppt, außerdem eine Kiste mit Fotoalben und Tagebüchern, eine Wanduhr mit Rosenmotiven auf dem Messingpendel und einen Bernsteinanhänger. Das war alles, was mir von meiner Tante, Freundin und Namensbase Apollonia Katzenmaier geblieben war. Sie hatte den letzten Winter nicht überlebt. Mit Hilfe der Pflegekräfte des Roten Kreuzes hatte sie bis zum Schluss daheim wohnen können, hatte allen Zipperlein des Alters und sogar dem Krebs getrotzt, aber schließlich war ihr eine Lungenentzündung zum Verhängnis geworden. Innerhalb weniger Tage war sie körperlich völlig verfallen, hatte nichts mehr gegessen und war eines Nachts im Februar gestorben, kurz vor ihrem hundertsten Geburtstag. Dabei hatte der Gemeinderat schon eine große Feier zu ihrem Jubiläum geplant; sie wäre die erste Hundertjährige der Gemeinde gewesen. Apollonia machte den Räten einen Strich durch die Rechnung, der Chor hatte die Jubellieder umsonst geübt und musste nun »Näher mein Gott zu dir« singen.

Ich hatte sie noch ein paar Mal besucht, aber in der Nacht ihres Todes war ich nicht da gewesen, niemand war bei ihr gewesen. Das tat mir besonders leid. Ich stellte mir vor, wie schrecklich es sein musste, ganz allein zu sein, wenn man wusste, dass man jetzt sterben würde. Man lag im Dunkeln, bevor es für ewig dunkel wurde, man konnte niemandem einen letzten Blick zuwerfen, kein letztes verweintes Lächeln empfangen, keine Hand drücken, so wie das bei meinem Vater der Fall gewesen war, den meine Mutter und ich in den letzten Stunden seines Lebens begleitet hatten. Apollonia war allein gewesen. Aber sie hatte an Gott geglaubt, und vielleicht hatte sie das ja getröstet in dieser Nacht. Jedenfalls hoffte ich es.

Nach der Beerdigung und dem Leichenschmaus bat mich Mutter, ihr beim Ausräumen der Wohnung behilflich zu sein. Meine Geschwister waren zum Begräbnis gar nicht erst erschienen. Mein Bruder lebte in Frankfurt und hatte die Kontakte zu Dorf und Familie auf das Allernötigste eingeschränkt, was die Beerdigung einer alten Tante nicht mit einschloss, und meine Schwester Anna hatte just zu diesem Zeitpunkt einen Skiaufenthalt in Tirol gebucht, den sie unmöglich absagen konnte, unmöglich, es tat ihr wirklich leid! So gesehen hatte sich Apollonia einen ungünstigen Zeitpunkt zum Sterben ausgesucht, aber die beiden hatten ohnehin nie viel mit ihr zu tun gehabt. Sie wären zwar eigentlich auch erbberechtigt gewesen, aber Apollonia hatte noch auf ein Blatt eine Art Testament geschrieben, in dem sie ihre Bücher, die Möbel und ihren Schmuck mir vermachte. Und viel mehr besaß sie auch nicht. Die Wohnung gehörte meiner Mutter, Apollonia hatte nur lebenslanges Wohnrecht dort gehabt, weil sie vor Jahrzehnten zugunsten meines Vaters auf das Familienerbe verzichtet hatte. Da dieser ihr bereits vor längerem ins Jenseits vorausgegangen war, fiel das Nutzungsrecht für die Wohnung nun an meine Mutter. Die beweglichen Güter hatte ich geerbt. Dazu gehörten vor allem Bücher.

In normalen Baselreuter Haushalten nahm der Fernseher in den Wohnlandschaften den prominentesten Platz ein, während sich auf dem Bücherbord neben einem Konversationslexikon meist nur die obligatorische Bibel und vielleicht noch der eine oder andere Band mit Readers-Digest-Roman-Kurzfassungen tummelten. Nicht so bei Apollonia. Ihre Liebe zur Literatur war eines ihrer wenigen Laster gewesen, und da sie alleinstehend war, konnte sie ihr weniges Geld ungehemmt dafür ausgeben. Allerdings war sie etwas wahllos gewesen; auf den Regalen, die entlang der Flurwände ihrer kleinen Wohnung aufgestellt waren, stand Konsalik neben Thomas Manns Zauberberg, und Goethe rieb sich an einem Elisabeth-George-Krimi. Auch war ihr der literarisch-wissenschaftliche Wert eines Buches nicht wichtig gewesen, ob limitierte Erstausgabe oder billiger Massendruck interessierte sie nicht, Hauptsache, der Inhalt sprach sie an. Aber allein die schiere Anzahl von Büchern war beeindruckend. Mutter schüttelte nur den Kopf, sie hatte Apollonias Lesehunger nie nachvollziehen können.

»Und was machen wir jetzt mit dem ganzen Kruscht?« fragte sie mich ratlos. Ich sah sie strafend an, aber dann musste ich auch seufzen. Tja, was machten wir jetzt mit all den Büchern?

»Hör zu«, schlug ich vor, »ich suche die aus, die mich interessieren, den Rest schenkst du der Pfarrbücherei. Die freuen sich bestimmt, und vielleicht gibt’s noch eine Erinnerungstafel neben der Eingangstür für dich, die großzügige Stifterin Gertrud Katzenmaier!«

Erleichtert, dass sie sich mit dem staubigen Kram nicht näher beschäftigen musste, räumte Mutter das Feld. Ich war ganz froh, mit meiner Trauer um Apollonia noch etwas allein sein zu können, denn hier in ihrer kleinen Wohnung hatte ich manchen Abend zugebracht, um ihren Geschichten von früher zu lauschen. Jetzt verbrachte ich den ganzen Nachmittag damit, in alten Fotoalben zu blättern, ihre Tagebücher zu überfliegen und Bücherstapel auf dem Boden anzulegen, die ich später in Bananenkisten packen und mitnehmen wollte. Immer wieder kam die Trauer in mir hoch darüber, dass sie einfach nicht mehr da war. Sie hatte schon immer zu meinem Leben gehört. Auf einem der Fotos waren wir beide zu sehen. Es musste Mitte der 60er Jahre aufgenommen worden sein. Sie hielt mich an der Hand, dunkel gekleidet, mit einem Kopftuch über ihrer kunstvollen Zopffrisur, die sie später zugunsten von praktischeren kurzen Haaren abgelegt hatte. Ich reichte ihr bis zur Hüfte, war vielleicht fünf Jahre alt und trug eine dicke Strumpfhose, einen gestreiften Strickrock und eine Windjacke mit Kapuze. Meine Zähne standen nach vorne und meine Zöpfchen zur Seite ab. In der Hand trug ich ein kleines Körbchen, während an Apollonias Arm eine Einkaufstasche baumelte. So waren wir hin und wieder zusammen einkaufen gegangen, wenn ihre Arbeit als Hebamme es erlaubt hatte. Ich musste heftig in mein Taschentuch schnäuzen.

Ihre Tagebücher waren schwarzgebundene, großformatige, linierte Hefte, in die sie mit gestochen scharfer Sütterlinschrift ihre Eintragungen gemacht hatte. Das erste stammte von 1932, das letzte von 1971. Apollonia war 1970 in Rente gegangen, und offensichtlich hatte sie nach dem Ende ihrer Hebammentätigkeit nicht mehr viel erlebt, was ihr der Niederschrift würdig schien. Außer natürlich die Mordgeschichten, die wir gemeinsam aufgeklärt hatten, aber da hatte ihr das Schreiben bereits zuviel Mühe bereitet, wie sie mir selbst erzählt hatte.

Ich beschloss, auch die Tagebücher mitzunehmen. Mit der Sütterlinschrift tat ich mir zwar ein wenig schwer, aber ich wusste aus meinem Paläographieseminar im Stadtarchiv Konstanz, bei dem wir mittelalterliche Urkunden studiert hatten, dass man sich eben erst in eine fremde Schrift einlesen muss. Vielleicht würde ich ja irgendwann die Muße haben, die schwarzen Bücher eingehender zu studieren und Apollonias Hebammengeschichten zu lesen.

Am Ende wurden die Bücherstapel doch nicht so groß, wie ich befürchtet hatte. Vier Kisten reichten aus, denn Thomas Mann hatte ich selber, und Konsalik kam mir nicht ins Haus. So hielt ich mich vor allem an die Krimis, von denen es eine stattliche Menge gab. Mir würde die Bettlektüre nicht so schnell ausgehen. Und die Lektüre für regnerische Sonntagnachmittage. Und neblige Montagvormittage.

Und eben an einem solchen Montagvormittag, an dem ich mich mangels Aufträgen mit meiner Katze Samantha und einem Buch von Ruth Rendell aufs Sofa gelegt hatte (um dem lieben Herrgott den Tag zu stehlen, hätte meine Mutter gesagt), rief Rotzinger an, um mir von der Leiche zu berichten.

*

Der Chefredakteur des Südwestkurier Alfred Rotzinger war ein kräftiger Mann Ende 40, mit einst roten, jetzt schon weitgehend grauen Haaren, einer sich immer weiter nach oben ausbreitenden Stirn, die bei Aufregungen ebenfalls rot wurde, und einer kleinen Intellektuellenbrille. Er war früher im KBW gewesen, dem Kommunistischen Bund Westdeutschland, zu der Zeit, als ich im KABD, dem Kommunistischen Arbeiterbund Deutschlands, engagiert gewesen war. Damals hatten wir alle irgendeinen Guru gefunden, ob Mao, Enver Hodha oder Bhagwan, welchen, das erkannte man vor allem an der Wäsche, die auf der Leine hinter dem Studentenwohnheim hing: die der Sanjassins, der Bhagwanjünger, war komplett rot gefärbt, was nicht auf einen Bedienungsfehler der Waschmaschine zurückzuführen war, sondern auf die ihrer Meinung nach erleuchtende Funktion der Farbe Rot. Wir Kommunisten trugen Rot höchstens als Fahne oder Haarfarbe, ansonsten bevorzugten wir grüne oder lila Latzhosen, die Kluft der Arbeiter, denen wir mutig zum Lichte voranschritten. Und obwohl die verschiedenen kommunistischen Gruppierungen sich untereinander mindestens ebenso energisch bekämpften wie den Klassenfeind, verliehen die gemeinsamen Erfahrungen bei Demos, endlosen Asta-Sitzungen und Studentenstreiks doch auch nach zwanzig Jahren noch ein gewisses Zusammengehörigkeitsgefühl. So verstand ich mich mit Rotzinger ganz gut, ab und zu gingen wir ein Bier trinken, um über alte Zeiten zu reden, als er Haare und Bart noch lang trug, so dass er nach dem Wikinger in Frans Bengtssons Buchklassiker nur der »Röde Orm« genannt wurde, und seine Brille im 70er-Jahre-Look groß und breitrandig war. Und als er noch nicht für ein reaktionäres Blatt im Dienste des Monopolkapitalismus arbeitete. Und wenn wir nach so einem feuchtfröhlichen Abend den Heimweg antraten, dann konnte es durchaus vorkommen, dass er in angeheiterter Stimmung ein altes Arbeiterlied anstimmte, und spätestens bei der dritten Strophe fiel auch ich ein: »Und weil der Mensch ein Mensch ist, drum hat er Stiefel im Gesicht nicht gern, er will unter sich keinen Sklaven sehn und über sich keinen Herrn. Drum links zwei drei…«

Ich selber hatte seit damals vor allem mehr Falten bekommen und die Arbeiterkluft zugunsten italienischer Kleidung abgelegt, Folge meines einjährigen Italienaufenthalts nach dem Studium. Dort hatte ich gelernt, dass man links und trotzdem schick sein kann, was meinen natürlichen ästhetischen Bedürfnissen sehr entgegen kam. So gönnte ich mir–wenn es mein Geldbeutel zuließ–hin und wieder ein paar edle Stiefel oder eine modische Jacke, wenn ich als Reiseleiterin in Italien unterwegs war. In die Dienste der monopolkapitalistischen Reaktion trat ich nur sporadisch auf Abruf und Honorarbasis. Und nun rief sie wieder einmal an, in Gestalt von Chefredakteur Alfred Rotzinger.

*

»Sag mal, du kommst doch aus Baselreute, oder?« nuschelte er hastig in den Hörer.

»Ja, warum?« antwortete ich, wenig begeistert über die Störung an einer besonders spannenden Stelle meiner Lektüre.

»Weil man dort ein Skelett im Wald gefunden hat. Ein menschliches Skelett! Eine Leiche!« Seine Stimme wurde immer lauter, vor Sensationsgier oder wegen meiner Begriffsstutzigkeit.

»Was? In Baselreute?«

»Ja, eben, endlich kapiert? Mach dich sofort fertig, du musst da hin fahren, das könnte eine spannende Story werden!«

Als freie Mitarbeiterin einer Zeitung ist man heutzutage nicht viel mehr als eine Sklavin. Wenn der Herr der Lettern ruft, muss man sich sputen, denn man kann schon froh sein, wenn vom Redaktionstisch wenigstens ein paar Brosamen abfallen. Aber eine Leiche in Baselreute, das war wirklich eine Sensation, da ließ ich mich nicht zweimal bitten. Ein Krimi im richtigen Leben! Ich wunderte mich eher, dass Rotzinger nicht einen festen Redakteur hinschickte. Aber in diesem Fall hatte ich wohl Heimvorteil.

»Komm vorher hier vorbei, dann kriegst du die Pressemitteilung!« herrschte er mich noch an, bevor er auflegte.

Ich packte meinen Laptop, das Diktiergerät und die Kamera in die Tasche und begann, Klamotten zusammenzulegen, unschlüssig, ob ich den kleinen oder großen Koffer nehmen sollte, denn ich hatte keine Ahnung, wie lange ich bleiben würde.

Ach was, so lange konnte es nicht dauern, vielleicht eine Pressekonferenz, ein paar Interviews, ein Artikel, womöglich zwei, wenn’s hoch kam–ich entschied mich für kleines Marschgepäck.

Dann zog ich meine alte, schwarze Lederjacke und die spitzen italienischen Stiefel an, denn obwohl Mai war, ging noch ein kühler Wind und es war regnerisch. Das mussten die Eisheiligen sein, vermutete ich, aber ganz sicher war ich mir nicht, wann genau Pankraz und seine Leidensgenossen mit eisigen Temperaturen an ihren Tod erinnerten.

Nachdem ich meiner Nachbarin Barbara, die ein Stockwerk unter mir wohnte, den Wohnungsschlüssel vorbeigebracht hatte, damit sie sich um Katze, Blumen und Post kümmern konnte, schwang ich mich in meinen Golf und fuhr los.

In der Redaktion begrüßte mich Lydia, Rotzingers Sekretärin, mit einem: »Ah, endlich, er springt schon im Viereck!«

Immerhin bot sie mir noch schnell einen Kaffee an, bevor ich in sein Büro ging. Rotzinger saß hinter dem Schreibtisch und war am Telefonieren, die Stirn leuchtend rot.

»Ja, ja, ist gut,…Nein, brauchen Sie nicht, sie kennt sich aus…Danke, ja, Wiederhörn!«

Er knallte den Hörer auf und begann ohne Begrüßungsformalitäten:

»Also, heute um 15.30 Uhr gibt’s eine Pressekonferenz bei der Staatsanwaltschaft in Ravensburg. Ich hab gesagt, du weißt, wo das ist. Stimmt doch, oder?«

»Ja, werd ich schon finden.«

»Für die morgige Ausgabe schreib ich selber ein bisschen was zusammen, mit dem Hinweis, dass es übermorgen einen großen Bericht mit den neuesten Neuigkeiten zu dem Fall gibt. Heute wirst du es ja nicht mehr schaffen bis Redaktionsschluss. Du hast Zeit bis morgen Nachmittag um 17 Uhr. Dann will ich einen schönen Artikel in meinem Posteingang haben. Alles klar?«

»Ja, klar, aber was weiß man denn überhaupt?«

»Also«, er schob mir ein Fax hin, »Waldarbeiter haben am Samstag beim Holzrücken ein Stück Waldboden aufgerissen, und dabei kam ein Skelett zu Tage. Vermutlich Opfer eines Gewaltverbrechens, männlich, weiß, ca. 1,75groß, usw. Kannst du alles selber nachlesen. Ich hab mir eine Kopie gemacht.«

Ich nahm das Fax, um es zu überfliegen.

»Teilweise waren noch Gewebereste und Kleidung vorhanden«, las ich laut vor. »Dann wird er wohl noch nicht so lange tot sein.«

»Also, ein Neandertaler ist es offensichtlich nicht!« stellte Rotzinger ungeduldig fest.

»In Baselreute gab’s sowieso nie Neandertaler!« antwortete ich und wandte mich zum Gehen. Damit hatte ich jedoch den Historiker in ihm geweckt.

»Sag mal, was hat so ein Kuhkaff in Oberschwaben eigentlich mit Basel zu tun?« fragte er unvermittelt.

Entrüstet blaffte ich ihn an: »Also erstens ist Baselreute kein Kuhkaff! Früher war es eine Station an der Poststrecke Wien-Paris, und heutzutage haben wir immerhin 25 Vereine dort, die größte Vereinsdichte aller vergleichbaren Ortschaften, und wir liegen an der oberschwäbischen Barockstrasse und am Jakobsweg, und…«

»Ja, schon gut, halt mir keine Vorträge, und was hat das nun mit Basel zu tun?«

»Überhaupt nichts, das kommt von Basilius, dem Mönch, der den Altdorfer Wald gerodet hat, damit man überhaupt ein Dorf bauen konnte, ein Mönch vom Kloster Weingarten. Basilius–Basel, roden–reute!« beendete ich triumphierend meine Lektion in Toponymie.

Rotzinger schmunzelte ein bisschen ob meines Anfalls von Lokalpatriotismus und meinte dann etwas weniger diktatorisch: »Sehr schön, also, dann schwing die Hufe und bring mir eine gute Geschichte aus Baselreute mit!«

Baselreute liegt hinter dem Wald. Egal, aus welcher Richtung man sich dem Ort nähert, man muss immer den Wald durchqueren, den Altdorfer Wald, »das größte zusammenhängende Waldgebiet Oberschwabens«, wie wir schon im Heimatkundeunterricht gelernt hatten. Als Kind hatte er mich geängstigt, dieser dunkle Wald wie in Dantes Höllengesang. Das harmlose Kinderlied Draußa im Wald / hot’s a kleins Schneele g’schneit, / drum isch so kalt, draußen im Wald. / Sommerzeit hin, Sommerzeit her, / ich kauf mir meiner Lebtag kein Sommerzeug mehr! hatte mich immer mit einer unerklärlichen Traurigkeit erfüllt, mir war, als ob im Angesicht dieser ungeheuren Wälder nie mehr Sommer werden würde. Und wenn ich am Sonntagabend nach dem obligatorischen Familienwaldspaziergang im Bett lag, dann stellte ich mir mit Grausen vor, dass ich noch dort wäre, allein, unter den dunklen Tannen, im Reich des Erlkönigs. Bertolt Brecht hatte einst geschrieben: Ich, Bertolt Brecht, bin aus den schwarzen Wäldern. / Meine Mutter trug mich in die Städte hinein / Als ich in ihrem Leib lag. Und die Kälte der Wälder / Wird in mir bis zu meinem Absterben sein.Seine Mutter stammte aus Rossberg, der Bahnstation von Baselreute, und auch wenn er beim Schreiben dieses Gedichts vielleicht eher an den Schwarzwald seiner väterlichen Vorfahren gedacht hatte, so konnte ich diese Zeilen sofort nachvollziehen, als ich sie damals in der Schule las. Und später, als Kunsthistorikerin, hatte ich die eisigen Wälder meiner Kindheit in den Bildern von Caspar David Friedrich wieder gefunden.

Heute jedoch empfand ich den Wald eher als Willkommensgruß, als eine Art Vorhang, hinter dem sich die liebliche Hügellandschaft um Baselreute verbarg. Und wie bestellt riss plötzlich der Himmel auf, als ich nach dem Schild »Baselreute 6 km« von der Bundesstraße auf das schmale, gewundene Sträßchen zum Dorf abbog. Steile Sonnenkegel fielen durch die regennassen Bäume, wie auf einem Barockgemälde. Und die Sonne blickt durch der Zweige Grün…Schiller kam mir nun in den Sinn, nicht mehr Goethe, und Dantes dichter, grüner Gotteswald im irdischen Paradies, sodass ich fast Lust bekam, zu singen. Ich freute mich darauf, wieder nach Hause zu kommen, denn obwohl ich schon vor fünfundzwanzig Jahren weggegangen war, hatte ich jedes Mal, wenn ich mich unserem Dorf näherte, das Gefühl, heimzukehren. Voller Hoffnung war ich damals fortgezogen, in eine Welt, die mir alles zu versprechen schien, doch nun fragte ich mich immer öfter, ob diese Welt ihre Versprechen wirklich gehalten hatte oder ob ich nur einer Illusion erlegen war. Eine heftige Sehnsucht befiel mich, die Sehnsucht nach Rückkehr, nach etwas Heilem, eine Sehnsucht, die unstillbar war, denn die Welt im Dorf meiner Kindheit war so wenig heil wie in der Stadt, in der ich jetzt lebte.

Als ich den Wald schließlich hinter mir hatte, öffnete sich die Ebene, im Felde ging kein Pflug, aber die Wiesen leuchteten rot, gelb oder weiß, je nachdem, ob Sauerampfer, Hahnenfuß oder Wiesenkerbel überwog, und in der Ferne, hinter den grünen Hügeln, schaute die Zwiebel des Baselreuter Kirchturms hervor, der mit jedem Meter Fahrt höher aufwuchs.

An einem der ersten Häuser des Orts sah ich einen Maibaum stehen, eine zartgrüne, feine Birke, der unteren Äste beraubt, mit bunten Bändern geschmückt. Da hatte ein Verliebter in der ersten Mainacht seiner Angebeteten einen schönen Frühlingsgruß »gesteckt« und ihn vermutlich bis in die frühen Morgenstunden bewacht, denn es kam immer wieder vor, dass Maibäume von anderen, fauleren Verliebten geklaut wurden. Einen »Büchsenbaum« sah ich nirgends; vor ein paar Jahren hatte ein Mädchen einen bekommen, Mutter hatte es mir erzählt, eine dürre Fichte mit leeren Blechdosen behängt, als Zeichen der Schande, weil sie mit mehreren Männern »rumgemacht« hatte, weil sie eine »Büchs« war.

Ich hatte als Jugendliche nie einen Maibaum bekommen, weder der einen noch der anderen Art, denn da ich nicht im Dorf zur Schule ging, waren meine Verehrer meist von auswärts gewesen, wo diese Tradition nicht mehr üblich war. In Baselreute hatte sie sich offenbar bis heute gehalten.

Ich hatte beschlossen, vor der Pressekonferenz noch bei Mutter vorbeizufahren, wo ich mich für die nächsten zwei Tage einquartieren wollte. So konnte ich mein Gepäck loswerden, und außerdem hatte ich mich telefonisch fürs Mittagessen angemeldet.

Als ich direkt vor dem Haus aus dem Auto stieg, hörte ich Hundebellen. Ich fragte mich, wer da wohl zu Besuch war, denn meine Mutter hatte Hunde nie besonders leiden können. Überhaupt hatten wir als Kinder höchstens einen Hamster oder einen Wellensittich halten dürfen. Alles andere war ihr zuviel gewesen, ach Gott, der Schmutz, die Haare, und überhaupt bekam sie Asthma von Tierhaaren. Und wenn jemand mit Hund zu Besuch kam, erntete er strenge Blicke, und das arme Tier wurde im Keller geparkt. Nur das Pony, das mir Großmutter geschenkt hatte, wurde akzeptiert, aber das lebte beim Bauern und marschierte nicht durch Mutters Wohnzimmer.

Gespannt ging ich nun durch den Vorgarten, in dem rote und weiße Pfingstrosen ihren Duft verströmten, zur Haustür. Als Mutter auf mein Klingeln öffnete, wedelte mir ein wuschelig-rötliches Etwas entgegen, eine kniehohe Promenadenmischung mit Pudellocken und Cockerspanielschlappohren, die mich fröhlich ankläffte.

»Schscht, Falk!« beruhigte ihn meine Mutter und lächelte mich etwas verlegen an.

Ich stellte mein Gepäck ab und streichelte erst mal den Teddybär, der wie verrückt mit dem Schwanz wedelte und mir gleich die Hand leckte.

»Wem gehört der denn?« fragte ich. »Das ist ja ein Herziger!«

Mutter druckste etwas herum.

»Also,…eigentlich gehört er Jessica, das heißt,…er hat ihr gehört. Aber Anna wollte ihn nicht, eine Katze reicht, hat sie gesagt, und da hat Jessy ihn mir gebracht. Sie hat fürchterlich geweint, hatte ihn gleich ins Herz geschlossen. Gell, er isch auch wirklich ein Lieber!« sagte sie mit verständnisheischender Stimme.

Ich traute meinen Ohren nicht. So einfach ging das? Ich hatte als Kind doch auch so sehr einen Hund gewollt. Aber nein, damals wurde dieses Ansinnen immer kategorisch abgelehnt. Und nun hatte meine Nichte ihn einfach hergebracht, und er durfte bleiben!

Andererseits freute ich mich für Mama, dass sie in ihrem hohen Alter noch einen tierischen Freund gefunden hatte. Besser spät als nie! Immerhin wurde sie im Sommer auch schon achtundsiebzig.

»Aber sag mal, wird dir das nicht zuviel? Mit dem musst du doch rausgehen und Futter kaufen und so!« fragte ich deshalb etwas zweifelnd.

»Ach, weißt du, das tut mir gut, wir machen jeden Tag ein- oder zweimal einen Spaziergang über die Felder. Das ist hervorragend für mein Herz und für den Blutdruck. Hat Doktor Mathis auch gesagt! Und das Futter bringt mir der Alois von der Raiffeisengenossenschaft vorbei, alle zwei Wochen einen großen Sack. Speziell für junge Hunde!«

»Der Name ist aber ein wenig komisch. Der würde eher zu einem Jagdhund passen. Das hier ist doch ein richtiges Wollknäuel!«

»Ja, ich weiß, aber den hat Jessy ihm gegeben. Der stammt aus irgendeinem ihrer Phantasie-Romane, die sie zurzeit dauernd liest. Und da hatte er sich schon dran gewöhnt.«

»Du meinst Fantasy-Romane!«

»Ja, sag ich doch, Phantasie-Romane!«

Mama war zu alt für Sprachbelehrungen.

»Wo hat sie ihn denn herbekommen?«

»Von einem Bauern. Der wollte ihn ersäufen, weil es so viele Junge waren. Und da hat Jessy ihn einfach mitgenommen.«

Mama war richtig aufgekratzt und erzählte mir während des ganzen Kässpätzlemittagessens, was Falk für tolle Streiche ausheckte und wie wahnsinnig intelligent er war. Ein süßer Kerl war er allemal, da konnte ich ihr nur zustimmen. Und ich war sehr zufrieden, dass sie vor lauter Hund keine Zeit fand, mich zu fragen, wie es mir denn ging, ob ich auch genug Arbeit hatte und was sich in punkto Männer so tat. Denn da tat sich nicht gerade viel. Meine letzte Beziehung zu einem Fotografen aus Ravensburg hatte nur knapp ein Jahr gehalten, dann hatten wir feststellen müssen, dass es doch nicht passte, ich und meine Katze Samantha. Also hatte ich mich entschieden, die Nächte wieder allein mit der Katze zu verbringen und auf einen echten Kopfkissenzerwühler zu warten, wie Tante Apollonia es ausgedrückt hätte.

Aber schließlich musste ich Mutter doch noch von ihrem momentanen Lieblingsthema, dem süßesten aller süßen Hundewelpen, abbringen. Ich war ja nicht zum Vergnügen nach Baselreute gekommen.

»Sag mal, Mama, hast du etwas über diesen Toten gehört, der im Wald gefunden wurde?«

Ihr Gesicht verdüsterte sich.

»Ach, deshalb bischt du gekommen! Ich hab mir doch fascht gedacht, dass du nur meinetwegen nicht über den See gefahren wärst. Muscht du schon wieder in solchen Sachen herumstochern!«

Sie hatte die beiden Geschichten, die ich in den letzten Jahren mit Apollonia erlebt hatte, anscheinend immer noch nicht verdaut. Zweimal hatte ich zusammen mit meiner Tante ein düsteres Geheimnis aufgedeckt, was diese beinahe das Leben gekostet hätte. Beim zweiten Mal war sogar meine Nichte Jessy betroffen gewesen. Doch diesmal war ja niemand aus der Familie involviert.

»Mama, das ist beruflich, ich bin für die Zeitung hier!«

»Umso schlimmer! Da wirst du weiß Gott was über Baselreute schreiben! Nur weil sie ein paar alte Knochen gefunden haben!«

»Das stimmt doch gar nicht!« Wir wurden beide lauter–das Übliche halt. »Ich will nur schreiben, was passiert ist. Interessiert es dich denn gar nicht, wer der Tote im Wald ist?«

»Ach, das wird irgendein Soldat aus dem letzten Weltkrieg sein, den die SS erschossen oder aufgehängt hat! Die haben doch noch bis zum Schluss jeden als Deserteur hingerichtet, der sich von der Truppe abgesetzt und versucht hat, heim zu kommen!«

»Ja, das mag schon sein, aber dieser Tote ist jünger! Da waren noch Fleischreste am Skelett!«

»Also, das isch ja eklig! Und so was beim Mittagessen! Woher weischt du das alles überhaupt?« fragte sie entrüstet, aber doch auch ein bisschen neugierig.

»Das stand in der Pressemitteilung von der Staatsanwaltschaft, die die Zeitung bekommen hat. Und außerdem stand da drin, dass es ein Mann war. Etwa 1,75groß.«

»Haben die auch geschrieben, wann er gestorben isch und wie alt er war?«

»Nein, das wissen sie noch nicht. Er ist wahrscheinlich zur Obduktion nach Ulm gebracht worden. Heute Nachmittag gibt es eine Pressekonferenz, da erfahre ich vielleicht mehr. Warum willst du das wissen?«

»Naja, weißt du, vor ungefähr fünf Jahren isch doch der alte Hauser spurlos verschwunden. Der war ein Mann. Und die Größe könnte auch passen.«

»Mensch, hast du das der Polizei schon gesagt?«

»Ach was, das wissen die doch bestimmt längscht!«

»Ja, wahrscheinlich hast du recht. Aber wer war denn der alte Hauser? Hab ich den auch gekannt?«

»Ja, an den kannscht du dich bestimmt erinnern. Der war so mittelgroß, immer freundlich, ein netter Mann.«

Diese Beschreibung ließ kein unmittelbares Bild vom alten Hauser in meinem Kopf entstehen.

»Er hat hinter der Raiffeisenbank gewohnt«, fuhr sie fort, »in einem kleinen Häusle. Als junger Mann war er nicht hässlich, der Wilhelm, wenn auch ein wenig mager für meinen Geschmack. Er war mit Hofers Erna verheiratet, das ist eine arge Beißzange. Der hat’s nicht leicht gehabt. Wahrscheinlich isch er deswegen fort gegangen. Zumindest haben das die Leute damals gesagt!«

»Ach, die Leute! Die reden viel, wenn der Tag lang ist. Ein Mann geht doch nicht fort, nur weil seine Frau ein wenig schwierig ist!«

Mutter lachte. »Ein wenig schwierig ist gut, das isch eine ganz Letze! Aber vielleicht hascht du ja recht und er isch gar nicht fort gegangen, sondern isch der Tote aus dem Wald.«

In ihren Augen blitzte etwas auf. »Womöglich hat sie ihn umgebracht und dann im Wald vergraben? So war’s wahrscheinlich! Er wollte sie verlassen und dann hat sie ihn…Wie isch der Tote denn überhaupt gestorben?«

Da war ich noch keine zwei Stunden daheim, schon hatte ich den Fall gelöst: Leiche identifiziert, Mörderin und Motiv gefunden. Alles dank meiner Mutter! Ich seufzte.

»Mama, jetzt hör aber auf! Komm bloß nicht auf die Idee, eine unschuldige Frau zu verdächtigen und womöglich irgendwelche komischen Geschichten herumzuerzählen! Und man weiß noch nicht, wie er gestorben ist, jedenfalls stand das nicht in der Pressemitteilung.«

»Du wolltest doch wissen, was man im Dorf so redet!«, entgegnete sie beleidigt. »Ich hab ja nur zwei und zwei zusammengezählt und versucht, mir einen Reim auf das alles zu machen!«

»Zwei und zwei! Mensch, erzähl so was ja nicht weiter!«

»Gut, wie du willst. Aber dann erzähle ich auch niemandem, was ich an dem Tag beobachtet habe, als der alte Hauser verschwunden isch!«

Ich wartete. Sie auch.

Schließlich fragte ich genervt: »Okay, sagst du’s mir oder muss ich dich auf Knien bitten?«

Sie schaute mich grimmig an. Im Grunde brannte sie ja darauf, mir ihre Geschichte zu erzählen.

»Na gut«, meinte sie dann großzügig, »ich will nicht so sein. Also, ich war an dem Tag auf der Bank, bei der Raiffeisenbank, du weischt ja, da haben wir doch unser Konto.«

Ja, das wusste ich.

»Ich hatte dahinter geparkt, und von da sieht man ja direkt auf das Häusle vom alten Hauser.«

»Das alte Häusle vom alten Hauser…«, kalauerte ich vor mich hin, aber Mutter hatte kein Verständnis für meine Sprachspielereien.

»Naja, so alt isch es noch nicht, halt aus der Nachkriegszeit, wie viele Häuser da bei der Bank«, antwortete sie ernsthaft. Dann fuhr sie fort: »Und als ich gerade ins Auto steigen wollte–damals hatte ich noch den alten Rénno, den wir beim Weißhaupt gekauft hatten–, da ist der Hauser aus der Tür gekommen, mit einer Einkaufstasche. Sie hat ihn zum Einkaufen geschickt!« Ihr Tonfall war entrüstet.

Ich verdrehte die Augen.

»Mama, es ist normal, dass auch ein Mann mal zum Einkaufen geht! Also, wenn das alles war…«

»Jetzt lass mich doch mal ausreden!«, fuhr sie mich an. »Ich war doch noch gar nicht fertig!«

»Also, dann erzähl weiter!«

»Ja, und er war schon die kleine Treppe vor dem Haus heruntergekommen, da isch die Tür aufgegangen, und die Hauserin isch erschienen und hat ihm etwas zugerufen. Sie sah furchtbar wütend aus und hat angefangen, mit ihm zu streiten. Ich bin schnell eingestiegen und hab die Autotür zugemacht, weil’s mir peinlich war. Das mag ich nicht, anderen Leuten beim Streiten zusehen.«

›Lieber selber streiten!‹ dachte ich, aber ich wollte sie nicht noch mal unterbrechen, zumal ich mich langsam auf den Weg machen musste.

»Jedenfalls hat er sich umgedreht und zurückgeschimpft. Mein Autofenster war auf, weil’s doch so heiß war, und da hab ich es gehört. Sie hat ihn alles Mögliche geheißen, einen faulen Siech und einen Nixnutz. Da hat er eine Fauscht gemacht und ihr gedroht, das hatte ich noch nie bei ihm gesehen! ›Ich komm gar nicht wieder heim, wenn das so isch!‹ hat er gesagt. Aber sie hat immer weiter geschimpft. ›Du wirscht schon sehen, was dann passiert!‹ hat sie ihm nachgerufen. Das war das letzte, was ich gehört hab, dann bin ich weggefahren. Und an dem Tag isch er verschwunden. Ich weiß es noch so gut, weil ich mir hinterher gedacht habe, dass er jetzt bestimmt seine Drohung wahr gemacht hat und einfach abgehauen isch. Aber vielleicht isch er ja gar nicht abgehauen, vielleicht hat er angefangen, sich zu wehren…«

Ich schob meinen Stuhl zurück und stand auf. Falk schwänzelte sofort um mich herum.

»Mama, ich muss jetzt los. Um halb drei ist Pressekonferenz!«

»Jaja, isch ja schon gut, ich hab verstanden. Dann isch es halt nicht der alte Hauser, den sie da im Wald gefunden haben«, maulte sie beleidigt wegen meines offensichtlichen Überdrusses an ihren Spekulationen.

Da fiel mir noch eine andere Frage ein.

»Sag mal, in welchem Waldstück hat man die Leiche eigentlich gefunden? Weißt du das?«

»Also, Briemals Lisabet hat erzählt, es sei im Krumbacher Forst gewesen, weisch, gleich oben, wo das Bildstöckle ist.«

Ich konnte mich an kein Bildstöckle im Krumbacher Forst erinnern, aber wenn Mutter das sagte, dann gab es wohl eins. Sie kannte die Wälder um Baselreute besser als die meisten eingeborenen Baselreuter, denn sie war früher eine passionierte Pilzsammlerin gewesen. Kaum jemand im Ort hatte ein ähnliches Gespür wie sie dafür, wo Maronen und Steinpilze, Butterpilze und Pfifferlinge wuchsen. Manche Baselreuter kamen auch zu ihr, um sich nach erfolgreicher Pilzsuche noch einmal bestätigen zu lassen, dass sich nur essbare Pilze in ihrem Körble befanden. Sie hatte sich zum Glück nie geirrt. Und im Krumbacher Forst hatte es immer besonders reiche Ausbeute gegeben. Wenn ich nun allerdings an die diversen Pilzgerichte dachte, die sie uns zubereitet hatte, wurde mir etwas unwohl. Womöglich waren die Pilze aus einer Leiche gewachsen! Aber nein, beruhigte ich mich selber. Die Leiche hatte ja erst seit einigen Jahren da gelegen. Und Mutter sammelte schon lange keine Pilze mehr. Seit wir Kinder aus dem Haus waren und mein Vater nicht mehr lebte, hatte sie keinen mehr, den sie mit gebratenen Pfifferlingen und Maronenragout beglücken konnte. Außerdem war ihr die Bückerei zu beschwerlich geworden. Und gerade der Krumbacher Forst war auch nicht ganz ungefährlich. Im oberen Teil noch relativ flach, fiel er nach einigen Metern steil ab, und man musste sich beim Pilzsuchen ordentlich gegen den Berg stemmen, damit man einen Halt fand.

»Hat man die Leiche oben gefunden oder am Hang?«

»Also, so genau weiß ich das nun auch nicht. In der Nähe vom Bildstöckle, hat Briemals Lisabet gesagt.«

Na gut, da Briemals Lisabet offenbar auch nicht mehr wusste, machte ich mich auf den Weg zur Pressekonferenz.

Es war schon fast halb drei, als ich zur Staatsanwaltschaft kam. Ich hatte die Straße zum Glück relativ gut gefunden und in einem Parkhaus in der Nähe geparkt. Direkt vor dem Gebäude stand ein Transporter mit der Aufschrift »RTM«. Im Parkverbot. Klar, eine halbverweste Leiche im Wald war ein gefundenes Fressen für die Privatsender. Und der Strafzettel war wahrscheinlich in der Kalkulation mit einberechnet.

Ich zeigte an der Pforte meinen Presseausweis und wurde in den ersten Stock hochgeschickt. Am Ende des Ganges stand eine Tür offen, und man hörte Leute reden. Ich war nicht die Erste.

Der Raum für die Pressekonferenz diente offenbar sonst als Besprechungsraum. Vorne hatte man einen Tisch und vier Stühle vorbereitet. Auf dem Tisch waren schon einige Mikrofone bereitgestellt mit dem jeweiligen Logo des Radio- oder Fernsehsenders, für den sie die Erläuterungen der Staatsanwaltschaft aufnehmen sollten. Die Pressevertreter saßen in fünf Stuhlreihen hintereinander vor dem improvisierten Podium, neben dem ein Flipchart und auf der anderen Seite ein Hellraumprojektor standen.

Sechs, sieben Kollegen saßen schon bereit. Sie drehten sich wie auf Kommando um, als ich den Raum betrat. Während ich mich in die hinterste Reihe setzte, grüßte ich vage in die Runde, kannte aber niemanden. Konstanz ist Übersee, eine andere Welt. Der oberschwäbische Blätterwald ist davon weit entfernt. Aber es schienen auch Kollegen von überregionalen Zeitungen da zu sein. Einer hatte einen Aufdruck der Süddeutschen Zeitung auf seiner Mappe. In der ersten Reihe saßen zwei Frauen, die als Vertreterinnen von Radio 7 und Seefunkradio Bodensee hier waren. Der Mann daneben gehörte offenbar zum Südwestrundfunk. In den hinteren Ecken des Raumes hatten sich drei Kameraleute postiert. Ihre Logos wiesen sie als Vertreter zweier Lokalsender aus. Und von RTM.

Der Kameramann des Privatsenders stand mit gespreizten Beinen über seine Kamera gebeugt, während er sie justierte. Er musste sich recht tief hinabbeugen, weil er so groß war. Neben ihm stand ein kleinerer Mann mit sportlicher Figur und kurzen, dunklen Haaren, offenbar der dazugehörende Reporter. Er wirkte sympathisch, und ich musste unwillkürlich lächeln, während ich die beiden beobachtete. Wie Pat und Patachon! In diesem Augenblick schaute der Kleine in meine Richtung und glaubte offenbar, mein Lächeln gelte ihm persönlich. Freundlich nickte er mir zu. Wirklich sympathisch! Ich deutete ebenfalls ein Nicken an, wandte mich dann aber schnell nach vorn. Wäre ja noch schöner, mit RTM zu fraternisieren!

Außerdem traten gerade durch eine zweite Tür die Vertreter von Staatsanwaltschaft und Polizei ein und setzten sich an das improvisierte Podium. Die Kameras begannen loszusurren und die Journalisten zückten Bleistift und Blöcke. So wie ich. Nur einer hatte seinen Laptop aufgeklappt und tippte direkt hinein. Ich hatte meinen bei Mutter gelassen, denn auch nach 15 Jahren mehr oder minder friedlicher Koexistenz mit dem Computer schrieb ich Protokolle, Hirnsturmnotizen und Ähnliches immer noch am liebsten von Hand aufs Papier. Dieses wimmelte am Ende von Pfeilen, Kreisen und dicken Balken, mit denen Wichtiges vom Unwichtigen unterschieden und Strukturen gestaltet wurden, die praktisch schon das Gerüst für meinen Artikel darstellten. Den würde ich dann abends in mein Notebook eintippen.

Einige der Kollegen machten Fotos von dem Paar, das uns nun Rede und Antwort stehen sollte, flash, flash, flash. Ich hatte zwar meinen Fotoapparat dabei–meine letzte Errungenschaft, eine ganz neue Digitalkamera–, aber bei näherer Betrachtung schienen mir die Herrschaften nicht wirklich fotogen. Zumindest nicht als Illustration für einen Mordfall.

Staatsanwalt Thorsten Badewin (sein Name hatte in dem Fax gestanden) war ein Mann um die 50, mit kurzem dunklem Haar, das aus der Stirn zur Seite gekämmt und über den Ohren eigenwillig hoch rasiert war. Mit zwei Finger breit Bart unter der Nase sähe er aus wie Hitler, dachte ich. Er trug ein dunkles Jackett über dem weißen Hemd, das bis oben zugeknöpft war und seinen kräftigen Hals recht eng umfasste. Nur die Krawatte schien das spießige Bild zu konterkarieren: sie war leuchtend grün. ›Ich bin nicht so konservativ, wie ich aussehe!‹ schien sie für ihn zu schreien.

Neben ihm hatte die Hauptkommissarin Platz genommen. Petra Weinert war die Nachfolgerin von Martin Manz geworden, der sich vor sieben Jahren–nach der Mordgeschichte, die wir gemeinsam erlebt hatten–nach Tübingen hatte versetzen lassen. Mir wurde ein bisschen weh im Gemüt, denn wir waren damals zwar nur kurz zusammen gewesen und unsere Liebesgeschichte hatte auch kein Happy End erlebt, aber die Erinnerung taucht bekanntlich alles Vergangene in ein milderes Licht. Ich seufzte und betrachtete Hauptkommissarin Weinert, die sich noch kurz mit ihrem Nachbarn abstimmte. Sie war wohl in meinem Alter, Mitte 40, und recht hübsch. Ihre rötlich-blonden Haare hatte sie zu einem kunstvoll unordentlichen Dutt hochgesteckt, sodass ihr schlanker Hals und ihre feinen Ohren mit den kleinen Perlohrringen gut zur Geltung kamen. Der dezente Lippenstift passte perfekt zu ihrem durchsichtigen Teint und dem dunklen Hosenanzug, unter dem sie eine beige Seidenbluse trug. Aus dem Ausschnitt schimmerte eine Perlenkette hervor. Ihre kleine Nase zeigte leicht nach oben. Nase est omen, musste ich denken, denn sie wirkte ein wenig arrogant.

Neben ihr saß Andreas Illig. Er war der ungeliebte Stellvertreter von Martin Manz gewesen, eine Rolle, die ihm offensichtlich geblieben war. Bei meinem letzten Abenteuer hatte ich zum zweiten Mal mit ihm zu tun gehabt, aber er hatte mich nur kurz vernommen. Er hätte ebenso gut Anfang 30 wie Anfang 40 sein können. Auch er war blond und gekleidet wie ein Biedermann: Stoffhose, Hemd, gelber Pullunder und Glencheckjacke.

Die Vierte im Bunde war offenbar die Sekretärin, die Protokoll führte.

Nachdem Kriminalhauptkommissarin Weinert ihre Konversation mit dem Staatsanwalt beendet und er ihr aufmunternd zugenickt hatte, ordnete sie ein paar Papiere vor sich, dann blitzte sie die Journalistenrunde mit ihren eisblauen Augen herausfordernd an, und die Pressekonferenz begann.

*

Auf der Fahrt mit der Fähre von Konstanz nach Meersburg hatte ich mir noch einmal in Ruhe das Fax durchgelesen mit der Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft. Viel hatte nicht darin gestanden, weder, wo der genaue Fundort der Leiche war, noch, wie der Tote umgekommen war. So warteten wir alle sehr gespannt auf die Enthüllungen des Duos auf dem Podium.

Mit gleichmäßiger, etwas näselnder Stimme las zunächst der Staatsanwalt langsam seinen vorbereiteten Text ab. Nach jedem dritten Wort fügte er ein gedehntes »äh« ein, was das Zuhören recht mühsam machte, aber vielleicht wollte er den Journalisten das Mitschreiben erleichtern. Nach Herr Badewins allgemeinem Überblick folgten einige Ausführungen von Frau Weinert.

Die Autopsie war zwar abgeschlossen, aber die nachbohrenden Fragen der Kollegen nach dem genauen Fundort der Leiche und weiteren Einzelheiten wurden mit der Begründung abgewiesen, dass keine Details bekannt gegeben werden dürften, die Täterwissen waren. So erfuhren wir nur, dass sich inzwischen bestätigt hatte, dass der Tote gewaltsam ums Leben gekommen war. Spuren am Schädel deuteten darauf hin, dass er durch einen heftigen Schlag mit einem stumpfen Gegenstand getötet worden war. Es werde in alle Richtungen ermittelt, was immer das heißen mochte.

Immerhin hatte die Obduktion das Alter des Toten recht genau eingrenzen können: Auf Grund des Zahnbefundes war er zwischen 75 und 85 gewesen. Also tatsächlich der alte Hauser? Hatte meine Mutter womöglich recht gehabt? Ich hob die Hand. Frau Weinert nickte mir huldvoll zu.

»Haben Sie schon die Vermisstenfälle in Baselreute und Umgebung überprüft, z.B. den Fall Wilhelm Hauser?« fragte ich.

Nicht nur die Blicke der Offiziellen auf dem Podium, sondern auch die aller Kollegen richteten sich auf mich. Wie schön, wenn man gute Informanten hat! Frau Weinert straffte sich, wodurch ihre Nase noch etwas höher stieg, und sah mich an, als ob sie gerade entdeckt hätte, dass unter all den grauen Ameisen vor ihr auch ein interessanter Käfer saß. Zwischen ihren Augenbrauen bildete sich eine Falte und sie spielte nervös mit ihrer Perlenkette. Offenbar gefiel es ihr nicht, wenn jemand mehr wusste, als die Polizei erlaubte. Schließlich antwortete sie: »Natürlich sind wir dabei, die Vermisstenkartei durchzuarbeiten, ob jemand zu unserem Toten passt! Bisher haben sich aber keine konkreten Anhaltspunkte ergeben. Wir müssen die DNA-Ergebnisse abwarten.«

Dann bestand also tatsächlich die Möglichkeit, dass Mutter recht gehabt hatte! Vielleicht sollte ich Frau Hauser noch einen Besuch abstatten.

Obwohl ich ja nun wusste, dass die Kommissarin auf meine Frage nicht antworten durfte, hakte ich noch einmal nach. Ihre Nase provozierte mich einfach.

»Der Tote wurde ja im Krumbacher Forst gefunden. Können Sie mir sagen, ob man ihn oben beim Bildstock oder am Hang gefunden hat?«

Die Perlen sausten schneller durch die Finger, während meine Kollegen rasch mitnotierten.

Zum Erstaunen aller setzte der Polizist neben Frau Weinert, Andreas Illig, zu einer Antwort an, bevor sie sich von ihrer Überraschung erholt hatte.

»Frau Katzenmaier«,–er erinnerte sich offenbar noch an mich–, »der Tote wurde…«