Brandenburger Landschaften - Peter Frank - E-Book

Brandenburger Landschaften E-Book

Peter Frank

0,0

Beschreibung

Die lila Augen der Heide geraten ins Blickfeld. Holunderwunder werden aufgespürt. Folgen Sie uns ans Oderufer oder nach Buckow. Märkische Wanderungen leben auf, Fontane kommt ins Spiel, Kartoffeln müssen geerntet werden. Manchmal zieht ein brauner Trupp trunken nach Hause. Ein Besuch im Spreewald wird abgestattet, in den Fließen gepaddelt. Viele Gedichte zum Thema Brandenburg sind im Band zu finden. Der Doppeladler gerät in den Blick, wie er nach fremden Land giert. Zahlreiche Gedichte zur Ukraine und dem Krieg sind aufzufinden. Eine Feuerpause beschreibt ein Gedicht. Die Verlegung der Truppen aus Afghanistan kommt zur Sprache, das Mandat des Staubes. Der Vulkanausbruch auf La Palma findet in lyrischen Zeilen Ausdruck. Wie wirkt eine leer geräumte Wohnung? Welche Sorgen haben Scheidungskinder? Wie verliert man seinen schwarzen König vom Schachbrett? An das Gericht und die Hexentaufe wird erinnert. Von der alten Dorfschenke ist zu reden. Finger suchen den anderen Körper zu entziffern, elektrisieren die Sinne.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 184

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Peter Frank

Spaziergang im Januar

Gräber in Saskatchewan

Fragment

Die Verlegung

Sonett im November

Winteranfang

Dorf

Antiquariat

Georg Heyms Gedicht „Der Krieg“

Edda Gutsche

Die Heide

Kraniche

Erinnerungen

Heike Streithoff

An einem Sturmtag

Einrahmung

Verklärter Herbst

Joachim Gräber

Petzow

Verklärtes Gedenken

Versteckt entdeckt

Im Strom der Zeit

Seliges Kinderland

Carsten Rathgeber

Brachland zur Schlei

Zeiten

Klärungen

Hintertreppe

Bilanziert

Deine Lippen

nass

Über die Zeiten

Berührungen

Heimat

Sonnenblumengräber

Ein Leben

Judith Schifferle

La Durée

Nachgeschrieben

Wenn der Doppeladler uns nachspürt

Abend in den Erlen

Ingrid Ostermann

Holunderwunder

Durchs Schlüsselloch

Hanna Fleiss

Schloss in P.

Gramzow

Am Oderufer

Wüstgefallen

Buckow

Biesenbrow

Eva Joan

zerbrochen

Kristin Hogk

Göttinnen unter sich

Untergang der Farben

Christoph Schmidt

Ein Gemälde

Heimat

Was folgt

Regina Jarisch

ich setze zug um zug

Thomas Wiesenberg

Herbstlied

Abend

Gewässer

Nachtwache

Offline

Fragen

Niemandsland

Jakob Hagen

Träumereien

Magnus Tautz

Am Bogensee

Oderbruch

Mit den augen

Eilige Stille

Die Nacht

Aus Gleis eins

Volker Teodorczyk

Heimatnähe

Wolfgang Rinn

Abschied von den Worten

Andrzej Kikał

etüde in black

one wish

Esther Redolfi

Keine Resignation. Reaktion. Keine Gleichgültigkeit. Engagement. Keine Bestimmung. Entscheidung

Heide Barner

die wohnung leer gemacht

maßlos

der tag könnte draußen bleiben

jonglieren

vista mare

Andreas Pannach

Im Strahl der Äonen

Passagiere

Inversion

Jan-Gregor Göde

Der Blick aus dem Fenster

Rotmilan

Nikolaus Luttenfeldner

Buch und Regentropfen

frieden

Die Schildkröte

Josef P. Mautner

Als die Leiber der Flüchtenden

Heimatbaum Erde

Heimatlos

Flüchtend kamt ihr

Flücht’ge Wesen

Hans-Jürgen Gundlach

Die Hand

Ukraine 2022

Bettina Engel-Wehner

Der Straussee

Siegbert Dupke

Ehrenbreitstein

Achtsilbig im Erzgebirge

Chengdu

Roma, ewiges Rom

Am Rhein in Köln

Wuppertal

Strasbourg

Dortmund

Ladin, Logik, Lyrik.

Willkür

Axel Barner

Temeswar, Blicke

Herbst in Berlin

Die welken Hände rascheln

Positionsbestimmung

Jenny Kutter

Kartoffeln und so

Christian Engelken

Mehr Sein durch Scheinen. Sun City (Arizona) vs. Cité Soleil (Haiti)

Als die Krisen laufen lernten

Ulrich Straeter

vinum

An der Isenburg

Haltestelle Drostenbusch

Licht in der Finsternis

Die Raureifrose

Schreie über Zollverein

Abend im Dorf

Hinterm Rathaus

Mal Ehre - mal nicht

Fortschritt

Im Stadtpark

Abfahrt

Nichts geht über ein gutes Frühstück

Alte Dorfschenke

Gericht und die Hexentaufe

Kleiner Park im Winter

Schreie über der Stadt

Dirk Tilsner

vernetzt

Einladung zum Gericht

cake news

Märkische Wanderung

Brandenburgischer Speiseplan

zwei Grad Celsius

Luckenwalde, Bahnsteig A

Küken

Novemberregen

Thomas Steiner

heute ist der mond

die sonne scheint heute

René Oberholzer

Buckower Annäherung

Nichts Neues

Spurensuche

Sturmwarnung

Im Schwarzwald

Verschwommen

In den Nachrichten

Tröstende Worte

Angespannte Lage

Mirko Schlicht

Freier Wille

Nachtwanderung mit verbundenen Augen

Fährtenleser ohne Gewähr

Sich und alles

Lauteley

Schiffeversenken im Herbst

Liebe ist unschlagbar

: Meiner Liebs

Für alle

Sprachlos

Marko Ferst

Feuerzungen

Heißer Tag

Haiku

Szenario der Macht

Unterwegs im Vessertal

Herbstlichter

Niemandsland

Herbst am Werbellinsee

Achim Franz Willems

Das Jahr

verbunden (fragment)

Angela Schützler

Freiheit

Kommunikation im 20. Jahrhundert

Nebel

Friederike von der Pieke

Abstände

Herzenswunsch

Werner Hetzschold

Der Cottbuser Ostsee

Brandenburger Heide

Der Spreewald

Ernteeinsatz bei Templin

Klima-Wandel

Mark Brandenburger Impressionen

Mark Brandenburg

Birk Engmann

Weil du anders bist

Leipziger Herbst `21

Erich Spöhrer

Afghanistan

Die rostige Figur

Grenze

Ankommen

Asyl

Putin

Nachrichten

Segelflug

Älter

Betrachtung

Reinhard Lehmitz

Harlekine

Haiku

Es fällt sehr schwer

Alles und nichts

Blaues Glück

Frühblüher. Haikus

Trotz alledem

Im Namen der Opfer

Glaube an Frieden

Helmut Blepp

Herbst

Trauerarbeit

ICE

Besetzung

Feuerpause

Jens Gottschall

Der Münchner Zoo

Das kleine Räuchermännchen

Der Schneemann

Jürgen de Bassmann

Kennen Sie Ringelnatz?

Mit dem Kopf unter Wasser

Komm in die Provinz

Nachtgedicht

Jenny Schon

Pfaueninsel

Christian Kleinert

Notizen

Jan Dost

Der Gehstock meines Vaters

Anna Eschenhagen

Mein märkischer Fahrradhändler

Ingrid Münsch

Bahnfahrt

Dieter Küstner

Nicht nebensächlich Nebensätzliches

Das Schwarze Loch

Blindes Huhn in Not

Der Wind

Zeiten

Die Todesmelodie des Kremls

Kathrin Ganz

Spätsommerhimmel

Nachmittagsregen im frühen Frühling

Vergnügen mit Mond und Sternen

Erste Märztage

Herta Andresen

Scheidungskinder

Beobachter

Nachtigall sing

Erwartung

Panik

In stiller Trauer

Berg- und Talfahrt

Als wir jung waren

endlich

Wenn

Sehnsucht

Jahreswechsel 21/20

Antwort des Engels

Ann-Kristin Jaros

Eine Zeit

Melancholie

Warten

Helmuth Schönig

Während

Ukraine

Arno Reis

In Memoriam der ewigen Endlichkeit

Qian Jing wirbt

Brot und Salz

Aufgezwungen

Helga Thomas

Werft keine Bücher weg

Als das Herz Europas brannte

Mein linker Fuss

Wenn Kinder

Trauer und Hoffnung

Günther Mika

Am Feuer

Digitale Welt

Frühling

Am See

Frühling 2

Im alten Wald

Schizophren

Herbstmorgen

Katzen

Regentag

Seele

Winternacht

Sonnenuntergang

Zeit

Regentag

Erwin Macher

Sentimentales zum November

Die verlorenen Kinder unserer Gesellschaft

Daniela Greschke

Bist du mutig oder feige

Wer du bist

Miriam Lamberti

Du Windhund rennend

Stark wie die Bäume

Tiefe Ekstase

Im Wandel wandernd

Florian Birnmeyer

Wanderlust

Siehst du die Feder?

Tropfennasser Traum

Der Panther

Abend(b)rot

Sehnsucht

Vokalmahl

Der Schatz im Silbersee

Glatte Bettstatt

Lebenswege

Auf den Zinnen

Jan Juhani Steinmann

Vorsatz einer gefalteten Seele

Jette Lübeck

Zuckerwatte

Elbe trifft Wupper

Finger auf Körper

Monika Heil

Brandenburg - Fontaneland

Bernd Standhardt

Achtung Brandenburg

Ute Dermietzel

Winterstürme

Mars

Amputation

Einladung

Horst Krebs

Verhältniswörter unbestimmt

Wanderungen

Eine Tasse Liebe

Grenze

Eine von den Wenigen

Rosen

Für meinen Freund

… und sagen es nicht

Teilzeit

Ohne Titel

Mit Titel

Helga Loddeke

Herz der Finsternis

Freiheit 1989

Super Mercado

Playa de la Luz

Golfo de Cádiz

Dust in the Wind

Waltraut Lühe

Das Leben

Coronawolken

So schön kann nur der Frühling sein

Der alte Baum

Novembertag

Frühling

Glückliche Zweisamkeit

Der stolze Hahn

Ich will

Wolke sieben

Josef Wehinger

Ein Glücksfall

Der Ausdruck

Die innere Stimme

Friedlich wäre lieblich

Der Mammon

Schickung

Fragen ohne Antwort

Das Spiegelbild

Die Endlichkeit

Augenblicke I

Augenblicke II

Augenblicke III

Dass man sich besinne ...

Blindheit

Mensch bleiben

Tempi

Das eigene Befinden

Lebensleiter

Im Altenheim

Das letzte Hemd

Entweder - oder!

Falsches Verlangen

Gerard J. Duerschke

Weltbild. Eine Nicht-göttliche Kömödie, Teil 1-10

Nikolay Rizov

Durch die weiße Gardine des Traums

Auf meinem

Adios Gringo

Romy Leininger

Feuersäulen flammen ...

Blutmondnacht

Ama Klein

Der Bund des Lebens

Nicht gesagt

Wir sehen uns hinter dem Regenbogen

Konsequenzen unserer Entwicklung

Eckhart Kollmer

Ewigkeit

Straßenbelag

Sauwetter

Spaziergang

Inhalt

Autorinnen und Autoren stellen vor

Peter Frank

Spaziergang im Januar

Fahle, zerwirkte Eichenblätter,

als habe das Gericht des Winters

einen Aufschub gewährt.

Abseits das Gehöft.

Hunde. Bewohner.

Von wem abberufen?

Brombeergeflecht –

Fetzen einer Persenning,

verwehte Masken.

Wie Schulnoten

lasten Wolken auf den

säumigen Schreien der Krähen.

Radspuren

am Rand notiert,

Korrekturen in einem Aufsatz,

Kafkas Verwandlung,

archiviert

von der Langeweile des Sonntags.

Peter Frank

Gräber in Saskatchewan

Kinder,

lachende, spielende Kinder.

Kinder der Erde.

Entrissen

dem Herzschlag der Trommel.

Eine Busfahrt später –

nackte, geschorene Kinder.

Kinder des Teufels.

Leben, nomadisch,

den Bäumen nah,

Haare, Mokassins,

Namen, Sprache,

in einen Leinensack gestopft,

geworfen in einen Feuertopf.

Getauft. Geduscht. Nummeriert.

Geschichte,

zahnlose, demente Vettel,

das immer Gleiche stammelnd,

das immer Gleiche vergessend.

Stundenpläne die Tage,

Pferderiemen die Nächte,

die Wäschekammer der Beichtstuhl.

Wer sagt das Wort,

das eine Wort, das heilt.

Wer schreibt die Namen

ins Schuldbuch des Schweigens.

Peter Frank

Fragment

Da war noch mehr

in der Erde.

Abgeteuft

der erste Schacht.

Zechensiedlungen,

Wind,

Wäsche,

ein Opel Kadett.

In den Gesichtern

mehr als ein Leben.

Das Vereinslokal,

die Fotografien,

die Sonntage,

die Spiele im Regen.

Ein ganzes Stahlwerk

nach China verschifft.

Brachen,

Graffiti,

Staublungen,

Gräber.

Die Toten haben nie aufgehört,

über Fußball zu reden.

Peter Frank

Die Verlegung

Koffer, Schuhe

an der Mauer zum Rollfeld.

Hände, Blicke der Hirten

im Panzerglas verschwunden.

Portraits örtlicher Warlords,

Billboards der Ungläubigen,

ausgebrannte Fahrzeuge,

Wolf, Mungo,

Karnivoren

am Glutsaum der Pisten.

Kein Alter, keine Namen,

kein Alphabet in den Dörfern,

löchrige, flatternde Planen,

Blut der Gebärenden,

Bärte, Backenknochen,

die ruhigen Gesichter

an den Checkpoints

gleichen dem Land.

Land wie kein Land,

aus Steinen geboren,

von der Sonne gestillt,

begraben vom Schnee.

Geblieben

die Geduld der Gipfel,

die Gaben der Pilger,

das Haar der Frauen,

die Heiterkeit der Kamele.

Geblieben

der Wind, der Mohn,

das uralte Mandat des Staubes.

Peter Frank

Sonett im November

Überall sind die Feuer heruntergebrannt.

Bäume haben keine Schatten mehr.

Über einem öden, müden Land

Ein anderer Himmel. Wolkenleer.

Ein letzter Ruf verweht gen Süden,

Vom Wind gemartert stehen Grannen.

Astern sattgetrunken in den Krügen.

Alte Gräber eingesunken unter Tannen.

Kein Sommer wärmt für immer.

Alles habe seine Zeit –

Knospen, Laub, Tränen in den Blicken.

Still wie Staub sinkt Einsamkeit

In die schwarzen Zimmer,

Darin Uhren leise ticken.

Peter Frank

Winteranfang

Weit & leer

das schwere, schwarze

Tor.

Frost

hat die Erde

verschlossen

mit

eisigweißem Riegel.

Versteinert

die

Hügel der Maulwürfe.

Einsiedler Amsel

blickt

verschreckt in die

stille, raue Welt.

Der Weiher

wie ein zersplitterter

Spiegel,

erwürgt

das Flüstern des

Röhrichts.

Sonne

in die Gorgonenhäupter

der Bäume gehängt,

als glühte

Polyphems Auge

noch immer.

Peter Frank

Dorf

Im Kino

hörten sie den Regen.

Nur hier

gab es diese Apfelsorte.

Es gab die Post,

die Sparkasse,

die Tankstelle,

den Kolonialwarenladen.

Mit den Dingen

gingen die Worte.

Es gibt noch den Gasthof.

Astra verspricht ein Schild,

das ein letzter Nagel hält.

Es gibt die Kirche,

die Grabsteine,

grau, wuchtig,

für immer in die

Dämmerung gestellt.

Es gibt Häuser,

die Türen ausgehoben,

die Fenster blind,

in den Dächern Wolken.

Viele zogen fort,

wollten, konnten

nicht mehr leben

mit neuen Gesetzen,

dem alten Wind,

der die Flut,

die Toten bringt.

Es gab Krieg,

Frieden, Franzosen,

die Sonntagsstunden

am alten Wasserturm.

Ein paar Seelen blieben

mit den Jahren,

den Namen,

der Hoffnung.

Peter Frank

Antiquariat

Wer

schrieb diese Widmung,

unterstrich dieses Wort,

trocknete dieses Blatt,

vergaß diese Postkarte,

diesen Zigarrengeruch,

diesen Butterbrotfleck?

In die Seitengasse geduckt,

ein Fenster, eine Tür,

manchmal nur Bücher überschrieben –

Inschrift des Verschwindens.

Peter Frank

Georg Heyms Gedicht „Der Krieg“

Erneute Lektüre nach langer Zeit

Er schlief nie, ruhte aus

auf einer weißen Fahne,

sein Auge wach & klar, ein Fadenkreuz,

in seinen Tagträumen

brannten Spielzeugläden,

verstummten Marktfrauen,

vereisten Blumenstände,

floss Lava über gelbe Landkarten.

Nun steht er auf & geht mit

schweren Stiefeln, schwarzem Haupt

unter roten Drachentürmen,

an denen Fledermäuse zittern

durchs große, leere Haus,

das schwarze Blut des Mondes

tropft von seinen Händen,

die Hundemeute leckt es auf.

Die Peitsche ruft den Knecht,

der den Rappen bringt,

das wilde Maul schaumumweht,

schon sitzt er auf & haut die

Sporen in die Flanken,

als wenn er eine Trommel schlägt.

Edda Gutsche

Die Heide

Die Heide hat tausend Augen

und Adern aus Sand –

verfallene Schützengräben.

Granaten bluten unter

Katzenpfötchen und Riedgras.

Aus verflossenen Jahrzehnten

summen Geschosse wie Bienen.

Jetzt schlummert der Mittag

in den Kusseln. Der Turm

wirft einen langen Schatten,

wie ein Minutenzeiger, der

die Zeit in Intervalle teilt,

die niemand mehr zuzuordnen weiß

ob des großen Vergessens,

das nach dem Sandsturm kam.

Die Heide hat lila Augen. Lila.

Lila Braut des Septembers.

Edda Gutsche

Kraniche

Schon am Meer lief ich euch entgegen,

rufend, tanzend, und blickte euch nach,

wenn unsere Berührung vorbei

und euer Trompeten verhallt war.

Abschied vom Sommer.

Ich finde euch wieder,

über Kiefernheide und See,

über flirrendem Gold und

dem tiefen Licht des Septembers.

Mit meinem Windtuch winke ich euch nach.

Noch hat euch niemand

aus meinem Bild herausgeschnitten.

Immer kamt ihr und wecktet die Stille

vor dem großen Schlafen.

Edda Gutsche

Erinnerungen

(Am Zeuthener See)

Im Winter erzählen mir

die Seen ihr Sommerleben.

Erinnerungen unterm Eis –

im Spiegel auch ich.

Wir haben uns immer verstanden,

in der Sprache der Schwäne,

und Schilfharfe gespielt.

Wenn ich nicht mehr bin

wird mein langer Schatten

auf ihrem Wasser liegen,

damit wir ja eins sind.

Heike Streithoff

An einem Sturmtag

Wassermassen flutet Seen,

Bäche, Wegscheiden.

Flussläufe scheren aus

zweien Ufer gabeln Gassen.

Wasserwelle reißt Dörfer ins Tal.

Gewitterwand entwurzelt Land

und fällt in sich zurück.

Heike Streithoff

Einrahmung

Fast vergessen

tauchst du auf,

rüttelst mich

in einem Blick,

als gibts uns noch.

Heike Streithoff

Verklärter Herbst

Kiefernnadeln, Pfützen,

Boote geparkt.

Schwärme schießen,

Wände erkalten Luft.

Feucht unter Pflaster.

Stämme; Biber hacken.

Eichelblätterstapel,

niedere Beeren.

Rinnende eisig Flocken.

Gräser, Frösten.

Schlot schwebende

Dächer weiß.

Schneetritt auf Beeten.

Kreuze, Ackerreich,

Feder leicht Zweige.

Tannenmeere majestätisch.

Joachim Gräber

Petzow

Der Kirchturmblick, dem Wandrer durch die Mark

so recht „ein Landschaftsbild im großen Stil“,

er wirkt wie eh; und Dorf mit Schloss und Park,

auch heute manchem angesagtes Ziel,

lässt von der früh‘ren Herrschaft stolzem Bau

zur Seeterrasse hin die Schritte lenken.

Wer wird da, angesichts von Schwielows Blau,

an andres als an Ruh und Frieden denken?

Die leichte Brise beim Gestadegang,

liebkosend Wasserplan und Hügelhang,

es könnt‘ der Zephir von Arkadien sein,

wär‘ da nicht plötzlich der Erinnrungsstein:

Ein Schuss des Gutsherrn einst zerriss die Stille

an einem Ort, der nie war nur Idylle.

Joachim Gräber

Verklärtes Gedenken

Auf seiner Spur entspannt durchs Land zu streifen,

am Wanderstab von Brunn nach Neuruppin,

im Boot erkundend Schwielow und Stechlin,

lässt heut‘ noch sich Fontanes Mark begreifen.

Als Zeuge grüßt, der Zeit beredtes Siegel,

der Obelisk am Wald von Boberow,

wie auch bei Plaue, Wutz und Wuthenow

Geschichte auflebt in der Buchten Spiegel.

Dazu im Nebel, schemenhaft, Gestalten:

den Dubslav am Gestade man entdeckt,

und Quitzow, weiterhin im Schilf versteckt,

wähnt Fritz, Kurs auf die Remusinsel halten;

Glaubt mancher, trunken vom Romangeschehn,

gar Schach am toten Arm des Sees zu sehn.

Joachim Gräber

Versteckt entdeckt

Gewiss, der Landstrich ist nicht arm an Reizen,

hat Fluss und Aue, Geestrand, Wald und Flur;

doch Zielort nicht von angesagter Spur,

weiß er so recht mit seinem Charme zu geizen.

Tagtäglich Trucks am Band vorüber heizen

und schwarze Ritter, schneidig in Montur,

den Blick nach vorn gerichtet, wie sie, stur,

verpassen glatt die kleinste aller Schweizen.

Indes das Abseits sich für Streuner lohnt,

wenn Landmarkt sie mit Rokoko verbinden;

es lesbar dem Gelände innewohnt

mit Grotte, Löwen, Sandsteinuhr und Linden.

Der, dem beim Gang ein Menuett erklingt,

der Tauchzug in die Zeit perfekt gelingt.

Joachim Gräber

Im Strom der Zeit

Zum Ziel am Steuer auf der Dickschifftrasse

inmitten der Geschwader Blech und Chrom;

die anderen, ein anonymer Strom,

ermahnt, bei Stau zu bilden Rettungsgasse.

Mal Überholen, mal Dahinterhängen,

im Abstand stets zu breiter Brummer Spur

und, hart am Rand geschundener Natur,

wo für den Neubau Strecken sich verengen.

Bis, unweit der Motorenwelt Gedröhn‘,

im Abseits schlummernd seit Dornröschens Tagen,

dir, Musensohn, winkt endlich dein Gebiet.

Dem Höhenzug, bewaldet, einsam, schön,

bizarre Klippen dann und wann entragen:

war Himmelsschlüssel doch die Fahrt zum ITH?

Joachim Gräber

Seliges Kinderland

waren die Großen Ferien am Wohnort der Großeltern,

Streusandbüchse an einem Kranz von Seen,

wo Schmackeduzien blühen und Ebereschen stehen in Alleen.

Das leuchtende Rot der Vogelbeeren, der Duft aus einer Bäckerei,

die Torbögen zu den Innenhöfen, der Holunderbusch vor dem Haus,

noch immer stets präsente Wegmarken im Netz der Erinnerung.

Nahebei die Längsparzelle Gartenlust lieferte,

Obst für das tägliche Kompott und sorgte

für den obligatorischen Pflaumenkuchen zu Opas Geburtstag.

Spannung allmorgendlich vor dem Frühstück:

im Hühnerstall die Leiter hinauf und mit ausgestreckter Hand

im Nest die Wärme der neu gelegten Eier fühlen.

Als Robinson und Irokese streunend am Seeufer.

Der Schatten an der Badestelle hielt per Foto die Zeit fest,

bezeugt, dass einst der Vater dem Sohn den Strand seiner Kindheit zeigte.

Carsten Rathgeber

Brachland zur Schlei

(Erinnerung an 1920)

Ruhe auf der See

Urplötzlich flattert ein Schwan

Läuft, fliegt, steigt, enteilt

Stimmen auf den Märkten

Auf den Straßen, beim Bäcker

Schlagzeilen, Verlautbarungen

Reden für das Nationale

Lesen zwischen den Zeilen

Ermahnungen beim Schuster

Schweigen in Kirchenkreisen

Grenzfrieden und Konflikte

Identitäten im Brachgelände

Zwischen Sonderburg und Flensburg

Fahnen flattern um Aperade

Filigrane Argumente

Überall laute Gesänge

Plakate

Beschmierte Wände

Verschwundene

In der Nachbarschaft

Verhöre

Verständigungen im Keller

Seid wachsam

Versteht die Wörter

Lernt die Sprachen

Bedenkt die Lage

Achtet auf euch

Es drängt

Gepackte Bündel

Kleidung und Briefe

Geld und Dokumente

Carsten Rathgeber

Zeiten

Zwischen den Takten, den Bassschlägen

Mischen sich Gefühle und Bilder

Blitzt Ewiges in Versprechungen

Leuchten Farben und unsre Körper

Überall sind da Berührungen

Das Ich zittert an Grenzen

Jongliert mit Eifersucht

Zerfressenen Herzen

Und ewiger Sehnsucht

Denke und gebe acht

Lebe ohne Versprechen

Mein Kompass wirbelt in Kreisen

Ich verwisch im Sand die Spuren

Fall durch die Wand in die Farben

Und beginne meine Reise

Carsten Rathgeber

Klärungen

Metall fällt mit Gewicht

Rotes Licht strömt wie Blut

Aus gebrochenen Spiegeln

Protest in Gesichtern

Philosophie der Täter

Nach dem Sturm, dem großen Krawall

Rauch und Geschrei hängen noch in der Luft

Beginnt mit dem Zählen der Toten

Der Betrachtung der Videos

Die Auflösung verfehlter Mythen

Die Klärung ungeklärter Sprüche

Eine Besinnung auf die Fakten

Vom Glauben ergänzt

Schwebt die Vernunft nur leise

Die Wahrheit ist nicht scheinbar

Von Gefühlen verziert

Führt das Wollen zur Reise

Jedoch die Kriege wuchern täglich

Durchziehen die Straßen

Wandern in die Herzen

Die Regen werden stärker

Der Straßenstaub wärmer

Wie Laub fällt weißes Pulver

Im Winter sprüht Feenstaub

Carsten Rathgeber

Hintertreppe

Ich steig über die Treppe zur hinteren Tür

Allein wie aus einer Steppe ohne Gebühr

Spüre die Dauer der Generationen

Trag den Alp der Schauer ewiger Geschichten

Blicke und Gespräche ranken sich wie Wellen

Gemäß dem Leib, den Landschaften und Gefühlen

Kreisen um Identitäten und Stimmungen

Tragen fragile Bilder und Empfindungen

Das eigene Selbst treibt beinah wie Holz im Meer

Bilder gleichen Berührungen, zärtlich und fair

Folgen den Wolken, den Winden und unsrem Blut

Oftmals schüchtern und verzagt, doch wohl auch mit Mut

Deine Wörter binden, klammern unsre Welten

Umkleiden mein Flattern, Zittern, dieses Suchen

Deine Sätze lösen auf das ewig Vage

Münden in unsre seltsam schwebende Lage

Ich höre Klänge und dieses eine Singen

Ein Trommeln, ein Wollen, Leben zu beginnen

Zwischen Nebel und fahlen Lichtern die Tage

Plötzlich helles Licht, beginne es, oh wage

Carsten Rathgeber

Bilanziert

Die Tage sind längst gezählt

Die Zahl ist uns unbekannt

Meine Muster sind erkannt

Und die Lieder sind gewählt

Deine Fragen intensiv

Ein Ringen um Deutungen

Ein Selbst trotzt den Häutungen

Provokationen tief

Alte Gerüche im Stall

Krummes erkannt vom Lot

Dazu ein Griebenschmalzbrot

Eine Schuld beim alten Wall

Löwenzahn den Boden bricht

Die Spatzen diskutieren

Hunde haben ihr Gewicht

Und Träume fabulieren

Carsten Rathgeber

Deine Lippen

War es ein Zufall, als wir uns trafen

Im Mund ein Geschmack von seltener Süße

Deine Freundlichkeit überwältigend

Aber unser Gespräch verstummte

Später suchten sich unsre Körper

Zu Kaffee und Ei mögen wir Bratkartoffeln

Deine Lippen schmecken wie süße Buttermilch

Carsten Rathgeber

nass

nass auf dem rettenden ufer

ich denke an wellen und blitze

spüre meine sehnsucht

ein blick ins ungefähre

in die blau-grüne tiefe

sehe deinen leib und frohlocke

spüre meine angst und zittre

Carsten Rathgeber

Über die Zeiten

Auf der Suche nach Nähe

Nach Erklärungen

Verwoben mit Wörtern und einem Glück

Das am Rande lebte, suchte

Nach einem Ausdruck

Nach einer Geste, einem Blick

Verstrickt in Geschichten

In Bildern ewiger Vergeblichkeit

Zwischen Augenblick und Vergänglichkeit

Berührt von Leere und Schmerz

Ängstlich nah an Schuld

Blieb das Unvollkommene

Bleibt der Schein der Sterne

Erklingt ein ferner Klang

Ein Ton erhabener Geduld

Im Spiel der Bewegungen

Hör ich deine Melodie

Carsten Rathgeber

Berührungen

Im Trippelschritt auf Zehenspitzen

Entlang von Linien über Kieselsteine

Durch schäumende Wellen zum Meer

Seitlich Meerespflanzen, Quallen, Krebse

Stacheln, ein Seesternchen, Farne

Bläuliche Wellen mit Kronen

Später ein Aal, Sprotten und Tintenfische

Ein Kitzeln an der Fußsohle

Strahlende Augen

Glucksen, Lachen

Carsten Rathgeber

Heimat

Früh im Garten

Ein Moment von Stille

Vogelgezwitscher, feuchter Grasboden

Ein Dabeisein

Beinah ein Gefühl von Gemeint-Sein

Ein Moment von Heimat

Carsten Rathgeber

Sonnenblumengräber

Filigrane Lebensentwürfe

Gemäß der Freiheit der Tänze

Beleben Märkte und Straßen

Zu musikalischen Klängen

Gleißendes Licht in Nächten

Vergebliche Gewissheiten

Der Knechte der Entseelten

Freiheitsloser Tyrannen

Spielball fremder Interessen

Strategischer Visionen

Die Maskierten bestimmen

Die Wahrheit, die Geschichten

Doch die Taktiker des Krieges

Verloren im Schlamm des Landes

Unzulängliche Maschinen

Metalle explodieren

Raketenwerfer in Scheunen

Trecker fahren über Wiesen

Züge transportieren Weizen

Die Vergessenen fliehen

Geronnenes Blut der Helden

Verstreute Asche auf Höfen

Nun erklingen die Seelen

Der Kinder und Verfolgten