Bunte Herzen - Eduard von Keyserling - E-Book

Bunte Herzen E-Book

Eduard von Keyserling

5,0

Beschreibung

Der aus einer alten baltischen Adelsfamilie stammende Eduard Graf von Keyserling hat Romane und Erzählungen geschrieben, die zum Schönsten gehören, was die deutsche Literatur hervorgebracht hat. Nicht umsonst hat man ihn einen baltischen Fontane genannt. In traumhaft schönen Bildern porträtiert Keyserling die Gesellschaft des frühen 20. Jahrhunderts - dabei sind Licht, Glanz und Farbenreichtum seiner Geschichten umso erstaunlicher, als der Autor bei Abfassung der späten Werke bereits erblindet war. Durch seinen symbolischen und auch ironischen Impressionismus gebührt ihm ein Platz zwischen Theodor Fontane und Thomas Mann.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 548

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
5,0 (16 Bewertungen)
16
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Cover
Über den Autor

Über den Autor

Eduard Graf von Keyserling (1855 - 1918), auf Schloss Paddern bei Hasenpoth (Aizpute) in Kurland geboren, wuchs als zehntes von zwölf Geschwistern in der patriarchalischen Adelsgesellschaft der elterlichen Güter auf. Das 1874 begonnene Studium (Jura, Philosophie und Kunstgeschichte) in Dorpat musste er 1877 „wegen einer Inkorrektheit“ abbrechen und war damit in seiner Gesellschaft geächtet. In Wien setzte er das Studium fort und lernte dort Ludwig Anzengruber kennen. Bis 1895 verwaltete der gesellschaftlich isolierte Keyserling die mütterlichen Güter Paddern und Telsen. Nach dem Tod der Mutter und der Übergabe der Güter an die Majoratsherren zog er mit zwei Schwestern nach München. Durch eine Syphilisinfektion erkrankte er 1897 an einem Rückenmarksleiden und erblindete mit 45 Jahren.

Zum Buch

Zum Buch

Der aus einer alten baltischen Adelsfamilie stammende Eduard Graf von Keyserling hat Romane und Erzählungen geschrieben, die zum Schönsten gehören, was die deutsche Literatur hervorgebracht hat. Nicht umsonst hat man ihn einen baltischen Fontane genannt. In traumhaft schönen Bildern porträtiert Keyserling die Gesellschaft des frühen 20. Jahrhunderts – dabei sind Licht, Glanz und Farbenreichtum seiner Geschichten umso erstaunlicher, als der Autor bei Abfassung der späten Werke bereits erblindet war. Durch seinen symbolischen und auch ironischen Impressionismus gebührt ihm ein Platz zwischen Theodor Fontane und Thomas Mann.

Haupttitel

Eduard von Keyserling

Bunte Herzen

 Dumala · Fürstinnen

Impressum

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über

dnb.d-nb.de

abrufbar.

  Alle Rechte vorbehalten  

Copyright © by marixverlag GmbH, Wiesbaden 2012 Covergestaltung: Nele Schütz Design, München Korrekturen Ortrun Cramer, Wiesbaden eBook-Bearbeitung: Medienservice Feiß, Burgwitz Gesetzt in der Palatino Ind Uni –

untersteht der GPL v2

  ISBN: 978-3-8438-0083-9  

www.marixverlag.de

Dumala

(1908)

Der Pastor von Dumala, Erwin Werner, stand an seinem Klavier und sang:

»Der Nebel stieg, das Wasser schwoll,

Die Möwe flog hin und wied-e-r«

Er richtete seine mächtige Gestalt auf. Sein schöner Bariton erfüllte ihn selbst ganz mit Kraft und süßem Gefühl. Es war angenehm zu spüren, wie die Brust sich weitete, wie die Töne in ihr schwollen.

»Aus deinen Augen liebevoll

Fielen die Tränen nie-ie-der.«

Er zog die Töne, ließ sie ausklingen, weich hinschmelzen. Seine Frau saß am Klavier, sehr hübsch mit dem runden rosa Gesicht unter dem krausen aschblonden Haar, hellbeleuchtet von den zwei Kerzen, die kurzsichtigen blauen Augen mit den blonden Wimpern ganz nah dem Notenblatt. Die kleinen roten Hände stolperten aufgeregt über die Tasten. Dennoch, wenn ein längeres Tremolo ihr einen Augenblick Zeit ließ, wagte sie es, von den Noten fort zu ihrem Mann aufzusehen, mit einem verzückten Blick der Bewunderung.

Es war zu schön, wie der Mann, von der Musik hingerissen, sich wiegte, wie er wuchs, größer und breiter wurde, wie all das Süße und Starke, all die Leidenschaft herausströmten. Das gab ihr einen köstlichen Rausch. Tränen schnürten ihr die Kehle zusammen, und um das Herz wurde es ihr seltsam beklommen.

»Seit jener Stunde verzehrt sich mein Leib,

Die Seele stirbt vor Seh-nen «

Die Stimme füllte das ganze Pastorat mit ihren schwülen Leidenschaftsrufen. Die alte Tija hielt im Eßzimmer mit dem Tischdecken inne, faltete ihre Hände über dem Bauch, schloß ihr eines, blindes Auge und schaute mit dem anderen starr vor sich hin. Dabei legte sich ihr blankes, gelbes Gesicht in andächtige Falten.

Das ganze Haus, bis in den Winkel, wo die Katze am Herde schlief, klang wider von den wilden und schmelzenden Liebestönen. Sie drangen durch die Fenster hinaus in die Ebene, wo die Nacht über dem Novemberschnee lag; ja vom nahen Bauernhof antwortete ihnen ein Hund mit langgezogenem, sentimentalem Geheul.

»Mich hat das unglücksel’ge Weib

Vergiftet vergiftet «

Die Fenster bebten von dem Verzweiflungsruf. Die Katze erwachte in ihrer Ecke, die alte Tija fuhr sich mit der Hand über das Gesicht und murmelte:

»Ach Gottchen!«

»Vergiftet mit ihren Tränen.«

Die kleine Frau lehnte sich in ihren Stuhl zurück, faltete die Hände im Schoß und sah ihren Mann an.

Pastor Werner stand schweigend da und strich sich seinen blonden Vollbart. Er mußte sich auch erst wieder zurückfinden.

Jetzt war es ganz still im Pastorate. Nur Tija begann wieder leise mit den Tellern zu klappern.

»Wie Siegfried!« kam es leise über die Lippen der kleinen Frau.

»Wer?« fuhr Pastor Werner auf.

»Du«, sagte seine Frau.

Werner lachte spöttisch, wandte sich ab und begann, die Hände auf dem Rücken, im Zimmer auf und ab zu gehen.So war es jedesmal, wenn er sich im Singen hatte gehen lassen, wenn er sich mit Gefühl vollgetrunken hatte. Dann kam der Rückschlag.

Man hatte geglaubt, etwas Großes zu erleben, einen Schmerz, eine Leidenschaft, und dann war es nur ein Lied, etwas, das ein anderer erlebt hat, und die Winde des Zimmers mit ihren Photographien, die großen schwarz und rot gemusterten Möbel, all das beengte ihn, drückte auf ihn.

Seine Frau saß noch immer am Klavier und starrte in das Licht. Auch bei ihr war der schöne Rausch der Musik vorüber. Nur eine müde Traurigkeit war übriggeblieben. Sie dachte darüber nach, warum er sich geärgert hatte, als sie »Siegfried« sagte. Das kam oft so. Wenn sie ganz voll von Begeisterung für ihn war, dann war ihm etwas nicht recht, und er lachte kalt und spöttisch.

»Lene, essen wir nicht?« fragte Werner.

Da fuhr sie auf.

»Natürlich! Gefüllte Pfannkuchen!«

Und sie lief in die Küche hinaus.

Am Eßtisch unter der Hängelampe war alles Fremde und Erregende fort. Wenn es ihm schmeckte, war Pastor Werner gemütlich, das wußte Lene. Dann konnte sie ruhig vor sich hinplaudern, ohne berufen zu werden, dann hatte sie das Gefühl, daß er ihr gehörte.

»Die Baronin aus Dumala fuhr heute hier vorüber«, berichtete sie.

»So«, meinte Werner, und sah über das Schnapsglas, das er zum Munde führen wollte, hinweg seine Frau scharf an: »Nun und?«

»Nun, ja. Sie hatte eine neue Pelzjacke an. Entzückend!«

Werner trank seinen Schnaps aus und fragte dann:

»Stand sie ihr gut, diese Jacke?«

Lene seufzte: »Natürlich! Diese Frau ist ja so schön!«

»Was ist dabei zu seufzen?« fragte Werner. »Laß sie doch schön sein.«

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!