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Mamma Carlotta probiert das Speed-Dating – jede Menge Trubel garantiert! Mamma Carlottas Enkelin Carolin ist endlich zurück in ihrem Elternhaus, was für ein Glück! Dass sie neuerdings als Reporterin die Insel unsicher macht, führt jedoch zu Reibereien mit Vater Erik, seines Zeichens Kriminalhauptkommissar von Sylt. Er lässt sich ungern in die Karten schauen, erst recht nicht bei einem Leichenfund in der Heide. Doch ausgerechnet seine neugierige Schwiegermutter Carlotta findet heraus, dass ein verschwundenes Gemälde eine Rolle zu spielen scheint. Nicht umsonst kennt sie auf der Insel Hinz und Kunz. Damit das so bleibt, überredet Carolin ihre Oma zu einem Speed-Dating – mit Folgen! Auf einmal hat es Mamma Carlotta nicht nur mit einem neuen Verehrer zu tun, sie muss sich auch auf ordentlich Breitseite einstellen … Mamma Carlottas 18. Fall auf Sylt! Diese Bände der Reihe sind bereits erschienen: - Band 1: Die Tote am Watt - Band 2: Gestrandet - Band 3: Tod im Dünengras - Band 4: Flammen im Sand - Band 5: Inselzirkus - Band 6: Küstennebel - Band 7: Kurschatten - Band 8: Strandläufer - Band 9: Sonnendeck - Band 10: Gegenwind - Band 11: Vogelkoje - Band 12: Wellenbrecher - Band 13: Sturmflut - Band 14: Zugvögel - Band 15: Lachmöwe - Band 16: Schwarze Schafe - Band 17: Treibholz - Band 18: Breitseite
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Seitenzahl: 581
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Cover & Impressum
1 – Carlotta Capella war …
2 – Erik wechselte gerade …
3 – Carolins Haare waren …
4 – Sören drückte aufs …
5 – Carolin hatte tatendurstig …
6 – Erik und Sören …
7 – Mamma Carlotta ärgerte …
8 – Während Erik auf …
9 – Während sie zum …
10 – Eriks Handy klingelte …
11 – Schon wieder Ärger! …
12 – »Wohin zuerst?«, fragte …
13 – »Wie soll ich dir …
14 – Der Bahnweg war …
15 – Mamma Carlotta hatte …
16 – Sie bogen in …
17 – Nach Eriks Verschwinden …
18 – Sie hatten nicht …
19 – Am nächsten Tag …
20 – Vetterich hatte sich …
21 – Mamma Carlotta war …
22 – Erik war zu …
23 – Tove Griess war …
24 – »Was du heute …
25 – Mamma Carlotta war …
26 – Erik blickte auf …
27 – Mamma Carlotta hatte …
28 – Erik erwachte früh …
29 – Mamma Carlotta fühlte …
30 – »Das muss die …
31 – Mamma Carlotta merkte …
32 – Die Staatsanwältin meldete …
33 – Mamma Carlotta verließ …
34 – Die schlechte Stimmung …
35 – Mamma Carlotta war …
36 – Erik überquerte die …
37 – Alf Kruskopp kam …
38 – Diesmal wollte sogar …
39 – Ein Stöhnen war …
40 – Das Weinparadies schloss …
41 – Es war still …
42 – Erik sah auf …
43 – Sie hatten sich …
44 – Erik bog hinter …
45 – Mamma Carlotta war …
46 – Der Lieferwagen der …
47 – Mittlerweile war es …
48 – Sie standen vor …
49 – Mamma Carlotta trottete …
50 – Erik ging zum …
51 – Mamma Carlotta lehnte …
52 – Warnfried Bakker öffnete …
53 – Carlotta drückte die …
54 – »Und?«, fragte Sören …
55 – Sie wollten sich …
56 – Sören stieß die …
57 – Mamma Carlotta merkte …
58 – Als die Galerie …
59 – Mamma Carlotta schaute …
60 – Erik stieg aus …
61 – Am folgenden Morgen …
62 – Erik lief aus …
63 – Mamma Carlotta stand …
64 – Kaum war er …
65 – Als Mamma Carlotta …
66 – Warnfried Bakker schimpfte …
67 – Der Schrei kam …
68 – Es standen mehrere …
69 – Mamma Carlotta lief …
70 – Der Nachmittag zog …
71 – Mamma Carlotta bog …
72 – Der Spätnachmittag ging …
Rezeptanhang
Panini al rosmarino e formaggio (Rosmarinbrötchen mit Käsecreme)
Pancotto (Brotsuppe)
Petti di pollo con finocchi al gratin (Hähnchenbrust auf Fenchelgratin)
Crema al mascarpone (Mascarponecreme)
Pomodori gratinati (Gratinierte Tomaten)
Fettuccine con zucchini e basilico fritto (Fettuccine mit Zucchini und gebratenem Basilikum)
Casseruola toscana con pesce e verdure (Toskanische Fisch-Gemüse-Kasserolle)
Gnocchi dolci »Nicoletta« (Süße Gnocchi »Nicoletta«)
Inhaltsübersicht
Cover
Textanfang
Impressum
Carlotta Capella war immer als Erste auf den Beinen. Das war in ihrem Heimatdorf so und auf Sylt nicht anders. In Umbrien sorgte sie dafür, dass ihre Enkel mit viel Großmutterliebe auf den Weg zur Schule geschickt wurden und dass ihre erwachsenen Kinder und Schwiegerkinder sich außer dem obligatorischen Espresso auch mindestens ein paar Kekse gönnten. Auf Sylt versuchte sie, die Rolle ihrer verstorbenen Tochter einzunehmen, also darauf zu achten, dass ihr Schwiegersohn Erik rechtzeitig aufstand, die Kinder pünktlich aus dem Bett kamen und alle ein ausgiebiges Frühstück zu sich nahmen, wie es in Deutschland üblich war. In Italien reichten zwei, drei Zwiebäcke, aber Lucia hatte, nachdem sie Erik an die kalte Nordsee gefolgt war, schnell gelernt, dass hier ein Frühstück anders auszusehen hatte. Wenn sie später mit den Kindern nach Italien zu Besuch gekommen war, wollte sie mit einem Mal auch Käse und Mortadella zum Frühstück essen und manchmal sogar Haferflocken und frisches Obst.
Mamma Carlotta klapperte besonders laut mit dem Geschirr, damit Erik in der ersten Etage hören konnte, dass es Zeit wurde, zum Dienst aufzubrechen, und auch Carolin aus den Federn kam. Seit sie beim Inselblatt arbeitete, stand sie erst spät auf, weil ihr Chefredakteur angeblich auch nie vor zehn in der Redaktion erschien. Und Felix hatte sein Abitur bestanden und begann seinen Tag zurzeit immer erst gegen Mittag. Da konnte sie noch so laut mit Tellern und Tassen scheppern. Allerdings, das musste seine Nonna zugeben, arbeitete er bis in den späten Abend hinein in der neuen Pizzeria, da musste man ihm wohl zubilligen, dass er morgens länger schlief als alle anderen. Das einzige Lebewesen, das Carlotta mit ihrem Lärm aufgeschreckt hatte, war Kükeltje, die schwarze Katze der Wolfs, die verschlafen in der Küche erschien und sich ausgiebig dehnte, bevor sie sich daranmachte, die Frühstücksvorbereitungen zu inspizieren. Sie wusste, dass am Morgen Schinken fürs Rührei gewürfelt wurde und immer ein bisschen für sie abfiel.
Nachdem sie den Tisch gedeckt hatte, legte Carlotta die Brötchen in den Backofen, damit sie später warm und knusprig auf den Tisch kamen, und holte Butter, Marmelade und Käse aus dem Kühlschrank, dazu die Eier, aus denen sie ein Rührei zaubern würde. Ihr selbst drehte sich ja der Magen um, wenn sie der Völlerei am frühen Morgen zusah, aber Lucias Familie war nun einmal daran gewöhnt, also musste alles so bleiben, wenn die Nonna die Mutter ersetzte.
Sie öffnete noch einmal die Kühlschranktür, weil sie den Schinken vergessen hatte, woran Kükeltje sie mit einem kläglichen Maunzen erinnerte. »D’accordo!«
Lächelnd schnitt sie einen Streifen für die Katze ab, ließ ihn über ihrer Schnauze baumeln und lachte, als Kükeltje ihn sich holte und so schnell verspeiste, als hätte sie Sorge, man könne ihr die Beute wieder streitig machen.
Von draußen drang Gepolter herein. Eine Leiter war an die Hauswand gefallen, kurz darauf erschienen zwei Füße in derben Arbeitsschuhen vor dem Küchenfenster.
Mamma Carlotta lief zur Haustür und riss sie auf. »Signor Mattes! Schon so früh bei der Arbeit?«
Der Dachdecker sah von oben auf sie herab. »Acht Uhr ist Arbeitsbeginn. Völlig normal.«
»Naturalmente! Haben Sie denn schon gefrühstückt?«
Mamma Carlotta hatte gleich am ersten Tag eine längere Plauderei mit Peer Mattes begonnen, der das Dach des Hauses auf Vordermann bringen sollte, und alles erfahren, was sie wissen wollte. Das gehörte zu ihren besonderen Eigenschaften. Sie selbst nannte ihre Fähigkeit, andere dazu zu bringen, ihr Herz auszuschütten, freundliche Zuwendung, aber es gab durchaus Menschen, vor allem auf Sylt, die von Neugier redeten und sich nicht ausfragen lassen wollten. So war es in den ersten Stunden auch bei Peer Mattes gewesen, der sich im Ergebnis aber dann doch nicht hatte entziehen können und der Schwiegermutter seines Auftraggebers ausführlich erzählte, dass seine Frau krank und zurzeit in Kur sei. Natürlich hatte Mamma Carlotta auch erfahren, wie schwierig es für den Dachdecker war, neben seinem Beruf den Haushalt und seinen Sohn zu versorgen. Dieser Sohn war zwar schon achtzehn, ein Freund von Felix, der ebenfalls gerade das Abitur bestanden hatte, aber Mamma Carlotta sah ohne Weiteres ein, dass auch ein Kind im Erwachsenenalter noch liebevolle Betreuung gebrauchen konnte.
»Ja, ja«, brummte Peer Mattes zurück. »Ich habe schon was im Magen.«
Aber Carlotta hatte bereits am Tag zuvor aus ihm herausgefragt, wie das aussah. Im Stehen ein Kaffee und im Weggehen eine Scheibe Brot, manchmal auch beim nächsten Bäcker ein belegtes Brötchen. Ein unerträglicher Gedanke, dass die Familie Wolf im Haus ein gemütliches Frühstück einnahm, während jemand auf dem Dach einer schweren Arbeit nachging, ohne dass er vorher für die nötige Stärkung gesorgt hatte.
»No, no«, gab sie zurück. »Sie müssen erst etwas Richtiges zu sich nehmen. Ich habe schon für Sie gedeckt.«
Das stimmte nicht, ließ sich aber schnell nachholen, sodass aus der frommen Lüge im Nu Wahrheit geworden war. »Der Mitarbeiter meines Schwiegersohns wird auch gleich da sein.«
Das stimmte auf jeden Fall. Sören Kretschmer hatte sich längst angewöhnt, jede Mahlzeit im Hause seines Chefs einzunehmen, wenn dessen Schwiegermutter zu Besuch war. Gelegentlich fühlte er sich bewogen, diese Sitte infrage zu stellen, um dann zu hören zu bekommen, dass er selbstverständlich erwartet wurde und Mamma Carlotta tödlich beleidigt wäre, wenn er sein Frühstück woanders einnähme. Dann ließ er sich immer besonders zufrieden am Tisch nieder und genoss alles, was sie ihm vorsetzte. Bis zum nächsten Mal, wenn er erneut so tat, als wäre es ihm unangenehm, sich von der Schwiegermutter seines Chefs beköstigen zu lassen.
Erik wechselte gerade vom Bad ins Schlafzimmer, um sich anzuziehen, als er hörte, dass die Haustür ging. Die tiefe, ruhige Stimme, die kurz darauf ertönte, gehörte nicht Sören, also hatte seine Schwiegermutter mal wieder den Dachdecker ins Haus geholt. Sie gab ja keine Ruhe, wenn sie von einem Menschen wusste, dem es an Zuwendung fehlte, vornehmlich von einem Mann, der ohne weibliche Betreuung auskommen musste. Sie machte es hier einfach genau wie in ihrer Heimat, wo es jedoch üblicher war als auf Sylt, dass ein Postbote einen Espresso bekam, wenn er besonders viele Briefe ablieferte, oder die Männer der Müllabfuhr auf ein kaltes Getränk an die Haustür gebeten wurden. Peer Mattes, der Dachdecker, würde sich vermutlich nicht entziehen können, denn er war überdies der Vater von Felix’ Freund, fiel damit in die Kategorie der guten Bekannten und hatte sich so gewissermaßen den Anspruch erworben, neben seiner Arbeit auch noch beköstigt zu werden. Dass Peer Mattes das ganz anders sah, wusste Erik genau, und dass dem Mann die Fürsorge seiner Schwiegermutter oft ganz schön lästig war, ebenfalls. Aber so viel sich Mamma Carlotta auch auf ihr Fingerspitzengefühl einbildete, es versagte vollkommen, wenn sich jemand ihrer Bemutterung entziehen wollte.
Erik kontrollierte im Spiegel sein Erscheinungsbild, strich sich den Schnauzer glatt, auf den er immer große Sorgfalt verwendete, und fuhr sich durch die Haare, ohne danach jedoch zufriedener zu sein. Er zog den Bauch ein, weil seine Jeans ihn drückte. Hatte er etwa schon wieder zugenommen? Himmel, er musste endlich Sport treiben! Wie lange nahm er sich das schon vor! Er betrachtete sein Profil und stellte erschrocken fest, dass sein Bauch sich über den Gürtel wölbte, den er durch den Bund der Jeans gezogen hatte. War das gestern auch schon so gewesen? Entschlossen öffnete er den Schrank erneut und holte einen seiner geliebten Pullunder heraus, einen, den noch Lucia für ihn gestrickt hatte, marineblau mit roten und weißen Querstreifen über der Brust. Noch war es ja kühl, Wolle auf Brust und Rücken konnte nicht schaden. Und der Pullunder verdeckte wunderbar die Stelle, an der sich sein Bauch zeigte.
Er ging die Treppe hinab und begrüßte den Dachdecker, der gerade aus seinen schmutzigen Schuhen stieg. »Moin, Herr Mattes. Wie geht’s?«
Ein unverständliches Brummen war die Antwort, völlig normal für einen Friesen, von dem Erik keine ausführliche Beschreibung seines Gemüts- und Gesundheitszustandes erwartet hätte.
Sören Kretschmer erschien wenige Minuten später. Die Melodieklingel der Familie Wolf, die seit ein paar Jahren jeden Besucher erfreute, kündigte ihn mit dem Marsch Alte Kameraden an. Eine Melodie, die Sören unbekannt war. In seiner Generation kamen Marschmusik und die Verherrlichung des Kameradentums nicht mehr vor.
Er war um einiges jünger als Erik, viel schlanker und viel sportlicher als er. Sören besaß aus Überzeugung kein Auto, fuhr jede Strecke mit seinem Rennrad, joggte regelmäßig und war so fit, wie Erik gern wäre. Seinem Mitarbeiter fühlte Erik sich nur in einer Sache überlegen: Sein drahtiger Haarschopf war noch so dicht wie eh und je. Sören dagegen hatte dünnes blondes Haar, das schon schütter wurde, mit Geheimratsecken und einer lichten Stelle auf dem Kopf. Wenn seine Haare vom Wind zerzaust waren, sahen sie aus wie Glaswolle.
Sören wunderte sich nicht, dass der Dachdecker wie am Tag zuvor auch an diesem Morgen am Tisch hockte. Er setzte sich zu ihm und strahlte Mamma Carlotta an. »Soll ich Ihnen beim Schinkenwürfeln helfen?«
Aber wie erwartet wehrte sie ab. Hilfe in der Küche war ihr meist nur lästig. Menschen mit vorgeblich helfenden Händen standen ihr im Weg, fragten zu viel und machten dann doch alles falsch.
An ihr Tempo kam sowieso niemand heran. Der Schinken wurde in Rekordzeit gewürfelt und brutzelte schon in der Pfanne, als Erik noch nicht von der Sorge befreit war, seine Schwiegermutter könnte sich einen Finger amputieren. Meistens sah er einfach nicht hin, wenn sie in mörderischem Tempo mit einem scharfen Messer hantierte. Erstaunlich, dass so selten etwas passierte. Trotzdem kontrollierte er jedes Mal, wenn Mamma Carlotta auf Sylt erwartet wurde, die Vollständigkeit seines Erste-Hilfe-Koffers. Sicher war sicher.
Peer Mattes war schnell mit dem Rührei fertig, bedankte sich und verkündete, dass es nun Zeit würde, an die Arbeit zu gehen. »Die macht sich schließlich nicht von allein.«
Er verließ das Haus in Kükeltjes Begleitung, die, seit Peer Mattes auf dem Dach des Hauses arbeitete, stundenlang am Fuß der Leiter stand und staunend nach oben blickte. So, als bewunderte sie den Dachdecker für seinen Mut, den sie selbst offenbar nicht aufbrachte.
Mamma Carlotta sah ihm mit gerunzelter Stirn nach. »Ich glaube, es geht ihm nicht gut. Er wird doch nicht krank werden?«
Erik zuckte mit den Schultern. Ihm war nichts aufgefallen. Peer Mattes war so wortkarg wie immer gewesen, warum Mamma Carlotta also glaubte, dass sein Gesundheitszustand heute anders war als gestern, blieb Erik schleierhaft. Und wenn er ehrlich war, interessierte ihn daran auch nur, ob die Dachsanierung weitergehen konnte, wenn Peer Mattes sich mit Grippe ins Bett legte. Vor dem nächsten Winter sollte sein saniertes Dach eine optimale Dämmung erhalten haben, damit er Heiz- und Energiekosten sparen konnte.
Er besprach mit Sören die Arbeit, die an diesem Tag anstand, und freute sich mit ihm zusammen darüber, dass es zurzeit kein Kapitalverbrechen gab, das sie voll und ganz in Anspruch nahm. Ein bequemer Tag im Polizeirevier erwartete den Kriminalhauptkommissar und seinen Mitarbeiter. Sie konnten sich viel Zeit beim Frühstück lassen und würden zum Mittagessen wieder im Süder Wung erscheinen können.
In der ersten Etage klappte eine Tür, Carolin war aufgestanden. Dass sie ihre Hotellehre vor der Abschlussprüfung aufgegeben hatte, bedrückte Erik noch immer. Und dass sie sich ausgerechnet entschlossen hatte, ein Volontariat beim Inselblatt zu machen, war ihm ein echtes Ärgernis. Den Chefredakteur Menno Koopmann hatte er noch nie leiden können, aber nun würde er ihm wohl konziliant begegnen müssen, weil er der Chef seiner Tochter geworden war. Wirklich höchst unerfreulich!
Er stieß Sören an. »Komm, lass uns gehen. Wir könnten uns heute mal um die Ablage kümmern.«
Die Haustür war schon hinter ihnen ins Schloss gefallen, sie gingen auf Eriks Auto zu, als sein Handy klingelte und sich die Sache mit dem bequemen Arbeitstag kurz darauf erledigt hatte …
Carolins Haare waren noch feucht, als sie sich an den Frühstückstisch setzte, ihr Gesicht glänzte, die Wangen waren rosig. Sie sah frisch und unternehmungslustig aus.
Mamma Carlotta betrachtete ihre Enkelin zufrieden. »Macht dir die Arbeit fürs Inselblatt Spaß?«
Carolin biss in ihr Brötchen und kaute, während sie antwortete: »Mehr als die Arbeit im Hotel.«
»Und Menno Koopmann? Dein Vater kann ihn nicht leiden. Er sagt, der Chefredakteur ist ein unangenehmer Mensch.«
»Stimmt. Aber er lässt mich einfach machen, und das gefällt mir.«
»Du bist eine Volo … Volon … come si dice?« Sie wartete Carolins Antwort nicht ab. »Ein Lehrling. Du musst erst lernen, wie eine Giornalista zu arbeiten hat.«
»Learning by doing.« Erklärend fügte Carolin an: »Einfach machen, dann lernt man am schnellsten und besten. Das meint Koopmann jedenfalls.«
Mamma Carlotta saß kopfschüttelnd da. Einfach machen lassen? Das konnte sie sich nicht vorstellen. Ließ man einen Schneiderlehrling einen Saum nähen, wenn er es noch nicht gelernt hatte? Oder einen Schreinerlehrling mit dem Hobel umgehen, der nicht wusste, was man damit alles falsch machen konnte? No!
»Heute soll ich über das neue Speeddating berichten.«
Schon wieder ein englischer Begriff? Mamma Carlotta runzelte ärgerlich die Stirn. »Was soll das nun wieder heißen?«
»Speeddating für reife Singles!« Carolin strahlte, als hätte sie damit irgendetwas erklärt. »Unter den Touristen auf Sylt gibt es viele Singles über fünfzig.« Nun schien sie zu merken, dass ihre Großmutter ärgerlich wurde. »Nonna, das gibt es in Amerika schon lange. Speed heißt Schnelligkeit und Dating … da lernt man sich kennen, man trifft sich, verabredet sich. Du würdest vermutlich Rendezvous sagen. Oder Appuntamento.«
»Appuntamento veloce?«
Carolin wurde nun geschäftsmäßig. »Also, beim Speeddating kann man an einem einzigen Abend gleich mehrere Leute kennenlernen, mögliche Partner, verstehst du?«
Nein, Mamma Carlotta verstand kein Wort. »Cosa si può fare?«
»Ein Mann und eine Frau können sich sieben Minuten lang unterhalten, dann wird gewechselt. Ehrlich, Nonna, man merkt doch im Grunde schnell, schon in den ersten fünf Minuten, ob man sich in einen Typ verknallen könnte oder nicht. Aber bei einem normalen Date musst du noch den ganzen Abend mit dem Kerl in der Bar hocken und hinterher womöglich lange erklären, warum du ihn nicht noch einmal daten willst. Speeddating ist unverbindlich, und vor allem lernst du an einem Abend gleich ein Dutzend Männer kennen. Die, die dir nicht gefallen, hakst du ab, ohne Erklärungen abgeben zu müssen. Und wenn dir einer gefällt, kannst du dich noch einmal mit ihm verabreden.« Carolin lachte in das konsternierte Gesicht ihrer Großmutter. »Wenn du dir einen neuen Fernseher kaufst, schaust du dir doch auch erst alle Modelle an, die infrage kommen, und vergleichst einen mit dem anderen. Was spricht dagegen, es mit einem möglichen Partner auch so zu machen?«
Nach Mamma Carlottas Meinung sprach eine Menge dagegen, aber sie ahnte, dass ihre Ansichten altmodisch genannt werden würden, und schluckte sie deshalb hinunter. »Und wie geht so was?«
»An sieben Tischen sitzen sieben Frauen. Sieben Männer setzen sich zu jeweils einer von ihnen, und dann haben die beiden sieben Minuten Zeit, sich kennenzulernen. Danach wird gewechselt, die Männer rücken zur nächsten Frau vor. Am Ende kann sich jeder überlegen, ob er an einem der sieben möglichen Partner Interesse hat. Wenn einem jemand gefällt, kreuzt man denjenigen auf einem Fragebogen an. Matcht es …«
»Matsch?« Mamma Carlotta war entgeistert. »Fango?« Was sollte das nun wieder?
»Matchen heißt, dass es Übereinstimmungen gibt, dass auch der andere Interesse hat. Und dann organisieren die Veranstalter ein Folgedate. Ansonsten braucht man sich keine Gründe zu überlegen, warum man ein Date nicht fortsetzen will, warum man jemanden nicht wiedersehen will, warum man die eigene Telefonnummer nicht rausrücken will. Ist doch super!«
Mamma Carlotta nickte zwar, hätte aber lieber den Kopf geschüttelt. Wenn sie an ihre Jugend dachte, fand sie die Art und Weise, wie man sich damals kennenlernte und wie Beziehungen zustande kamen, wesentlich spannender.
»Vor allem für ältere Leute«, fuhr Carolin fort, »die keine Zeit mehr zu verlieren haben. Die wollen sich nicht mehr in einen Partner vergucken, der in Wirklichkeit gar keine feste Beziehung haben will. Die wollen jemanden kennenlernen, der die gleichen Vorstellungen hat. Alles andere wäre reine Zeitverschwendung. Total fair, das Ganze!« Carolin schob sich ihren letzten Bissen in den Mund und stand auf. »Um zehn habe ich bei den Veranstaltern einen Termin. Ich hoffe, ich darf beim nächsten Speeddating dabei sein und sogar fotografieren. Oder ich finde jemanden, der bereit ist, mir später davon zu erzählen. Vielleicht sogar zwei Leute, die sich verliebt haben.« Sie griff nach ihrer Umhängetasche und stülpte sich im Flur ihren Helm auf. Verschmitzt zwinkerte sie ihrer Großmutter zu. »Karla Kolumna, die rasende Reporterin! Tschüsselchen!«
Mamma Carlotta blieb in der offenen Tür stehen und sah zu, wie Carolin ihren Motorroller aufschloss, den sie sich von ihrem ersten Gehalt geleistet hatte, sich auf den Sattel schwang, den Motor startete und winkend den Süder Wung hinabknatterte. Ihre kleine Carolina! Bis zur Pubertät war sie schüchtern und unauffällig gewesen. Dann war eine Zeit gekommen, in der ihre Nonna ungern mit ihr zusammen einkaufen ging, weil sie sich für ihre Enkelin schämte, die damals Frisuren trug, die an ramponierte Vogelnester erinnerten, und ein Make-up im Totengräberlook. Mit der Ausbildung im Hotelgewerbe hatte sich dann ihr Erscheinungsbild erneut geändert. Mit einem Mal sah sie seriös aus und gab sich auch so. Dann folgte das unsägliche Intermezzo mit Maximilian Witt, dem Reporter, mit dem sie sogar eine Weile in Hamburg gelebt hatte. Und seitdem kleidete und schminkte Carolin sich wieder unauffällig, legte aber Wert darauf, unkonventionell auszusehen. Also auf keinen Fall klassische Röcke, wie der Hotelbesitzer es von ihr verlangt hatte, sondern lässige Jeans und Hoodies oder Shirts. Mamma Carlotta erinnerte sich, dass sie Carolin früher manchmal die Geschichten von Karla Kolumna und Bibi Blocksberg vorgelesen hatte. Auch während dieser Zeit war Carolin immer mit dem für Karla typischen »Hallöchen« erschienen und hatte sich jedes Mal mit »Tschüsselchen« verabschiedet.
Mamma Carlotta lächelte in sich hinein, als sie die Haustür schloss. Hatte Carolin nun wirklich den richtigen Beruf gefunden? Dass sie für einen Mann arbeitete, den Erik nicht leiden konnte, machte Carlotta zu schaffen. Hoffentlich ging das alles gut! Während sie die Küche aufräumte, die Teller zusammenstellte und das Geschirr in die Spülmaschine packte, gestand sie sich ein, dass es ihr lieber gewesen wäre, wenn Carolin die Ausbildung im Hotel Horizont beendet und anschließend als Hotelkauffrau gearbeitet hätte …
Sören drückte aufs Gas. Wenn es schnell gehen musste, überließ Erik seinem Mitarbeiter immer gern das Steuer. Er selbst neigte dazu, gerade dann besonders langsam zu fahren, wenn sie es eilig hatten, wenn er aber gleichzeitig oft auch schwere Gedanken in seinem Kopf bewegte. Je mehr er nachdachte, desto langsamer fuhr er, was Sören dann regelmäßig zur Verzweiflung trieb.
Die Sonne hatte noch keine Farbe, kalt und silbrig stand sie am Himmel, selbst in windgeschützten Ecken war es noch kühl, obwohl der Juni schon angebrochen war. Die Feriengäste, die dem Wind ausgesetzt waren, trugen sogar noch ihre Steppjacken, hatten sich Schals um den Hals gewickelt und Mützen oder Kappen auf den Kopf gedrückt. Das Wetter auf Sylt stolperte dem Sommerwetter, das in der ganzen Bundesrepublik längst ausgebrochen war, mal wieder hinterher. Erik störte das nicht. Er liebte gerade dieses Wetter, das Klare, das in großer Hitze leicht verloren ging, das Helle, das von der Sonnenglut oft niedergedrückt wurde. Er lehnte sich zurück und überließ sich dem Tempo, an dem Sören Spaß zu haben schien.
Sie schlitterten durch den Kreisverkehr vor Feinkost Meyer, als wären sie zu einem Verletzten gerufen worden, für den es um Leben und Tod ging. Aber natürlich ging es um das Auffinden einer Leiche, also um einen Menschen, dem auch mit einer früheren Ankunft nicht mehr zu helfen war. Und Erik fehlte zurzeit noch die Hoffnung, dass der Täter leichter zu finden war, wenn sie besonders schnell am Tatort ankamen. Trotzdem bog Sören so rasant wie möglich in die Braderuper Straße ein und raste geradeaus, weil die Straße an diesem Morgen kaum befahren wurde. Die Saison hatte noch nicht begonnen, der Tourismus noch nicht Fahrt aufgenommen. Noch gab es in keinem deutschen Bundesland Sommerferien.
»Wo warten die Kollegen?«, fragte Erik.
»Auf dem Parkplatz Lörkiwai. Am Ende der Straße Üp de Hiir.«
Es handelte sich um einen öffentlichen Parkplatz, auf dem viele ihre Autos abstellten, die durch die Braderuper Heide spazieren oder zum Weißen Kliff wandern wollten. Sie bogen am Ende der Braderuper Straße rechts und bald wieder links ab. Die Straße Üp de Hiir war von großen Grundstücken gesäumt, einzelne, zum Teil alte Friesenhäuser standen darauf, viele versteckt hinter hohen, dichten Friesenwällen. Allesamt waren sie gut gepflegt, vermutlich Zweitwohnsitze, von reichen Touristen den Erben alter Elternhäuser abgekauft.
Schon von Weitem sahen sie die beiden Polizeiwagen, die Kollegen, die daneben warteten, und zwei Personen, die aussahen wie Wanderer. Vermutlich Zeugen. Ein paar Meter entfernt hantierten die Mitarbeiter der Kriminaltechnischen Untersuchungsstelle, die mit ihren weißen Anzügen sofort auffielen. Sie funkelten im Licht der Sonne, die in diesem Augenblick durch die Wolken brach. Die ganze Nacht hindurch hatte es geregnet, erst in den frühen Stunden war Erik davon wach geworden, dass das Rauschen ein Ende hatte. Von da an hatte es vom Dach und von den Bäumen getröpfelt, und er hatte sich, ehe er wieder einschlief, Sorgen gemacht, dass aus den Dachdeckerarbeiten an diesem Tag nichts werden würde. Aber die Morgenluft hatte das Dach schnell getrocknet. Danach hatte sich der Himmel wieder eingetrübt, doch weiterer Regen war ausgeblieben. Und nun sogar die Sonne! Anfang Juni wärmte sie noch nicht, zu dieser Zeit musste sie sich noch dem kühlen Wind unterwerfen, aber die Farben veränderten sich schlagartig. Das Graue war im Nu weggewischt worden, die braune Heide zeigte mit einem Mal hier und da Farbtupfen, die roten Jacken der Wanderer schälten sich aus der nebelartigen Blässe. Der Porsche auf dem Parkplatz wurde leuchtend blau, sogar die Geräusche frischten auf. Möwengeschrei war wieder zu hören, die Rufe der Spurenfahnder setzten sich durch, die Stimmen der Zeugen, die die Leiche gefunden hatten, wurden klarer.
Der Tote lag bäuchlings im Heidekraut. Mehrere Meter vom Weg entfernt, auf den ersten Blick nicht sichtbar. Erik fragte sich, wie viele Spaziergänger schon an ihm vorbeigelaufen waren, ohne ihn zu bemerken. Seine Kleidung war von gedeckter Farbe, olivgrün, dunkelbraun, feucht vom Regen, der sie noch dunkler gemacht hatte.
Dr. Antje Mikkelsen kniete neben der Leiche. Sie sah nur kurz auf, dann tastete sie wieder den Hinterkopf des Mannes ab. Er war groß und von kräftigem Körperbau, seine Hände lagen neben dem Kopf, seine Beine waren ausgestreckt, die Füße steckten in derben Arbeits- oder auch Wanderschuhen. Die leichte Jacke bauschte sich bei jedem Windhauch.
»Das ist mir aufgefallen«, sagte der Mann, der auf den Toten aufmerksam geworden war. »Ich dachte erst, da hat jemand was weggeworfen. Eine Plastiktüte oder so.«
Seine Frau mischte sich ein. »Aber dann ist mein Mann näher herangegangen und hat gesehen …« Sie schlug die Hand vor den Mund, als wollte sie den Rest des Satzes zurückdrängen.
Der Mann zog sein Handy aus der Hosentasche und hielt es hoch. »Ich habe dann natürlich sofort die Polizei angerufen.«
Er wurde bald entlassen. Nachdem er seine Personalien angegeben hatte, dankte Erik ihm förmlich und bat ihn, sich für Fragen zur Verfügung zu halten. Der Mann schien dem Tatort nicht gern den Rücken zuzukehren, aber seine Frau zupfte nervös an seinem Ärmel. »Komm! Ich will hier weg.« Sie ging vor ihrem Mann zu einem dunkelblauen Golf und wartete ungeduldig, dass er ihr nachkam und den Wagen aufschloss.
Sören hatte sich neben die junge Gerichtsmedizinerin gekniet. »Kannst du schon was sagen?«
»Stumpfe Gewalt«, antwortete sie unverzüglich. »Er wurde erschlagen. Hinterrücks, wie es scheint.«
»Tatwaffe?«
Sie zuckte mit den Schultern. »Schwer zu sagen. Ein Hammer vielleicht, ein kräftiges Kantholz. Wenn die Tatwaffe hölzern war, finde ich vielleicht Splitter in der Wunde, die euch helfen können.«
Sie erhob sich, dehnte den Rücken, und Erik sah, dass sie Sören anlächelte. Nur kurz, nur flüchtig, aber dieses Lächeln hatte etwas Einvernehmliches, es hatte nichts mit diesem Gewaltakt zu tun. Sollte Sören sich tatsächlich seinem Ziel nähern? Als Dr. Antje Mikkelsen den alten Gerichtsmediziner Dr. Hillmot ablöste, war Sören ja vom Blitz der Liebe getroffen worden, aber Erik hatte seinem Mitarbeiter keine großen Chancen eingeräumt. Dr. Mikkelsen, so hübsch und attraktiv, so offensichtlich aus allerbestem Hause, mit einem finanziellen Hintergrund, den Sören sich nicht einmal vorstellen konnte. Sören, der passionierte Radfahrer, und Dr. Antje Mikkelsen, die Porschefahrerin. Nun aber schien sich etwas zu verändern. Oder wuchs nichts anderes als Freundschaft vor Eriks Augen heran? Schon möglich. Die beiden verstanden sich gut und gingen sehr unbekümmert miteinander um.
Jetzt half Sören ihr, die Leiche umzudrehen. Die Arme des Mannes fielen schlaff zur Seite, die Handflächen zeigten zum Himmel, als hätte er sich ergeben.
Erik trat näher heran und betrachtete das Gesicht des Toten. Eine breite, flache Stirn unter einem tiefen Haaransatz, eine kleine Nase, schief, als sei sie schon einmal gebrochen gewesen, hohe Wangenknochen, ein kantiges Kinn. Erik war dieser Mann unbekannt, und auch Sören schüttelte den Kopf.
»Vielleicht ein Feriengast?«
Kommissar Vetterich, der Leiter der KTU, trat hinzu. »Die Spurenlage ist dürftig«, brummte er ärgerlich. »Der Regen heute Nacht hat alle Spuren weggewischt. Einige frische konnten wir sichern, aber die sind wohl unbedeutend. Vermutlich irgendwelche Frühaufsteher, die schon vor dem Frühstück durch die Heide gelaufen sind. Der Tote liegt aber schon länger hier.«
Sören nickte und wandte sich an Dr. Mikkelsen. »Kannst du bereits etwas zum Todeszeitpunkt sagen?«
»Nur ganz grob«, gab sie zurück. »Zehn bis zwölf Stunden dürfte er schon nicht mehr leben.«
»Wäre es möglich«, fragte Erik, »dass er erst heute Morgen hier abgelegt wurde?« Er sah Vetterich aufmunternd an, damit dieser der Spurenlage etwas mehr Vertrauen schenken konnte.
Doch Dr. Mikkelsen schüttelte den Kopf. »Der Tote hat stundenlang im Regen gelegen, so viel ist sicher.«
Carolin hatte tatendurstig das Haus verlassen, in Felix’ Zimmer rührte sich noch nichts. Aber warten, bis er aufstand, nach seinem Frühstück verlangte? Nein, das brachte Mamma Carlottas gesamte Pläne durcheinander. Der Junge musste allein frühstücken, sonst wurde aus dem Mittagessen nichts. Schließlich musste sie noch einkaufen und hatte noch nicht einmal Pläne für die Menüfolge gemacht. Und wie viel sollte sie vorbereiten? Ob Felix nach einem späten Frühstück schon wieder aufnahmebereit fürs Mittagessen war, konnte niemand wissen. Und ob Carolin zum Essen nach Hause kommen würde, war leider offengeblieben. Eine rasende Reporterin, so hatte sie ihrer Großmutter erklärt, konnte sich mit solchen Banalitäten nicht abgeben.
»Vielleicht! Vielleicht auch nicht! Oder soll ich mitten in einer Reportage abbrechen, weil meine Oma mich zum Mittagessen erwartet?«
Während Mamma Carlotta die Einkaufstasche hervorholte, sehnte sie sich nach der Zeit, in der im Hause Wolf noch Ordnung geherrscht hatte. Erik war pünktlich zum Essen heimgekommen, jedenfalls dann, wenn kein Kapitalverbrechen geschehen war, die Kinder waren nach der letzten Stunde von der Schule zurückgekehrt und hatten sich auf ein gutes Essen gefreut. Und jetzt? Felix brachte mit seiner Arbeit in der Pizzeria alles durcheinander, weil er bis spätabends arbeitete und sich nun das Recht herausnahm, morgens ausschlafen zu dürfen. Und Carolins Arbeit war unregelmäßig, so war auf ihr Erscheinen nie Verlass. Dennoch war Mamma Carlotta entschlossen, alles beim Alten zu belassen, wenn es ums Kochen ging. Mittags kam ein Essen auf den Tisch und abends erst recht. Und wenn es sich dann doch so ergab, dass die ganze Familie um den Tisch versammelt war, vielleicht sogar mit einigen Gästen, würden alle glücklich sein. Sie selbst am allerglücklichsten.
Was sie kochen wollte, wusste sie noch nicht, das würde sie sich auf dem Weg zu Feinkost Meyer überlegen. Sie hatte noch nicht einmal die paar Meter vom Hauseingang zum Bürgersteig zurückgelegt, da fiel ihr ein, dass sie Rosmarinbrötchen mit Käsecreme als Antipasti servieren könnte. Das Schöne war in diesem Fall, dass sie die Rosmarinbrötchen nicht selbst backen musste wie in Panidomino. Sie hatte nämlich bei ihrem vorletzten Besuch auf Sylt dem Bäcker das Rezept verraten, der daraufhin diese Brötchen in sein Sortiment aufgenommen hatte. Angeblich waren sie zu einem Verkaufsschlager geworden. Wenn sie Rosmarinbrötchen beim Bäcker kaufte, brauchte sie also nur noch Provolone und Pancetta, die notwendige Sahne war im Haus. Obwohl Feinkost Meyer sehr gut sortiert war, musste sie allerdings damit rechnen, dass sie dort keinen Provolone bekam. Aber die Käsecreme würde sie auch mit Mozzarella herstellen können. Und wenn sie keinen Pancetta bekam, würde sie eben durchwachsenen Speck nehmen.
Der Bäcker war entzückt, sie zu sehen, und weigerte sich, ihr die Rosmarinbrötchen zu berechnen, da er mit ihnen schon ein gutes Geschäft gemacht hatte. Mamma Carlotta wehrte selbstverständlich ab, wie es sich gehörte, der Bäcker bestand auf seinem Angebot, wie es sich ebenfalls gehörte, und schließlich nahm Carlotta es an, da er nicht davon abzubringen war. Der Bäcker gehörte zu den wenigen Syltern, die es mit einem Italiener aufnehmen konnten. Dieses Hin und Her von Höflichkeiten beherrschte er ebenso gut wie Mamma Carlotta. Während er die Brötchen in eine Tüte gab, fragte Carlotta noch schnell nach seiner Schwester, die in der Türkei lebte und immer Gesprächsstoff hergab. Sie erfuhr, dass der Bäcker noch immer damit rechnete, dass die Ehe mit dem Türken nicht gut gehen und die Schwester schreckliches Heimweh nach der Nordsee haben würde, dann setzte Carlotta ihren Weg nach vielen Dankesworten und energischer Zurückweisung derselben ihren Weg fort. Die Sonne brach hervor, nicht die italienische Sonne, vor der sich jeder in Sicherheit brachte, sondern die kühle, bleiche Sonne, die dem Wind die eiskalten Spitzen nahm, der man gerne das Gesicht hinhielt. Mamma Carlotta atmete tief durch und sog die frische Sylter Luft ein, von der sie wusste, dass sie noch im Hochsommer so sein würde wie jetzt, so frisch und kühl, so unverbraucht und wirbelnd, auch bei Windstille noch in Bewegung, wenn in Italien die Luft längst in der Hitze stehen geblieben war und alle niederdrückte.
Frau Kemmertöns, die Nachbarin, kam ihr mit Fifi entgegen, der vor Begeisterung ausflippte, als er Mamma Carlotta sah, und sie erfuhr, dass Herr Kemmertöns, der strikt gegen die Anschaffung des Hundes gewesen war, nun sogar manchmal zuließ, dass Fifi in seinem Bett übernachtete. Morgens tat er dann immer so, als habe er nichts davon mitbekommen, dass Fifi es sich an seinem Fußende bequem gemacht hatte.
Bevor Carlotta bei Feinkost Meyer ankam, traf sie noch die Apothekerin, die zurzeit krankgeschrieben war und einen Spaziergang machte, um wieder zu Kräften zu kommen. Natürlich wurde die arme Frau lange und sehr lebhaft bedauert, woraufhin sie sich mit vielen Einzelheiten über ihre Lebererkrankung revanchierte. So was dauerte. An der Straßenecke stieß Carlotta auf Frau Jänecke, die ausgiebig darüber stöhnte, dass die Preise bei Feinkost Meyer schon wieder gestiegen seien, und als Carlotta am Osterweg dem alten Herrn Neuer begegnete, der ihr unbedingt mitteilen musste, warum er alle Politiker für Halsabschneider hielt, war schon viel Zeit vergangen. Sie musste sich sputen. Dabei hatte sie eigentlich die Absicht gehabt, noch vor der Zubereitung des Essens in Käptens Kajüte auf einen Cappuccino einzukehren. Aber das würde wohl bis zum Nachmittag warten müssen.
Im Vorraum von Feinkost Meyer fiel ihr ein, dass es im Haus Brotreste vom Vortag gab, die noch Verwendung finden mussten. In einem solchen Fall gab es Pancotto, die italienische Brotsuppe. In Panidomino kochte jede Hausfrau Pancotto, wenn Brot übrig geblieben war. Dafür war alles im Haus, das Brot sowieso, und Tomaten hatte sie noch am Tag zuvor besorgt.
Als sie sah, dass Hähnchenbrust im Angebot war, entschied sie sich, diese mit Fenchelgratin zuzubereiten. Der Fenchel war zwar leider nicht im Angebot, schien aber von besonders guter Qualität zu sein. Als sie alles eingekauft hatte, was sie für die ersten drei Gänge benötigte, ging sie noch zur Kühltheke und suchte Mascarpone heraus. Mascarponecreme ging immer und war schnell zubereitet.
Eilig lief sie zur Kasse und zwang sich sogar, das Gespräch mit der Kassiererin, die schon wieder schwanger war, sehr kurz zu halten. Nur dass sie selber sieben Kinder bekommen hatte und kein einziges davon geplant gewesen, sondern jedes als unverhofftes Geschenk Gottes angenommen worden war, brachte sie noch vor. Dann hastete sie zurück und begann in der Küche mit den Vorbereitungen fürs Essen. Mit so lautem Geklapper und derart vernehmlichen Selbstgesprächen, dass Felix bald die Treppe herunterkam, um sich über den Lärm zu beschweren.
Er wurde auf einen Stuhl gedrückt, damit er seiner Nonna nicht im Wege stand, bekam ein Frühstück vorgesetzt, während sie das Mittagessen vorbereitete, und wurde aufgefordert, von seiner Freundin zu erzählen, von Mariella Zanchetti, der Tochter des neuen Pizzabäckers von Wenningstedt.
»Wann wirst du sie einmal mitbringen, Felice?«
Davon wollte Felix nichts hören, war aber bereit, Marielles schöne Augen zu rühmen, von ihren wunderbaren schwarzen Haaren zu schwärmen, ihr Lächeln zu beschreiben und zu versichern, dass sie das schönste Mädchen weit und breit sei. Mamma Carlotta war entzückt. Wie gut, dass wenigstens einer ihrer beiden Sylter Enkel italienisches Erbgut in sich trug. Aus Carolin war ja nichts rauszukriegen gewesen, als sie sich zum ersten Mal verliebt hatte. Felix dagegen redete genauso gern wie seine italienischen Vorfahren und Verwandten. Am Ende gab er sogar zu, dass Mariellas Vater auch schon sein Interesse an einer Bekanntschaft mit Felix’ italienischen Verwandten bekundet hatte, aber Felix wollte offenbar verhindern, dass die Beziehung zwischen den Zanchettis und den Wolfs enger wurde, als es einer jungen Liebe bekam. »Mariella regt sich sowieso schon darüber auf, dass ihr Vater dauernd von der Zukunft redet. Sie soll die Pizzeria weiterführen, natürlich mit einem Mann, der dafür geeignet ist. Es scheint so, als würde ich ständig belauert. Mariellas Vater will offenbar wissen, ob ich als Pizzabäcker tauge.«
»Dio mio!« Mamma Carlotta, die eigentlich viel von frühen Ehen und wenig von unverbindlichen Lebensgemeinschaften hielt, fand diese Einstellung nun doch ein wenig altmodisch. »Du sollst ein Pizzaiolo werden?« Erregt fuchtelte sie mit den Händen in der Luft herum. »Erst mal brauchst du eine Ausbildung. Ein Studium! Pizzaiolo kann man immer noch werden, wenn es mit Ausbildung und Studium nicht geklappt hat.«
Felix grinste. »Das lass Aldo Zanchetti nicht hören. Er nennt sich Unternehmer und behauptet, er habe in Mailand Wirtschaftswissenschaften studiert.«
Erik und Sören fuhren über den Wenningstedter Weg langsam und nachdenklich zurück nach Westerland. Diesmal saß Erik selbst am Steuer, und Sören war damit einverstanden, dass er immer zehn Stundenkilometer unter der Höchstgeschwindigkeit blieb.
Dr. Mikkelsen war nach ihnen losgefahren, hatte aber gezeigt, wie viel PS ihr Porsche unter der Motorhaube hatte. Sie hatte auf der Braderuper Straße Gas gegeben, war an ihnen vorbeigezogen, hatte gewinkt, bevor sie wieder rechts eingeschert war, und dann noch mal Gas gegeben. Im Nu war sie nicht mehr zu sehen gewesen. Unter anderen Umständen hätte Sören in einem solchen Fall von Angeberei gesprochen und auf den Fahrer so eines Sportwagens geschimpft, in diesem Fall schwieg er natürlich. So lange, bis der Porsche mit seiner hübschen Fahrerin verschwunden war.
»Hoffentlich bekommen wir bald eine Vermisstenmeldung«, sagte er, als sie den Wenningstedter Weg entlangfuhren, Erik aber nicht schneller war als in einer geschlossenen Ortschaft.
»Ein Mann ist in der Nacht nicht nach Hause gekommen. Heute Morgen ist er nicht zur Arbeit erschienen. Da muss doch bald was kommen.«
Sören war da nicht so sicher. »Er könnte alleinstehend sein und nicht so schnell vermisst werden. Was, wenn er arbeitslos ist? Oder er arbeitet im Schichtdienst, dann wird er vielleicht erst am Abend erwartet, im Krankenhaus, in einer Kneipe oder so. Er könnte auch Urlaub haben. Ein Feriengast, der allein auf Sylt ist. Den vermisst so schnell niemand.«
»Ich hoffe, Dr. Mikkelsen hält Wort und macht Fotos«, gab Erik zurück.
»Natürlich macht sie das.« Sörens Antwort kam schnell. Dass jemand glauben konnte, Antje Mikkelsen würde ein Versprechen nicht halten, erschien ihm offenbar völlig absurd.
»Wir werden das Foto dann erst mal unter den Kollegen herumzeigen, vielleicht kennt jemand den Mann. Ehe ich es im Inselblatt veröffentlichen lasse, müssen alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft sein.«
Sören nickte. Das Foto eines Mordopfers erschreckte Zeitungsleser, da konnte die Gerichtsmedizinerin sich noch so viel Mühe geben, dem toten Antlitz das Schreckliche zu nehmen, das Bleiche, das Graue, die Schatten unter den Lidern, die eingesunkenen Augen. Das Gesicht eines Toten zeigte jedem, dass der Tod kein Schlaf war, sondern das Ende. Nein, zu diesen Mitteln würden sie erst greifen, wenn die Identität des Mannes anders nicht herauszubekommen war.
»Andererseits sollte der Mörder keinen Vorsprung erhalten. Solange wir das Opfer nicht kennen, wird es schwer sein, dem Täter auf die Spur zu kommen. Und wie sollen wir das Motiv erkennen, wenn wir nichts von dem Opfer wissen?«
Sie fuhren auf das Gelände der Telekom, wo schon seit Jahren das provisorische Polizeirevier stand, das eigentlich seinen Sitz am Kirchenweg hatte, in dem alten Gebäude, das früher das Amtsgericht beherbergt hatte. Die Renovierungsarbeiten zogen sich hin, die Handwerker entdeckten immer wieder neue Mängel an dem alten Gemäuer.
»Wie lange es wohl dauern wird«, maulte Sören, »bis wir endlich wieder in unserem früheren Büro sitzen können?«
Dabei war die Kriminalpolizei sogar begünstigt. Sie hatte nicht in die Container einziehen müssen, so wie die Kollegen der Wache, sie hatte Büroräume in der oberen Etage der Telekom erhalten, wo es im Winter nicht so fußkalt und im Sommer nicht so heiß war.
Sören besorgte Kaffee, während Erik versuchte, das dürftige Wissen zu verarbeiten, das sie hatten. »Die Leiche wird mit einem Auto in die Heide gebracht worden sein. Dass sie in der Nähe des Parkplatzes lag, ist sicherlich kein Zufall.«
Sören zuckte mit den Schultern. »Was für eine bahnbrechende Erkenntnis! Leichen werden selten über die Schulter geworfen und weggetragen.«
Erik reagierte nicht auf Sörens Spott. »Aber der Boden des Parkplatzes weist nur wenige Wagenspuren auf. Auf dieser Asphaltdecke haften keine Spuren, nur an den Rändern ist etwas zu erkennen, da gibt es Spuren. Vetterich sagt, er kann eine nicht von der anderen unterscheiden. Und bei den Fußspuren ist es ähnlich. Wenn die KTU nichts findet, sehen wir alt aus. Es hat die ganze Nacht geregnet, wir müssen uns damit abfinden, dass wir ohne Spuren arbeiten müssen.«
Sören sah plötzlich ärgerlich aus. »Wir hätten mit unseren Handys Fotos vom Gesicht des Toten machen sollen. Dann könnten wir jetzt schon das Bild in der Wache herumzeigen.«
»Auf ein paar Minuten kommt es nicht an.« Erik setzte sich an seinen Computer und öffnete das Mailprogramm. »Noch ist nichts von Dr. Mikkelsen gekommen.«
Sie waren überrascht, als sich zwei Stunden später die Tür öffnete und die Gerichtsmedizinerin leibhaftig erschien. Erik lächelte. Ging es Dr. Antje Mikkelsen etwa darum, persönlich zu ihnen zu kommen, weil sie jede Gelegenheit nutzen wollte, Sören zu sehen?
Sie zeigte zu Eriks PC. »Ich habe das Foto gerade per Mail geschickt, aber ich habe auch schon einen sehr guten Abzug.« Sie zog ein großes Hochglanzfoto aus ihrer Umhängetasche und legte es auf Eriks Schreibtisch. »Wem der Mann vertraut ist, der müsste ihn eigentlich erkennen.«
Sie fuhren gemeinsam mit dem Aufzug ins Erdgeschoss zurück und wechselten in den Container, vor dem das Wort »Wache« prangte. Enno Mierendorf empfing sie, Rudi Engdahl gesellte sich sofort dazu. Beide beugten sie sich über das Foto des Toten, beide wiegten den Kopf, überlegten, drucksten herum …
Dann sagte Enno Mierendorf: »Könnte sein, dass ich ihn kenne. Aber ein Name will mir nicht einfallen.«
Rudi Engdahl ging es ähnlich. »Irgendwie kommt er mir bekannt vor …«
Die anderen Kollegen, die sich zurzeit in der Wache aufhielten, waren sich sicher, dass sie den Mann noch nie gesehen hatten.
»Ich könnte das Bild meiner Schwiegermutter zeigen«, brummte Erik. »Die kennt auf Sylt mehr Leute als ich.«
Sören lachte, dann fragte er: »Erwartet die Signora uns eigentlich zum Essen?« Er sah vielsagend auf die Uhr.
Aber Erik schüttelte den Kopf. »Vetterich wird gleich vorbeikommen. Wenn der eine wichtige Spur gefunden hat, möchte ich nicht gerade beim Secondo sitzen.«
Dr. Mikkelsen verabschiedete sich. »Ich mache dann mal weiter. Wenn mir was Besonderes auffällt, melde ich mich. Ich kann aber schon sagen, dass ich keine Holzsplitter in der Kopfwunde gefunden habe. Der Tote ist vermutlich mit einem metallenen Gegenstand erschlagen worden.« Sie wandte sich zum Gehen. »Ansonsten habt ihr bald einen ausführlichen Bericht auf dem Schreibtisch liegen.«
Sören brachte sie zum Aufzug, Erik wählte seine private Telefonnummer. Er war froh, dass Felix am Apparat war. Die Vorwürfe seiner Schwiegermutter und ihr Klagen, weil die Antipasti bis zum Abend nicht mehr knackig sein würden, das Primo kalt geworden und das Secondo zusammengefallen war, wollte er sich nicht gern anhören. »Sag der Nonna, sie soll erst heute Abend kochen oder, wenn sie schon angefangen hat, am Abend alles aufwärmen. Wir haben eine Leiche in der Braderuper Heide gefunden.«
»Ehrlich?« Felix’ Stimme klang, als hätte sein Vater ihm etwas Interessantes erzählt. »Wer ist es? Kenne ich denjenigen?«
»Wir wissen nicht, wer es ist. Bis jetzt noch nicht.«
»Mann oder Frau?«
»Ein Mann. Du weißt ja, die ersten Stunden nach dem Mord sind die wichtigsten für die Ermittlung. Deswegen müssen wir so schnell wie möglich herausfinden, wie der Tote heißt. Vorher finden wir kein Motiv und keinen Verdächtigen.«
»Okay, Papa! Viel Spaß beim Suchen …«
Mamma Carlotta ärgerte sich. Sie ärgerte sich immer, wenn Erik oder die Enkelkinder anriefen, um sich von einer Mahlzeit abzumelden, ganz besonders ärgerte sie sich, wenn das erst geschah, nachdem sie schon eingekauft und alle Vorbereitungen getroffen hatte oder das Essen gar schon fertig war. Das war in diesem Fall nicht so. Sie hatte zwar schon eingekauft, aber da sie das Kochen einfach nur auf den Abend verschieben musste, war eigentlich alles halb so schlimm. Doch abgesagte Mahlzeiten waren einfach grundsätzlich ein Ärgernis für sie, gleichgültig, wie der Umstand war.
Zum Glück siegte bei ihr immer schnell die Neugier. »Eine Leiche in der Heide? Frau oder Mann? Was hat dein Vater genau gesagt?«
»Männliche Leiche! Mehr nicht. Nur dass sie keine Ahnung haben, um wen es sich handelt, und deswegen keine Zeit zum Mittagessen haben. Niente con il pranzo! Capito?« Felix zuckte grinsend mit den Schultern. »Ist doch egal. Was geht uns das an?« Er machte Anstalten, sich zu verdrücken, wodurch seiner Nonna wieder einfiel, dass sie sich ärgerte. Und da Felix der Einzige war, an dem sie ihren Ärger auslassen konnte, bekam er mal wieder zu hören, dass ein Mann keine Ohrringe und auch keine langen Haare tragen sollte, dass es ihr unverständlich sei, warum er sich Jeans kaufte, die durchlöchert waren, und sogar noch besonders viel Geld dafür bezahlte.
Felix verschwand unauffällig und ließ seine Nonna ins Leere reden, was diese erst bemerkte, als sie sich ein paar Minuten später umdrehte. Auf diese Weise verschwand der Ärger natürlich erst recht nicht. Eher im Gegenteil. Was sollte sie damit machen, wenn niemand da war, der sich zumindest anhören konnte, warum sie sich ärgerte? Für Ärger brauchte man Publikum.
Nur kurz überlegte sie, wer infrage kam. Frau Kemmertöns hörte sich zwar immer alles an, was Mamma Carlotta zu erzählen hatte, reagierte aber oft derart phlegmatisch, dass der Ärger darüber die Sache nicht besser machte. Also würde sie wohl zu den beiden Männern gehen müssen, die sie heimlich ihre Freunde nannte, und ihnen vor Augen führen, wie die Familie mit ihr umsprang. Auch in Käptens Kajüte fiel die Reaktion meist nicht so aus wie in Italien, wo der Bericht einer Frau, die sich von ihrer Familie unverstanden fühlte, sofort vielstimmig und sehr, sehr laut bestätigt wurde. Vornehmlich von anderen Frauen. Aber der Wirt der Imbissstube hörte wenigstens immer gerne zu, wenn Mamma Carlotta erzählte, wenn er auch behauptete, ihr schnelles Reden ginge ihm auf die Nerven. Und Fietje Tiensch, der einzige Stammgast, freute sich allein schon darüber, dass jemand das Wort an ihn richtete. Ja, dort würde sie jetzt Dampf ablassen. Danach würde es ihr besser gehen, und anschließend würde es ihr sogar Spaß machen, das Essen, das es mittags geben sollte, stattdessen für den Abend vorzubereiten.
Sie schlüpfte aus ihren Pantoletten, suchte nach soliden Halbschuhen, fand auf die Schnelle keine und entschied sich, bei den Pantoletten zu bleiben. In Italien trug sie von April bis September nichts anderes, aber Carolin hatte bei einem ihrer ersten Besuche befunden, dass sie nicht das geeignete Schuhwerk für die Insel Sylt waren. Ihre Enkelin hatte auch dafür gesorgt, dass sie ihre Schürze abband, bevor sie auf die Straße ging, etwas, das Carlotta in Panidomino niemals einfallen würde. Dann griff sie nach ihrer Einkaufstasche, obwohl sie nichts einkaufen wollte, und ging los. Irgendwo musste man ja das Portemonnaie und eine Packung Papiertaschentücher verstauen. Eine Handtasche besaß sie zwar, die war aber feierlichen Angelegenheiten vorbehalten, Hochzeiten oder Beerdigungen.
Leider herrschte in Käptens Kajüte keine gute Stimmung. Fietje, der selten die Stimme erhob, ereiferte sich unüberhörbar darüber, dass das Jever ausgegangen war, was angeblich noch nie vorgekommen sei. Toves Erklärung, die Brauerei habe nicht rechtzeitig geliefert, bezeichnete Fietje als dumme Ausrede, Tove habe vermutlich das Bestellen vergessen oder zu spät daran gedacht. Oder er habe, noch wahrscheinlicher, die letzte Lieferung nicht bezahlt und deswegen keinen Nachschub bekommen.
»Ich habe noch zwei andere Sorten«, warf Tove wütend ein. »Muss es denn unbedingt ein Jever sein?«
Ja, da war Fietje eigen. Noch nie, seit er auf Sylt lebte, hatte er ein anderes Bier als sein geliebtes Jever getrunken. Er dächte gar nicht daran, schimpfte er, mit einer neuen Sorte anzufangen, nur weil Tove zu dämlich sei, rechtzeitig eine Bestellung aufzugeben.
Fietje rutschte von der Bank an der schmalen Seite der Theke und machte Anstalten, die Imbissstube zu verlassen. »Du bist nicht der einzige Wirt in Wenningstedt.«
Fietje Tiensch, der Strandwärter, der am nahe gelegenen Strandübergang Gästekarten kontrollierte und dafür sorgte, dass an der Wasserkante nichts geschah, was zu einer Gefahrenlage werden konnte, sah so aus, als wollte er ausnahmsweise seine Mittagspause verkürzen, während er sonst immer sehr großzügig mit seinen Arbeitszeiten umging. So zornig wie im Moment hatte Mamma Carlotta ihn noch nie gesehen.
Tove nahm zunächst nur am Rande zur Kenntnis, dass ein neuer Gast eingetreten war, dann warf er Mamma Carlotta einen Blick zu, als sollte sie besser wieder gehen, damit sie nicht Zeuge einer Schlägerei wurde. Aber natürlich blieb sie, um gerade das zu verhindern, gab nicht einmal die Tür frei, wollte Fietje in der Imbissstube halten, bis es zu einer Versöhnung gekommen war.
»Ich muss Ihnen was erzählen«, lockte sie und registrierte, dass Tove tatsächlich aufmerkte und in Fietjes Gesicht ein schwaches Licht der Neugier glomm. »Eine Leiche! In der Braderuper Heide!«
Es blieb kurz still, dann fragte Tove: »Und? Wer ist es?«
Dazu konnte Mamma Carlotta dummerweise nichts sagen. Genau genommen konnte sie gar nichts Weiteres sagen. Natürlich versuchte sie trotzdem, sich ein paar Erklärungen zusammenzureimen, aber sowohl Tove als auch Fietje merkten schnell, dass sie keine Ahnung hatte. Und damit war ihre Neugier im selben Moment wieder erloschen.
»Den Rest kann ich in der Zeitung lesen«, brummte Fietje Tiensch und schob Mamma Carlotta beiseite, damit sie den Ausgang freigab.
Das wollte sie nur ungern. »Aber Signor Griess! So tun Sie doch etwas!«
»Wer nicht will, der hat schon«, tönte es vom Zapfhahn her. »Soll ich etwa bitte, bitte machen, damit er bleibt?«
»Er ist doch Ihr Freund.«
Ein hässliches Lachen, das wie das Bellen eines Seehundes klang, tönte durch die Imbissstube. »Mein Freund? Das wüsste ich aber.«
Fietje enthielt sich jeder Entgegnung zu diesem Thema, stieß die Tür auf und verschwand auf dem Hochkamp, ohne sie wieder zu schließen. Mamma Carlotta trat einen Schritt auf die Straße und blickte ihm nach. Von hinten sah Fietje Tiensch aus, als wäre er todtraurig. Er ging gebückt, mit schleppenden Schritten, aber sie wusste natürlich, dass er sich immer auf diese Weise fortbewegte. Aufrechtes Schreiten hatte Fietje schon lange verlernt. Das lag wohl an seiner Vergangenheit. Fietje war der uneheliche Sohn eines italienischen Grafen, der ein Zimmermädchen, Fietjes Mutter, geschwängert hatte. Eine Weile hatte sein Vater sich um ihn gekümmert, hatte für eine gute Schulbildung gesorgt. Fietje war auf ein Gymnasium gegangen, aber später musste etwas passiert sein, was ihn von seinem geraden Lebensweg katapultiert hatte. Keiner wusste, was das gewesen war. Heute war Fietje Tiensch froh, den Posten als Strandwärter von Wenningstedt zu haben. Er verdiente nicht viel, aber solange es reichte, um regelmäßig sein Jever zu trinken, war er zufrieden.
Mamma Carlotta machte kehrt und trat an die Theke. »Un cappuccino, per favore.«
»Soll ich jetzt mit Ihnen Italienisch schnacken?«, fuhr Tove sie an. »Wir sind hier auf Sylt und nicht in Ihrem Dorf.« Wütend machte er sich an dem Kaffeeautomaten zu schaffen, ließ die Espressodüse zischen und die Milch schäumen. Dann knallte er ihr die Tasse hin und sah sie herausfordernd an. »Haben Sie noch was zu erzählen? Diesmal vielleicht was Interessantes?«
Mamma Carlotta antwortete nicht, trank ihren Cappuccino, schüttelte sich, um Tove zu zeigen, dass er ihr nicht schmeckte, und ärgerte sich, dass sie das Geld dafür ausgegeben hatte, ohne als Gegenleistung ein bisschen Unterhaltung, Verständnis und offene Ohren zu bekommen. Mit eisiger Miene zählte sie Tove das Geld auf die Theke, nahm den letzten Schluck und drehte sich um. »Arrivederci!«
Tove brüllte ihr hinterher: »Was soll das jetzt eigentlich? Habe ich Ihnen vielleicht was getan?«
Doch Mamma Carlotta gönnte ihm keine Antwort. Sie wollte nicht den Kopf schütteln, dann hätte Tove nicht verstanden, warum sie Käptens Kajüte wieder verließ, aber auch nicht nicken, denn tatsächlich hatte er ihr ja nichts getan. Er hatte nur dafür gesorgt, dass die Atmosphäre in Käptens Kajüte vergiftet war, dass Fietje nicht sein Jever und sie nicht seine Aufmerksamkeit bekommen hatte. Aber Tove so etwas erklären zu wollen hatte keinen Sinn. Er würde es nicht verstehen. Ein Mann, der seit Jahren ohne Frau lebte, der nie verheiratet gewesen war und nie eine Familie gehabt hatte, der nicht wusste, wie man mit den Erwartungen anderer Menschen umging, konnte wohl nicht verstehen, was ihr an diesem Tag fehlte.
Während Erik auf Kommissar Vetterich und auf weitere Ergebnisse von Dr. Mikkelsen wartete, wählte er Tillas Nummer. Er hatte nicht im Kopf, ob sie an diesem Tag eine Gerichtsverhandlung hatte oder ob er sie in ihrem Büro würde erreichen können.
Zum Glück meldete sie sich schon, nachdem der Ruf zweimal hinausgegangen war. Natürlich hatte sie seine Nummer im Display erkannt. »Moin, Erik! Hast du Sehnsucht nach mir?«
Erik grinste. »Klar! Immer!« Er warf Sören einen Blick zu und hoffte, dass Tillas Stimme nicht zu ihm durchgedrungen war. »Aber ich rufe dich rein dienstlich an. Wir haben einen Mordfall.«
»Aha! Erzähl!«
Sie hörte sich an, was Erik zu berichten hatte, was schnell erledigt war, weil er noch nicht viel wusste. »Ein Unbekannter also?«
»Bis jetzt.«
»Und keine Spuren?«
»Nicht auf den ersten Blick. Aber Vetterich wird gleich kommen. Vielleicht hat er dann noch etwas zu bieten.«
Sie kicherte. »Die Schnarchnase?«
Erik lachte nicht mit. Nach wie vor mochte er es nicht, wenn Tilla sich über Kommissar Vetterich lustig machte. Klar, er war langsam und ohne einen Funken Temperament, redefaul und humorlos, dazu prinzipientreu und unflexibel. Aber er arbeitete gründlich und gewissenhaft, wenn es auch oft lange dauerte, bis er zu einem Ergebnis gekommen war. Dann aber gab es an diesem Ergebnis nichts zu rütteln.
»Ich werde ihn nicht von dir grüßen.«
Sie lachte noch lauter. »Besser nicht.«
Natürlich wusste auch Vetterich, dass er von der Staatsanwältin Dr. Speck abgelehnt wurde, leider hatte Tilla nie einen Hehl draus gemacht, wie wenig sie von ihm hielt.
Erik beschloss, das Thema zu wechseln. »Du könntest am Wochenende nach Sylt kommen.«
»Obwohl du einen Fall hast?«
»Wir werden schon ein bisschen Zeit für uns herausholen. Notfalls kannst du mir bei den Ermittlungen helfen.«
»Ist Carlotta noch da? Dann komme ich.«
»Du sollst meinetwegen kommen.«
»Sobald du kochen gelernt hast, komme ich deinetwegen.« Wieder lachte sie. »Es gibt noch einen anderen Grund, warum ich an diesem Wochenende auf Sylt sein will. Ich wäre sogar nach Sylt gefahren, wenn ich dich nie kennengelernt hätte oder wenn du mich noch so grässlich finden würdest wie früher …«
»… und du mich so langweilig wie früher?«
Nun lachten sie beide, und Tilla erzählte Erik von den Einladungen zu den Vernissagen, die sie regelmäßig bekam. »Galerie Kruskopp! Kennst du die?«
Erik überlegte lange. Der Name kam ihm bekannt vor, aber ein Gesicht wollte sich diesem Namen nicht zugesellen.
»Eine Freundin von mir hat den Typen mal zu einer Party in Flensburg mitgebracht. Sie malt nämlich und sucht händeringend einen Galeristen, der ihre Bilder ausstellt und am besten auch verkauft. Anscheinend hat sie jetzt einen gefunden. Kruskopp macht eine Ausstellung mit ihr, und am Wochenende findet die Eröffnung statt. Natürlich muss ich dabei sein, wenn Kornelia ihre erste Vernissage hat.«
Erik wollte etwas erwidern, aber in diesem Moment klopfte es, und Vetterich trat ein. Erik beendete das Telefonat und sah den Leiter der KTU erwartungsvoll an. »Ich hoffe, Sie haben was gefunden.«
»Kann sein«, gab Vetterich zurück. »Kann aber auch nicht sein.« Umständlich ließ er sich auf seinem Stuhl nieder, ohne den Blick von seinen Unterlagen zu lassen. Erik wusste, dass er am liebsten seinen Beruf ohne menschlichen Kontakt ausgeübt hätte, nur mit seinen Unterlagen, mit seinen Fußabdrücken, seinen Auswertungen. »Ich sagte ja schon, es gibt nicht viele Schuhspuren. Die Betondecke nimmt keine Spuren auf. Nur dort, wo es eine dünne Schotterschicht gibt, und am Rand, auf der Grasnarbe, haben wir was gefunden. Alte Spuren, aber auch zwei neue. Die haben wir separieren können, sie sind zu verfolgen. Spuren von zwei Schuhpaaren. Sie bewegen sich vom Parkplatz bis zu der Stelle, wo der Tote gefunden wurde. Zwar lag er im Heidekraut, aber es gab dort eine kahle Fläche von der Größe einer Untertasse. Auf diesem Fleckchen haben wir die Fußspur sichern können, die vom Parkplatz zum Ablageort führt. Wenn es die Spur des Täters ist, kann man vermutlich auch sagen, wo sein Wagen geparkt war. Die erste Spur ist kräftiger, ein wenig gedreht. Wie das so ist, wenn man aus einem Wagen steigt.« Vetterich machte es vor. »Man hebt das linke Bein raus, setzt den Fuß auf und dreht ihn ein wenig. Nicht viel, aber das ist zu erkennen.«
»Sie sprachen von zwei Schuhspuren.«
»Die andere ließ sich nur bis zum Beginn des Heidekrauts verfolgen, nicht bis zu der Stelle, wo der Tote lag.«
»Gibt es etwas Besonderes an der Schuhspur?«
Vetterich nickte. »Das kann man wohl sagen. Der Mann hatte Schuhgröße 47. Oder … die Frau. Aber ich denke, wir haben es mit einem Mann zu tun. Die andere Spur ist auch überdurchschnittlich groß. Schuhgröße 45.«
»Also vermutlich zwei Männer«, meinte Sören.
»Davon würde ich ausgehen«, bestätigte Vetterich. »Natürlich gibt es unzählige weitere Schuhspuren, Sie haben es ja selbst gesehen. Der Regen hat überdies die meisten verwischt oder vernichtet. Diese beiden scheinen die neuesten zu sein, abgesehen von den Spuren des Zeugen, der sich dem Toten natürlich genähert hat. Vielleicht hatte der Regen schon nachgelassen, als der Tote in der Heide abgelegt wurde.«
»Das ist doch schon was.«
»Leider sind die Sohlen nicht besonders aussagekräftig. Beide Schuhe haben unauffällige Sohlenreliefs, noch dazu sehr schwach zu erkennen. Selbst wenn Sie mir mit einem Vergleichspaar kämen, würde es schwer sein, klipp und klar zu sagen, ob es der Schuh des Täters ist oder nicht.«
»Wobei ja sogar unklar ist«, ergänzte Sören, »ob die Abdrücke überhaupt vom Täter stammen.«
Vetterich nickte. »Darauf würde ich keinen Eid leisten.«
Erik stand auf. »Lass uns noch einmal in die Heide fahren, Sören.« Er wandte sich an Vetterich. »Würden Sie uns begleiten? Ich möchte gerne genau wissen, wo der Wagen gestanden hat, aus dem die Männer mit den großen Füßen ausgestiegen sind. Vielleicht können wir eine Umfrage starten. Möglicherweise ist an dieser Stelle ein Auto aufgefallen. Wenn wir den Wagentyp hätten, wäre alles einfacher.«
Dass Vetterich über diese Aussicht nicht begeistert war, ließ sich leicht erkennen. Aber er war einverstanden, wenn auch seufzend und ohne jede Freude.