Bühnenstücke - Emil Rosenow - E-Book

Bühnenstücke E-Book

Emil Rosenow

0,0

Beschreibung

Emil Rosenow war ein deutscher Schriftsteller, Redakteur und Reichstagsabgeordneter. Dieser Sammelband beinhaltet die Werke Kater Lampe und Die im Schatten leben.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 259

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Bühnenstücke

Emil Rosenow

Inhalt:

Emil Rosenow – Biografie und Bibliografie

Kater Lampe

Personen.

Erster Akt

Zweiter Akt

Dritter Akt

Vierter Akt

Die im Schatten leben

Personen

Erster Akt

Zweiter Akt

Dritter Akt

Vierter Akt

Bühnenstücke, E. Rosenow

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

86450 Altenmünster, Loschberg 9

Deutschland

ISBN:9783849634261

www.jazzybee-verlag.de

www.facebook.com/jazzybeeverlag

[email protected]

Dieses Werk bzw. Inhalt und Zusammenstellung steht unter einer Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz. Die Details der Lizenz und zu der Weiterverwertung dieses Werks finden Sie unter http://creativecommons.org/licenses/by/3.0/de/. Der Inhalt und die Zusammenstellung oder Teile davon wurden der TextGrid-Datenbank entnommen, wo der Inhalt und die Zusammenstellung oder Teile davon ebenfalls unter voriger Lizenz verfügbar sind. Eine bereits bestehende Allgemeinfreiheit der Texte bleibt von der Lizensierung unberührt.

Emil Rosenow – Biografie und Bibliografie

Deutscher Schriftsteller, geboren am 9. März 1871 in Köln, verstorben am 7. Februar 1904 in Berlin. Sohn eines Schuhmachermeisters. Beide Eltern sterben als er 14 Jahre alt ist: Schon kurz danach beginnt er zu schreiben und gibt bald seinen ersten Roman "Die Ungerechtigkeit des sozialen Lebens" heraus. Ab 1888 arbeitet er für verschiedene Zeitungen und Zeitschriften und zieht schließlich 1892 nach Chemnitz. Als Mitglied der SPD beginnt er am Parteiorgan "Der Beobachter" mitzuschreiben und engagiert sich mehr und mehr politisch. Er lässt sich 1898 für die Reichstagswahl aufstellen, gewinnt diese in seinem Wahlkreis und zieht als Abgeordneter in den Reichstag ein. Mit seiner Frau Marie, die er 1897 geheiratet hatte und zwei Kindern zieht er 1900 nach Berlin. Dort stirbt er 1904 an schwerem Rheuma.

Wichtige Werke:

·Daheim

·Der balzende Auerhahn

·Die im Schatten leben

·Kater Lampe

·Kapital

·Die zehn roten Taler

·Zwei Agitatoren

·Wider die Pfaffenherrschaft

Kater Lampe

Komödie in vier Akten

Personen.

Ermischer, Bauerngutsbesitzer und Gemeindevorstand.

Frau Ermischer.

Maari, die Magd.

Neubert, ein großer Spielwarenverleger.

Frau Neubert.

Hartmann Schönherr, Holzdrehermeister

Frau Schönherr

Gertrud, Kind

Heinerle, Kind

Fränzel, Kind

Liesel, Kind, Holzspielwarenschnitzler.

Neumerkel, der Gesell.

Weigel, Bezirksgendarm.

Seifert, Gemeindediener.

Frau Seifert.

Ulbrich, Landbriefträger.

Frau Ulbrich.

Eine Anzahl Schnitzlersleute, Waldarbeiter und Bauern.

Der Schauplatz der Komödie ist ein Spielwarenindustrieort im oberen sächsischen Erzgebirge.

Erster Akt

Die beiden Ermtschers. Die beiden Neuberts. Ulbrich. Seifert. Weigel. Neumerkel. Maari.

Geräumige Stube im Hause Ermtschers. Weißblau getünchte Stubenwände, an der Decke vertünchte Querbalken. An der Seitenwand links zwei niedrige Fenster mit kleinen Glasscheiben, nach außen Fensterladen, nach innen kurze Kattunvorhänge. Zwischen den Fenstern an der Wand hängend alte Buntdrucke: König Albert und Königin Karola von Sachsen. An der Wand stehend eine altertümliche Holzbank mit Lehne, davor ein Tisch mit blitzsauber gescheuerter Fläche. Daneben Holzstühle. An der Seitenwand rechts eine große plump gestrichene Kommode, darauf Gipsfiguren und allerlei Gegenstände. An der Wand über der Kommode ein Spiegel und eine Menge Photographien. An der Wand, weiter hinten, eine große altmodische Standuhr. Zwischen ihr und der Kommode eine Anzahl Kleidungsstücke an die Wand gehängt; davor zwei Stühle. Hinten in dieser Seitenwand die Türe zur Schlafstube, neben ihr, in der Ecke der Hinterwand, ein großer Kachelofen, in dessen »Röhre« gekocht wird. Im Winkel hinterm Ofen allerlei Gerümpel, Schaufel, Hacke, Besen. Vor dem Ofen eine Holzbank, oben um den Ofen Wäsche zum

Trocknen aufgehängt, auf dem Ofen, bis zur Decke aufgeschichtet, zerkleinertes Holz. Neben dem Ofen das Küchengestell mit Geschirr und Gerät. Daneben der Küchenschrank. In der Mitte der Hinterwand die Türe zum Hausflur, auf der Türfläche aufgeklebt: Schriftstücke – gemeindliche und amtshauptmannschaftliche Bekanntmachungen. Links von der Türe ein Regal, gefüllt mit Akten und allerlei Papieren; eine alte Schreibkommode und auf deren niedergeklappter Schreibfläche Papier und Schreibwerk.

Es ist Wintertag, frühmorgens. Die Fensterläden sind geschlossen, auf dem Tische steht eine brennende Lampe. Aus dem Ofen der Widerschein eines hellen Feuers.

FRAU ERMISCHER ältere Bauernfrau, noch in Nachtjacke, Unterrock und strähnigem Haar, hantiert am Ofen.

MAARI grobes Bauernmädchen, schlüpft vorsichtig herein. Pst! Se steht oben an der Treppe.

FRAU ERMISCHER. Une ... alsu is se noch im Hause? Da soll se doch glei' ... Sie greifen eilfertig in den Ofenwinkel nach Knüppel und Besen und schauen durch die Türspalte in den Flur.

MAARI. Da oben steht se.

BEIDE FRAUEN lockend. Hieze – Hieze – Hieze!

FRAU ERMISCHER. Still, itze kommt se.

Sie fahren plötzlich, übereinander purzelnd, auf den Flur, schlagen mit Besen und Knüppel. Man hört einen dumpfen Fall, das Geklirre vieler zerbrechender Töpfe, Gekreische.

ERMISCHER dicker, ruppiger Bauer, glattrasiertes Gesicht, struppiges Haar, kommt, wie er aus dem Bette gesprungen, nur in Barchenthemde, Hose, Schlappen, aus der Schlafstube gestürzt. Himmelkreizdunnerwedder!

DIE FRAUEN kommen jammernd in die Stube zurück.

ERMISCHER. Wer hot die Scherben ang'richt?!

FRAU ERMISCHER. Die Maari hot ...

ERMISCHER haut mit seinem Pantoffel auf das Mädchen ein. I, du böhm'scher Brettlochse ...!

MAARI wütende Abwehr. Ich ha' nischt zerschmissen, ich schrei' um Hilfe!

FRAU ERMISCHER sie trennend. Mon, Mon! Se kann nicht dafür!

ERMISCHER. Des kost' dich deinen ganzen Dienstlohn, des wärscht du bezahlen!

FRAU ERMISCHER. Meine schönen Deppe. Zwee Daler ho'n se mich uff'n Olbernhauer Jahrmarkte gekost'! ... Verfluchtig nei', die verdammte Katz'!

ERMISCHER. Schonn widder die Katz'!

FRAU ERMISCHER. Nu soll m'rsch uns gefallen lassen, daß dem Neimerkel-Schnitzler sei' hergelof'ne Katz' in unsern Hause 'rimmsteigt, hä? Hurjess's, wenn 'ch se erwischen möcht'!

ERMISCHER. Ihr hat se nich'? Zwee Fraa'nsmenscher, fer zwee Daler Deppe zerschmissen un' hat se noch ni' emol erwischt?!

FRAU ERMISCHER. Noch ni' emol erwischt ... Du mit deinen Brotbauche wärscht wohl fixer gewesen!

ERMISCHER Hand zum Schlage. Itze hat's geschellt!

FRAU ERMISCHER. A was hie! Maari, gieh emol un' schaff die Scherben weg.

MAARI Schürze vorm Gesicht, geht hinaus.

FRAU ERMISCHER. Wann du e richt'ger Gemeendefierstand wärscht, so gingest du zu dem Scheenherr-Drechslermeester seinen G'sellen und tät'st sprechen: Dein Katzenvieh hat mir für zwee Daler Deppe zerschmissen un' des wärscht du bezahlen. Was braucht der hung'riche Christian ieberhaupt eene Katze? Hä? Der Hungerleider!

ERMISCHER. Ich wer'sch ihm emol stecken.

FRAU ERMISCHER. Du wärscht's ihm stecken. Des möcht' ich emol seh'n. Wann du eenen Sechspfinder Brot uff'm Tische hast, dann hast du Kurasche mit 'm Maule, ober was die Gemeende is, die tanzt dir uff der Nase 'rum.

ERMISCHER. Ei Gottverdimian! Su 'nen Schkandal am frühen Morgen!

FRAU ERMISCHER. 'n friehen Morgen? Um achte!

ERMISCHER. Um achte, un' da brennt noch deine Lampe?

FRAU ERMISCHER macht auf einem Stuhl Waschschüssel, Seife, Handtuch zurecht. I nu, wenn's fei' noch nich' lichte is. Een Schnie liegt im Erzgebirg' eso hoch wie die Häuser. Ihr Leute, ihr Leute, is des een gestrenger Winter! Schaufeln un' hacken wer'n mir müssen, deß mir bloß bis uff die Dorfstraße kommen. Zur Tür hinaus. Maari, schmeiß die Scherben uff'n Hof!

ERMISCHER öffnet die Fenster und stößt die Laden auf. Man sieht draußen den Schnee fallen. Ermischer schließt fröstelnd wieder die Fenster. Dunnerschlag esu 'n Schniesteebern! ... Der Botenfuhrmon von Wolkensteen is gestern abend mit 'n Pferden bei Seiffen im Schnie stecken blie'm. Bal' erfror'n ho'n se 'n ins »Erbgericht« nei' geschafft.

Die Stube steht nun in Tagesbeleuchtung.

FRAU ERMISCHER. Hie is Wasser.

ERMISCHER. Hä?

FRAU ERMISCHER. Woschwasser.

ERMISCHER schüttelt sich. 'ch wasch mich nach'r.

FRAU ERMISCHER lacht in sich und räumt das  Geschirr wieder weg.

Während des Folgenden deckt die Frau den Tisch, indem sie eine Schüssel Suppe auf den Tisch stellt, Löffel und Messer dazu legt. Der Mann sitzt auf der Ofenbank, zieht Strümpfe und dicke Filzschuhe an, Weste und Rock, wickelt sich ein dickes Schaltuch um den Hals und setzt eine Mütze auf.

ERMISCHER. Is schonn e'was passiert.

FRAU ERMISCHER. Der Scheenherr wor da mit eener Geburtsanmeldung.

ERMISCHER. Nu, do, wieviel Kinder hot'n die Packasch itze rumloofen? Die Leute schaffen sich doch selber 's merschte Unglicke.

FRAU ERMISCHER. Des sprech' ich ooch. Von was will er se ernähren?

ERMISCHER. Was de Spielwarenverlag'r in Olbernhau sein, die ho'n schon wieder am Koofgelde reduziert. Fier'sch ganze Schock Holzsoldaten zahlen se itze noch fufzehn Pfeng'. Fier sechzig Stück Holzsoldaten geschnitzelt, geleimt, bemolt: fufzehn Pfeng'. Fier'nen geschnitzelten Holzwagen mit eenen Pferd gab'n se noch zehn Pfeng'. Keene drei Daler hot der Scheenherr itze de Woche. 's is een Elend.

FRAU ERMISCHER. Un' wegen der Packasche sein bei uns fer zwee Daler Deppe zerschmissen! Sie  geht in den Hausflur.

MAARI ist wieder eingetreten.

ERMISCHER knufft sie in die Seite. Herrschte, fer zwee Daler Deppe zerschmissen ...!

MAARI hinterm Tische, wütend. Gungksen Se mich nich eegal!

ERMISCHER. Die wer'ch dir von deinem Lohn abhalten.

MAARI. Un' des brauch' 'ch mir nicht gefallen ze lassen!

ERMISCHER. A was hie! Denkste, du wärscht hie in deinen böhmschen Musigkandenstaate? In unsern Gesetzbuche heeßt's: »Is eine fremde bewegliche Sache zerbrochen, un' is der Täter nich' ze entdecken, so hat derjenige, der de dabei g'wesen is, den ganzen Schaden zu ersetzen!«

MAARI. Was, des soll Gesetz sinn? Da wer'ch mich erkundigen.

ERMISCHER. Die Gusche hältste, bezahl'n wärschte!

FRAU ERMISCHER kommt mit einem Brotlaib herein. O Jess's, o Jess's, imanand der Schkandal! Setzt euch her un' eßt.

Sie setzen sich an den Tisch und beginnen die Suppe zu löffeln. – Man hört, wie im Hausflur jemand den Schnee von den Füßen trampelt.

MAARI. 's is eener haußen.

ERMISCHER. »'s is eener haußen ...« Er wärd schon 'rei'-komm'n!

FRAU ERMISCHER. 's wärd d'r Briefträger sinn.

ULBRICH der Landbriefträger, steht in der geöffneten Türe und klopft sich den Schnee ab. Älterer Mann, Trinkernase, buschige Brauen, ruppiger Schnurrbart, wenig Backenbart. Hose in den Stiefelschäften, derber Knotenstock. Ruft mit überlauter Stimme. Tag ooch!

DIE ERMISCHERS. Tag, Ulbrich.

ULBRICH eintretend. Ei Gottverdimian, is des e Wetter! Eenen Schnie schmeißt's rieber aus'n Böhmischen! Des wärd uffs Friehjahr een Hochwasser geben.

ERMISCHER. Des wärd wieder e Jahr fier uns Bauern. Das bißl Kartuffeln un Hafer, wos mir dahie ziehn kon, wärd uns ooch noch verkümmert, wann 's Wasser den Boden wegreißt.

ULBRICH kramt in seiner Tasche, gibt Ermischer lachend eine Anzahl Briefe. Hie wärd racht sein; alles von der Amtshauptmannschaft.

FRAU ERMISCHER. Wärm dich e bill' aus, Ulbrich.

ULBRICH. Jo, ich dank' schie.

ERMISCHER. Des is wieder e bill' Arbeit.

ULBRICH. Nu, des wärd keen Tod sinn, Ermischer. Wann de nu haußen 'rimloofen müßt's im Unwetter? Laß gut sinn, du sitzt in d'r warmen Stube un' lachst uns aus.

ERMISCHER. Des is Gemaare. Was de e Bauer is, der hot in den itzigen Zeitleeften nischt ze feixen. Un' nu ooch noch Fierstand von der großen Gemeende ...!

ULBRICH. Ich gloobe gar ... Schallende Lache. Ihr Leute, der Ermischer stellt sich hin un' barmt! Du sollst doch fei' die Gusche halt'n, du hast doch dei' Glicke gemacht.

ERMISCHER. Su spricht eener, der's nich' besser weeß.

ULBRICH. Ei gor! Wenn's eener weeß, wie du vom armen Kegeldrechslerjung' zum Bauergutsbesitzer ruffkommen un' Gemendefierstand worden bist, so weeß ich's. Hähä!

FRAU ERMISCHER. Nu, was soll denn des nu eegentlich?

ERMISCHER. Laß 'n doch. Aus den Kerl guckt ja d'r pure Neid.

ULBRICH. Nu heer emol, nu weeßte ... m'r macht emol seinen Spaß ...

ERMISCHER. Ich kenn' die Späße schonn. Deß ich nich' mehr g'wesen bin wie ihr, un' deß 'ch nu doch der reiche Bauer un' d'r Öberschte in d'r Gemeende bin, des is eure Rache.

ULBRICH. Heer uff, Ermischer, heer uff! Derweg'n sollt 'ch neidisch sinn? Pö! Öberschter in d'r Gemeende! Was heeßt'n des. Heute biste's un' morgen biste's nimmer.

BEIDE ERMISCHERS triumphierend. D'r Ermischer is uff Lebenszeet gewählt!

ULBRICH. Des weeß 'ch schonn. Was heeßt 'n des: uff Lebenszeet. Wenn dir d'r Herr Amtshauptmann nich' grien is ...

BEIDE ERMISCHERS unruhig.

ERMISCHER. Sett 'n wann weeß 'n su 'n stoob'ger Landbriefträger, wos der Herr Amtshauptmann von mir spricht?

ULBRICH aufgebracht. Nu do ... nu Gott verdimmich. Wann 'ch ooch bloß 'n Postbote bin ... Un' ich sag' d'rsch, Ermischer: e Postbote erfährt manches, was dir ze wissen not täte.

FRAU ERMISCHER. Denn rickt doch 'raus mit d'r Sprache.

ULBRICH. Jja, ich weeß, was ich weeß ... Des is ieberhaupt eene Gemeenheet von dir: stoob'ger Landbriefträger! Höhnisch. Verstehste, bei dem vor'gen Amtshauptmann warschte Hahn im Korbe, aber wos d'r itzige is, mit dem wärd mei' guter Ermischer nich lange Seide spinnen. Tag ooch.

FRAU ERMISCHER. Nu, du wärscht doch nich in d'r Wut fortgehn, Ulbrich ...?

ULBRICH. Ich hab' keene Zeit.

ERMISCHER. Ich sprech' bloß: wann eener wirklich e Finkl weeß, denn rickt 'r damitte raus, verstanden?

ULBRICH. Gut denn, wenn du denkst, daß ich dir was vorlüge ...

DIE ERMISCHERS gemachte Nichtachtung.

ULBRICH. Also ... vorige Woche bring' 'ch den Herrn Amtshauptmann deine Wahl uff Lebenszeet nach Neihausen, wo er uff Inspektion war. Zieht seine Tabakspfeife hervor. Des große gelbe Kuvert; ich wußt' doch, was drinne war, hähä.

DIE ERMISCHERS. Schonn recht, schonn recht.

ULBRICH. Da sitzt 'r in der Gaststub' vom »Deutschen Haus« mit 'n Assessor bei 'n Friehsticke. Un' ich sprech': »Schie guten Morgen, Herr Amtshauptmann«, sprech' ich. He, habt 'r nich' een Schwäfelholz fier mich?

FRAU ERMISCHER. Maari, rasch, 'n Schwäfelholz. Siehste nich', deß unser guter Ulbrich sei' Pfeffe roochen will?

MAARI hat das Zündholz schon gebracht.

ULBRICH entzündet gemächlich die Pfeife. Jo, un' do geb' ich 'n den Brief, un' derweilen er ihn uffmacht, mach' 'ch mir noch e bill' in meiner Tasche zu schaffen. Da liest 'r: »Beschluß des Gemeinderats ... Gemeindevorstand Ermischer ... Wahl auf Lebenszeit ...« un' kaum liest er des, da schlägt 'r so eene höhnische Lache an un' spricht zu dem Assessor: »Ich hab's ja gewußt, in dem Nest, da wird immer der Dümmste Bürgermeister!«

ERMISCHER schießt hinter dem Tische vor, packt Ulbrich beim Kragen. Itze machste, daß de 'naus kommst!

FRAU ERMISCHER. Mon! Mon!

ULBRICH. I du Heiligkreizdunnerwedder, du host's doch wissen woll'n!

ERMISCHER. 'naus! 'naus!

ULBRICH. Ich ko' schonn alleene gieh'n, aber des wärd dir noch leid tun, Ermischer. In der Türe. Des wärd 'n Postdirekter in Olbernhau gemeldt! Plötzlich schreiend. Un' des will nu e Gemeendefierstand sinn! Schlägt hinter sich die Türe zu.

ERMISCHER. Su een Kerl!

FRAU ERMISCHER. Des g'schieht dir ganz recht. Ze was läßt du dich mit dem Kerl ein. Unter der Türe müßtest du den am Morgen abfertigen. Aber du bist ja keen Mon!

ERMISCHER. Ruhig biste ...!

FRAU ERMISCHER. I ja, bei mir kannste's a'bring'n, aber von so eenen Dingerich läßte dich verjaxen. Lache. Der Dümmste is Bürgermeester!

ERMISCHER. Gleich kannste eene erwischen!

FRAU ERMISCHER. Nu, ich sag' nischt, Mon. Ober daß du dir gar keenen Reschpekt verschaffst ... Sie  räumt den Tisch ab und redet dabei vor sich hin.

ERMISCHER Brille auf der Nase, liest die eingelaufenen Briefschaften, wirft dabei der Frau wütende Blicke zu.

FRAU ERMISCHER. Was de mei' Vater war, bei dem standen de Ortsleute hie an der Türe un' trauten sich nich' 'rein, esu 'nen Reschpekt hatten se! ... Ich sag' nischt ... sag' ich was? Lache. D'r Dümmste! Un des muß sich mei' Mon sagen loss'n! Ich sag' nischt, nee ... aber ...!

MAARI hat auf dem Stuhl Waschgeschirr zurecht gemacht. Hie wärd recht sein.

ERMISCHER. Hä?

MAARI. Woschwasser.

ERMISCHER. 'ch wasch mich nach'r.

FRAU ERMISCHER ängstlich. Un wenn nu d'r Amtshauptmann dir wirklich nich' grien is un' er läßt dich absetzen, hä? Dann sein mir um unsern schienen Posten un' ham die Blamage obenein.

ERMISCHER steht ratlos.

FRAU ERMISCHER. Des macht, du mußt d'r emal eenen Reschpekt verschaffen!

MAARI räumt das Waschgeschirr wieder weg.

SEIFERT kommt herein. Vierziger; schmächtiger, verhungerter Mann, schmale Backen, bißchen Schnurrbart. Demütig, verängstigt. Abgeschabte Uniform: Hose, Jacke, Mütze ohne Schirm,  Hirschfänger an der Seite. Tag, Herr Gemeendefierstand; Tag, Frau Ermischer; Tag ooch Maari.

ERMISCHER. Halber neine! Des nennst du eenen zuverläss'gen Gemeendediener? Wann du deine Dienstzeit nich' einhalten kannst, so muß e anderer Poll'zeier her, verstehste!

SEIFERT. Ich ho' mir den Hirschfänger schleefen lass'n müssen, Herr Fierstand, un' was der Schmied is, der hot gar eso lange geteepst.

FRAU ERMISCHER. Den Hirschfänger?

SEIFERT zieht ihn behutsam aus der Scheide. Jawoll, Frau Ermischer. Itze is 'r ober wieder fein im Geschicke. 's ging nich' länger meh'.

ERMISCHER. Wie ofte läßt du denn deinen Hirschfänger schleefen, hä?

SEIFERT. Nu, Herr Fierstand, die Maari hot doch imanand Holz d'rmitte gespalten un bei'n Holzspalten nutzt 'r sich ä'm ab. Im »Erbgericht« taten se am Sonntag wetten; mit aller Gewalt wollten se ha'm, ich sollt' eenen durch un' durch stechen. Wenn de mei' Hirschfänger ooch bloß durch den Rock ging, wollten se fier 'nen Daler Schnaps ga'm.

ERMISCHER. Un des Schleefen kost'?

SEIFERT. Drei Neigroschen, Herr Fierstand.

ERMISCHER. Wird nich' bezahlt.

SEIFERT. Nu do, Herr Fierstand ...

ERMISCHER. Wird nich' bezahlt. Dir wer'sch 's emal beweisen! Eene Ausgabe machen uff Gemeendekosten, ohne deß de mich fragst!

SEIFERT. Nu do, nu do ...

ERMISCHER. Wenn du deinen Hirschfänger schleefen lassen willst, so hast du erscht eene »gehorsamste Eingabe« an deinen Fierstand zu machen. Dann setz' ich's uff die Tagesordnung vom Gemeenderat. Betreffs: »Gemeendedienerhirschfängerschleefenlassens«. Dann hat der Gemeenderat deinen Hirschfänger zu besichtigen, ob's ooch not is, un' denn beschließt er über die Ausgabe un' denn kannste schleefen lassen un' eher nich'!

FRAU ERMISCHER hat die Säbelspitze mit dem Finger berührt. O Jess's, o Jess's, so eene scharfe Waffe. Seifert, ich sag' d'rsch: deß de nich etwa'n, wenn de uff'n Sonntag im »Erbgericht« Tanzuffsicht hast, deß de nich etwa'n bei'n Streite blank ziehst. Du haust ja denn Leuten gleich e' Loch in'n Kopp!

SEIFERT steckt vorsichtig den Hirschfänger wieder ein. Nee, ich wer' mich fiersehn. Ober wenn se gar eso frech wer'n ... Der Herr Fierstand macht die Anordnunge un' ich muß 'n Reschpekt verschaffen!

ERMISCHER. Wie sagste, Reschpekt? Hast fei' racht. Hie sein die drei Neigroschen fier'sch Schleefenlass'n.

SEIFERT nimmt überrascht das Geld. Ich dank' schie, Herr Fierstand, ich dank' ooch schie.

Ermischer liest Briefe, Frau Ermischer hantiert in der Stube, Maari schält Kartoffeln.

SEIFERT. Is schonn ewas ze tun, Herr Fierstand?

FRAU ERMISCHER. Ze tun, freilich, ze tun is immer fier eenen fleiß'gen Menschen. Geh' emal un' scheef'l den Schnie weg.

SEIFERT. Jawoll, Frau Ermischer, jawoll. Holt hinter dem Ofen Hacke und Schaufel hervor, wirft dabei Ermischer fragende Blicke zu.

ERMISCHER hat lange gedruckst. Also ... des macht der Seifert ä'm nich'!

FRAU ERMISCHER. Hä?

ERMISCHER. Des gieht nich' meh' mit denn Gemeendediener. Bal' muß 'r Hiehner fittern, bal' muß 'r Wäsche uffhängen, bal' muß 'r Kartuffeln ausmach'n. Itze soll 'r Schnie schaufeln. Des gieht nich' meh'. Im Gemeenderat tat eener sprach'n: »Wäscheuffhängen, so eene weibsleutische Beschäftigung verträgt sich nich' mit der Würde eener Polizeiperson.« Un' se ho' 'nen alle recht ga'm.

FRAU ERMISCHER. Is gutt, is gutt. Da bleibt 'r da, d'r Gemeendediener. Maari, gieh' du emal Schnieschaufeln.

Maari nimmt Hacke und Schaufel und geht hinaus.

FRAU ERMISCHER macht Seifert Zeichen. Da mög' meintswegen der Gemeendediener uff der Ofenbank verfaulen ... Ich halt' 'n zu keener Arbeit an ... ich nich'.

SEIFERT hat sich währenddem auf die Ofenbank gesetzt, den Kartoffelkorb zwischen die Knie genommen und schält nun Kartoffeln.

ERMISCHER. Was sagen denn die Leute ... ei nu, nu schält 'r doch Kartuffeln!

FRAU ERMISCHER. Wann 'r doch nich' müßig sein will!

SEIFERT. 's sieht's doch keener, Herr Fierstand.

ERMISCHER brummt in sich hinein. Alsu, was sagen se im Ort?

SEIFERT. Nu, was soll'n se sagen. Imanand sprechen se von dem Neimerkel-Drechsler seiner Katze.

FRAU ERMISCHER. Ho' ich's nich' g'saht, Mon? Du mußt emal dazwischen fahren.

ERMISCHER. Was is 'n des mit der Katze?

SEIFERT. Nu, des is eene komische Geschichte, Herr Fierstand. Was der Scheenherr-Drechslermeest'r is, der hat eenen neuen Gesell'n ang'nommen, un' wie 'r ankommt, bringt 'r eene Katze mitte, hähä! Die hat 'r uffgezog'n, spricht'r, un' an dem Tier hängt 'r dran.

ERMISCHER. Hähä! Was gieht's uns an.

FRAU ERMISCHER. Des gieht uns schon ewas an. Wann se in allen Häusern 'rimsteigt, un' nischt als Schaden un' Ärger macht. Da muß emal ewas gescheh'n.

ERMISCHER. Nu, m'r könnt' ja mal hingieh'n zu 'n Scheenherr. Ich wer' mich emal drum bekümmern.

WEIGEL der Bezirksgendarm, ist eingetreten. Hübscher, schneidiger Kerl, eitel Affektiert nachlässig. Uniform sächsischer Gendarmerie: graue Hose mit grünen Streifen, dunkler Rock mit grünen Aufschlägen, Käppi mit Silberstreifen. Kurzen Säbel an der Seite, Patronentasche, Doppelflinte über die Schulter gehängt.

SEIFERT aufgesprungen, Kartoffelkorb hastig unter die Bank gestoßen, Positur, mit lauter Stimme. Tag, Herr Schandarme!

ERMISCHER erschreckt. Tag, Herr Schandarme!

FRAU ERMISCHER überfreundlich. Ei gor, der Herr Schandarme! Tag ooch, Tag ooch.

WEIGEL. 'n Morgen. Ein Wetter is das heute! Seitenblick auf Seifert und den Kartoffelkorb. Ein Wetter ... ja. Na, Sie ha'm wenigstens 'nen warmen Ofen.

FRAU ERMISCHER sieht nach dem Feuer. Ei jo. Wenn Se sich vielleichte e bill' auswärmen wollen ...?

WEIGEL. Ja, wer'n w'r machen. Wärmt sich behaglich am Ofen aus. Ha, so'n Ofen an so 'nem Wintertag ... ... die reinste Medizin. Bedeutsam. Ich hab' 'nen Brief für Sie, Herr Vorstand, direkt von der Amtshauptmannschaft.

DIE ERMISCHERS erschreckt.

ERMISCHER in gemachtem Gleichmut. So, so ... Mecht'n Sie 'n mir nich' ga'm, Herr Schandarme?

WEIGEL mustert Seiferts Uniform. Mann Gottes, was is denn das? Da baumelt ja 'n Knopp! Wahrhaftig!

SEIFERT hilflos.

ERMISCHER. Des is een liederlicher Dingerich, der Kerl!

WEIGEL. Aber ... dafür tragen Sie doch die Verantwortung, Herr Vorstand. Nu freilich, Sie sind doch sein Vorgesetzter. Mich geht's ja nichts an, aber ... wenn das der neue Herr Amtshauptmann sähe ...

FRAU ERMISCHER kramt nach Nähzeug. Su eene Liederlichkeet, es is 'ne Schande. Glei' gehste her un' nähest dir den Knopp an.

SEIFERT kommt verschüchtert herbei.

WEIGEL. Ja aber ... wer hat denn nu dem Gemeindediener zu befehlen?

ERMISCHER. Denn Poll'zeier ho'n ich zu befehl'n! Den Knopp näheste d'rheeme an.

WEIGEL lacht vor sich hin; legt beim Ofen seine Sachen ab. Ja, ja. Wissen Sie, wenn zu meiner Militärzeit in der Kompagnie 'mal 'nem Manne 'n Knopp fehlte, den Skandal vom Hauptmann sollte einer hören! Haha! Aber's geht nichts über militärische Akkuratesse.

ERMISCHER. Nu, des will ich meenen. Was e gedienter Mon is, der weeß des zu schätzen.

WEIGEL. Ha'm Sie denn gedient?

ERMISCHER. Nu do, Herr Weigel, no aber ... Mir sein Gefreiter bei den Dresdner Grenadieren gewesen!

WEIGEL. Ach nee ... so, so. Wichtig. Daß ich in meinem Militärverhältnis Sergeant bin, wissen Se doch?

ERMISCHER. Ei freilich ... ha'm Se den Brief nich' da?

WEIGEL. Ach, der Brief. Hör'n Sie, das scheint 'was sehr Unangenehmes zu sein; is mir vom Herrn Amtshauptmann selbst übergeben worden.

BEIDE ERMISCHERS sehr unruhig.

WEIGEL. Überhaupt, der neue Herr Amtshauptmann! Wenn man ihn so reden hört über die verschiedenen Gemeindevorstände ... ja, ja, der wird 'mal Ordnung schaffen.

ERMISCHER. Ich möcht' wissen ... bei mir is nischt in Unordnung.

FRAU ERMISCHER. Bei uns is fei' all's im Geschicke.

WEIGEL. Hab' ich denn was gesagt? Man hört bloß so allerlei. Man unterhält sich doch oft miteinander, der Herr Amtshauptmann und ich ... Steht vor dem Spiegel und bürstet sein Haar.

FRAU ERMISCHER schmeichlerisch. Fei' een hibscher Kerl sein Se ä'm doch, Herr Schandarme!

WEIGEL. Nu guckt bloß 'mal die gute Frau Ermischer an! Wie finden Sie denn das, Herr Vorstand? Übrigens ... das hat mir schon manche gesagt, hähä!

FRAU ERMISCHER. Des gloob' ich; da hört m'r ooch allerhand. Übermütig. Dessentwegen ha'm Sie doch ooch aus der Dresdner Pfläge fortgemußt!

WEIGEL. Was, ich ... ich hätte ...?

FRAU ERMISCHER. Nu freilich; des wor doch eene Geschichte mit 'ner Kellnerin. Derwegen sein Sie doch stroofversetzt wor'n ins Gebirge.

WEIGEL. Aber das is doch stark! Wer untersteht sich, über mich dergleichen zu erzählen?

FRAU ERMISCHER. Aber, Herr Weigel, ich ho's nich' böse gemeent ...

WEIGEL. Also so was wird im Ort 'rum erzählt? Wissen Sie, Herr Vorstand, ich muß dringend ersuchen, daß Sie den Leuten sagen: es setzt 'n paar Monate Zwickau, wenn ich das anzeige. Nimmt seine Sachen.

ERMISCHER. Sie wer'n doch nich' fortgehn, Herr Schandarme? Frau, gib emal eenen Eibenstöcker.

FRAU ERMISCHER holt Gläschen und Schnapsflasche.

WEIGEL. I wo ... ich wer' hier. Nachher heißt's bloß: man schnäpsert draußen 'rum.

ERMISCHER. Nu nee, bloß emal, daß Se sich erwärmen.

WEIGEL. Nee, danke. Wissen Sie, ich nehm's peinlich genau mit dem Dienst. Wo ich 'was sehe, da wird's gemeldet. Da kenn ich keine Rücksichten.

ERMISCHER. Des weeß ich schon, Herr Weigel, un' dessentweg'n mecht' ich mich ooch stell'n mit Sie.

WEIGEL geschmeichelt. So, so ... na ja. Man hat schon seinen Einfluß, wenn man auch bloß Gendarm ist.

ERMISCHER. Also, tun Se emol Bescheid, Herr Weigel.

WEIGEL. Na, wenn Sie's so auffassen, als ob ich Streit suchte, das is nich' meine Art. Trinkt. Großartig, so'n Eibenstöcker. Der is nich' umsonst berühmt .... Aber mit Ihnen bin ich ernstlich böse, Frau Ermischer.

FRAU ERMISCHER. I ja, ich ho' des bloß eso in meinen dummen Gedanken gesagt. Des dürfen Se nich' schiefnehmen.

WEIGEL. Was ich da vorhin sagte, von Einfluß ... ja, hören Sie, lieber ... lieber Ermischer, was haben Sie sich denn eigentlich zuschulden kommen lassen, hä?

ERMISCHER der zusammenzuckt, als Weigel ihn »lieber Ermischer« anredet. Ich? Aber nischt, Herr Schandarme.

WEIGEL. Na, wissen Sie, der Brief ... – Zieht ihn hervor – der Herr Amtshauptmann hat mir anvertraut ...

FRAU ERMISCHER. Hie is noch 'n Kleener, Herr Schandarme.

WEIGEL. Nee, nee, jetzt is 's wirklich zuviel.

ERMISCHER. Ober so trink'n Se doch, Herr Schandarme. Was spricht er denn, der Amtshauptmon?

WEIGEL. Na, wenn Sie mich so nötigen und weil's kalt ist ... Trinkt. Großartig! Nee, wissen Sie, ich erzähl's Ihnen 'n andermal. Sie werden ja auch alles aus dem Briefe sehen. Legt ihn auf den Tisch.

DIE ERMISCHERS in großer Angst.

WEIGEL. Was, halber zehne? Nu heißt's aber losgeh'n! Meinen ganzen Bezirk muß ich noch abkloppen. Hinausgehend. Gemeindediener, nähen Sie sich Ihren Knopp beizeiten an, verstanden?

SEIFERT Positur. Jawoll, Herr Schandarme. Gu'n Morgen, Herr Schandarme.

WEIGEL. 'n Morgen. Geht nachlässig hinaus.

DIE ERMISCHERS. 'n Morgen, Herr Schandarme. Bal' wieder, bal' wieder!

FRAU ERMISCHER. Ach Gott, ach Gottchen, Mon, was kann des sein mit dem Brief?

ERMISCHER. Ich trau' mich gar nich, 'n uffzemach'n.

SEIFERT. Wann's bloß nich ... die Ortsleute sprechen gor eso dumm, wenn's bloß nich dem Herrn Fierstand seine Absetzung is.

Angstvolles Schweigen.

FRAU ERMISCHER. Was nützt des. Nimm d'r e Herze, Mon, un' mach'n uff.

ERMISCHER nimmt den Brief. »Durch den Bezirksgendarmen zu bestellen, weil mit gestriger Post versäumt.« Reißt ihn auf. »Der dortige Gemeindevorstand Ermischer wird hiermit beauftragt, dem Spielwarenverleger Neubert, daselbst, zu eröffnen, daß der bei diesseitiger Verwaltungsbehörde eingereichte Umbauplan für sein Fabrikgrundstück genehmigt ist.« ... Ei Gottverdimian, un' dessentweg'n die Angst! Wütendes Fäusteballen.

FRAU ERMISCHER. Jo, is 'n des ...? Un' des läßt du dir gefallen. So eene Frechheet läßt du dir von dem Schandarm'n bieten?

SEIFERT lacht in sich hinein.

ERMISCHER. Ich kann mich gar nimmer halten!

FRAU ERMISCHER höhnische Lache, Händeklatschen. Ihr Leute, ihr Leute! Da mecht' m'r doch ...! Erneutes Gelächter. Eso geht nu der Schandarme mit dir um! 'n Wochener dreie is der Dingerich nu hie im Gebirg, stroofversetzt ho'n se ihn von Dresden, du biste sei' Fiergesetzter un' läßt dir so eene Schande bieten!

ERMISCHER. Stille biste!

FRAU ERMISCHER. Ei gor, itze mecht's an mir auslassen. Nu, des wär' erscht ... Du bist je gor kee Mon! Wie 'r do 'nausging! Geste. »Blast m'r 'n Stoob weg.« Un' wie 'r dir die zwee Schnäpse 'rausgeluxt hat, un' wie 'r dastund: »Mei' lieber Ermischer.« Höhnische Lache. Der Schandarm spricht zu dem Gemeendefierstand: »Mei' lieber Ermischer.«

ERMISCHER. Uff der Stelle beschwer' 'ch mich bei der Amtshauptmannschaft.

FRAU ERMISCHER. Mach' 's nich', se lachen dich bloß aus, se ha'm ja keenen Respekt. Un' se ha'm ooch recht. Nu sag' m'r bloß, Seifert, is 'n des e Gemeendefierstand! Sitt'r drei Tagen hat 'r sich ni' mehr gewaschen!

ERMISCHER. 'ch wasch mich nach'r!

FRAU ERMISCHER. I ja, des kenn'n mir, des sprichste den ganzen Tag: »'ch wasch mich nach'r.« Un' wenn's Abend wärd, so heeßt's: »Itze is 's nimmer der Mühe wert, 'ch wasch mich morgen.« Un' wenn 'r sich ja eemol wäscht, so fährt 'r mit 'n zwee Zeigefingern ins Wass'r un' reibt se sich e bill' durchs Gesichte un' denn is 'r fert'g. Un' fier den sollen se 'nen Respekt ha'm!

ERMISCHER wütender Faustschlag auf den Tisch. Itze is Schluß! Nu hab' ich's satt mit der Stichelei! Su een stichelndes Weib is g'rad wie'n Nag'l im Schuh; des sticht un' sticht, ob m'r geht oder steht bis m'r ganz wilde wird!!

FRAU ERMISCHER eingeschüchtert. Nu ober ... recht ho' ich doch?

ERMISCHER. Recht haste, un' von itze un' von heute ab wärd's ä'm anders dehie. Ich muß mir emol 'nen Respekt verschaffen un' des an dem erschten, was mir itze in die Quere kommt!

SEIFERT langer Hals am Fenster. Ich gloobe ... weeß Gottchen, Herr Fierstand, da kommt d'r Neibert-Verlag'r mit seiner Fra' 'rieber.

FRAU ERMISCHER. I was ... un' wie's dahie aussieht! Mon, fix, fix, bind' dir eenen neuwasch'nen Kragen um.

ERMISCHER. Nu, des fehlte ... Is des deine Kurasche? Ich bin hie der Fierstand eso dreckig wie ich bin!

Klopfen.

FRAU ERMISCHER. Herein! Öffnet die Türe, zu den Eintretenden kriechend freundlich. Ei gor, der Herr Neibert un' Fra' Neibert'n. Des is aber emal eene Ehre fier uns. Mechten Sie nich e bill' 'reinträten? Seifert, 'n paar Stühle fier die Herrschaften.

SEIFERT der sich unaufhörlich verbeugt hat, schleppt zwei Stühle herbei.

Die Neuberts sind eingetreten. Neubert: ein großer, hagerer Mann, harte Züge, dünner Schnurrbart, goldene Brille, die er beim Sprechen oft auf die Stirne emporschiebt, um den Sprechenden scharf zu fixieren, dann wieder herabrückt; kostbarer Pelzmantel, Pelzmütze, Stock. In seinen Bewegungen und Reden beständig etwas nervös Überstürztes, hastige Sprechweise. – Frau Neubert: gleichalterig, dick, behäbig, hochnäsig. Ebenfalls in Pelz, Muff, modischem Hut. Bäurisch aufdringliche Eleganz. Ausgeprägter Leipziger Dialekt.

NEUBERT. Danke, danke sehr. Gu'n Morgen, Herr Gemeindevorstand. Nimm d'r 'nen Stuhl, Auguste.

ERMISCHER. Tag ooch, Herr Neibert.

FRAU NEUBERT. Dank' scheene. Is 'r ooch reene, der Stuhl? Nee, wissen Se, meine gute Frau Ermischer, ich hab' Se nämlich e neies Kleed an, un' das mecht' 'ch noch e bill' schonen.

FRAU ERMISCHER. I, was Sie denken, Fra' Neibert'n, bei uns gieht's eso sauber her. Unsere Stühle, die können Se ablecken, sprech' ich immer.

FRAU NEUBERT ärgerliche Lache.

NEUBERT. Also, Herr Vorstand, ich bin hergekommen ... ich muß jetzt 'mal nachdrücklich Ihre Hilfe verlangen.

FRAU NEUBERT. Ja, heern Se, Herr Ermischer, das geht eefach nich länger. Wenn Sie das dulden, da kann 'n anständiger Mensch hier im Ort nich' mehr länger blei'm ...

NEUBERT. Aber Gustel, so laß mich doch selbst reden.

FRAU NEUBERT sich setzend. Nee also, da zieh' 'ch wieder nach Leipz'ch, das lass' ich m'r von der Bevölkerungsklasse nich' bieten.

NEUBERT. Die Sache is die, Herr Vorstand: heute morgen geht meine Frau in die Bodenkammer, wo wir die Wäsche und die Kleidungsstücke aufbewahren ...

FRAU NEUBERT aufgesprungen, fast weinend. Nee, Frau Ermischer, da kann 'ch Sie kee Bild von machen, das kann 'ch kee'n lebendigen Menschen beschrei'm! Nich' e Stück Wäsche kann 'ch mehr benutzen, unser Pelzwerk ...!

NEUBERT. Ja, wirst du mich denn nu reden lassen!

FRAU ERMISCHER. Mon, ho' 'chs mir nich' gedacht, 's is die verfluchte Katze!

NEUBERT. Ich hab's zuverlässig festgestellt, das Tier gehört 'nem Hausschnitzer, der beim Meister Schönherr wohnt. Aufgeregt. Ich verlang' meinen ganzen Schaden ersetzt, jawohl, das verlang' ich! Die Gemeindebehörde is mir verantwortlich, wenn sie solche Zustände duldet!

ERMISCHER. Also ... ich wer' mich emal um die Sache bekümmern.

NEUBERT. Bekümmern. Wann denn, hä? Heute, morgen, nächstes Jahr? Ich muß mit aller Entschiedenheit verlangen, daß die Behörde ...