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Stefan Zweig, einer der erfolgreichsten Autoren deutscher Sprache entstammte einer wohlhabenden jüdischen Familie, in der allerdings die jüdische Tradition kaum eine Rolle spielte. Seine Korrespondenz aus den Jahren 1900 bis 1940, unter anderem mit Martin Buber, Anton Kippenberg, Romain Rolland, Felix Salten und Chaim Weizmann vermittelt unmittelbare Einblicke in die Gedanken des weltberühmten Schriftstellers zum Judentum und zum Zionismus, die in dieser Form bisher nur aus wenigen Werken herauszulesen war.
Die vorliegende von Stefan Litt zusammengestellte und kommentierte Edition umfasst 120 in der Mehrzahl bislang unveröffentlichte Briefe und unternimmt erstmals den Versuch, Zweigs Stellung zum Judentum genauer zu erschließen.Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 338
Stefan Zweig
Briefe zum Judentum
Herausgegeben von Stefan Litt
Cover
Titel
Inhalt
Informationen zum Buch
Impressum
Hinweise zum eBook
Cover
Titel
Inhalt
Stefan Zweig. Sein Leben und sein Werk
Stefan Zweigs Briefe zum Judentum
Zur Edition
Briefe 1900-1918
An Karl-Emil Franzos, Wien, 29.
März 1900
An Karl-Emil Franzos, Wien, 26.
Juni 1900
An Marek Scherlag, Wien, [
Dezember 1901
]
An Victor Fleischer, Komotau, 6.
Juli 1904
An Egon Zweig, Wien, [
Spätsommer 1906
]
An Marek Scherlag, Wien, [
Dezember 1913
]
An Abraham Schwadron, Wien, [Mitte bis Ende
April 1915
]
An Martin Buber, [Wien], 8.
Mai 1916
An Abraham Schwadron, [Wien], 7.
August 1916
An Martin Buber, Wien, 24.
Januar 1917
An Martin Buber, Wien, 25.
Mai 1917
An Abraham Schwadron, Kalksburg bei Liesing, [9.
Juni 1917
]
An Martin Buber, Wien, 15.
Juni 1917
An Martin Buber, Zürich, 26.
Januar 1918
An Martin Buber, Zürich, [
Februar 1918
]
An Emil Ludwig, Montreux, 21.
September 1918
An Martin Buber, Rüschlikon, 8.
Dezember 1918
An Martin Buber, [Rüschlikon], 30. Dezember 1918
Briefe 1920-1932
An Egon Zweig, Salzburg, 24.
Januar 1920
An den Insel-Verlag, [Salzburg], 5.
Februar 1920
An Anton Kippenberg, Salzburg, 9.
Februar 1920
An Anton Kippenberg, Salzburg, 4.
März 1920
An Heinrich Brody, Salzburg, 4.
März 1920
An Meir Wiener, Salzburg, 12.
März 1920
An Heinrich Brody, Salzburg, 12.
März 1920
An Heinrich Brody, Salzburg, 15. März 1920
An Meir Wiener, Salzburg, 15. März 1920
An Meir Wiener, Salzburg, 29.
März 1920
An Meir Wiener, Salzburg, 23.
April 1920
An Meir Wiener, Salzburg, 17.
Mai 1920
An Marek Scherlag, Salzburg, 22.
Juli 1920
An den Insel-Verlag, Salzburg, 9.
August 1920
An Jean-Richard Bloch, Salzburg, 6.
September 1920
An Hans Rosenkranz, Salzburg, [
Sommer 1921
]
An Hans Rosenkranz, Salzburg, 10.
Dezember 1921
An Martin Buber, Salzburg, 29.
Dezember 1921
An Moritz Heimann, Salzburg, 29.
Juni 1922
An Victor Fleischer, Salzburg, 29.
Juni 1922
An Hans Rosenkranz, Salzburg, 6.
November 1922
An Max Brod, Salzburg, 30.
Juli 1926
An Franz Werfel, Salzburg, 26.
September 1926
An Siegfried Guggenheim, Salzburg, 21.
April 1928
An Egon Zweig, Salzburg, 14.
April 1930
An Hermann Struck, Salzburg, 18.
Juni 1930
An Samuel Lewin, Salzburg, 10.
Dezember 1930
An Felix Salten, Salzburg, 7.
November 1931
An die Internationale Vereinigung Revolutionärer Schriftsteller in Moskau, Salzburg, 12. Oktober 1932
An Egon Zweig, Salzburg, 25.
November 1932
Briefe 1933-1941
An Romain Rolland, Salzburg, 2.
März 1933
An Ben Huebsch, Salzburg, 18.
März 1933
An Anton Kippenberg, Salzburg, 20.
März 1933
An Anton Kippenberg, Salzburg, 1.
April 1933
An Anton Kippenberg, Salzburg, 3.
April 1933
An Felix Salten, Salzburg, 7. Mai 1933
An Max Brod, Salzburg, 9.
Mai 1933
An Felix Salten, Salzburg, 15. Mai 1933
An Schalom Asch, Salzburg, 19. Mai 1933
An Alfredo Cahn, Salzburg, 6.
Juni 1933
An Romain Rolland, Salzburg, 10.
Juni 1933
An Joseph Leftwich, Salzburg, 12.
Juni 1933
An Anton Kippenberg, Salzburg, 28.
Juli 1933
An Ben Huebsch, Salzburg, 1.
August 1933
An Anton Kippenberg, Salzburg, 2.
September 1933
An Rudolf Kayser, [London], 30.
November 1933
An Schalom Asch, London, 4.
Dezember 1933
An die Jüdische Universitäts- und Nationalbibliothek Jerusalem (Hugo Bergmann), Salzburg, 11. Dezember 1933
An Max Brod, Salzburg, 27.
Dezember 1933
An Alfredo Cahn, Salzburg, 30. Dezember 1933
An Chaim Weizmann, London, 16.
Mai 1934
An Siegmund Warburg, Nizza, 17.
Dezember 1934
An Siegmund Warburg, Nizza, 30.
Dezember 1934
An Siegmund Warburg, Wien, 6.
März 1935
An Joseph Leftwich, Wien, 8.
Mai 1935
An Joseph Leftwich, Zürich, 22.
Mai 1935
An Max Brod, [Marienbad, 25./26 Juli 1935]
An Siegmund Warburg, Marienbad, 13.
August 1935
An Chaim Weizmann, Marienbad, 15.
August 1935
An Soma Morgenstern, Marienbad, 22. August 1935
An Max Brod, [Marienbad, 24.
August 1935
]
An Chaim Weizmann, Marienbad, 26.
August 1935
An Chaim Weizmann, Wien, 6.
September 1935
An Chaim Weizmann, London, 8. Oktober 1935
An Joseph Leftwich, London, 8.
November 1935
An Siegmund Warburg, London, 11.
November 1935
An Alexander Moritz Frey, London, 25.
November 1935
AdK, Alexander Moritz Frey Archiv 39, maschinenschriftlich
An Schalom Asch, London, [
Frühjahr 1936
]
An Ben Huebsch, London, 15.
April 1936
An Joseph Leftwich, London, 23.
April 1936
An Ben Huebsch, London, 29. April 1936
An Max Brod, London, 27.
Mai 1936
An Schalom Asch, London, 3.
Juni 1936
An Joseph Leftwich, Ostende, 14.
Juli 1936
An Joseph Leftwich, Ostende, 19.
Juli 1936
An Ben Huebsch, London, 7.
Oktober 1936
An Lavinia Mazzucchetti, London, 8.
Oktober 1936
An Albert Einstein, London, [
1936
]
An Alfred Wolf, Neapel, 4.
Februar 1937
An Jacob Picard, London, 24. Februar 1937
An Oskar Baum, Marienbad, 20.
Juli 1937
An Schalom Asch, London, 25.
September 1937
An Schalom Asch, London, 9.
Dezember 1937
An Schalom Asch, London, 24.
Dezember 1937
An Arnold Zweig, London, 30.
Dezember 1937
An Felix Rosenheim, London, 25.
Februar 1938
An Sigmund Freud, London, 2.
März 1938
An Arnold Zweig, London, 16. März 1938
An Schalom Asch, [London, Ende
März 1938
]
An Arnold Zweig, [London,
Mai/Juni 1938
]
An Arnold Zweig, London, 27.
Juli 1938
An Joseph Leftwich, London, 2. September 1938
An Romain Rolland, [London], 16.
November 1938
An Arnold Zweig, New York, 19.
Februar 1939
An Joseph Leftwich, [Bath], 29.
August 1939
An Felix Braun, [Bath], 16.
Oktober 1939
An Joseph Leftwich, Bath, 18.
November 1939
An Joseph Leftwich, Bath, 10.
Dezember 1939
An Joseph Leftwich, Bath, 23.
Dezember 1939
An Abraham Shalom Yahuda, Rio de Janeiro, 29.
September 1940
An Alfredo Cahn, Rio de Janeiro, 3.
Oktober 1940
An Henrique Lemle, [Petropolis?,
September/Oktober 1941
]
Verzeichnis der benutzten Archive und Sammlungen
Weiterführende Literatur
Abbildungsnachweis
Personenregister
Informationen zum Buch
Impressum
Hinweise zum eBook
Der österreichische Schriftsteller Stefan Zweig (1881-1942) gehört bis heute zu den populärsten deutschsprachigen Autoren. Seit Mitte der 1920er Jahre zählt sein Werk zur Weltliteratur und wurde in zahlreiche Sprachen übersetzt. Geboren in Wien als zweiter Sohn des erfolgreichen Textilfabrikanten Moritz Zweig (1845-1926) und seiner Ehefrau Ida (1854-1938), geborene Brettauer, genoss Stefan von Kindheit an die wirtschaftlich abgesicherte Existenz einer stabilen Familie. Das Judentum – beide Elternteile stammten aus jüdischen Familien – spielte im Hause Zweig eine untergeordnete Rolle und bestimmte, ähnlich wie in vielen akkulturierten Familien des späten 19. Jahrhunderts, nur wenig den Tagesablauf der Zweigs. Während der ältere Bruder Alfred Zweig (1879-1977) das Familienunternehmen fortführte, hatte Stefan dichterische und belletristische Interessen und schrieb sich nach dem Besuch des Gymnasiums an der Wiener Universität als Student der Philosophie und Romanistik ein, wo er 1904 zum Doktor der Philosophie promoviert wurde.
Schon während seiner Studienzeit schrieb Stefan Zweig Gedichte, Novellen und Essays, von denen einige in der damals führenden Wiener Zeitung Neue Freie Presse erschienen. Der Leiter des Feuilletons dieser Zeitung war in jenen Tagen niemand anderes als Theodor Herzl (1860-1904), Schriftsteller, Journalist und Begründer der modernen jüdischen Nationalbewegung, des politischen Zionismus. Herzl förderte den jungen Autor, auch wenn sich dieser, nach anfänglichem Interesse für die neue Bewegung, letztlich nicht für die nationale Wiederbelebung des Judentums in Palästina begeistern konnte.
In dieser frühen Phase seines Schaffens stellte der junge Zweig in einigen seiner Werke jüdische Themen in den Vordergrund, so geschehen in der hochdramatischen Legende Im Schnee (1901), die eine Vertreibung jüdischer Einwohner aus einer mittelalterlichen deutschen Stadt an der Grenze zu Polen schildert und erstmals in der zionistischen Wochenschrift Die Welt publiziert wurde sowie in der Novelle Die Wunder des Lebens, die in Antwerpen im 16. Jahrhundert spielt und in der die Hauptfigur ein jüdisches Mädchen ist, das einem Maler Modell für ein Bildnis der Jungfrau Maria sitzt. Die Hinwendung zur jüdischen Thematik steht in Zusammenhang mit dem Interesse, das Zweig der jung-jüdischen Bewegung um Martin Buber in Wien entgegenbrachte, das aber bald darauf wieder nachließ.
Einige Monate nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs – Zweig diente mit einer Reihe anderer Autoren in der Propagandaabteilung des österreichischen Militärarchivs in Wien – verfestigten sich bei ihm die pazifistischen und paneuropäischen Ideen, die er den sich weltweit verstärkenden nationalistischen Bestrebungen entgegenzusetzen versuchte. Für Zweig war die Rolle des Judentums, »Ferment und Bindung aller Nationen« zu sein, wie er es in einem Brief an Abraham Schwadron vom 9. Juni 1917 formulierte. Das in mehrfacher Hinsicht bedeutendste Werk aus dieser Zeit ist das Drama Jeremias, das 1917 veröffentlicht wurde und seine pazifistische Grundhaltung in literarischer Form darlegte. Die widrige politische und militärische Situation in Europa in der Zeit des Ersten Weltkriegs, die stupide Kriegspropaganda auf allen Seiten, der von Zweig als bedrückend empfundene Dienst im Militärarchiv und das hautnah miterlebte bittere Schicksal der aus Galizien vor Krieg und Plünderungen nach Österreich geflohenen Juden führten Zweig zu der Idee für dieses Drama. Mit den meist jüdischen Hauptfiguren vor dem Hintergrund der alttestamentlichen Geschichte um die Einnahme Jerusalems durch die Babylonier im Jahr 586 v. d. Z. sollte es das bis dahin umfangreichste jüdische Werk des Autors werden, das sich jedoch durch seine pazifistische Grundaussage auch einem breiteren Publikum erschloss. Die Publikation des Bühnentexts erfuhr mehrere Auflagen; das Drama wurde besonders nach dem Ersten Weltkrieg immer wieder auf europäischen Theaterbühnen aufgeführt, vor allem aber in hebräischer Übersetzung in Palästina. Heute wird man es jedoch vergeblich auf den Spielplänen suchen.
Unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg konnte Zweig sowohl mit Novellen, z. B. Amok. Novellen einer Leidenschaft (1922) als auch mit biografischen Essays große Erfolge verbuchen, wie etwa Drei Meister. Balzac, Dickens, Dostojewski (1920), die viele Nachauflagen erlebten. Damals wurde der Insel-Verlag in Leipzig zu Zweigs Hausverlag. Auch in seinem weiteren Schaffen spielten Novellen, Legenden und historisch-biografische Darstellungen eine bedeutende Rolle. Genannt seien hier als Beispiele Romain Rolland. Der Mann und das Werk (1921), Sternstunden der Menschheit (1927), Verwirrung der Gefühle (1927), Drei Dichter ihres Lebens. Casanova. Stendhal. Tolstoi (1928), Joseph Fouché. Bildnis eines politischen Menschen (1929), Marie Antoinette. Bildnis eines mittleren Charakters (1932). Mit diesen Werken, die auch im 21. Jahrhundert immer noch aufgelegt werden und ihre Leserschaft finden, hatte Zweig sich vor rund 100 Jahren als feste Größe in der deutschsprachigen und internationalen Literatur etabliert. Sein Erfolg, seine europäische Gesinnung, die die enger werdenden nationalen Grenzen ablehnte und sein rastloses Reisen machten ihn zu einem wahren Weltbürger.
In den letzten Jahren wurde in der Literaturwissenschaft wiederholt nach dem Verhältnis Stefan Zweigs zu seiner jüdischen Herkunft gefragt. Die Arbeiten des israelischen Zweig-Experten Mark Gelber aus Beer Sheva haben an dieser Stelle viele neue Einsichten zutage gefördert. Nach seiner Ansicht stand das Thema Judentum zwar nicht unbedingt im Vordergrund des Denkens und Schaffens von Stefan Zweig, doch kann ihm eine »jüdische Sensibilität« – so Gelber – nicht abgesprochen werden.1 Das Gesamtbild von Zweigs Schaffen und sein Denken, das aus persönlichen Aufzeichnungen und Briefen hervortritt, unterstreicht die Richtigkeit von Gelbers These, die auch von weiteren Forscherinnen und Forschern verifiziert wurde.
Ab Mitte der 1920er Jahre traten erneut jüdische Figuren in den Mittelpunkt von Zweigs literarischem Schaffen. Zu erwähnen sind hier vor allem die Novellen Untergang eines Herzens (1926), Buchmendel (1929) und die Legende Rahel rechtet mit Gott (1930), die zuerst nur in einer kleinen Auflage bei der bibliophilen jüdischen Soncino-Gesellschaft erschien.
Das Jahr 1933 mit den einschneidenden politischen Veränderungen durch die Errichtung der NS-Diktatur in Deutschland war auch für Zweig in vielerlei Hinsicht eine Zeitenwende. Deutschland, der größte Absatzmarkt für seine Literatur und noch dazu das Stammland seines Verlags, wurde für den Erfolgsautor zu einem Land, das er nicht mehr betreten konnte und in dem bald auch seine Bücher nicht mehr verkauft werden durften. Schließlich wurden sie sogar mit dem Besten der deutschen Literatur bei zahlreichen Bücherverbrennungen im Mai 1933 in die Flammen geworfen. Auch in jener Zeit blieb Zweig seinem bevorzugten literarischen Genre treu: dem der historischen Biografie. Als letztes Werk im Insel-Verlag erschien noch 1932 das sehr erfolgreiche und umfangreiche Buch über Marie Antoinette, dann musste die Zusammenarbeit beendet werden.
Im Jahr 1934 fand Stefan Zweig einen neuen Verlag, diesmal in seinem Heimatland Österreich: den kleinen Herbert-Reichner-Verlag in Wien. Als Erstes erschien dort die Biografie über den Humanisten Erasmus von Rotterdam. Der Autor identifizierte sich stark mit der Figur des Renaissance-Intellektuellen, der es in der Zeit hitziger Debatten, ausgelöst durch die Reformation in Europa, vorzog, nicht eindeutig Partei für eine der Seiten zu ergreifen. Dies entsprach weitgehend der Grundhaltung Zweigs in jener Zeit: sich mit seinem literarischen Schaffen so weit wie möglich aus den scharfen politischen Diskussionen herauszuhalten, in denen mit rationalen Argumenten ohnehin so gut wie kein Gehör zu finden war.
Im Jahr 1935 veröffentlichte Zweig eine weitere Biografie, diesmal über Maria Stuart von Schottland, deren Lebensgeschichte ähnlich tragisch verlief wie die von Marie Antoinette, wenngleich in einer anderen Epoche und unter andersartigen historischen Gegebenheiten. Auch dieses Buch wurde bei Herbert Reichner in Wien verlegt, womit dieser Verlag für die verbleibenden Jahre bis zur Annexion Österreichs durch das nationalsozialistische Deutschland im März 1938 zu Zweigs Hausverlag wurde. Hier erschienen erneut die literarischen Erfolge, die vormals bei der Insel verlegt worden waren: Jeremias, Marie Antoinette, Joseph Fouché sowie weitere Bände mit Erzählungen und Novellen, darunter 1936 die Legende Der begrabene Leuchter, in der sich Zweig am weitesten der jüdischen Kultur und Tradition näherte.
Die letzte Veröffentlichung des Autors in Österreich war seine historische Studie über Magellan, die noch 1938 in einer einmaligen Auflage bei Herbert Reichner erscheinen konnte. Auch wenn es im deutschen Sprachraum nach 1933 aus politischen und antisemitischen Gründen für Zweigs Werke immer weniger Leser gab, blieben die Übersetzungen seiner Bücher weltweit sehr erfolgreich. Dieser internationale Erfolg sicherte ihm auch in seinen letzten Jahren einen verhältnismäßig bequemen Lebenswandel, der sich von dem vieler anderer Autoren der deutschsprachigen Exilliteratur deutlich unterschied, von denen nicht wenige am Rande des Existenzminimums lebten.
Auch privat hatte sich nach 1933 im Leben des Autors viel verändert. Der Haushalt in Salzburg wurde nach und nach aufgegeben, da die gravierenden politischen Veränderungen in Deutschland immer deutlicher spürbar wurden und Zweig kommen sah, dass diese schnell auf Österreich übergreifen würden. Sein Lebensmittelpunkt verlagerte sich zunächst nach London, doch behielt er seine rastlose Reisetätigkeit im Rahmen des Möglichen bei. Frankreich, Schweiz, Italien, Schweden, die Niederlande, ja selbst die USA und Südamerika wurden von ihm in den Jahren 1933 bis 1941 teils mehrfach bereist. In der Beziehung zu seiner Frau Friderike zeigten sich erste Risse, die sich noch vertieften, als sich der Autor mehr und mehr zu seiner neuen, deutlich jüngeren Privatsekretärin Lotte Altmann hingezogen fühlte, die 1934 in London von Friderike ausgewählt worden war. Kurz nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs kaufte Stefan Zweig im südenglischen Bath zum letzten Mal ein eigenes Haus, in dem er mit seiner zweiten Frau, Lotte, die er im September 1939 geheiratet hatte, jedoch nur ein knappes Jahr leben sollte.
Mit der Annexion Österreichs durch Deutschland war Zweig staatenlos geworden, denn er lehnte es ab, sich von einem – nach dem »Anschluss« Österreichs – zuständigen nationalsozialistischen deutschen Konsulat einen Reisepass ausstellen zu lassen. Der Antrag auf Naturalisierung in Großbritannien wurde zögerlich behandelt, so dass der internationale Erfolgsautor seit Kriegsausbruch für ein halbes Jahr zum »feindlichen Ausländer« (enemy alien) wurde. Es war sicher seiner Popularität geschuldet, dass ihm die Internierung in einem Lager für Deutsche und Österreicher – unabhängig von ihrer Haltung zum nationalsozialistischen Deutschland oder dem Grad ihrer persönlichen Gefährdung in diesem Regime – erspart blieb und ihm und seiner neuen Ehefrau schließlich Mitte März 1940 die britische Staatsangehörigkeit verliehen wurde.
Im Jahr 1939 erschien der erste Roman Zweigs, Ungeduld des Herzens, in einer Kooperation der Exilverlage Allert de Lange in Amsterdam und Bermann-Fischer in Stockholm. Das Werk sollte der einzige Roman bleiben, den Zweig beendete und zur Veröffentlichung freigab. Diese Publikation markierte auch den erneuten Wechsel zu einem Verlag für die deutschsprachigen Originalausgaben, nachdem der Reichner-Verlag in Wien seit März 1938 nicht mehr existierte. Damit war Zweig endgültig zum Exilautor geworden: Er lebte und schrieb nicht mehr in seinem Heimatland und seine deutschen Bücher erschienen fortan im neutralen Ausland. In dem Roman ist wieder eine Hinwendung zum jüdischen Leben in der nicht mehr existierenden Doppelmonarchie Österreich-Ungarn zu beobachten. Die weibliche Hauptfigur, die körperlich behinderte Edith von Kékesfalva, entstammt einer wohlhabenden assimilierten ungarisch-jüdischen Familie, während die männliche Hauptfigur, Leutnant Anton Hofmiller, Christ ist. Die Symbolik der zum Scheitern verurteilten Beziehung des Leutnants zur behinderten Edith aus jüdischem Haus muss vor dem historischen Hintergrund der Jahre 1938/39 gesehen werden, in denen bereits alle Illusionen einer deutsch-jüdischen Symbiose ad absurdum geführt worden waren, was der Autor zweifellos verinnerlicht hatte.
Kurz darauf begann Stefan Zweig die Arbeit an seiner Autobiografie Die Welt von Gestern und an einer auf zwei Bände angelegten Monografie über den französischen Schriftsteller Honoré de Balzac. Beide Werke bildeten den Mittelpunkt in Zweigs literarischem Schaffen bis zu seinem Tod. Der Überfall der Wehrmacht auf Frankreich im Juni 1940 und eine drohende Invasion in England veranlassten Zweig, sich im Juni 1940 auf eine Reise in die USA und von dort weiter nach Brasilien zu begeben, wohin er offiziell eingeladen worden war. Ende Juni 1940 schifften sich Stefan und Lotte Zweig in Liverpool für eine mehrmonatige Reise nach Amerika ein, ohne zu wissen, dass damit der endgültige Abschied von Europa besiegelt wurde.
Sowohl in den USA als auch in Südamerika, wohin er mit Lotte zwei Mal von New York aus reiste, hielt Zweig zahlreiche Vorträge, oft vor großem Publikum, doch angesichts der sich verschlechternden Weltlage – Hitlers Armeen siegten noch an allen Fronten – verdüsterte sich seine ohnedies depressive Stimmung immer mehr. Der kulturelle Kontext Europas, der die Grundlage für seine Arbeit und Geisteshaltung gewesen war, wurde vor den Augen der Weltöffentlichkeit und unter Beteiligung fast aller Staaten demontiert, wobei besonders die Juden Europas die Leidtragenden waren. Die spezielle kulturelle Atmosphäre der USA sagte ihm nicht zu, doch zog ihn die brasilianische Gesellschaft immer mehr an, da sie ihm frei von Rassendenken schien. Inspiriert vom Land veröffentlichte er 1941 das Buch Brasilien, ein Land der Zukunft. Ebenfalls in Brasilien entstand die meisterhafte Schachnovelle, die den Schlusspunkt von Zweigs erzählerischem Werk darstellt und posthum im Dezember 1942 in Argentinien veröffentlicht wurde.
Ebenfalls 1941 stellte er Die Welt von Gestern fertig und sandte das Manuskript an seine Verlage in den verschiedenen Ländern. Kurz nach seinem 60. Geburtstag, abgeschnitten von allem, was ein inspiriertes schöpferisches Leben für ihn bedeutete, und getrennt von seinen alten sozialen Bindungen verdüsterte sich Zweigs Gemüt zusehends. Dazu kam der sich verschlechternde Gesundheitszustand seiner Frau Lotte, die unter schweren Asthmaanfällen litt. In den ersten Wochen des Jahres 1942 reifte in beiden der Entschluss zum Suizid, und am 22. Februar 1942 setzten sie im brasilianischen Petropolis ihrem Leben ein Ende. Der von ihm offen hinterlegte Abschiedsbrief, der heute in der Israelischen Nationalbibliothek aufbewahrt wird, war vermutlich sein letzter Text.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und dem gleichzeitigem Fallen der Publikationsschranken in den europäischen Ländern konnten alle Werke Zweigs wieder erscheinen. Weltweit erwachte das Interesse an seinen Schöpfungen, und bis heute werden seine Erzählungen und auch die unvollendet gebliebenen Romane aus dem Nachlass erstmals oder neu in andere Sprachen übersetzt und finden – mehrere Generationen später – ständig aufs Neue ihre Leserschaft.
1Ein Verzeichnis weiterführender Literatur und der wichtigsten Briefausgaben findet sich am Ende dieses Bandes. Die erwähnten Werke Zweigs werden mit bibliografischen Angaben in den Fußnoten des Editionsteils aufgeführt.
Wie bei vielen seiner zeitgenössischen Schriftstellerkollegen bildet auch im Werk Stefan Zweigs der gewaltige Korpus seiner Briefe einen wichtigen Teil des literarischen Schaffens. Die genaue Zahl der von ihm geschriebenen oder diktierten Briefe ist unbekannt, doch gehen Schätzungen von 25 000 Briefen und Postkarten aus. Er selbst beklagte sich gelegentlich über die Fülle von Zuschriften und über die Zeit, die er in deren Beantwortung investierte. Viele der Korrespondenzen Zweigs wurden mit Schriftstellern, Musikern, Künstlern oder anderweitig herausragenden Personen geführt. Dabei schrieb Zweig vor allem Deutsch, nutzte aber – wo angebracht – auch andere Sprachen: Französisch, Englisch und Italienisch. Gelegentlich nahm er sich auch die Zeit, Briefe von Personen zu beantworten, die ihm ihre literarischen Versuche zur Beurteilung zugesandt hatten und dadurch sein Interesse wecken konnten. Somit sind unter den Adressaten von Zweigs Briefen Personen sehr unterschiedlicher Stellungen und verschiedenster Altersgruppen zu finden.
Bis heute ist kein Versuch unternommen worden, seine Korrespondenz komplett zu erfassen oder gar zu publizieren, doch wurden immer wieder Teile daraus veröffentlicht. Neben einer Zahl von Einzelkorrespondenzen mit bedeutenden Personen seiner Zeit (z. B. Thomas Mann, Hermann Hesse, Paul Zech, Romain Rolland) ist vor allem die vierbändige Ausgabe ausgewählter Briefe zu erwähnen, die von Knut Beck und Jeffrey B. Berlin 1995 bis 2005 herausgegeben wurde und ca. 1000 Briefe Zweigs an verschiedene Korrespondenzpartner vereint. Diese Situation führt dazu, dass Forscherinnen und Forscher noch immer verschiedene Archive und Sammlungen konsultieren müssen, um das breit gefächerte Briefwerk Zweigs untersuchen zu können. Noch immer gelangen einzelne Briefe oder ganze Konvolute ans Licht der Öffentlichkeit, die bislang in privaten Händen lagen.
Ein solcher Fall führte auch zur Idee für die vorliegende Briefauswahl. Im Sommer 2016 kontaktierte Hanna Jacobson aus Bat Yam die Israelische Nationalbibliothek und bot die Übergabe von mehr als 30 Briefen und Postkarten Stefan Zweigs an einen heute nahezu vergessenen jungen Mann namens Hans Rosenkranz an. Rosenkranz, der spätere Leiter des J. M. Spaeth-Verlags in Berlin und selbst Autor zweier Bücher, war der Stiefvater von Frau Jacobson und hatte als junger Mann zwölf Jahre lang mit dem Autor korrespondiert. Auch wenn diese Briefe der Forschung nicht verborgen geblieben waren, existierte keine eingehendere Beschreibung oder gar eine komplette Edition. Beim Lesen der ersten Briefe, die Zweig 1921 und 1922 an den sechzehnjährigen Rosenkranz schrieb, verblüffte mich bei einigen von ihnen die Offenheit, mit der Zweig einem ihm völlig unbekannten jungen Mann seine Ansichten über Judentum und Zionismus darlegte.
Meine anschließende Recherche nach weiteren Briefen des Autors zur jüdischen Thematik förderte – gemessen an der Gesamtkorrespondenz – eine zwar nicht sehr große, aber dennoch nicht zu vernachlässigende Anzahl von persönlichen Mitteilungen Zweigs zutage. Mehr als 140 Briefe und einige Postkarten konnten bislang ausfindig gemacht werden, wobei davon ausgegangen werden muss, dass längst nicht die gesamte Korrespondenz Zweigs erhalten ist bzw. aufgefunden werden konnte. Die Briefe zum Thema Judentum stellen weniger als ein Prozent seiner angenommenen Gesamtkorrespondenz dar. Selbst wenn dies nicht die tatsächliche Quantität widerspiegeln sollte, wird deutlich, dass Zweig das Problem nicht extensiv schriftlich thematisieren wollte, sondern es vielmehr von Zeit zu Zeit und meist aus gegebenen politischen oder kulturellen Anlässen ansprach.
Die Bedeutung dieser Schriftstücke für weitere Erkenntnisse über das komplexe Verhältnis des Autors zu Judentum, Zionismus und Antisemitismus liegt auf der Hand. Weder in seinen Werken noch in den Tagebüchern hat er derart konkret zu diesem Thema Stellung genommen wie in den Briefen, die in vielen Fällen an Freunde und engere Bekannte des Autors geschrieben wurden. Dabei überrascht nicht, dass die meisten dieser Briefempfänger selbst jüdisch waren. Sicher ging Zweig davon aus, vor allem bei diesen Personen Verständnis für seine Ansichten und inneren Zwiespälte zu finden. Bemerkenswert ist, dass diese Briefe fast ausnahmslos an männliche Zeitgenossen gerichtet waren. Da wir in den seltensten Fällen detailliert über ausführliche Gespräche Zweigs mit seinen Freunden und Bekannten informiert sind und noch weniger über solche, in denen jüdische Themen im Mittelpunkt standen, nehmen diese privaten Briefe den bedeutendsten Platz unter den verfügbaren Primärquellen ein, da sie als schriftliche Form des persönlichen Dialogs anzusehen sind.
Bei der Lektüre der Briefe drängen sich nicht immer nur die großen politischen oder literarischen Aspekte in den Vordergrund. Selbst kleine Feinheiten fallen ins Auge: Nie hat Zweig in einem Brief einem jüdischen Briefpartner Grüße zu den Festen des Judentums gesandt, und es wäre interessant zu wissen, was in seinem Haus am Pessachabend geschah oder welche Gedanken ihn während des jüdischen Neujahrsfestes oder des Versöhnungstags bewegten. Darüber sind jedoch so gut wie keine Aussagen überliefert. Aus den Erinnerungen von Friderike Zweig ist bekannt, dass er in der Salzburger Zeit gern über die Weihnachtstage wegfuhr, so dass auch das christliche Hauptfest für ihn keinen Ruhepunkt darstellte. In den hier edierten Briefen wird Weihnachten lediglich einige Male als zeitlicher Bezugspunkt erwähnt, andere christliche Feste hingegen gar nicht.
Zu Beginn war die Motivation für diese Briefedition die rein historische Neugier nach direkten Belegen aus Stefan Zweigs Feder zu seinem Verhältnis gegenüber verschiedenen Aspekten des Judentums. Seit der Entstehung der Idee im Sommer 2016 hat sich jedoch eine politische Entwicklung in mehreren Ländern Europas und der westlichen Welt verfestigt, die in Teilen ähnlich besorgniserregend ist wie die vor rund 100 Jahren zu Lebzeiten Zweigs. Unter dem Beifall eines Teils der Gesellschaft wird offen rassistisches und antisemitisches Gedankengut an die Oberfläche geschwemmt, das bis vor Kurzem endgültig der fernen Vergangenheit anzugehören schien. Diese zunächst unbeabsichtigte Aktualität des Buches erschüttert, zeigen doch die Gedanken Stefan Zweigs und seine klare Voraussicht in Bezug auf die später zur Wirklichkeit gewordenen unvorstellbaren Realitäten von Krieg und Holocaust, dass das Aufzeigen derartiger Tendenzen auch in unseren Tagen nichts von seiner Dringlichkeit verloren hat. Stefan Zweig bevorzugte die stille Stimme der Vernunft, die auch heute wieder im Getöse des Populismus unterzugehen droht. Mit dem Vorlegen dieser Edition verbindet sich die Hoffnung, dass diese stille Stimme auch weiterhin vernommen wird.
Für diese Ausgabe wurden 120 Briefe und Postkarten an 43 Adressaten ausgewählt. An erster Stelle wurden solche Briefe berücksichtigt, die ausführliche Passagen über verschiedene Aspekte und Probleme des Judentums enthalten, selbst wenn bei manchen das Thema eher zwischen den Zeilen zu finden ist, ohne dass explizit Begriffe wie »Juden«, »Judentum« verwendet wurden. Weiter wurden vorzugsweise solche Schriftstücke in die Auswahl genommen, die bislang unbekannt bzw. unveröffentlicht waren. Mehr als die Hälfte, insgesamt 69, gehören zu dieser Kategorie.
Häufig wurde in der Forschungsliteratur von den »drei Leben« Zweigs gesprochen, die sich aus den äußeren Gegebenheiten seiner jeweiligen Lebensumstände in Österreich, England und im Exil in den USA sowie in Südamerika ergaben. Er selbst unterteilte sein Leben in dieser Form während des Schreibens von Die Welt von Gestern. In ähnlicher Weise lassen sich die hier chronologisch edierten Briefe zum Judentum in drei Zeitabschnitte unterteilen.
Von 1900 bis zum Ende des Ersten Weltkriegs 1918: Aus diesen 19 Jahren konnten 18 Briefe ermittelt werden, die mehrheitlich in den für den Pazifisten Zweig bedrückenden Jahren des Kriegs geschrieben wurden. Die Briefpartner, mit denen Zweig Gedanken über jüdische Themen austauschte, waren der Religionsphilosoph Martin Buber, die Schriftsteller Marek Scherlag, Abraham Schwadron (wie Zweig ein begeisterter Autografensammler), Karl Emil Franzos und Emil Ludwig, der lebenslange Freund Victor Fleischer sowie der Cousin Egon Zweig.
Von 1920 bis 1932: Aus diesem kürzeren Zeitabschnitt fanden sich 30 Briefe, die meist einen anderen Charakter als die früheren Stücke aufweisen. Sie befassen sich häufig mit den schöpferisch-literarischen Aspekten des Judentums. An erster Stelle stehen hier die Korrespondenzen mit Zweigs Verleger Anton Kippenberg, den Forschern zur hebräischen Poesie Heinrich Chaim Brody und Meir Wiener, ferner dem damals unbekannten Hans Rosenkranz, erneut Egon Zweig und Martin Buber, weiter Victor Fleischer sowie neben den Prager Schriftstellern Franz Werfel und Max Brod noch einigen anderen.
Von 1933 bis 1941: Die für diesen Zeitabschnitt zusammengestellten 72 Briefe befassen sich mit dem Aufkommen des Nationalsozialismus, dem sich damit weltweit verstärkenden Antisemitismus und den daraus resultierenden Erscheinungen von Verfolgung, Flucht, Exil und Krieg, doch auch immer noch mit literarischen Fragen über das Judentum. Diese Briefe wurde an folgende Personen versandt: wiederum an den Verleger Anton Kippenberg, an die Schriftsteller Joseph Leftwich, Schalom Asch, Max Brod, Arnold Zweig und Romain Rolland sowie an den Bankier Siegmund Warburg, den zionistischen Politiker Chaim Weizmann und weitere. Das jüdische Thema ist somit über die Jahrzehnte mit wechselnden Personen behandelt worden, entsprechend den sich verändernden Bekannten- und Freundeskreisen Zweigs.
Eine Reihe von Briefen wurde bereits in der genannten Edition von Beck/Berlin sowie in anderen Publikationen veröffentlicht. Zur Garantie der genauen Überlieferung wurden alle hier wiedergegebenen deutschsprachigen Briefe von den Originalen bzw. Kopien derselben transkribiert. Lediglich die wenigen Briefe, die original in Französisch geschrieben sind, werden in ihren veröffentlichten deutschen Übersetzungen abgedruckt.
Die Briefe und Postkarten wurden in verschiedenen internationalen Archiven und Nachlässen ausfindig gemacht: der Israelischen Nationalbibliothek in Jerusalem, dem Diaspora Research Center an der Universität Tel Aviv, dem Albert-Einstein-Archiv an der Hebräischen Universität Jerusalem, den Central Zionist Archives in Jerusalem, Yad Chaim Weizmann in Rechovoth (Israel), in der Library of Congress in Washington, der Beinecke Library der Yale University, dem Leo Baeck Institute in New York, der Wien-Bibliothek, dem Deutschen Literaturarchiv in Marbach, dem Archiv der Akademie der Künste in Berlin und dem Exilarchiv der Deutschen Nationalbibliothek in Frankfurt am Main. Bei einigen Stücken ist der heutige Verbleib unbekannt und war trotz intensiver Nachforschung nicht ausfindig zu machen. Aufgrund der Existenz von Digitalisaten oder älteren Fotokopien konnten sie dennoch Berücksichtigung finden. Die meisten Kopien stammen aus dem Vorlass von Knut Beck am Literaturarchiv Salzburg. Allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der genannten Institutionen gebührt mein aufrichtiger Dank für die geleistete Unterstützung.
Zu besonderem Dank verpflichtet bin ich Mark Gelber, Caroline Jessen, Oliver Matuschek und Lina Maria Zangerl, die mir mit ihrem Wissen und ihrer großen Hilfsbereitschaft in den vergangenen Jahren immer wieder zur Seite standen. Schließlich möchte ich auch dem Suhrkamp Verlag meinen besonderen Dank für die Aufnahme des Buches in das Programm des Jüdischen Verlags aussprechen, insbesondere aber Thomas Sparr und Sabine Landes für die hervorragende Zusammenarbeit.
Stefan Litt
Zur Hadassa/Israel im Frühjahr 2020
»Ich will mich nicht festlegen auf eine Meinung über das Judentum, manchmal flutets in mir und manchmal ebbt es zurück …«
Seit seiner Jugend übte sich Stefan Zweig im literarischen Schreiben. Gedichte und Erzählungen gehörten zu seinen ersten Werken. Schon früh stand er mit dem Schriftsteller und Publizisten Karl Emil Franzos in Kontakt, mit dem er die Veröffentlichung seiner Texte besprach. Wie aus den ersten hier wiedergegebenen Briefen hervorgeht, spielte bereits für den jungen Zweig das Thema Judentum eine Rolle, zweifellos auch durch die Kontakte, die er als junger Autor zu Theodor Herzl pflegte, aber auch als Student zu jüdischen Kreisen an der Universität Wien, insbesondere zu Martin Buber. Zweigs »Kokettieren« mit dem Kulturzionismus, der geistig-kulturellen Erweckung des Judentums zu Beginn des 20. Jahrhunderts, führte dazu, dass er einige Gedichte und Erzählungen mit jüdischen Bezügen schrieb und zu veröffentlichen suchte. Allgemeine Literaturzeitschriften wiesen seine Texte ab, doch erschien einiges davon in der zionistischen Wochenschrift Die Welt. Noch zu Lebzeiten Herzls entschied sich Zweig jedoch, seinem literarischen Mentor in dessen politischem Denken über die Zukunft der Juden in einem eigenen Staat nicht weiter zu folgen. 1904, im Todesjahr des bewunderten Schriftstellers und Gründungsvaters des Zionismus, schloss Zweig sein Universitätsstudium ab und begab sich anschließend auf zahlreiche Reisen durch Europa und andere Kontinente, bei denen er nicht nur fremde Länder kennenlernte, sondern auch prägende Schriftstellerpersönlichkeiten, wie Émile Verhaeren, Romain Rolland und andere. Dabei betrieb er ständig literarische Recherchen und schrieb. Seine weiteste Reise war schließlich die nach Indien im Jahr 1908. Aus jenen Jahren gibt es nur wenig Hinweise auf eine Auseinandersetzung Zweigs mit jüdischen Themen, offenbar hatte ihn das Faszinosum der Begegnung mit anderen Kulturen davon abgelenkt. Für die Jahre 1901 bis 1904 sowie 1906 bis 1913 konnten keine relevanten Mitteilungen Zweigs ermittelt werden. Der Brief an den Cousin Egon Zweig vom Spätsommer 1906 ist eine Ausnahme und stellt eines der frühesten schriftlichen Zeugnisse zu Zweigs gewandelten Ansichten zum Zionismus dar, auch wenn er noch immer ein gewisses Interesse an der Bewegung und ihren literarischen Äußerungen hatte.
Ein Schreiben an den Schriftstellerkollegen Marek Scherlag vom Ende des Jahres 1913 gibt zum ersten Mal etwas ausführlicher Einblick in Zweigs Gedanken über die Rolle des Judentums. Bald nach dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs fokussierte er sich viel stärker auf diese Frage und auch auf die antisemitischen Begleiterscheinungen, auf die er erstmals in einem Brief an Abraham Schwadron vom April 1915 Bezug nimmt. Die schlimmen Übergriffe auf die jüdische Bevölkerung im teilweise russisch besetzten Galizien führten Zweig zu einer gewissen Solidarisierung mit dem Schicksal der von dort vertriebenen Juden.
Diese Ereignisse und die ihn immer stärker deprimierenden Kriegsgeschehnisse führten Zweig schließlich zum Verfassen des Dramas Jeremias, das er in einem Brief an Martin Buber vom 15. Juni 1917 als die »umfassendste dichterische Abrechnung eines deutschen Dramatikers mit dem jüdischen und zeitlichen Problem« bezeichnete. Doch Buber war mit der Botschaft des Dramas, die nicht in einer zionistischen Verheißung endete, keinesfalls zufrieden und lehnte eine Teilpublikation in der von ihm geleiteten kulturzionististischen Zeitschrift Der Jude ab. Obwohl Zweig die Zeitschrift immer wieder rezipierte, veröffentlichte er auch in den folgenden Jahren dort nie etwas. Der intensive Briefwechsel mit dem damals schon sehr bekannten Religionsphilosophen Buber zeugt von der höflichen, doch durch konträre Positionen gekennzeichneten Diskussion über die Rolle des Judentums in der Welt und der von seinen Anhängern propagierten historischen Notwendigkeit des Zionismus. Zweigs ablehnende Position gegenüber der jüdischen Nationalbewegung, die er als Selbsterniedrigung in nationale Realitäten empfand, scheint sich in der Auseinandersetzung mit Buber gefestigt zu haben. Seine Bejahung der Diaspora als eigentlichen Ausdrucks der weltbürgerlichen Berufung des Judentums erhält in seinen Briefen an Buber aus den beiden letzten Kriegsjahren sehr scharfe Konturen.
Das Jahr 1918 verbrachte Zweig in der Schweiz, wo er die Uraufführung des Jeremias in Zürich vorbereitete und offiziell als Korrespondent für die Neue Freie Presse tätig war. Schon vor der Abreise hatte er 1917 das Haus auf dem Kapuzinerberg in Salzburg erworben, in dem er nach seiner Rückkehr nach Österreich bis Mitte der 1930er Jahre leben und arbeiten sollte. In dieser Zeit verband ihn eine enge Beziehung zu Friderike von Winternitz, einer katholisch getauften Jüdin, die er nach seiner Rückkehr aus der Schweiz 1920 heiratete.
Die revolutionären Ereignisse in Deutschland und Österreich erfüllten ihn mit Sorge, insbesondere die herausgehobene Stellung, die jüdische Revolutionäre dabei einnahmen. Zweigs Fähigkeit, unheilvolle historische Entwicklungen vorauszusehen, trat hier erstmals deutlich zutage, als er – erneut an Buber – zum Jahresende 1918 darauf verwies, dass die jüdische Beteiligung an der Revolution für spätere Schuldzuweisungen in Bezug auf den politischen Zusammenbruch und die militärische Niederlage durch rechtsnationale Kreise ausgenutzt werden würde. Auch schien es ihm vor der veränderten politischen Situation wichtig, eine Art Umfrage unter jüdischen Intellektuellen durchzuführen, bei der ihr schriftliches Bekenntnis zu ihrer jüdischen Identität abgefordert werden sollte.
An Karl-Emil Franzos, Wien, 29. März 1900
Wien 29. März 1900
Sehr verehrter Meister!
Ich schäme mich beinahe, erst jetzt einen Brief zu beantworten, der Ihnen wohl so viel Mühe und mir so viel Freude gemacht hat, weil sich darin so liebenswürdiges Interesse mit offenen, gut gemeinten Ratschlägen paart.
Ich weiss zwar nun nicht, ob ich die »Conc.«1 sogleich in Anspruch nehmen kann, da ich mit einer hiesigen neuen Verlagsanstalt »Wiener Verlag« bereits in Beziehungen getreten bin und es mir widerstrebt, bei einer Sache, die Überhastung am wenigsten verträgt, zugleich an zwei Tischen zu spielen. Jedenfalls weiss ich, dass ich hier, wo ich in mündlichen Verhandlungen stehe, nicht so viel Wissenswertes und zugleich einen so richtigen Überblick über die Sachlage erlangt habe, wie durch Ihren mir so werten Brief, für den ich kaum des Dankes genug finden kann.
Die Besprechung der mir vom Verlag Concordia zugekommenen Bücher erscheint an verschiedenen Stellen, Otto Hausers Verlaine2 im »Litterarischen Echo«,3 Nik. Welters »Siegfr. & Mel.«4 in »Jung Deutschland«,5 einer neu erscheinenden litterarischen Zeitschrift, das übrige wird ebenfalls irgendwo besprochen werden.
Was die »Juden von Barnow«6 betrifft, so sind diese mit ein Grund, dass ich mich noch nicht früher für Ihr Schreiben bedankt, weil ich dieses Buch wieder einmal von Seite 1 bis zum letzten Buchstaben durchgelesen habe, mit jenem tiefen Interesse und jener Bewunderung, die ich schon seit den Jahren, in denen ich es zum ersten Male in die Hand bekommen habe, für dasselbe hege. Über die neue Auflage werde ich vorläufig nur Anzeigen im Umfange von cca 10 Zeilen in einem oder dem anderen Blatte bringen können, da z. B. Das litterarische Echo nur neue Bücher bespricht, aber ich werde außerdem noch bestimmt in einem größeren Artikel in einem Tagesblatte dieses Buches mit aller der Achtung und Bewunderung noch gedenken, die es so reichlich verdient.
Für Ihr w. Blatt7 hoffe ich Ihnen in nächster Zeit mit einigem Interessanten dienen zu können, so mit einigen Manuskripten – anbei liegt eines, von dem nur wenige Zeilen in einem Feuil. der Neuen Freien Presse gedruckt wurden und das daher noch als vollkommen unbekannt gelten darf –, ferner mit Übersetzungen einiger interessanter französischer Autoren, z. B. Rimbaud, dem Schüler Verlaines, Coppée, Maupassant und anderen.
Indem ich noch einmal meinen herzlichsten Dank für die Mühe ausspreche, verbleibe ich mit dem Ausdrucke der tiefsten Ergebenheit
Ihr
Stefan Zweig
Wienbibliothek, Nachlass Karl-Emil Franzos, eigenhändig auf weißem Papier
1Concordia Deutsche Verlags-Anstalt in Berlin.
Paul Verlaine, Gedichte. Übers. von Otto Hauser, Berlin: Concordia Deutsche Verlags-Anstalt 1900.
3Das Literarische Echo − Halbmonatschrift für Literaturfreunde, erschien 1898-1923.
4Nikolaus Welter, Siegfried und Melusine. Dramatische Volkssage in drei Abteilungen, Berlin: Concordia Deutsche Verlags-Anstalt 1900.
5Jung-Deutschland, erschien 1900-1902 mit wechselnden Untertiteln, in Berlin, später in Eberswalde.
6Karl Emil Franzos, Die Juden von Barnow, Leipzig: Duncker & Humblot 1876, danach zahlreiche Nachauflagen, hier vermutlich die von 1900, erschienen bei Rowohlt in Reinbek bei Hamburg 1900.
7Deutsche Dichtung, erschien in Wien 1886-1904.
An Karl-Emil Franzos, Wien, 26. Juni 1900
Stephan [!] Zweig
I. Rathhausstrasse Nr. 17
Wien, am 26. Juni 1900
Sehr verehrter Meister!
Die Freude, dass Ihnen mein Artikel nicht missfallen hat, liess auch die Zurückweisung der Judennovelle1 nicht verspüren. Im Gegentheil! Der Umstand, dass auch eine reine belletristische Zeitschrift über diesen Punkt nicht hinauskommen kann, zeigt mir, dass das Wort des Redacteurs eines der ersten Wiener Tagesblätter2 richtig war, der mir es mit dem Hinweis auf die confessionellen Schwierigkeiten, die sich selbst in der sogenannten schönen Litteratur verbieten3 zurückgab, obwohl er sie für sehr gut erklärte und mich zu weiteren Beiträgen aufforderte.
Ich hoffe sie aber dennoch placieren zu können, vielleicht in Dr. Jakobowskys »Gesellschaft«,4 wo ich jetzt mehrfach Gedichte gebracht habe oder im »Magazin für Litteratur«.5 Den Mut will ich deshalb doch nicht verlieren.
Ich sende Ihnen dafür eine kurze Wiener Novelle6 mit der Bitte, sie im Falle, dass sie acceptiert wird, womöglich noch im Herbst (bis September) zu bringen, da sie in meinen projektierten Novellenband7 kommen soll, den ich noch dieses Jahr erscheinen lassen will. Vielleicht ist es mir möglich im Herbste nach Berlin auf paar Tage abzukommen, wo ich mit Schuster&Löffler oder einem anderen Verlage verhandeln will. Es wäre mir infolgedessen sehr angenehm, wenn sie bis dahin schon erschienen wäre.
Ich sende Ihnen anbei ein paar Gedichte, seit längerer Zeit wieder ein; weil ich nicht wusste, ob Sie nicht von den früher gesandten noch einige angenommen hätten und weil ich fürchtete, meine letzten seien für Ihr Blatt zu modern, zögerte ich damit. Die diesmaligen stammen auch noch meistens von früher her.
Ihr Einwand gegen die Verlaine Auffassung überrascht mich sehr, besonders – weil er nicht der erste ist, denn ein Freund äusserte schon sein Bedenken, ich hätte die Sache zu scharf gefasst. Meine Meinung ist aber, dass Verlaine in seinen Fêtes galantes8stets ironisch und frivol-cocett ist mit Ausnahme von 4 oder 5 direct lyrischen Gedichten. Und deshalb habe ich auch der Übersetzung diese Spitze gegeben, die ich fuer meinen Theil schon im Titel zu finden glaube, wenn auch die wundervolle, rein lyrische Schlussstrophe zu widersprechen scheint. Aber wenn man Heine ins Französische übersetzen wollte, wäre der Fall doch auch ebenso vorhanden.
Indem ich bitte mir die Novelle gegebenenfalls mit beil. Rückporto recommandiert zurücksenden zu wollen – denn es ist Conzept Reinschrift und einzige Abschrift zugleich! – verbleibe ich mit ergebenen Grüssen
Ihr
Stefan Zweig
P. S. Sie finden eine Ähnlichkeit mit Fuldas9 Artikel und dem meinigen. Sie ist aber wirklich nur eine zufällige, denn ich habe Fuldas Artikel ebensowenig gelesen – als er voraussichtlich meinen lesen wird.
Wienbibliothek, Nachlass Karl-Emil Franzos, eigenhändig auf persönlichem Briefpapier, veröffentlicht in: Briefe 1, 19f.
1Im Schnee; die Novelle erschien schließlich 1901 im Zentralorgan der zionistischen Bewegung Die Welt, Nr. 31, 2. 8. 1901, 10-13; später dann auch 1904 im Jüdischen Almanach, herausgegeben von Berthold Feiwel.
2Vermutlich Theodor Herzl (1860-1904), der zu jener Zeit Feuilletonredakteur der in Wien erscheinenden Tageszeitung Neue Freie Presse war.
3Im Original: verbitten.
4Ludwig Jacobowsky (1868-1900), gab 1885-1900 die Zeitschrift Die Gesellschaft. Münchener Halbmonatsschrift für Litteratur, Kunst und Sozialpolitik heraus.
5Das Magazin für Litteratur, herausgegeben von Rudolf Steiner und erschienen bei verschiedenen Verlegern in Berlin, Weimar und Leipzig, 1890-1904.
Vermutlich: Die Liebe der Erika Ewald.
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