Cape Coral 2. Outsmart the Offense - Mimi Heeger - E-Book

Cape Coral 2. Outsmart the Offense E-Book

Mimi Heeger

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Beschreibung

Wer gewinnt dieses Spiel? Imogen ist Cheerleaderin für die Cape Coral Tigers. Sie ist der Star des Teams und der beliebteste Gast auf jeder Studentenparty. Doch niemand ahnt, was sie hinter ihrer perfekten Fassade verbirgt. Ashton ist der Runningback der Footballmannschaft, und er ist es gewohnt, in die Offensive zu gehen. Der attraktive Spaßvogel ist ein absoluter Frauenheld und hat sich geschworen, niemals eine feste Beziehung einzugehen. Für ihn zählt nur der Sport. Auf dem Spielfeld sind die beiden ein Team, doch abseits davon fliegen zwischen ihnen die Fetzen. Aber beide können nicht vergessen, was mal zwischen ihnen war … Outsmart the Offense: Summer vibes in Florida - Eine zweite Chance für die Liebe: New-Adult-Romance mit Tiefgang für Leser*innen ab 16 Jahren. - Sport und Liebe: Die spicy Sports Romance mit dem Trope "Second Chance" fesselt von der ersten bis zur letzten Seite. - Starke Hauptfiguren: American Football trifft College Romance in dieser bewegenden Story über die Liebe zwischen einer Cheerleaderin und einem Runningback. - Sommerlicher Lesestoff: Band 2 der "Cape Coral"-Reihe von Bestseller-Autorin Mimi Heeger funktioniert auch als Einzeltitel.Mimi Heeger erzählt in ihrer berührenden Sports Romance von einer zweiten Chance für die Liebe und von zwei Protagonisten, die sich den Schatten ihrer Vergangenheit stellen müssen. Ein Must-Read für New-Adult-Fans ab 16 Jahren, die dramatische Geschichten und Autorinnen wie Hannah Grace und Elle Kennedy lieben.  

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Über dieses Buch

WILL THERE BE MORE THAN ONE WINNER IN THIS GAME? Imogen ist Cheerleaderin für die Cape Coral Tigers. Sie ist der Star des Teams und der beliebteste Gast auf jeder Studentenparty. Doch niemand ahnt, was sie hinter ihrer perfekten Fassade verbirgt. Ashton ist der Runningback der Footballmannschaft, und er ist es gewohnt, in die Offensive zu gehen. Der attraktive Spaßvogel ist ein absoluter Frauenheld und hat sich geschworen, niemals eine feste Beziehung einzugehen. Für ihn zählt nur der Sport.

 

Auf dem Spielfeld sind die beiden ein Team, doch abseits davon fliegen zwischen ihnen die Fetzen. Aber beide können nicht vergessen, was mal zwischen ihnen war …

 

 

 

»Wenn ich in den Spiegel sehe,

dann erkenne ich nicht mich.

Alles, was ich sehe, ist eine Fassade.

Ein hübsche, in Szene gesetzte Maskerade.

 

Sie versteckt die tiefen Risse,

die hässlichen Narben und das traurige Gesicht eines kleinen Mädchens,

das doch nur um seiner selbst willen geliebt werden möchte.«

 

Imogen

Prolog

Ashton

»Wir können so tun, als wäre es eine Ritterburg.« Ich zog meine kleine Schwester noch etwas enger an mich. Eigentlich war ich zu alt, um mich unter dem Bett zu verstecken, aber wenn Mom und Dad sich auf diese Weise anschrien, bekam ich es selbst mit meinen acht Jahren noch mit der Angst zu tun. Wenn Betty allerdings meinen Freunden davon erzählen würde, wie ich mich unter dem Bett zusammenkauerte, konnte sie sich auf etwas gefasst machen. Immerhin machte ich den Vorschlag nur, damit sie endlich aufhörte, zu flennen.

»Kann ich dann die Prinzessin sein?«

Genervt rollte ich mit den Augen. »Du willst keine Prinzessin sein, glaub mir.«

Wir zuckten gleichzeitig zusammen, als irgendetwas gegen die Wand donnerte. Mein Zimmer grenzte direkt an das Wohnzimmer. Einerseits wünschte ich, das hier wäre Bettys Zimmer, dann würde ich das Gebrüll jetzt nicht ertragen müssen. Andererseits war ich froh, dass meine Schwester diesen Mist nicht jede Nacht mitbekam. Auch wenn wir Zwillinge waren, wirkte Betty viel jünger als ich. Sie hätte das nicht durchgestanden.

»Warum nicht?« Sie schniefte.

Bei ihr ging es immer schnell, bis sie weinte. Bei mir musste dafür schon mehr passieren als Schreie und fliegende Gegenstände. Letzte Woche hatten sie es aber doch geschafft, weil ich mit anhören musste, wie Mom und Dad überlegten, wer von ihnen uns behalten würde. Das hatte so schrecklich geklungen, dass ich heimlich unter meiner Bettdecke geheult hatte.

Während ein mehr oder weniger gespieltes Stöhnen meine Lippen verließ, wischte ich Betty die Wangen trocken. Sie musste wirklich langsam stark werden.

»Weil Prinzessinnen nichts tun, außer hässliche Kleider zu tragen und zu winken. Du solltest lieber ein Ritter werden. Die können sich wenigstens wehren.« Ich wischte meine tränennassen Hände am Stoff meiner Schlafanzughose ab und schlang meine Arme danach wieder um ihren zierlichen Körper. Wir hatten uns zwei Taschenlampen mit unter mein Bett genommen und die Seiten mit Kissen und Decken zugestopft. Sicher war das lächerlich, weil unsere Eltern uns sofort finden würden, aber das spielte keine Rolle. Mal ganz abgesehen davon, dass sie sowieso nicht nach uns sahen. Das taten sie nie, wenn sie stritten, und das war in letzter Zeit so gut wie jeden Abend der Fall. »Wenn du mit mir unsere Burg verteidigen willst, brauche ich dich mit einem Schwert und einer Rüstung. Als Prinzessin bist du nutzlos.«

»Das ist gemein«, wehrte sie sich. »Und es gibt keine Ritterinnen, wie soll das gehen?« Ich konnte spüren, wie ihre Stimme an Traurigkeit abnahm, weil der Trotz sich stattdessen an die Oberfläche kämpfte. »Prinzessinnen sind wunderschön und genauso stark wie Ritter. Jede Burg braucht eine Prinzessin. Auch deine.«

Es machte mir nichts aus, dass sie mir gegen die Schulter boxte. Sie hatte ohnehin kaum Kraft. Jede Heuschrecke schlug fester zu als sie.

»Nein, sicher nicht«, hielt ich dagegen und spürte, wie unsere Diskussion die Angst in meinem Bauch langsam vertrieb. »Außerdem sollte es Ritterinnen geben. So ein Quatsch, dass nur Jungs Ritter sein dürfen. Wer hat sich diesen Blödsinn überhaupt ausgedacht? Es gibt doch schließlich auch Prinzen.«

»Warum ist das Quatsch? Du wirst schon sehen, irgendwann willst auch du eine Prinzessin auf deiner Burg«, zischte sie leise. »Außerdem bist du doch schon der Ritter. Du kannst mich beschützen.«

Einen Moment herrschte betretenes Schweigen. Unwillkürlich hatte sie eine Aussage in unsere kleine Burg geworfen, die uns sicher beide in der Realität öfter beschäftigte, als uns lieb war. Aber niemals zuvor hatten wir darüber geredet.

Der Kloß in meinem Hals wurde dicker, bis Betty schließlich ihren Kopf hob, ihr spitzes Kinn auf meine Brust legte und mich durch ihre riesigen grünen Augen ansah. Dann flüsterte sie: »Du kannst mich doch beschützen, oder, Ash?«

Ich spürte, wie sich ihre Finger in meine Schultern bohrten. Wahrscheinlich, weil es nebenan wieder heftiger zuging. Mom brüllte so laut, dass ihre Stimme klang, als hätte sie Scherben im Hals. Dad lachte dabei so ekelhaft falsch, dass mir das Sandwich vom Abend hochkommen wollte.

Eigentlich war es ein guter Tag gewesen. Den Nachmittag hatte ich mit Cam und seinem Dad beim Angeln verbracht. Betty war mit ihrer Freundin Melody beim Reiten gewesen, und als wir nach Hause gekommen waren, schienen unsere Eltern zufrieden zu sein. Zumindest für ihre Verhältnisse. Doch noch bevor ich mir die Zähne geputzt hatte, war das Geschrei schon wieder losgegangen. Keine Ahnung, worum es dieses Mal ging. Am Ende war es auch egal, denn sie landeten immer an dem Punkt, an dem sie sich wirklich üble Schimpfwörter an den Kopf warfen. Inzwischen konnte ich schon nicht mal mehr erkennen, wer der Böse bei diesem ewigen Krieg war.

Es war einfach nur zum Heulen.

So weit würde ich es allerdings nicht noch mal kommen lassen. Schlimm genug, dass Betty erleben musste, wie ich ängstlich unter dem Bett saß. Mehr Blöße würde ich mir niemals geben. Denn in einem konnte ich meine kleine Schwester beruhigen: »Natürlich beschütze ich dich.« Jedes Wort meinte ich todernst. Es war die Wahrheit. Sie hatte doch nur mich. »Ich passe auf, dass dir niemand wehtut. Uns wird es niemals so gehen.« Das so zog ich in die Länge und deutete mit dem Kinn zu meinem Kopfende, das an die Wand zum Wohnzimmer grenzte. Das eingerahmte Trikot von Chad Henne, das über meinem Bett hing, vibrierte, so laut wurde im Nebenzimmer gebrüllt und gerangelt.

Betty strich mir die langen Haare aus der Stirn, die mir ins Gesicht gefallen waren. Dann legte sie ihre kleine Hand auf meine Wange. Noch immer zitterten ihre Finger wie Espenlaub.

»Dann bin ich ab jetzt eine echte Prinzessin, oder?« Sie hauchte die Worte voller Ehrfurcht, und selbst im schwachen Schein der Taschenlampen leuchteten ihre Augen so grün wie nur noch selten in letzter Zeit.

»Ja, in Ordnung. Meinetwegen«, seufzte ich irgendwann. Sie würde ja doch keine Ruhe geben.

Als wir uns schließlich aneinanderkuschelten und ich meine Augen schloss, wurde mir etwas bewusst, das ich ihr nicht sagte.

Wenn Betty die Prinzessin in dieser Geschichte sein wollte, dann musste meine Rüstung so stark sein, dass sie uns beide beschützen konnte.

Es würde sicher keine einfache Schlacht für mich werden …

Kapitel 1

Ashton

»Verfluchte Scheiße!« Mein bester Freund Cam klopft mir im Vorbeigehen auf die Schulter. »Das war knapp!« Als er sich den Helm vom Kopf zieht, kommt sein Sonnyboy-Grinsen zum Vorschein, und seine Haare fallen ihm verschwitzt in die Stirn.

»Mach dir nicht ins Hemd, Malone.« Ich gebe mich betont locker, auch wenn meine Knie nach wie vor zittern vor Anspannung. »Wir haben es gerockt.«

»Wie immer.« Lawrence McGhee, unser Center und mein zweitengster Freund, lacht tief und schüttelt dabei den Kopf.

Es ist tatsächlich anmaßend, nach einem Spiel wie diesem große Sprüche zu klopfen und sich auf unsere Souveränität zu berufen. Jeder von uns weiß ganz genau, dass es pures Glück war, dass wir gegen South Carolina gewonnen haben. Wir brauchten den Sieg, um in wenigen Wochen mit einem guten Gefühl in die Playoffs zu starten. Vielleicht war deswegen die Anspannung so groß, und wir haben uns in den ersten beiden Vierteln jede Menge Patzer erlaubt. Möglicherweise ist aber auch einfach die Luft raus. Es war eine lange Saison.

Nachdem wir letztes Jahr bereits den Championtitel geholt hatten, waren die Erwartungen an die Mannschaft dieses Jahr noch größer, und wir wollten die Fans nicht enttäuschen. Aber nicht nur sie. Auch uns selbst.

Für meine Freunde und mich ist es das letzte Jahr am College. Die letzte Saison, die wir für die Cape Coral Tigers auf dem Feld stehen. Ein Großteil der Mannschaft macht in wenigen Monaten den Abschluss, und auch wenn die Tigers weiter existieren, wird das Team nie wieder so sein wie jetzt.

Allein bei dem Gedanken daran wird mir schon schlecht. Seit Jahren geben wir alles für diesen Verein. Die Jungs sind meine Familie. Wenn ich mir vor Augen halte, dass das alles in weniger als fünf Monaten vorbei ist, möchte ich heulen.

Aber noch ist es nicht so weit. Wir haben noch ein Spiel in der Regular Season vor uns, dann starten in knapp drei Wochen die Playoffs.

»Alter, wir holen uns auch dieses Jahr das verdammte Ding.« Während ich mich aus Trikot und Schulterpolstern befreie, kann ich mir ein breites Grinsen nicht verkneifen. Es gibt nur zwei Dinge, die mich diese Euphorie spüren lassen, die gerade in rasendem Tempo durch meine Venen schießt. Football und Sex. Wobei Ersteres immer Prio eins sein wird. »Zwei Championships hintereinander – und dann, meine Freunde, wird es ernst.«

McGhee, der bereits nackt ist, wie Gott ihn schuf, hebt die Hände vor den massigen Körper und wackelt mit seinem knackigen Arsch. Dabei singt er: »NFL! NFL!«, gibt aber acht, seine Stimme gesenkt zu halten.

Der Coach steht nicht gerade darauf, wenn wir euphorisch sind und uns für etwas feiern, das wir noch nicht erreicht haben.

Wahrscheinlich fängt sich unser Überflieger deswegen von Cam einen Schlag auf den Hinterkopf ein.

»Lass den Scheiß!« Mein bester Freund kann allerdings nichts dagegen tun, dass auch seine Mundwinkel nach oben wandern. Auch wenn Cam als Quarterback der Musterschüler und unser kleiner Moralapostel ist, tickt er im Inneren wie wir alle.

Im Grunde hat es nichts mit Arroganz zu tun, auch wenn der Coach uns das weismachen will. Wir werden es im April in die NFL schaffen. McGhee, Cam und ich. Sogar Zac und James Blanco haben verflucht gute Chancen. Für ein paar der Jungs steht die ganz große Karriere auf der Kippe, aber bei uns müsste es schon Teufelswerk sein, wenn wir es nicht hinkriegen sollten.

In die NFL gedraftet zu werden, ist der Traum, dem wir alle seit Jahren folgen, und nun ist er zum Greifen nah. Wir werden bei den besten Teams des Landes spielen. Einige von uns könnten es bis in den Superbowl schaffen, und wir werden mehr Kohle verdienen, als wir ausgeben können.

Ich warte seit Jahren auf diese Chance, und ich werde sie ergreifen, wenn sie da ist. Ich werde mich von allem lösen, was mich bisher gehalten hat. Mir neue Wurzeln wachsen lassen und die alten endgültig kappen.

Ich werde Betty und mir ein schickes Haus kaufen und ihr alles ermöglichen, was sie verdient hat. Und dann lebe ich meinen fucking Traum und scheiß auf den Rest der Welt.

Cam schwingt sich ein Handtuch über die nackte Schulter und sieht mich dabei flüchtig an. Ohne eine Regung kann ich die Worte deutlich in seinem Gesicht lesen.

Wir werden es schaffen.

Er glaubt genauso daran wie ich. Wobei Cams Gedanken momentan keine objektive Meinung darstellen. Seit er und Payton ein Paar sind, scheint ihm permanent die Sonne aus dem Allerwertesten. Und das meine ich durchaus im positiven Sinn. Ich gönne meinem besten Freund sein Glück von Herzen. Ich weiß, dass er sich im Stillen immer danach gesehnt hat, die Richtige zu finden. Außerdem gefällt mir der ewig gut gelaunte Cam.

Kaum merklich nicke ich ihm zu und zerre mir die durchgeschwitzte Hose vom Körper. Meine Muskeln schmerzen, und der kalte Schweiß auf meiner Haut löst eine Gänsehaut aus. Es wird dringend Zeit für eine heiße Dusche, eine Massage und drei Schmerztabletten. Und wenn ich anschließend die Kabinen hinter mir gelassen habe, wartet irgendwo da draußen sicher ein williges Kätzchen, das sich freiwillig um meinen erschöpften Körper kümmert. Das ist immer so. Eine Konstante, auf die ich mich verlassen kann. Neben der Tatsache, dass wir jedes verfluchte Footballspiel gewinnen.

»Männer!«, reißt die Stimme von Coach Jefferson uns aus der unbeschwerten Stimmung.

Sofort herrscht Stille in der stickigen Umkleidekabine.

Ein paar Jungs hocken noch in kompletter Spielermontur vor ihren Spinden. Andere wie Cam und ich sind bereits nackt bis auf die Knochen. McGhee ist sogar schon unter der Dusche. Man kann das Wasser rauschen hören.

»Lawrence«, schreit der Coach in Richtung Duschraum, und es sind nur wenige Sekunden, ehe unser Center den gesamten Türrahmen ausfüllt und dabei den Fliesenboden volltropft.

Fragend wende ich meinen Blick zu Cam. Die obligatorischen Worte des Coachs nach dem Spiel sind bereits gefallen, und in der Regel sehen wir ihn danach nicht mehr. Nicht vor dem nächsten Training. Es sei denn, er bestellt uns einzeln in sein Büro, um uns anzuschreien, weil wir in seinen Augen nicht alles für das Team gegeben haben.

Das hier ist neu.

Offensichtlich so ahnungslos wie ich zuckt Cam mit einer Schulter, und wir wenden uns beide dem Headcoach zu. Jefferson ist ein imposanter Mann. Groß, kräftig, mit einem angsterregenden Blick. Der Kerl ist hart wie Stahl, aber damit komme ich klar. Nichts anderes bin ich gewohnt.

»Wir müssen die Krafteinheit von Dienstag auf elf Uhr verschieben.«

Weiter vorn wagt es irgendjemand, zu stöhnen. Ich glaube, Perez, dieser Volltrottel. Jefferson kaut unentwegt auf seinem Kaugummi herum, so, wie er es immer tut. Ich habe den Typ noch nie ohne gesehen. Mir hat das schon vor vielen Jahren die Lust am Kaugummikauen genommen, und ich glaube, ich bin nicht der Einzige im Team.

»Die Marketingabteilung hat sich etwas besonders Tolles ausgedacht, wofür das Krafttraining zurückstecken muss.« Angewidert verzieht er das Gesicht und sieht neben sich.

Jetzt erst bemerke ich Patricia Anderson, die Marketingmanagerin der Tigers, mit einem Kerl im Schlepptau, der uns beäugt, als wären wir sein Abendsnack. Abwartend stehen sie an der Tür und lassen ihre Blicke über die Spieler wandern. Die mitunter nackten Spieler.

Cam schlingt sich unauffällig das Handtuch um die Hüften. Mir ist es scheißegal, ob diese Leute mich nackt sehen oder nicht. Das hier ist meine Kabine. Meine Mannschaft. Wenn ihnen nicht gefällt, was sie sehen, steht es ihnen jederzeit frei, zu gehen.

»Ich habe tolle Neuigkeiten für euch, Jungs! Wir haben eine großartige Charity-Aktion ins Leben gerufen«, säuselt Patricia und wirft dabei ihre feuerroten Haare über die Schulter. Sie himmelt die Spieler an, dabei könnte sie locker unsere Mutter sein. Von einigen der Jungs sicher sogar die Großmutter.

Coach Jefferson bringt sie mit einem zornigen Blick zum Schweigen. Obwohl das Management der Tigers eigentlich über ihm steht, zieht seine Autorität. Das tut sie am Ende immer.

»Der Verein will einen Kalender rausbringen«, erklärt er tonlos. »Dafür wird es Fotoshootings mit euch geben. Also stellt euch darauf ein, dass euch irgendwer den Arsch mit Öl einreibt und ihr still stehen müsst.«

Keine Ahnung, ob er sich überhaupt bemüht, mit seiner Meinung zu dieser Idee hinterm Berg zu halten. Falls ja, gelingt es ihm wirklich schlecht. Man kann es regelrecht unter seiner Haut brodeln hören.

»Ist das Pflicht?« Wieder Perez, der die Klappe nicht halten kann. Es ist das erste Jahr für den Puerto Ricaner, und der Penner hat noch nicht gelernt, wann er besser ruhig sein sollte.

»Sehe ich so aus, als würde ich etwas Freiwilliges mit euch unternehmen?«, schreit Jefferson, und Patricia und dieser Kerl in dem viel zu engen Jackett zucken gleichzeitig zusammen.

Perez senkt den Kopf. Wenigstens ist er so clever und beantwortet die rhetorische Frage nicht auch noch.

»Bei eurer Leistung heute wäre ein Fotoshooting dann wohl das Letzte, was mir in den Sinn gekommen wäre.«

Jefferson war es schon immer egal, ob wir gewinnen oder nicht. Ihm geht es darum, wie wir spielen. Und auch, wenn der Punktestand heute nach Spielende überzeugt hat, haben wir uns nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Das ist uns allen klar.

»Oder wer weiß, vielleicht wäre es genau das, was ich ausgesucht hätte. Immerhin hat es heute mehr danach ausgesehen, als würdet ihr posieren, als Football zu spielen.«

Tief einatmend senke ich den Blick und starre einen Moment lang auf meine nackten Zehen, die sich von den weißen Fliesen abheben.

»Also«, holt Patricia erneut aus und kommt mit ihrem Anhang einen Schritt näher. Der Typ, der sie begleitet, ist so klein, dass er beinahe auf Augenhöhe mit Blancos Schwanz ist, dem das alles herzlich egal zu sein scheint. Mit verschränkten Armen lehnt der Hüne am Spind und sieht auf den komischen Typ mit der riesigen Brille hinab. »Es handelt sich hierbei wirklich um ein tolles Projekt, Jungs. Das soll in keinem Fall eine Bestrafung sein.« Sie nennt uns immer »Jungs«.

Mich stört es nicht weiter, auch wenn sie es herablassend ausspricht.

»Das hier ist Willie McAndrews.«

Eine theatralische Pause entsteht, in der sie offensichtlich auf eine Reaktion wartet, stattdessen aber in viele fragende Gesichter blickt. Ich bin sicher nicht der Einzige, dem der Name absolut nichts sagt.

»Willie ist einer der Top-Fotografen des Landes.«

Noch immer macht es bei keinem wirklich klick, was Patricia ein erschöpftes Seufzen entlockt. Eins der Sorte, das besagt, wie leid sie es ist, mit unterbelichteten Sportlern zu arbeiten.

Tja, Lady, komm klar damit. Wir sind, wer wir sind.

»Jedenfalls«, sie winkt ab, »hat sich in seinem Terminkalender eine Lücke ergeben, und wir können im Spontanverfahren endlich unseren ersehnten Tigers-Kalender erstellen, der ursprünglich erst für kommende Saison geplant war.«

Ich fürchte, sie wartet schon wieder auf eine Reaktion unsererseits, aber wir stehen alle noch genauso unbeweglich da wie vor zwei Minuten. Was erwartet die Frau? Dass wir alle freudig auf und ab hüpfen und dabei in die Hände klatschen? Wir sind hier nicht in der Kabine der Cheerleaderinnen.

Dieser Typ, Willie, reißt seine Augen endlich von Blancos bestem Stück los und setzt ein übertriebenes Lächeln auf. »Das wird phänomenal. Ich werde euch in ein bezauberndes Licht rücken. Jeder von euch ist ein Kunstwerk, und ich werde ihm eine Bühne bieten. Das Ganze wird eine Mischung aus Seraphina Valoria und dem Touchdown24. Ich werde jeden Schatz in diesem Raum perfekt in Szene setzen. Trust me!« Mit einem breiten Grinsen streicht er sich über seine blank polierte Glatze.

»Halleluja«, seufze ich leise. Aus welchem Ei ist dieser Kerl geschlüpft? Charity-Aktionen … meinetwegen. Aber vor diesem Kerl zu posieren wie ein Model? Ich weiß ja nicht …

»Können wir noch mal ein paar Gänge zurückschalten?«, fragt Cam und fixiert mit seiner Faust das Handtuch um seine Hüften eine Spur fester. »Von welcher Art Kalender reden wir hier?«

Jefferson verschränkt knurrend die Arme vor der Brust. Ihm scheint das alles genauso zu missfallen wie uns.

»Er wird pünktlich zum neuen Jahr erscheinen. Mit Bildern von euch und den Cheerleaderinnen. Wir machen daraus eine wohltätige Kampagne mit einigen Aktionen, die schwer kranken Kindern zugutekommen. Zum Jahresstart eröffnen wir dann die neue Ära mit der großen Werbetafel am Campus.«

Zac, der sein Herz genau wie ich grundsätzlich auf der Zunge trägt, schnaubt. Und ich kann es ihm nicht verdenken. Dieser Verein tut nichts wirklich selbstlos. Das macht keine College-Footballmannschaft. In der Regel geht es um Profit. Wir sind in diesem Spiel nur die armen Schweine, die die Kohle ins Haus schleppen müssen.

»Das wird großartig. Willies Fotos sind echt fantastisch. Wir werden dadurch unsere Reichweite erheblich erhöhen.«

Während Patricia vor sich hin schwärmt, frage ich mich, von welcher Reichweite wir hier reden. Das Tiger Field ist bei jedem unserer Spiele ausverkauft, selbst das Training wird ständig von Zuschauern belagert, und wir schaffen es selten vom Auto in den Hörsaal, ohne nach einem Autogramm gefragt zu werden.

»Ach du Scheiße. Wir reden hier also davon, Tigers-Dickpics in HD zu schießen?« Zac stößt ein hysterisches Lachen aus, während er auf sein Handy starrt. Unser Wide Receiver hat noch immer sein Trikot an. Die hellblonden Haare stehen in alle Richtungen, und unter seinem Auge schimmert ein fetter Bluterguss von einem Stoß, den er beim letzten Training abbekommen hat.

»Was ist das?« Cam geht einen Schritt näher an ihn heran. Da Zac auf der Bank sitzt, weiten sich Cams Augen, sobald er ihm über die Schulter sieht.

»Seraphina Valorias Galerie auf Google. So was wollen Sie mit uns machen? Die Frau verdient sicher ’n Haufen Kohle, indem sie Penisse fotografiert.«

»Wir sollen uns ausziehen?« Cams Blick schießt zu Patricia und diesem Willie, der nicht gerade glücklich aussieht.

»Valoria ist eine Künstlerin.«

»Alter, sie fotografiert Schwänze. Was ist daran Kunst? Die Bilder, die ich zum Anheizen den Kätzchen schicke, sind nichts anderes.«

Wir alle müssen über Zacs Dreistigkeit lachen.

Natürlich ist es absolut anmaßend und unangemessen, eine Künstlerin mit den widerlichen Dickpics von Zachary Goldfield zu vergleichen, aber Männer unter sich neigen nun mal dazu, sich wie Hornochsen zu verhalten. Diesbezüglich erfüllen wir sämtliche Klischees.

Zac und ich sind uns da recht ähnlich. Wir waren viele Jahre gute Freunde. So lange, bis er eines Nachts aus dem Zimmer meiner Schwester getürmt ist. Seitdem gehe ich ihm einerseits aus dem Weg, andererseits habe ich ihn sehr genau im Auge. Keine Ahnung, was da zwischen den beiden lief, aber dieser Flachwichser wird sicher nicht noch einmal mit meiner Schwester ins Bett gehen. Das weiß ich zu verhindern.

»Ihr werdet eure Schwänze in der Hose lassen.«

Jefferson durchschneidet mit seiner herrischen Stimme das Gelächter. Dabei funkelt er Patricia warnend an, während ich erneut zu Zac sehe, als ob der Coach meine Warnung ausgesprochen hätte. Mein Gefühl sagt mir, dass unser Management diese Unterhaltung nicht zum ersten Mal führt, so wütend, wie sie sich anstarren.

»Also. Ihr werdet Dienstag um zehn im Konferenzraum sein und machen, was …«, Jefferson zögert eine Sekunde, als würde es ihm Schmerzen bereiten, weiterzusprechen, »… Willie hier sagt.« Er löst die verschränkten Arme und klopft dem Fotografen so fest auf die Brust, dass er leicht ins Taumeln gerät. »Und jetzt seht zu, dass ihr hier fertig werdet.«

Sein Blick fällt auf Cam, und er nickt kaum merklich zur Tür. Er will mit unserem Quarterback allein sprechen. Das ist nicht ungewöhnlich, dieses Mal hoffe ich allerdings, dass Cam später mehr Informationen für uns hat.

Schon als ich mich in Bewegung setze, um mich auf den Weg unter die Dusche zu machen, begegnet mein Blick diesem Fotografen. Hinter seinen Brillengläsern hat er die Augen zu Schlitzen verengt und sieht mich seltsam an. Ich runzle die Stirn, wende mich ab, doch auch, als ich Sekunden später noch einmal in seine Richtung schaue, trifft mich dieser eigenartige Gesichtsausdruck direkt ins Mark.

Super. Offensichtlich hat da jemand ein Auge auf mich geworfen. Nicht, dass mich das aufwühlen kann. Der Typ will mich eingeölt fotografieren? Bitte schön, wenn es ihn glücklich macht. Eine Kleinigkeit, wenn ich dafür lediglich eine Stunde meinen Hintern in die Kamera strecken muss.

Kapitel 2

Imogen

»Ich halte das immer noch für Zeitverschwendung.« Es fällt mir nicht schwer, meine Worte mit einem genervten Schnauben zu garnieren. Denn das hier ist in der Tat lächerlich.

»Es ist Weihnachten, Immy. Komm schon! Tu es für mich.«

Meine Cousine versucht, sich eine Strähne ihrer viel zu langen Haare aus dem Gesicht zu pusten. Dabei zuckt ihr Blick zu mir, was mich nur mit den Augen rollen lässt.

»Spielst du jetzt die Waisenkarte aus, damit ich dir helfe?«

Payton ist vor knapp vier Monaten hergezogen, weil ihre Eltern tödlich verunglückt sind. Anfangs habe ich sie gehasst. Ein kleiner Teil in mir hasst sie noch immer, aber es fällt mir mit jedem Tag schwerer, weil sie nun mal ist, wie sie ist.

Und natürlich tut sie mir unsagbar leid. Niemand sollte seine Eltern auf solch tragische Weise verlieren. Allerdings hat ihr Auftauchen ein paar Dinge ins Rollen gebracht, die es mir anfangs schwer gemacht haben, sie herzlich zu empfangen.

Angefangen bei der Tatsache, dass mein Dad den Tod seines Bruders und dessen Frau zum Anlass genommen hat, meiner Mom zu offenbaren, dass er die Frau seines Bruders immer mehr geliebt hat als sie – dessen tote Frau wohlgemerkt. Ich meine, wie hirnrissig ist es, so etwas zu beichten, nachdem die Betroffene unter der Erde ist? Ja klar, ehrlich währt am längsten und so, aber mal im Ernst – davon hat doch jetzt niemand mehr was.

Seitdem ist meine Familie, die vorher schon mehr an eine altersgemischte WG erinnert hatte, endgültig zusammengebrochen.

Aber das ist nicht der einzige Grund, warum Payton und ich nur bedingt Freundinnen werden können.

»Du weißt, dass deine Gemeinheiten mich nicht mehr treffen.« Sie streckt mir die Zunge heraus. »Ich habe durchschaut, dass du mich in den Tiefen deiner schwarzen Seele liebst.«

»Träum weiter«, zische ich und wende meinen Blick schnell in die Kiste mit der Weihnachtsdeko, damit sie mein Grinsen nicht erkennt.

Nachdem wir uns die ersten Wochen nur angezickt haben, sind wir vor ein paar Tagen zu der Übereinkunft gekommen, das Kriegsbeil zu begraben. Mindestens bis Silvester herrscht Waffenstillstand, und dann entscheiden wir neu, ob wir uns weiter hassen oder der Sache eine Chance geben wollen. »Als ich versprochen habe, dir nicht die Augen auszukratzen, habe ich mit keinem Wort gesagt, dass wir stattdessen einen auf Weihnachtselfen machen.«

Beim Anblick des glitzernden Baumschmucks wird mir schwer ums Herz. Ich vermisse meine Mom. Seit sie und Dad einen heftigen Streit hatten, übernachtet sie in einem ihrer Apartments in der Stadt und meldet sich kaum, ach was, gar nicht bei mir. Auch wenn sie nie die warmherzige Mutter war, die ich mir oft gewünscht habe, ist sie meine Mom, und Weihnachten ohne sie zu verbringen, fühlt sich komisch an. Nicht zuletzt, weil mein Dad derzeit eine Laune hat, die selbst den Grinch in die Flucht schlagen würde.

»Ein paar Lichterketten werden dich nicht umbringen.« Payton wirft mir einen völlig verwirrten Haufen Kabel mit kleinen LEDs zu. »Also hör auf, die verwöhnte Prinzessin zu spielen, und hilf mir.«

»Bist du sicher, dass du die Feiertage nicht lieber bei den Malones verbringen willst? Du würdest uns allen einen Gefallen tun.«

Hinter meiner Fassade aus flapsigen Sprüchen und Gemeinheiten verstecke ich eine Angst, die Payton längst durchschaut hat. Nur deswegen wechselt ihr breites Grinsen zu einem mitleidigen Gesichtsausdruck.

»Wir sind eine Familie. Natürlich feiere ich mit euch Weihnachten. Außerdem wohnen die Malones nebenan. Ich bin sicher, Cam und ich finden einen Weg, bei beiden Familien zu sein.«

Lange und tief sehen wir uns in die Augen. Ich wünschte, ich könnte die Hürde der Scham überwinden und ihr danken. Mich entschuldigen für die fiesen Dinge, die ich ihr in den vergangenen Monaten an den Kopf geworfen habe. Und ihr sagen, wie froh ich bin, dass sie Weihnachten hier ist und ich mich an den Feiertagen nicht allein der Krise meines Dads stellen muss.

Doch meine Lippen wollen sich einfach nicht bewegen. Schweigend versuche ich, ihr zu zeigen, was ich wirklich fühle. »Wie du meinst«, presse ich hervor, und meine Schulter zuckt von ganz allein.

»Ja, meine ich. Und jetzt entwirre das bitte. Wir haben nur noch zwei Stunden Zeit, ehe Cam und Ash mich abholen.«

»Zwei Stunden?« Die Worte kommen lauter aus meinem Mund als geplant. Was nicht unbedingt daran liegt, dass die Vorstellung, einhundertzwanzig Minuten mit Payton zu dekorieren, so schrecklich ist. Es liegt viel eher an der Erwähnung eines gewissen Namens. Und dabei meine ich nicht Cam. Mein Nachbar und gleichzeitig der Quarterback der Cape Coral Tigers zählt zu den wenigen Bekannten, die ich auch tatsächlich mag. Außerdem freut es mich inzwischen, dass er und Payton ein Paar sind. Zugegeben, im ersten Moment war es ein Schock, weil meine Freundin Emily seit Monaten total in Cam verliebt ist und sie mir einfach nur leidtat. Unerwiderte Gefühle tun nun mal verdammt weh.

Aber ich schweife ab. Denn der Grund, warum ich meine Stimme erhebe, ist Ash. Ashton Sutton, der Runningback der Tigers. Eine weitere Sache, warum ich zu Beginn Schwierigkeiten mit Payton hatte. Aber im Gegensatz zu dem Drama unserer Eltern, das unwillkürlich auf uns übergeschwappt ist, werde ich darüber mit meiner Cousine niemals reden.

Ash ist jemand, über den ich überhaupt mit niemandem spreche. Und das wird auch so bleiben. Ich habe das, was zwischen uns steht, im Griff. Bis auf die Kleinigkeit, dass meine Tonlage eskaliert, sobald das Thema auf ihn fällt.

»Wir wollen mit Betty ins Kino.«

Zu meinem Glück scheint Payton nichts von meiner entgleisten Stimme mitbekommen zu haben. Oder sie ignoriert sie, genau wie all meine unangebrachten Reaktionen ihr gegenüber. »Sie ist nicht gut drauf in letzter Zeit. Ich fürchte, Doug wird mit ihr Schluss machen.«

Irritiert sehe ich meine Cousine an. »Warum sollte ein alter Kerl, dessen einziger Lebensinhalt ein nicht gut laufender Laden ist, mit einer Frau wie Beth Sutton Schluss machen? Und – viel wichtiger – warum sollte sie deswegen traurig sein?« Betty ist Ashs Zwillingsschwester, und auch, wenn wir niemals warm miteinander geworden sind, hat sie definitiv mehr verdient als diesen komischen Typen, mit dem sie derzeit zusammen ist. Beth ist schrill und laut und auf eine einzigartige Weise extravagant. Es gibt Menschen, die sich keine Mühe geben müssen, um schön oder besonders auszusehen. Beth Sutton gehört definitiv zu dieser Sorte Mensch. Niemand anderes glänzt mit einer Kurzhaarfrisur und Modeschmuck so bezaubernd wie sie.

Payton macht ein Geräusch, das irgendwo zwischen Verständnis und Belustigung liegt. »Doug ist okay«, sagt sie und lacht anschließend über meinen angewiderten Gesichtsausdruck. »Er ist wirklich nett.«

»Das ist Pfarrer McClain auch, und trotzdem würde ich nie mit ihm ins Bett gehen.«

»Urgh!« Jetzt verzieht sie das Gesicht. »Danke für das Kopfkino.«

Um meine Hände sinnvoll zu beschäftigen, fange ich trotz all meiner Vorsätze an, die Lichterkette auseinanderzufriemeln. Dabei atme ich tief durch und versuche, nicht länger an Ash zu denken.

Weil ich es nicht will.

Weil ich es nicht kann.

Weil es mich zerstört.

»Die Jungs haben erzählt, ihr habt am Dienstag ein Fotoshooting zusammen?«

Während meine Cousine die Sterne aus dem Karton fischt, die meine Mom immer als Kitsch betitelt hat, seufze ich auf. »Jap. Mein Team hat Montag bereits ein paar Probeaufnahmen, und Dienstag geht’s dann los. Dann will die Marketingagentur alles mit uns besprechen. Willie McAndrews wird die Bilder schießen. Er ist ziemlich gut.«

Um ehrlich zu sein, ist er mehr als gut, und ein Teil von mir freut sich auf die Bilder. Aber ich will nicht, dass Payton mich noch mehr für eine oberflächliche Ziege hält, als sie es sowieso schon tut. Wahrscheinlich geht es da ganz Cape Coral gleich. Aber das ist okay, denn solange niemand die wahre Imogen kennt, bin ich quasi unverletzlich. Das wiederum kommt mir absolut entgegen.

Eigentlich widerstrebt mir der Gedanke, Menschen nach ihrem Äußeren zu beurteilen. Nur weil Payton etwas fülliger ist, hat ihr Selbstbewusstsein ordentliche Risse, was ich vollkommen bescheuert finde. Es will nicht in meinen Kopf, warum sie nicht voller Stolz vor dem Spiegel steht. Ich bewundere und beneide sie für viele Dinge, aber das sage ich ihr natürlich nicht. Sie hält mich für eine ewig auf Diät lebende arrogante Kuh, nur weil ich Kapitänin der Cheerleaderinnen bin. Ich lasse sie in dem Glauben. Sie hat keinen Schimmer, wie sehr ich darunter leide, immer nur nach meinen Maßen oder dem perfekten Look beurteilt zu werden. Ich bin keine Cheerleaderin, um mich begaffen zu lassen, sondern weil Tanzen eins der wichtigsten Dinge in meinem Leben ist.

Meine Realität sehen die wenigsten Menschen: nämlich dass Cheerleading ein ebenso harter Sport ist wie Football. In der Regel glauben die Leute, wir sind für nichts anderes da, als am Wochenende am Spielfeldrand die Pompons zu schwingen. Dabei ist das nur ein minimaler Bruchteil dessen, was wir leisten. Wir tanzen auf Dutzenden Wettkämpfen im Jahr und arbeiten hart an uns. Aber das interessiert leider niemanden. Sie alle sehen nur die Tigers. Das erfolgreiche Footballteam, das wir anfeuern dürfen. Und die Cheerleaderinnen, die nichts weiter sind als hübsche Püppchen. Meine Cousine nehme ich bei diesen schnell urteilenden Menschen leider nicht aus. Sie ist genauso festgefahren in ihrer Denkweise wie der Rest. Und ich habe keine Ambitionen, sie vom Gegenteil zu überzeugen. Wofür auch?

»Und er macht wirklich Nacktbilder?« Paytons blaue Augen werden riesengroß.

Sie ähneln meinem Dad so sehr, dass ich noch immer daran zweifle, ob er nicht doch ihr richtiger Vater ist – auch wenn ein DNA-Test etwas anderes ergeben hat. Sie wirkt viel mehr wie seine Tochter, als ich es je könnte.

»Ach Quatsch. Wer sagt denn so einen Blödsinn?« Ich kann mir ein albernes Lachen nur schwer verkneifen.

Klar, die Fotos werden sicher heiß. Alles andere würde nicht viel Sinn ergeben. Aber kein College ist so unbedacht und verkauft Aktfotos seiner Studierenden. Nicht mal die CCU.

»Cam meint, der Fotograf werde mit irgend so einer New Yorkerin verglichen, die gern nackte Männer fotografiert.«

Dieses Mal muss ich richtig lachen. Nicht nur, weil die Vorstellung der Mannschaft als Aktmodels lustig ist, sondern weil Payton jeden Moment die Augen aus dem Gesicht fallen.

»Entspann dich, Cunningham. Es sind nur Fotos. Und Willie hat sicher kein Interesse daran, von der CCU verklagt zu werden. Das ist alles total harmlos.«

Für uns Cheerleaderinnen ist das Shooting nichts Besonderes. Wir werden ständig abgelichtet und in Szene gesetzt, begrapscht oder angeglotzt, um die Uni und die Tigers gebührend zu präsentieren. Mir macht das weniger aus, als es vermutlich sollte. Der Sport und das Team sind mein Leben. Aber wie gesagt, es sind nur Fotos. Das ist das gleiche Prinzip wie bei Social Media. Es wird dort etwas gezeigt, das nichts mit der Realität eines Menschen zu tun hat. Nichts als Fake. Eine Maske. Die Fassade. Im Grunde Schauspielerei.

Wenn man meine Accounts öffnet, sieht man die hübsche Anführerin des Cheerleadingteams. Eine blonde Schönheit mit perfektem Make-up und makellosem Körper und fünfhunderttausend Followern. Aber das ist nichts weiter als eine Inszenierung. Wer das bis heute noch immer nicht verstanden hat, ist noch naiver als die Menschen, die denken, diese Plattformen seien ihr Lebensinhalt.

»Ich werde mir den Kalender auf jeden Fall kaufen. Immerhin ist er für einen guten Zweck.«

»Natürlich. Du kaufst ihn aus reiner Selbstlosigkeit. Nicht, weil du hoffst, ein Foto vom Quarterback zu bekommen.«

»Natürlich nicht.«

Sie schnalzt mit der Zunge und kräuselt ihre Mundwinkel, wie sie es immer tut, wenn sie ein Lächeln zu unterdrücken versucht. Sie zu verachten, wird mit jeder Stunde schwerer.

Eine ganze Weile sitzen wir schweigend da und sortieren Weihnachtsdeko, die wahrscheinlich niemand zu schätzen wissen wird.

Mein Dad vergräbt sich derzeit Tag und Nacht im Büro. Mom hockt in einem schicken Apartment am Strand und vögelt vermutlich irgendwelche viel zu jungen Surfer, um sich an ihm zu rächen – und Payton lebt sowieso im Poolhaus. Das heißt, ich bin die Einzige, die die Deko interessieren könnte. Aber das tut es nicht. Zumindest versuche ich, mich dazu zu zwingen, dass es mir egal ist.

»Welchen Film seht ihr euch an?« Ich bin eine bescheuerte Nuss. Es sollte mich nicht kümmern, was Payton, Cam und die Sutton-Zwillinge anstellen.

»Keine Ahnung. Jedenfalls nichts mit Liebe. Ich glaube, irgendeinen Horrorfilm.«

Durch ihre extrem langen Wimpern sieht Payton mich an. Selbst in einem einfachen Hoodie und ganz ohne Make-up ist sie eine hübsche Frau. Dabei ist es völlig egal, ob sie perfekte Maße besitzt. Leider checkt sie das nicht, und ich bin ganz sicher nicht die Richtige, um ihr das begreiflich zu machen. Dafür hat sie Betty.

»Willst du mit?«

Sie stellt die Frage eine Spur leiser und viel zu zögerlich. Weil ihre und meine Welt nun mal nicht zusammen ins Kino gehen.

»Als ob.« Ich gebe mir größte Mühe, angewidert den Kopf zu schütteln. »Stopft ihr euch ruhig mit Popcorn voll und schaut euch irgendeinen Mist an, der eure Gehirnzellen tötet. Ich gehe später ins Gym.«

Payton sieht mich mit diesem bestimmten Blick an. Dem, den sie immer auflegt, wenn sie versucht, mich zu durchschauen.

»Okay.« Sie presst die Lippen zusammen und nickt lediglich.

Seufzend lege ich das Lichterkettenknäuel ab. »Weißt du was, vielleicht sollte ich lieber direkt gehen. Du schaffst das hier sicher auch allein.«

Ohne ihren Gesichtsausdruck einzufangen, husche ich aus dem Wohnzimmer die Treppe nach oben. Erst als ich die Tür zu meinem Zimmer hinter mir geschlossen habe und mich mit dem Rücken dagegenlehne, erlaube ich mir, tief durchzuatmen und die Augen zu schließen.

Die Wahrheit ist: Heute Abend hasse ich Payton vor allem, weil sie in weniger als zwei Stunden mit Ashton Sutton ins Kino geht. Sosehr ich mich auch dazu zwingen will, dass es mir egal ist, es funktioniert beim besten Willen nicht. Wenn es um ihn geht, setzt mein Verstand aus. Und das macht mich verdammt wütend.

Kapitel 3

Ashton

Okay, es nervt mich. Ich habe mir ja eingeredet, dass es mir egal ist, aber jetzt nervt es mich irgendwie doch.

Eine ganze Horde Menschen springt zwischen den Reihen hin und her, und wie wild knipsen sie Bilder von uns. Manche aus der Ferne, andere kommen so dicht an mein Gesicht heran, dass ich das dringende Bedürfnis habe, zurückzuweichen.

Es ist gruselig.

In dem Konferenzzimmer, in dem es eigentlich niemals still ist, steht die Mannschaft aufgereiht da wie bei der Army. Keiner spricht ein Wort. Zumindest wir Spieler nicht. Die Fotografen rufen sich rund um die Uhr irgendwelchen Mist über Lichtverhältnisse und Gesichtszüge zu.

Dieser Willie, der heute in seinem grasgrünen Anzug aussieht wie ein verfluchter Laubfrosch, hüpft wie genau dieser zwischen seinen Leuten hin und her. Sein Kopf hat die Farbe unserer Trikots angenommen und leuchtet wie eine Tomate.

»Mann, was soll der Mist hier? Ich dachte, er macht die verfluchten Fotos.« Cam lehnt sich ein Stück nach hinten, weil eine Fotografin mit raspelkurzen Haaren und jeder Menge Piercings im Gesicht ihm ein Objektiv direkt vor die Nase hält.

Ich würde ja gern über seinen verzweifelten Tonfall lachen, allerdings bleibt mir jeder Laut im Hals stecken, weil dieser Willie mich die ganze Zeit im Auge behält.

Was will dieser Typ von mir?

Auf der anderen Seite des Raumes wird das gleiche Szenario mit den Cheerleaderinnen abgezogen. Ihnen scheint das nicht halb so viel auszumachen wie uns. Wahrscheinlich ist das reine Gewohnheitssache. Jedenfalls stehen sie nicht so verkrampft da wie wir, die aussehen, als müssten wir jeden Moment in den Krieg ziehen. Manche von den Mädels scheinen diesen Mist sogar zu genießen.

Imogen und Lydia vornweg. Unsere Kapitänin und ihre Vertreterin suhlen sich geradezu vor den Kameras. Ich habe mit beiden schon geschlafen und weiß, wie versessen sie darauf sind, die perfekte Inszenierung abzuliefern. Nicht, dass ich daran etwas auszusetzen hätte. Ich genieße jede Show, die mir geboten wird.

Langsam lasse ich meinen Blick über die Tänzerinnen schweifen. Es sind nicht besonders viele dabei, mit denen ich noch nicht im Bett war. Zwar besagt die mündliche Übereinkunft, dass wir nichts mit den Cheerleaderinnen anfangen dürfen, aber was juckt es mich. Es ist immerhin nur genau das: eine mündliche Übereinkunft. Noch sind wir nicht in der NFL, und was der Coach nicht weiß, macht ihn nicht heiß.

Mit jedem Blitzlicht, das auf uns herabregnet, steigert sich meine Ungeduld.

Aber es geht mir nicht allein so. Man merkt, wie die Jungs allesamt immer nervöser werden. Gib diesem Haufen Testosteron einen Ball und er ist Stunden beschäftigt und vernichtet alles, was sich ihm in den Weg stellt. Aber still stehen und ein hübsches Gesicht machen gehört eindeutig nicht zu den Stärken der Tigers.

Nach einer gefühlten Ewigkeit ruft Willie seine ganzen Lakaien zurück, und sie eilen zu ihm und seinem Laptop wie ein Schwarm Bienen, der sich um eine hübsche Blume versammelt. Keine Ahnung, warum ich bei ihm und diesen Menschen immer an Insekten denken muss, aber so ist es nun mal.

Die Jungs lassen alle gleichzeitig die Schultern sinken, und ein erleichtertes Seufzen hallt durch den Raum. Es wird allerdings im Keim erstickt, als der gesamte Trainerstab zur Tür hereinkommt.

Knapp nicke ich Coach Carlan zu. Der Defense Coordinator ist kein Geringerer als mein Dad. Mit zusammengepressten Lippen und der Cap tief in die Stirn gezogen, lässt er seinen Blick durch den Raum schweifen. Dabei verweilt er nicht lange auf mir. Nicht mal im Ansatz so lange wie auf diesem Willie.

Willie.

Was ist das überhaupt für ein bescheuerter Name?

»Sutton!«, ruft Coach Jefferson mir zu, der inzwischen bei dem Fotografenteam steht.

Wenn der Boss ruft, schaffe ich es in der Regel, ein genervtes Seufzen zu unterdrücken, ganz gleich, wie schwer es mir heute fällt.

»Oh, oh.« Zac klopft mir auf die Schulter. »Hast du etwa nicht brav gelächelt, Ashi?«

»Fick dich!«, raune ich, schlage dabei seine Hand beiseite und setze mich in Bewegung.

»Bestimmt möchte Willie noch mal sehen, wie du deine Brustmuskeln anspannst, Sutton.«

Das kam von Lawrence, aber ich mache mir nicht die Mühe, was zu sagen. Stattdessen zeige ich meinem Team einfach den Mittelfinger über die Schulter.

»Sehr erwachsen, wirklich«, knurrt Jefferson. Er hat die Arme vor der Brust verschränkt und sieht nicht glücklich aus. »Du bist fürs letzte Spiel raus, Sutton.«

Er lässt die Bombe platzen, noch ehe ich bei ihm und dem Fotografen-Haufen angekommen bin.

Die Jungs verstummen.

Der Coach vor mir wird unscharf, und ich erstarre. Wortwörtlich.

»Weil ich ihm den verfluchten Mittelfinger gezeigt habe?«

Das kann nicht sein Ernst sein. Sofort schießt mein Blick zu meinem Dad. Er zieht sich die Kappe noch etwas tiefer in die Stirn und tut so, als ginge ihn das alles nicht an.

Mal ganz was Neues.

»Bullshit«, knurrt Jefferson. Auch er trägt eine Tigers-Kappe, die er sich in diesem Augenblick abnimmt, um mit der anderen Hand durch seine grauen Haare zu streichen.

Ich wünschte, in seinem Gesicht etwas zu finden, das diese Situation als Missverständnis runterspielt, aber da ist nichts. Ganz im Gegenteil. Er sieht genauso gequält aus, wie ich mich fühle.

»Dieser …« Sein Blick wandert zu Willie, und ich bin mir sicher, es ist nicht sein Name, der ihm auf der Zunge liegt. »Er braucht dich. Du musst die nächsten Tage für Shootings bereitstehen. Das heißt, einige Trainingseinheiten fallen aus, und wir spielen ohne dich gegen die Bulldogs. Zu den Playoffs bist du wieder dabei.«

»Das kann nicht Ihr verdammter Ernst sein!«

Coach Jefferson schluckt seine Wut hinunter. Das kann man deutlich sehen. Eigentlich duldet er keine Widerworte.

Zum ersten Mal seit knapp vier Jahren sehe ich Mitleid in seinen Augen. Verflucht, er hat nicht mal so geschaut, als die Mutter unseres Cornerbacks, Chad Rastings, gestorben ist.

»Tut mir leid, Junge. Mir sind die Hände gebunden.« Er legt seine schwere Hand auf meine Schulter, und ich fürchte, unter dem Gewicht zusammenzubrechen. »Das Management hat dem Fotografenteam freie Wahl gelassen, und sie wollen dich.«

Noch ehe ich etwas sagen oder auf andere Weise gut reagieren kann, quietschen seine Schuhe auf dem Linoleumboden. Ich kneife die Augen zusammen und gebe dem Schicksal noch eine letzte Chance, nicht als Bösewicht aus dieser Geschichte herauszugehen. Doch als ich sie wieder öffne und geradewegs auf die polierte Glatze von Willie blicke, weiß ich, dass es für einen solchen Wunsch längst zu spät ist.

Ich habe verloren. Und ich verliere nie. Niemals.

»Nein«, presse ich hervor, ohne den Sprachbefehl bewusst gegeben zu haben. Mein Körper reagiert instinktiv auf diese Scheiße.

»Das wird toll.« Willies Grinsen wird so breit, dass es die Froschthese erneut in meinen Verstand schafft. »Wir werden morgen ein paar Gruppenaufnahmen machen, und danach gehört die Bühne dir und dieser bezaubernden Blume dort. Zusammen seid ihr …« Er wedelt vor meinem Gesicht herum.

Ich stecke meine Hände in die Taschen meiner Jogginghose, um ihn nicht zu schlagen.

»O mein Gott! Da fällt mir nicht mal ein Vergleich ein. Brad Pitt und Jennifer Aniston sind ein Witz gegen euch. Ihr seid das perfekte Paar. Eure Gesichtszüge passen zusammen wie der Mond und die Sterne.«

Seine Euphorie schwappt über mich hinweg, und es fühlt sich an, als hätte er mich in hohem Bogen angekotzt. Und ja, dank Cam und seinem ersten Besäufnis weiß ich, wie sich so etwas anfühlt.

»Das wird phänomenal. Eines meiner besten Werke. Das spüre ich. Tief in mir drin habe ich es schon gefühlt, als ich zum ersten Mal in diese wundersamen Augen blicken durfte.«

Mein aktueller Blick dürfte nun wirklich so aussehen, als hätte er mich vollgereihert. »Nein«, wiederhole ich noch einmal. Erst jetzt fällt mir auf, dass sämtliche Fotografen und Fotografinnen mich anstarren. Mich und Imogen Cunningham.

Überrascht zucke ich zusammen.

Moment. Sie?

»Nein«, wiederhole ich. Ich werde sicher kein Spiel verpassen, um mich tagelang mit Cape Corals Schönheitsqueen vor eine Kamera zu stellen. Vor Willies Kamera, um es genau zu nehmen.

»Schätzchen, sieh es positiv. Du wirst der Star von ganz Florida.« Er macht einen Schritt zur Seite, sodass Imogen mir direkt gegenübersteht. »Und sie gibt die Göttin neben deinen Bad-Boy-Vibes.« Er schnurrt.

Der Typ schnurrt mich doch tatsächlich an.

»Scheiß drauf, nein!« Unwillkürlich schüttle ich die ganze Zeit den Kopf. »Das könnt ihr vergessen. Es ist das letzte Spiel der Saison. Das letzte Ligaspiel für die Tigers.« Meine Stimme wird bei jedem Wort lauter. »Soll sie sich allein vor der Linse rekeln mit ihrem perfekten Göttinnen-Look. Ich bin raus.«

Mit diesen bedeutungsschweren Worten drehe ich mich um und stapfe davon. Dass ich mir dabei vorkomme wie ein trotziges Kleinkind, ist mir scheißegal. Ich will diesen Mist nicht. Mir schnuppe, wie viel die Tigers damit verdienen oder inwiefern das das Image der Uni aufbessert. Es ist meine letzte Saison. Nächstes Jahr bin ich weg. Diese Zeit kommt nie wieder in meinem Leben. Das Spiel gegen die Bulldogs ist das letzte Mal, dass ich im Tiger Field auflaufe, ehe es in die Playoffs geht.

Das können Patricia und dieser bescheuerte Frosch so was von vergessen.

Eher sterbe ich!

Kapitel 4

Imogen

Es gibt Tage, an denen komme ich gut zurecht mit den Dingen, die ich über mich höre und die versuchen, mich zu verletzen. Ich lasse die Worte an mir abprallen, gönne es ihnen nicht, bis in mein Herz vorzudringen. Wir Cheerleaderinnen sind es gewohnt, gegen Vorurteile und Sexismus anzukämpfen. Jeden verfluchten Tag. Meist macht mir das nichts aus.

Aber dann gibt es Tage wie heute.

Tage, an denen der Druck so groß ist, dass ich das Gefühl habe, darunter zu ersticken. An Tagen wie diesen lege ich noch mehr Make-up auf, ziehe noch knappere Klamotten an und lasse demonstrativ die Bitch raushängen. Je mehr ich andere provoziere, umso weniger können sie durch meine Rüstung dringen. Denn nichts anderes ist das Rouge, das ich in diesem Moment auf meinen bleichen Wangen verteile. Eine Rüstung. Ein stabiler Schutz für all die Hässlichkeiten, die ich sonst kaum ertragen kann.

Als die Erinnerung an Ashtons Reaktion von heute Vormittag in meinem Kopf wieder lauter wird, greife ich zu dem pinken Lippenstift auf meinem Schminktisch und ziehe mir einen perfekten Kussmund. Für den perfekten Göttinnen-Look. Was für ein Arschloch.

Patricia und Willie haben mir ein Dutzend Mal zugesichert, dass Ash keine Chance hat, sich gegen das Shooting zu wehren. Als ob ich mich darauf freuen oder mir wünschen würde, mit ihm die kommenden Tage zu verbringen.

Ja, zugegeben: Ich habe mich ein kleines bisschen auf das Shooting gefreut. Der Kalender verfolgt einen guten Zweck, und ich mag es, Bilder vom ersten Versuch bis zum endgültigen Ergebnis zu begleiten. Aber als ich davon erfahren habe, dass ausgerechnet er und ich für die Einzelbilder Modell stehen sollen, hätte ich mich beinahe übergeben.

Das wird die Hölle.

Außerdem muss ich genauso Opfer bringen, um die nächsten Tage ständig zur Verfügung zu stehen. Mein Zeitplan ist auch so schon straff genug. Wir stecken mitten in den Vorbereitungen für die Daytona National Championship. Ich kann es mir nicht leisten, nur sporadisch zum Training zu erscheinen. Coach Wheeler war genauso wenig davon begeistert wie der Coach der Tigers. Aber was schert das Management der Tigers schon die Cheerleaderinnen? Wir spielen am College grundsätzlich die zweite Geige. Wichtig ist nur, dass wir gut aussehen und perfekt lächeln. Ob wir trainieren oder nicht, interessiert die männliche Führungsebene nicht wirklich.

Wenn ich allerdings ehrlich zu mir bin, ist mein größtes Problem ein anderes: Ashton Sutton.

Ich will nicht mit ihm vor die Kamera. Und auch nicht dahinter.

Eigentlich will ich gar keine Zeit mit ihm verbringen.

Denn das Problem, das ich mit unserem Runningback habe, ist Folgendes: Seit meinem dreizehnten Geburtstag bin ich unwiderruflich und vollkommen verloren in diesen Mistkerl verliebt.

Ich hasse ihn.