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Der dritte Band der zweiten Staffel Mordkommission Leipzig von Kirsten Wendt. Wer den Hals nicht voll genug bekommt … Kaum einer kann sich dem Charme des Ausnahmetalents Gabriel Leo entziehen. Der aufstrebende Kunststudent ist der Liebling seines Professors und ein absoluter Frauenschwarm. Auch Moko Leipzig-Kommissarin Nadja Mückenberg und ihre Freundin statten Leos Ausstellung in der Hochschule für Grafik und Buchkunst einen Besuch ab. Dabei geraten sie mitten in einen spektakulären Mordfall, der die sonst so coolen Vernissage-Besucher in Angst und Schrecken versetzt. Ein verhängnisvolles Netz aus Neid, Gier und Rachsucht stellt das Team der Moko vor ein Rätsel. Zudem lauert im Hintergrund eine tödliche Gefahr, denn jemand hat es auf Nadja abgesehen … Ein neuer spannender Fall für das sympathische Team der Moko Leipzig! Band 3 der zweiten Staffel Moko Leipzig: Blutzoll Jedes Buch der vierteiligen Reihe behandelt einen eigenständigen Kriminalfall. In Band 4 werden zusätzlich die Ereignisse aus dem Ende des dritten Romans wieder aufgegriffen. Vier Leipziger Autoren geben vier Kommissaren der Leipziger Polizei eine Stimme. Band 1: Blender von Marcus Hünnebeck Band 2: Satansbrut von David Gray Band 4: Showdown von Stefan B. Meyer
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Seitenzahl: 161
Titelseite
Inhaltsverzeichnis
Über die Autorin
Über das Buch
Impressum
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Moko Leipzig
Kriminalroman
TitelseiteÜber den AutorÜber das BuchImpressum
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Moko Leipzig
Kirsten Wendt schreibt Psychothriller, Liebesromane und Sachbücher, teils unter Pseudonym, teils unter ihrem Namen. Die gebürtige Nordfriesin hat zwei erwachsene Kinder und lebt mit ihrem Mann in Leipzig.
Wer den Hals nicht voll genug bekommt …
Kaum einer kann sich dem Charme des Ausnahmetalents Gabriel Leo entziehen. Der aufstrebende Kunststudent ist der Liebling seines Professors und ein absoluter Frauenschwarm. Auch Moko Leipzig-Kommissarin Nadja Mückenberg und ihre Freundin statten Leos Ausstellung in der Hochschule für Grafik und Buchkunst einen Besuch ab. Dabei geraten sie mitten in einen spektakulären Mordfall, der die sonst so coolen Vernissage-Besucher in Angst und Schrecken versetzt. Ein verhängnisvolles Netz aus Neid, Gier und Rachsucht stellt das Team der Moko vor ein Rätsel. Zudem lauert im Hintergrund eine tödliche Gefahr, denn jemand hat es auf Nadja abgesehen …
Ein neuer spannender Fall für das sympathische Team der Moko Leipzig!
Band 3 der zweiten Staffel Moko Leipzig: ›Blutzoll‹
Jedes Buch der vierteiligen Reihe behandelt einen eigenständigen Kriminalfall. In Band 4 werden zusätzlich die Ereignisse aus dem Ende des dritten Romans wieder aufgegriffen. Vier Leipziger Autoren geben vier Kommissaren der Leipziger Polizei eine Stimme.
Band 1: ›Blender‹ von Marcus Hünnebeck
Band 2: ›Satansbrut‹ von David Gray
Band 4: ›Showdown‹ von Stefan B. Meyer
Blutzoll - Mordkommission Leipzig Staffel 2, Band 3
© 2018 Kirsten Wendt
Alle Rechte vorbehalten
1. Auflage, November 2018
Covergestaltung: Daniel Morawek und David Gray
unter Verwendung von einem Bild von Shutterstock
www.shutterstock.com (Zoomphoto Stock)
Lektorat: Alexandra Gentara
www.lektorat-gentara.de
Herausgeber:
Kirsten Wendt-Hünnebeck
c/o Marcus Hünnebeck
Hegelstraße 11, 40789 Monheim
Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jegliche Vervielfältigung und Verwertung ist nur mit schriftlicher Zustimmung der Autoren zulässig.
Alle in diesem Roman geschilderten Handlungen und Personen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt.
Die Morgensonne fiel durch die Ritzen der Lamellenjalousien direkt auf Maik Kellers Gesicht. Er drehte sich zu seiner Verlobten Kitty um, die ihm lächelnd in die Augen schaute.
»Na, Schlafmütze?«
»Morgen«, brummte er. »Bist du schon lange wach?«
»Nee, höchstens zehn Minuten. Ich wollte dich nicht wecken, sorry.«
»Die blöde Sonne hat mich geweckt, nicht du. Wollen wir uns nicht endlich um eine vernünftige Verdunklung kümmern? Mich nervt das wirklich, erst recht, wenn ich am nächsten Tag Bereitschaftsdienst hab und dafür fit sein muss.«
»Der Dienst fängt erst morgen früh an, mach dir doch darüber noch keine Gedanken.«
Er atmete tief durch und strich mit der linken Hand über ihre Wange. Einerseits war es großartig, mit einer der heißesten Frauen Leipzigs zusammen zu sein, andererseits gab es durchaus Momente, in denen er sich eine etwas langweiligere Partnerin wünschte, die ihn nicht ständig zu Höchstleistung anspornte. Denn das tat die selbstständige Friseurin, die meist mühelos sowohl den eigenen Salon als auch ihr Privatleben im Griff hatte. Für lahmarschige Mitmenschen hatte Kitty wenig bis gar kein Verständnis. Sie war durch und durch Powerfrau.
Der Kommissar drückte ihr einen Kuss auf die Lippen. »Wenn ich mir nicht rechtzeitig Gedanken über meine nächste Schicht mache, bereue ich das spätestens morgen Nacht bitter.«
»Ach was. Sobald du auf Verbrecherjagd bist, setzt das jede Menge Adrenalin frei. Außerdem wollten wir doch heute meinen freien Tag nutzen, um die Ausstellung zu besuchen.«
Sie setzte sich auf und strich sich die langen dunklen Haare aus dem Gesicht.
»Welche Ausstellung?« Maik hielt überrascht in der Bewegung inne. Eigentlich hatte er ihr über die Brüste streicheln wollen, doch nun überlegte er fieberhaft, welchen Termin er vergessen haben könnte. Frauen verstanden bei so was keinen Spaß. Tatsächlich kniff sie die Augen zusammen und spitzte die Lippen. Das roch nach Beziehungsärger am frühen Morgen.
»Davon hab ich dir neulich lang und breit erzählt. Meine Kundin hat mir zwei Einladungskarten geschenkt für eine Kunstausstellung in der HGB. Du weißt schon, Jana Siemens, die mir unbedingt was Gutes tun wollte. Das kannst du unmöglich vergessen haben.«
»Ach, die Siemens«, sagte er nachdenklich, um Zeit zu schinden, denn er erinnerte sich kein bisschen an das Gespräch. »Das ist doch die mit den roten Haaren, oder?«
»Maik! Mann! Nie hörst du mir richtig zu! Es geht nicht um Jana Siemens, sondern um die Ausstellung heute. Ich möchte da echt gern hin, zumal uns die Karten nichts gekostet haben und es ein Buffet samt Getränken gibt. Das kann ein verdammt netter Abend werden.«
»Wenn die kleine Zwischenfrage erlaubt ist«, versuchte er schief grinsend einen Scherz, »seit wann interessierst du dich für die Hochschule für Grafik und Buchkunst? Bist du unter die Kunstkenner gegangen?«
Wütend stand sie auf und suchte auf dem Boden nach ihrem BH. Er erhob sich ebenfalls und versuchte es mit einer anderen Taktik.
»Schatz, ich störe da garantiert nur und steh blöd im Weg rum. Mit öden Statuen hab ich rein gar nichts am Hut, das weißt du doch. Muss ich echt mit?«
»Da geht es heute nicht um Statuen, sondern um Bilder und Medienkunst, aber egal. Dann bleib halt hier und schlaf für den Bereitschaftsdienst vor. Nächstes Mal erwarte ich allerdings, dass du dich auch für meine Sachen interessierst.«
Maik trat auf sie zu und nahm sie in den Arm. »Danke, Baby. Ich gelobe Besserung, versprochen. Nicht böse sein, okay?«
»Ja, okay.« Sie lächelte versöhnlich. »Ich frag eine Freundin, ob sie mitkommt. Irgendwer fällt mir schon ein.«
»Warte, ich hab eine Spitzenidee! Vielleicht hat Nadja Lust. Die hat frei und ist bestimmt froh über etwas Aufmunterung. Seit sie nicht mehr mit ihrem Barfuzzi zusammen ist, ist sie nur noch schlecht drauf. Willst du sie nicht mitnehmen?«
Er dachte an die miese Stimmung seiner Kollegin Nadja Mückenberg, die ohnehin nicht zu den humorvollsten Teammitgliedern der Leipziger Mordkommission gehörte. Seitdem sie ihrem untreuen Freund den Laufpass gegeben hatte, war sie allerdings unerträglich. Besonders sein Kollege Hubsi und sie gerieten sich bei jeder Kleinigkeit in die Haare und vergifteten die Stimmung im Polizeipräsidium.
Kitty und Nadja hatten sich beim Wave-Gotik-Treffen im Frühjahr kennengelernt und spontan gut verstanden. Zwar passte Kitty mit ihrem bevorzugten schwarzen Look besser in die Gothic-Szene, doch Nadja hatte sich erstaunlich gut angepasst. Maik war immer noch überrascht darüber. Dass ausgerechnet seine zielstrebige, niedersächsische Kollegin, die man im Job nur in Businessklamotten kannte, plötzlich in ledernen Overknees aufkreuzte und sich angeregt mit Kitty unterhielt, war in seinen Augen sensationell. Vermutlich lag es daran, dass beide Frauen gern das Ruder in die Hand nahmen und äußerst selbstbewusst auftraten.
Während Kitty in Richtung Bad verschwand, sprach sie mehr zu sich selbst als zu Maik. »Nadja verarbeitet das Ende ihrer Beziehung. Das hat nichts mit schlecht drauf zu tun, sondern mit Loslassen. So was kapiert ein Mann natürlich nicht.«
»Hey, das habe ich gehört!«, rief er ihr lachend hinterher.
»Gut so! Und: Ja, ich ruf sie an. Könnte ein netter Mädelsabend werden.«
***
Für Nadja gab es nichts Schöneres, als an einem freien Tag ihren Kaffee im Bett zu trinken und dabei am Laptop durchs Internet zu surfen. Noch besser wäre es freilich gewesen, der Kaffee würde ihr von einem Mann serviert werden, aber daran war derzeit nicht zu denken. Seitdem sie Thomas – den notorischen Herzensbrecher und Besitzer der Cocktailbar Fuchs – endgültig aus ihrem Leben verbannt hatte, gab es keinen einzigen Typen in ihrem Leben, der sie interessierte.
Klar, sie hatte sich einen einzigen Ausrutscher mit Patrick Gerber geleistet, dem Pressesprecher der Staatsanwaltschaft, aber ihre Begeisterung für ihn war so schnell abgeflaut wie sie gekommen war. Sie betrachtete die Nacht mit Patrick als One-Night-Stand, auch wenn er es wohl nicht so sah und mehr wollte. Eine Beziehung vermutlich. Besser, sie verdrängte die Angelegenheit weiterhin und konzentrierte sich auf ihren Job. Darin war sie wenigstens geübt.
Sie gehörte nicht zu den Frauen, die sich panisch an die Fersen irgendwelcher Männer hefteten, dennoch war sonst immer irgendjemand da gewesen, den sie datete, mit dem sie flirtete oder eben zusammen war. Jetzt hatte sie vorerst die Schnauze gestrichen voll und wollte sich ganz ihren Interessen und der Karriere widmen. Die Karriere lief gut, die Interessen hingegen dürften gern etwas breitgefächerter ausfallen. Nadja gestand es sich nicht gern ein, aber sie hatte noch nicht viele neue Freunde in Leipzig gefunden, und ihr alter Bekanntenkreis in Hannover schien sich langsam aber sicher in Luft aufzulösen.
Es gab zwar ihre Band Gold and Silver, mit der sie als Leadsängerin regelmäßig probte und Auftritte hatte. Aber sie war die einzige Frau in der Gruppe, was auf Dauer nervte. Außerdem gab es im Job schon genug Männer um sie herum. Zum Sport ging sie mehr oder weniger regelmäßig. Doch dort eine Freundin zu finden, war ihr bisher nicht gelungen. Lag es an ihr? Wirkte sie zu unnahbar – oder gar kühl und abweisend?
Sie nippte an ihrem Kaffee und surfte auf ihrem Lieblingsmodeblog, als das Handy klingelte. Erfreut stellte sie fest, dass es sich um Kerstin Schmidt handelte. Eigentlich ein Wunder, dass diese energiegeladene und extrovertierte Friseurin sich ausgerechnet in Nadjas eher ruhigen Kollegen Maik verliebt hatte.
Nadja fand das seltsam, aber vielleicht hatte sie auch einfach keine Ahnung von Liebe und sollte offener werden. Viel Kontakt hatten Nadja und sie bislang nicht gehabt. Ein paar nette Stunden beim Wave-Gotik-Treffen, danach zwei oder drei Nachrichten per WhatsApp, das war’s. Vielleicht entwickelte sich daraus eine Freundschaft?
»Nadja hier«, meldete sie sich. »Was für eine schöne Überraschung, Kerstin.«
»Oh, bitte nenn mich nicht so«, lachte diese. »Lieber Kitty, damit fühle ich mich angesprochener.«
»Ach ja, hatte ich vergessen. Liegt daran, dass ich dich unter diesem Namen abgespeichert habe. Also, was gibt’s?«
»Entschuldige bitte, dass ich dich schon so früh störe.«
»Du störst null«, gestand Nadja, schob den Laptop vom Schoß und machte es sich bequem. »Du hältst mich höchstens davon ab, völlig überflüssige Frusteinkäufe im Internet zu tätigen und zu viel zu essen.«
»Immer noch traurig wegen deinem Ex?«
»Kann man so sagen. Aber es wird täglich besser. Immerhin heule ich nicht mehr bei jeder rührseligen Schnulze im Fernsehen los. Dabei ist Thomas es echt nicht wert. Ich bin bescheuert.«
»Bestimmt bist du bald über ihn hinweg und findest jemanden, der dich auch verdient hat«, tröstete Kitty. »Und vielleicht findest du bereits heute Abend jemanden! Stehst du zufällig auf Künstler?«
»Ich?« Nadja lachte. »Keine Ahnung. Von Lebenskünstlern hab ich zumindest genug. Wieso?«
»Weil ich dich fragen wollte, ob du mich nachher zu einer Ausstellung in die HGB begleitest. Eine Kundin hat mir zwei Karten geschenkt. Eigentlich wollte ich Maik mitschleppen, aber der redet sich mit seinem Bereitschaftsdienst raus. Wenn du dir nicht vorkommst wie ein Lückenbüßer, wäre ich echt froh über deine Begleitung. Außerdem macht es mit dir bestimmt sowieso mehr Spaß als mit einem miesepetrigen Mann.«
Nadja brauchte nicht lange zu überlegen. »Ich muss unbedingt hier raus und aufhören, Trübsal zu blasen. Natürlich komm ich mit. Aber nicht, um einen Künstler aufzureißen, sondern um einen netten Abend mit dir zu verbringen. Danke, dass du an mich gedacht hast.«
»Ich danke dir! Toll, das wird bestimmt schön, zumal wir dort auch noch umsonst essen und trinken können.«
***
Am frühen Abend verließ Nadja ihre edle Loftwohnung in der Nonnenstraße und beschloss, zu Fuß zur Kunstgalerie zu gehen. Eine halbe Stunde an der frischen Luft würde ihr guttun, außerdem war sie sowieso viel zu früh dran und hatte sich beim Styling aufs Wesentliche konzentriert. Eine Hochschule war schließlich kein Catwalk, also entschied sie sich für Jeans, T-Shirt, Lederjacke und flache Stiefeletten. Obwohl sich das imposante Gebäude ganz in der Nähe des ihr bekannten Bundesverwaltungsgerichts befand, hatte sie noch nie einen Blick darauf geworfen. Nun war sie neugierig, als sie die weitläufige Straße erreichte, in der sich ein geschichtsträchtiges Haus neben das nächste reihte.
Die Universitätsbibliothek, das Deutsche Literaturinstitut, die Hochschule für Musik und Kunst … Sie musste Leipzig unbedingt besser kennenlernen, nahm sie sich vor. Immerhin hatte bereits Goethe in der HGB studiert.
Beeindruckt blieb sie vor den imposanten Mauern in der Wächterstraße stehen, als sie die Kunsthochschule erreichte. Auf den breiten Treppenstufen, die ins Innere führten, saßen Studenten und unterhielten sich angeregt über Dinge, von denen die Kommissarin kaum Ahnung hatte. Sicher, sie interessierte sich durchaus für schöne Gemälde und Skulpturen, verfügte über rudimentäres Grundwissen der verschiedenen Epochen – aber eine Kennerin war sie ganz gewiss nicht. Ihr Berufsleben war seit jeher bestimmt gewesen von Paragrafen, Verordnungen und bestenfalls Sport. Geistige Freiheit und die Konzentration auf schöne Dinge bedeuteten für sie Hobby und Entspannung. Etwas für nebenbei, aber nicht gewinnbringende Arbeit. Dass an diesem Ort lauter Leute versammelt waren, die hauptsächlich von und mit ihrer Kreativität lebten, wirkte fremd und faszinierend auf Nadja.
Ohne dass sie es bemerkt hatte, war Kitty hinter sie getreten und tippte ihr auf die Schulter. Erschrocken drehte sie sich um.
»Hi, da bist du ja! Wow, das ist wirklich riesig hier! Ich bin eben einmal an der Straße entlang ums Gebäude herum gegangen und echt überrascht. Wieso sehe ich das alles jetzt erst?«
»Du wirst staunen, wenn du es von innen siehst«, antwortete Kitty, die wie fast immer komplett in schwarz gekleidet war und die Augen mit einem langen Lidstrich betont hatte. »Ich hatte mal einen Ex, der hier gearbeitet hat, darum war ich früher häufiger drin. Komm, lass uns mal gucken. Hoffentlich sind wir nicht die Ältesten.«
Gemeinsam gingen sie durch die Eingangstür und betraten die helle Galerie im Erdgeschoss, in der auf Tischreihen Sektgläser und appetitlich aussehende Canapés angerichtet waren. Davor standen zahlreiche Ausstellungsgäste, teils in Schlips und Kragen, teils in Gesundheitslatschen und kurzen Hosen.
»Wir sind definitiv nicht die Ältesten«, stellte Nadja erleichtert fest, als sie den Blick durch die Räumlichkeiten schweifen ließ. Es herrschte reges und dennoch angenehm leises Treiben. »Was für eine unbeschreibliche Atmosphäre!«
»Du bist ja richtig begeistert«, staunte Kitty. »Die coole Kommissarin taut auf.«
»Ja ja, schon klar. Wieso glaubt eigentlich jeder, dass ich so fürchterlich cool bin?«
Die beiden gingen in den nächsten Raum, in dem auf einem niedrigen Podest Bilder verschiedener Größe und Machart ausgestellt lagen. Gerade wollte sich Nadja vorbeugen, um die schriftlichen Notizen neben einer Aktzeichnung zu entziffern, als Kitty sie verstohlen anstupste.
»Nicht hinsehen, aber direkt gegenüber starrt dich ein Typ total an.«
»Okay, sag Bescheid, wenn die Luft rein ist«, grinste Nadja. »Aber gib dir keine Mühe, ich möchte nicht verkuppelt werden. Zumindest noch nicht.«
»Pst, nicht so laut. Oh, er kommt. Der sieht aus wie Pierce Brosnan! Von den Augenbrauen abgesehen. Um die sollte sich mal jemand kümmern. Was für ein Gestrüpp.«
Nadja stöhnte. Das konnte nur Patrick Gerber sein. Wieso konnte sie nicht wenigstens an ihrem freien Wochenende Ruhe vor ihm haben? Es reichte doch wirklich, ihm beruflich immer wieder über den Weg zu laufen, da musste das nicht auch noch privat sein. Er war soweit in Ordnung, ein guter Typ eigentlich, doch sie hatte ihn letztendlich nur benutzt, um Thomas eifersüchtig zu machen und ihr eigenes Ego zu polieren.
Als er dann in seiner Funktion als Pressesprecher der Staatsanwaltschaft vor einigen Wochen auch noch eine Ermittlung mehr oder weniger ungeschickt behindert hatte, zog er nicht nur ihren Unmut, sondern auch noch den ihres gesamten Moko-Teams auf sich. Man konnte es drehen und wenden, wie man wollte: Sex mit Patrick war eine dumme Idee gewesen. Doch in den letzten Wochen hatte er sie in Ruhe gelassen. Ihre Freude darüber war wohl verfrüht gewesen.
»Na, das nenne ich aber eine Überraschung«, schnurrte er, als er die Frauen erreicht hatte und ihnen nacheinander die Hand reichte.
»Nadja, was verschlägt dich denn hierher? Verzeihung, ich bin Patrick.« Er lächelte freundlich, was Nadja lediglich ein distanziertes Kopfnicken entlockte.
»Hi, Patrick. Das ist Kitty, wir wollten uns nur ein wenig umschauen.«
»Dann wünsche ich euch viel Spaß. So eine Kunstausstellung in diesen Mauern hat ja ein ganz besonderes Flair.«
»Total!«, begeisterte sich Kitty euphorisch. »Ich verstehe zwar nicht viel davon, aber es ist, als ob man in eine völlig andere Welt eintaucht.«
Nadja räusperte sich. »Ja, genau. Komm, wir schauen uns erst mal weiter um.«
Sie zog Kitty mit sich und ließ Patrick stehen.
»Hast du ein Problem mit dem, oder warum bist du so unfreundlich gewesen?«, fragte Kitty.
»Kann man so sagen.« Nadja errötete leicht. »Ich war einmal mit dem im Bett, was ein Fehler war. Den wird man nicht wieder los. Mich nervt der jedenfalls ziemlich, ich hab echt keinen Bock heute auf den.«
»Okay, verstehe. Dann lass uns woanders hingehen, der glotzt dir immer noch hinterher.«
***
»Nee, oder? Da ist er schon wieder!«, stöhnte Nadja eine Viertelstunde später.
»Der ist ja echt hartnäckig. Pass auf: Ich verwickle ihn in ein Gespräch, und du haust ab in Richtung Innenhof. Da hinten musst du lang, findest du schon.« Kitty wies mit einer Kopfbewegung unauffällig auf eine offenstehende Tür.
»Danke«, flüsterte Nadja. Patrick näherte sich stetig. »Na?«, sagte sie. »Interessant hier, nicht?«
»Sehr«, bestätigte er. »Und ihr, amüsiert ihr euch gut?«
»Absolut«, erklärte Kitty. »Sag mal, hast du eine Ahnung, ob es hier auch Stipendien gibt? Ich meine für Studenten, die nicht von Haus aus das Geld haben, um sich ein teures Studium zu leisten.«
Patrick hob erstaunt die Augenbrauen. Vermutlich war Kitty eine der wenigen Personen in seinem Bekanntenkreis, die nicht studiert hatte. Was ist das denn für eine blöde Frage, schien sein Gesicht ausdrücken zu wollen.
»Entschuldigt mich bitte eben«, unterbrach Nadja. »Ich muss kurz raus. Hatte ganz vergessen, dass ein Bekannter auch hier ist und was mit mir besprechen wollte.«
Eilig huschte sie fort, während Kitty Patrick weiter nach Kunst-Stipendien ausfragte. Dieser antwortete dermaßen ausschweifend, dass sie bereits nach fünf Minuten die Geduld verlor.
»Es ist ja nicht so«, sagte er, »dass es grundsätzlich keine Möglichkeit für bestimmte Bevölkerungsschichten gäbe, eine Hochschullaufbahn anzusteuern. In Deutschland ist letztendlich alles möglich, wenn man den unbedingten Willen hat. Ich könnte dir aus dem Stand fünf konkrete Fälle nennen, in denen es ehemalige Förderschüler bis ganz nach oben geschafft haben.«
»Sorry.« Kitty verzog das Gesicht. Die Arroganz des Staatsanwaltsprechers ging ihr mittlerweile ziemlich auf die Nerven. »Ich muss rasch wohin, bin gleich wieder da«, log sie. Sie brauchte unbedingt eine Pause.
»Kein Problem«, gab er leicht pikiert zurück und schaute über sie hinweg, während sie sich aufmachte, die Toiletten zu suchen.
Aufmerksam ging sie durch die Räume und hielt die Augen nach einem WC-Schild offen. Schließlich fand sie ein Klo im Erdgeschoss. An dessen Tür hing jedoch ein »Defekt«-Schild. Verzweifelt sah sie sich um und ging in die nächste Etage. Irgendwo musste doch eins sein, verdammt noch mal. Zuerst hatte sie zwar nur eine Ausrede erfunden, um Patrick zu entkommen, doch inzwischen musste sie wirklich dringend.
»Entschuldigung«, fragte sie einen jungen Mann hinter einem zur Getränkebar umfunktionierten Tisch. »Können Sie mir vielleicht sagen, wo ich eine Toilette finde?«
»Klar, einfach hier um die Ecke, dann links, noch mal links und immer geradeaus. Kann man nicht übersehen.«
»Danke.«