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Ein neues Jahr an der NC State University! Hier gibt es ein Chaos der Gefühle, gebrochene Herzen und Bad Boys zum Verlieben.
Eigentlich hatte ich mich auf die Projektarbeit in meinem Fotografie-Kurs gefreut. Doch dann wurde mir ausgerechnet Blake Walden als Partner zugeteilt. Der mysteriöseste Typ am ganzen College. Blake ist genau die Sorte Mann, bei dem sämtliche Alarmglocken los schrillen. Vor dem dich alle deine Freunde warnen. Trotzdem zieht mich seine dunkle Aura magisch an - und lässt mich vergessen, dass ich in der Vergangenheit schon zu oft verletzt wurde. Lässt mich erahnen, dass er es wert ist, ein weiteres Mal verletzt zu werden.
Band 2 der heißen und gefühlvollen NC-State-University-Romance-Reihe.
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Seitenzahl: 326
Cover
Über dieses Buch
Über die Autorin
Titel
Impressum
Erstes Kapitel
Zweites Kapitel
Drittes Kapitel
Viertes Kapitel
Fünftes Kapitel
Sechstes Kapitel
Siebtes Kapitel
Achtes Kapitel
Neuntes Kapitel
Zehntes Kapitel
Elftes Kapitel
Zwölftes Kapitel
Dreizehntes Kapitel
Vierzehntes Kapitel
Fünfzehntes Kapitel
Sechszehntes Kapitel
Siebzehntes Kapitel
Achtzehntes Kapitel
Neunzehntes Kapitel
Epilog
Ein neues Jahr an der NC State University! Hier gibt es ein Chaos der Gefühle, gebrochene Herzen und Bad Boys zum Verlieben.
Eigentlich hatte ich mich auf die Projektarbeit in meinem Fotografie-Kurs gefreut. Doch dann wurde mir ausgerechnet Blake Walden als Partner zugeteilt. Der mysteriöseste Typ am ganzen College. Blake ist genau die Sorte Mann, bei dem sämtliche Alarmglocken los schrillen. Vor dem dich alle deine Freunde warnen. Trotzdem zieht mich seine dunkle Aura magisch an – und lässt mich vergessen, dass ich in der Vergangenheit schon zu oft verletzt wurde. Lässt mich erahnen, dass er es wert ist, ein weiteres Mal verletzt zu werden.
Band 2 der heißen und gefühlvollen NC-State-University-Romance-Reihe.
Sabrina Bennett wurde 1991 in Wels geboren und lebt im österreichischen Marchtrenk, nahe Linz. Nach der Reife- und Diplomprüfung arbeitete sie in verschiedenen Bürojobs, von denen sie sich mehrere Auszeiten gönnte, um monatelang als Backpacker durch Asien zu reisen.
Schon in früher Kindheit war sie so fasziniert von Büchern, dass sie sich selbst das Lesen beibrachte. Seitdem liebt sie es, Geschichten zu Papier zu bringen.
Sabrina Bennett
Captured by your heart
Roman
Deutsche Erstausgabe
»be« – Das eBook-Imprint der Bastei Lübbe AG
Copyright © 2021 by Bastei Lübbe AG, Köln
Covergestaltung: Birgit Gitschier, Augsburg unter Verwendung von Motiven von © Zdenka Darula / shutterstock
eBook-Erstellung: 3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)
ISBN 978-3-7517-0407-6
be-heartbeat.de
lesejury.de
»Hey Hübsche, ist der Platz noch frei?«
Ich zuckte zusammen und starrte hoch in das attraktive Gesicht eines Jungen, der neben mir stand und auf den Stuhl zu meiner Linken deutete. Er hatte blondes, lockiges Haar und süße Grübchen in den Wangen. Wäre er nicht so schick angezogen gewesen, hätte ich ihn für den typischen Surferboy gehalten. Er trug eine enge, beige Hose und ein weißes Hemd, das er sich in den Hosenbund gesteckt hatte. Dadurch kam seine gebräunte Haut besonders gut zu Geltung.
Er zog fragend eine Augenbraue hoch, und prompt fing mein Gesicht an zu glühen, da mir klar wurde, dass ich ihn eine gefühlte Ewigkeit einfach nur angestarrt hatte, ohne auf seine Frage zu reagieren. So etwas passierte mir ständig in Gegenwart süßer Jungs. Ich brachte keinen Ton heraus und verhielt mich wie eine Irre.
»Keine Sorge, Süße, ich versuche nicht, dich anzumachen. Dafür hast du mir zu wenig in der Hose, wenn du verstehst, was ich meine.« Er zwinkerte mir zu und ließ sich auf den Stuhl neben mir fallen. »Aber sollte ich jemals das Ufer wechseln, bist du meine erste Wahl.«
Ich musste lachen und spürte, wie die ganze Anspannung von mir abfiel.
»Jamie«, stellte er sich vor und reichte mir die Hand.
»Dawn.«
»Schön, dich kennenzulernen, sexy Dawn.«
»Oh Gott, nenn mich bitte nicht so«, murmelte ich, während ich den Laptop aus meinem Rucksack zog.
Obwohl die Tatsache, dass Jamie schwul war, mir die Nervosität genommen hatte, konnte ich trotzdem nicht damit umgehen, wenn mir jemand ein Kompliment machte. Ich hatte dann immer das Gefühl, derjenige mache sich nur über mich lustig.
Mit meinem Gesicht war ich zwar zufrieden, mit meinem Körper allerdings nicht so. Ich hatte große, grüne Augen mit langen, dunklen Wimpern, die Mascara eigentlich überflüssig machten. Meine Nase war nicht zu groß und meine Lippen voll. Mein haselnussbraunes Haar war nichts Besonderes, aber ich mochte es. Hätte ich die schlanke Figur meiner besten Freundin Bailey gehabt, wäre ich rundum zufrieden mit mir selbst gewesen. Hatte ich aber nicht. Stattdessen hatte ich zu große Brüste, zu breite Hüften und einen zu dicken Hintern. Daher fiel es mir schwer, zu glauben, dass jemand diese üppigen Rundungen wirklich sexy fand.
»Das hättest du mir nicht sagen sollen.«
Als ich aufsah, grinste Jamie mich schelmisch an und obwohl ich ihn gerade mal fünf Minuten kannte, wusste ich, dass es sicher nicht das letzte Mal gewesen war, dass er mich so betitelte.
»Wie alt bist du eigentlich?«, fragte ich, um schnell das Thema zu wechseln.
»Knackige Neunzehn. Du?«
»Zwanzig«, erwiderte ich, doch Jamie hörte mir gar nicht mehr zu.
Sein Blick war auf etwas hinter mir gerichtet, und er machte so große Augen, dass ich Angst hatte, sie würden ihm gleich rausfallen.
»Oh. Mein. Gott. Sieh dir mal diesen heißen Kerl an«, murmelte er.
»Wen denn?«, fragte ich und drehte mich um.
Oh. Okay. Wow.
Es war nicht schwer zu erraten, wen Jamie gemeint haben könnte.
Der schärfste Typ, den ich je gesehen hatte, betrat gerade den kleinen, muffigen Hörsaal.
Er hatte braunes, kurz geschorenes Haar, dunkle, intensive Augen, eine gerade Nase und einen schön geschwungenen, sinnlichen Mund. Außerdem war er groß, bestimmt einen Kopf größer als ich, und offensichtlich durchtrainiert, zumindest verrieten mir das seine muskulösen Oberarme. Doch das Bemerkenswerteste an ihm waren die Tattoos.
Sie begannen an seinen Fingern und zogen sich seine Arme hinauf, wo sie unter den Ärmeln seines grauen T-Shirts verschwanden, um dann wieder aus dem runden Ausschnitt herauszukriechen und seinen gesamten Hals bis unters Kinn zu bedecken. Jede sichtbare Stelle seiner Haut war mit schwarzer Tinte verziert, was ihm eine gefährliche Ausstrahlung verlieh. Vor zwanzig oder dreißig Jahren hätten die Menschen bei seinem Anblick sicher die Flucht ergriffen. Mittlerweile waren Tattoos zu etwas Alltäglichem geworden. Jeder zweite schien irgendwo auf seinem Körper eines zu haben. Überall sah man chinesische Schriftzeichen, bunte Schmetterlinge, Blumen oder Drachen. Doch Menschen wie Blake sah man auch heute nur selten.
Unsere Blicke trafen sich und mein Herz blieb einen Moment lang stehen. Noch nie hatte mich jemand so angesehen, mit solch einer Intensität, dass mir die Luft wegblieb. Ein Kribbeln, das in meiner Magengegend begann, breitete sich in meinem ganzen Körper aus. Ich fragte mich nicht, warum dieser Kerl mich anstarrte, als wäre er ein Löwe und ich ein saftiges Steak. Alles, woran ich denken konnte, waren seine Lippen und ob sie wohl so weich waren, wie sie aussahen. Und wie es sich anfühlen würde, wenn diese starken Arme meinen Körper umschlangen.
Plötzlich unterbrach der mysteriöse, gut aussehende Mann unseren Blickkontakt, und es war, als wäre ich aus einer Trance erwacht. So etwas hatte ich noch nie erlebt. Ich hatte schon einige attraktive Männer gesehen, aber noch nie hatte einer von ihnen so einen Totalausfall in meinem Gehirn ausgelöst. Ich drehte mich wieder um und versuchte, meine Atmung unter Kontrolle zu bringen. Ich benahm mich lächerlich. Bekam fast einen Herzinfarkt, nur weil mich ein heißer Kerl ansah.
»Schade«, murmelte Jamie und erinnerte mich so daran, dass er auch noch da war.
»Was?«, fragte ich ein wenig atemlos.
»Er ist offensichtlich nicht schwul, so wie er dich mit Blicken verschlungen hat. Das hatte ja beinahe schon etwas Pornografisches.«
»Blödsinn«, grunzte ich und spürte, wie meine Wangen erneut warm wurden.
»Du bist wirklich zu beneiden. Hätte er mich so angesehen wie dich gerade, würde ich schon auf seinem Schoß sitzen.«
»Du kannst es ja trotzdem mal versuchen. Das würde ich echt gern sehen«, meinte ich lachend und hoffte, ihn damit auf andere Gedanken gebracht zu haben.
»Ach, dafür ist er noch nicht bereit. Das würde Mr. Dunkel und Mysteriös nicht verkraften.«
Mr. Dunkel und Mysteriös. Der Spitzname passte irgendwie, und genau deshalb würde ich mich von ihm fernhalten. Obwohl ich nichts von ihm wusste, nicht einmal seinen Namen, war mir klar, dass dieser Kerl Ärger bedeutete. Das verriet mir seine düstere und etwas gefährliche Ausstrahlung. Okay, ja, meinem Körper war das einen Moment lang völlig egal gewesen, aber das war wohl noch erlaubt. Einen Mann wie ihn traf man immerhin nicht alle Tage. Doch nun hatte ich mich wieder gefangen, der Augenblick war vorbei, und Mr. Dunkel und Mysteriös würde zukünftig nicht mehr von mir beachtet werden.
Die Tür ging auf und eine schlanke Frau mittleren Alters mit rötlichen Locken am Kopf betrat den Raum.
»Hallo, meine Lieben«, begrüßte sie uns, nachdem sie sich ans Pult gestellt hatte. »Ich bin Professor Altman und begrüße Sie herzlich zum Kurs Fotografie für Anfänger. Zuerst wollen wir mal die Teilnehmerliste durchgehen. Ich will zu Ihren Namen auch die Gesichter kennen.«
Lächelnd holte sie einen Zettel aus ihrer braunen Aktentasche, legte ihn vor sich auf das Pult und strich ihn glatt, ehe sie begann, die ersten Namen darauf vorzulesen.
»Dawn Haris.«
Ich hob kurz die Hand, woraufhin die Professorin mir ein knappes Lächeln schenkte und den nächsten Namen auf der Liste nannte. Doch ich achtete nicht länger auf sie. Meine Nackenhärchen hatten sich aufgestellt. Einem Instinkt folgend warf ich einen Blick über die Schulter. Mr. Dunkel und Mysteriös starrte mich schon wieder an. Schnell drehte ich mich um und versuchte, mir mein Unbehagen nicht anmerken zu lassen. Er sollte verdammt noch mal damit aufhören, so konnte ich mich nicht konzentrieren, dabei hatte ich mich so auf diesen Kurs gefreut. Ich hoffte, dieser Kerl würde nicht alles kaputt machen und mich zukünftig einfach ignorieren, damit ich mich in seiner Gegenwart nicht dauerhaft unwohl fühlte.
»Blake Walden.«
Professor Altmans Blick glitt über mich hinweg. Erneut drehte ich mich um und sah gerade noch, wie der mysteriöse Kerl mit den Tattoos seine Hand wieder sinken ließ.
Mr. Dunkel und Mysteriös hatte also einen Namen. Blake Walden. Nicht, dass das eine Rolle spielte, denn nach dem heutigen Tag würde ich nie wieder über ihn nachdenken und einfach so tun, als existiere er nicht.
Fünf Wochen später
If you wanna be my lover, you gotta get with my friends. Make it last forever, friendship never ends.
»Die Spice Girls?«
»Hm?« Fragend sah ich meine beste Freundin Bailey an, die neben mir auf dem Sofa saß.
»Du hast die Melodie von Wannabe gesummt.«
»Echt? Das habe ich gar nicht gemerkt. Ich habe diesen blöden Ohrwurm schon den ganzen Tag.«
Bailey stellte ihren Laptop, den sie eben noch – genau wie ich – auf dem Schoß balanciert hatte, auf dem Couchtisch vor uns ab und sah mich grinsend an.
»Vielleicht will dir dein Unterbewusstsein damit ja etwas sagen.«
»Ach, und was?« Ich musterte sie mit hochgezogener Augenbraue.
»Na, dass wir die Band mal wieder zusammentrommeln sollten.«
»Die Band?«, fragte ich lachend.
»Du weißt schon, was ich meine. Unsere Mädelsclique. Du, Mona und ich.«
»Ich weiß nicht, ob man das schon als Clique bezeichnen kann.«
»Ist doch egal. Ich will darauf hinaus, dass wir mal wieder einen Mädelsabend gebrauchen könnten.«
»Ja, ein Abend ohne ständiges Geknutsche von dir und Jesse wäre echt mal wieder ganz nett.«
Bailey streckte mir als Antwort nur die Zunge heraus.
Sie und Jesse lebten gemeinsam mit meinem Zwillingsbruder Zack und mir in einem Haus, das meine Eltern gemietet hatten. Es lag in der Nähe des Campus der North Carolina State University, an der wir alle studierten. Anfangs hatten Bailey und Jesse sich nicht ausstehen können, doch durch eine Fügung des Schicksals – wie ich es oft nannte – hatten sie sich durch eine Dating-App neu kennengelernt und ineinander verliebt. Sie waren nun schon seit einigen Monaten ein Paar, und ich hatte meine beste Freundin noch nie so glücklich erlebt. Ich freute mich sehr für sie, aber hin und wieder schwang in meinen Gefühlen auch ein klein wenig Neid mit. Manchmal wünschte ich mir, auch endlich den Richtigen zu finden, die große Liebe ließ allerdings ganz schön auf sich warten. Und anders als Bailey war ich nicht gerade die extrovertierteste Person. Bei meinen Freunden konnte ich ganz ich selbst sein, doch sobald ich einen Mann sah, der mir gefiel, bekam ich den Mund nicht auf, so wie es auch bei Jamie gewesen war, bis er mir erzählt hatte, dass er auf Männer stand. Oder – was fast noch schlimmer war – ich begann nervös draufloszuplappern. Beides wirkte eher abschreckend auf Jungs. Deshalb fand ich mich langsam damit ab, dass ich wohl allein bleiben würde. Wenn ich an meine letzte – und einzige – Beziehung dachte, war das wahrscheinlich auch gar nicht so schlecht.
Ich hatte Noah, meinen Ex, wirklich von ganzem Herzen geliebt, und am Anfang unserer Beziehung war noch alles gut gewesen. Er war so lieb und aufmerksam gewesen. Ständig hatte er mich mit kleinen Geschenken und süßen Nachrichten überrascht. Alles lief toll, bis wir angefangen hatten, miteinander zu schlafen. Noah war mein Erster gewesen, und im Gegensatz zu mir hatte er schon ein wenig Erfahrung gehabt. Es hatte ihn frustriert, dass ich keine Ahnung hatte, wie ich ihm am besten Befriedigung verschaffte. Daher war es wahrscheinlich nicht verwunderlich, dass er mir gegenüber immer öfter ausfallend geworden war und mich schlussendlich sogar betrogen hatte. Ich hatte ein paar Kilo zugenommen und Noah hatte mir immer wieder gesagt, dass ich etwas daran ändern müsste, weil er mich nicht mehr attraktiv fand. Hatte ich aber nicht. Damit hatte ich ihn praktisch selbst in die Arme einer anderen getrieben. Trotzdem war es wie ein Stich ins Herz gewesen, als er mir brühwarm davon erzählt hatte. An diesem Punkt hätte ich wahrscheinlich mit ihm Schluss machen sollen, aber ich konnte einfach nicht. Dafür hatte er mir zu viel bedeutet. Danach hatte Noah selbst den letzten Funken Respekt für mich verloren. Die wenigen netten Worte, die er bis dahin noch für mich übrig gehabt hatte, verschwanden völlig. Er war ständig wütend auf mich, schikanierte mich und betrog mich immer öfter, bis ich es irgendwann nicht mehr ausgehalten und ihn verlassen hatte. Mein Herz hatte es einfach nicht mehr ertragen, ständig gebrochen zu werden.
Seitdem versuchte Bailey mir einzutrichtern, dass ich nicht schuld am schlechten Verlauf unserer Beziehung, sondern dass Noah ein narzisstisches Arschloch war und dass nichts, was er je zu mir gesagt hatte, der Wahrheit entsprach. Ich versuchte zwar, mir ihre Worte zu Herzen zu nehmen, trotzdem schlichen sich gelegentlich diese düsteren Gedanken ein. Eine kalte, dunkle Stimme – die häufig sehr nach Noah klang – flüsterte mir dann zu, ich sei nicht gut genug und wäre es nicht wert, geliebt zu werden. Und obwohl ich mir selbst versprochen hatte, nicht mehr auf diese Stimme zu hören, hatte sie doch nicht ganz unrecht. Nie würde ich einem Mann das geben können, was er brauchte. Ich könnte den nettesten Kerl auf der Welt daten, früher oder später würde ich selbst ihn in einen zweiten Noah verwandeln.
Ich versuchte das beklemmende Gefühl, das mich jedes Mal überkam, wenn ich an meinen Ex dachte, abzuschütteln und mich wieder auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren.
»Ich rufe Mona gleich mal an und frage, ob sie Lust hätte.«
Bailey fischte ihr Telefon aus der Hosentasche ihrer Jeans, wählte Monas Nummer und schaltete den Lautsprecher ein. Nach dem dritten Klingeln ging sie dran.
»Hey«, sagte sie knapp.
»Störe ich gerade?«, fragte Bailey.
»Nein, gar nicht. Was gibt’s denn?«
»Dawn und ich wollten dich etwas fragen.«
»Hi, Mona«, rief ich dazwischen, damit sie wusste, dass ich zuhörte.
»Oh, hallo, Dawn.«
»Hättest du mal wieder Lust auf einen Mädelsabend?«
»Klar! Das ist eine tolle Idee. Wie? Wann? Wo?«
»Gleich dieses Wochenende? Freitag vielleicht?« Bailey sah mich fragend an, woraufhin ich zustimmend nickte.
»Am Freitag habe ich keine Zeit. Ginge auch Samstag?«
»Klar«, antworteten Bailey und ich im Chor.
»Spitze. Wollen wir ausgehen? In irgendeinen Klub oder eine Bar?«
»Mir steht der Sinn mehr nach etwas Gemütlichem«, erwiderte ich.
Glücklicherweise lenkte Mona sofort ein. Ich ging nicht gern feiern. Bei so großen Menschenansammlungen fühlte ich mich einfach nicht wohl.
»Auch gut. Lindsay ist am Wochenende nicht da, wir können uns also bei mir treffen. So gegen sechs Uhr?«
Lindsay war Monas Mitbewohnerin, doch die beiden verstanden sich nicht allzu gut.
»Perfekt«, stimmte Bailey zu.
»Gut. Ich besorge Wein und Süßkram, dafür bezahlt ihr die Pizza.«
»Geht klar«, meinte ich lachend und dann verabschiedeten wir uns.
»Ich freue mich schon total!« Bailey grinste übers ganze Gesicht.
»Worauf denn?«, wollte Jesse wissen, der gerade zur Tür hereinkam.
»Dawn, Mona und ich machen am Samstag einen kleinen Mädelsabend.«
»Ach, ohne mich zu fragen?«
Bailey stieß ein lautes Lachen aus.
»Ja genau, so weit kommt es noch, dass ich dich wegen irgendetwas um Erlaubnis bitte.«
»Du bist immer so frech«, meinte Jesse und beugte sich zu seiner Freundin hinab. »Aber genau das liebe ich an dir.« Er gab ihr einen innigen Kuss, woraufhin Bailey ihre Arme um seinen Hals schlang und ihn neben sich auf die Couch zog, sodass er beinahe auf meinem Schoß gelandet wäre.
»Okay, das ist wohl mein Stichwort«, murmelte ich, aber die beiden waren zu sehr miteinander beschäftigt, um noch Notiz von mir zu nehmen. Daher klappte ich meinen Laptop zu, klemmte ihn mir unter den Arm und verließ wortlos das Wohnzimmer. Ich stieg die Treppe hoch, um in meinem Zimmer in Ruhe an meinem Aufsatz für Wirtschaftslehre weiterarbeiten zu können.
Ich konnte noch gar nicht richtig glauben, dass ich in nicht einmal einem Jahr meinen Abschluss machen würde. Dieser Moment war immer in so weiter Ferne gewesen. Doch nun, da der Augenblick immer näher rückte, wurde ich zunehmend panischer. Noch immer wusste ich nicht, was ich danach mit meinem Leben anfangen wollte.
Meinem Dad gehörte ein großes Bauunternehmen, Haris’ Constructions, das sein Großvater gegründet hatte. Er bekam Aufträge aus aller Welt, weshalb er früher oft auf Reisen gewesen war, aber mittlerweile hatte er gelernt zu delegieren. Er hoffte, dass Zack und ich nach dem College in das Unternehmen einstiegen, damit er uns zu den künftigen CEOs aufbauen konnte, doch ich war mir nicht sicher, ob ich das auch wirklich wollte. Mein Hauptfach war zwar Businessmanagement – nur für den Fall –, aber ich hatte in den vergangenen Jahren immer wieder neue Kurse ausprobiert. Das Richtige war bisher allerdings noch nicht dabei gewesen. Und langsam lief mir die Zeit davon. Wenn mich nicht bald ein Geistesblitz traf, würde ich mich meinem Schicksal wohl einfach fügen müssen. Vielleicht war das auch gar nicht so schlecht. Ich würde gutes Geld verdienen – auch wenn meine Familie so viel davon hatte, dass ich auch ohne zu arbeiten gut über die Runden kommen würde – und vor allem musste ich meinen Dad dann nicht enttäuschen. Ihm war nie in den Sinn gekommen, dass Zack und ich vielleicht andere Pläne für unser Leben haben könnten. Es würde ihn bestimmt sehr hart treffen, wenn einer von uns sich dagegen entscheiden würde, in das Unternehmen einzusteigen.
Seufzend schüttelte ich den Kopf, um diese Gedanken loszuwerden und mich wieder auf den Aufsatz zu konzentrieren, der bis zum Ende der Woche fertig sein musste. Mit meiner Zukunft würde ich mich später befassen.
Am nächsten Morgen legten mein Bruder Zack und ich den etwa zehnminütigen Fußweg bis zum Campus gemeinsam zurück. Da wir beide das gleiche Hauptfach belegt hatten, besuchten wir fast ausschließlich dieselben Kurse. Ich hatte mich dieses Semester zusätzlich für kreatives Schreiben und Fotografie eingeschrieben, um meinen Horizont ein wenig zu erweitern und hoffentlich eine bisher unentdeckte Leidenschaft zu entfachen. Zack hingegen besuchte ein paar technische Kurse. Für ihn stand fest, dass er nach dem Abschluss für unseren Dad arbeiten würde, und er wollte nicht nur mit Zahlen um sich werfen und schlau daherreden. Er wollte über die Materie Bescheid wissen und eine Ahnung davon haben, wovon die Arbeiter sprachen, wenn es um Bauprojekte ging. Aus diesem Grund hatte er seine letzten beiden Sommerferien auch auf dem Bau verbracht. Gern wäre ich auch so ambitioniert gewesen wie er, aber der Zug war wohl schon lange abgefahren.
Die ersten drei Vorlesungen an diesem Mittwochvormittag besuchten wir gemeinsam. Nach einem schnellen Imbiss trennten wir uns. Zack hatte den Rest des Tages frei, ich hatte noch Fotografie.
Eigentlich hatte ich mir den Kurs ehrlich gesagt interessanter vorgestellt. Zumindest hatte ich gedacht, dass wir irgendwann auch tatsächlich fotografieren würden, leider war davon bisher keine Rede. Da es ein Kurs für Anfänger war, hatten wir bisher nur trockene Theorie durchgenommen. Mrs. Altman hatte uns in den letzten Wochen kein einziges Foto knipsen lassen. Stattdessen hatte sie langatmige Vorträge über die Geschichte der Fotografie und über deren Bedeutung in der Gesellschaft gehalten. Sie hatte uns einige der bedeutendsten Fotografien weltweit gezeigt und war schließlich dazu übergegangen, uns die Zusammensetzung und einzelnen Teile einer Kamera zu erklären. Letzte Woche hatte sie zum ersten Mal ein Thema angesprochen, das mich interessierte – Fototechniken. Doch auch das hatte sich schnell als öde Theorie herausgestellt.
Meine nagelneue Nikon D850 Spiegelreflexkamera, die ich mir vor Semesterbeginn in euphorischer Naivität gekauft hatte, nahm ich nur noch aus Gewohnheit mit zur Vorlesung und hoffte jedes Mal, sie doch noch irgendwann benutzen zu können.
Als ich den Hörsaal betrat, hielt ich sofort Ausschau nach Jamie, was nicht besonders schwer war, da sich nur etwa vierzig Leute für den Kurs eingeschrieben hatten.
Seit unserem ersten Treffen saßen wir in diesem Kurs nebeneinander und trafen uns auch gelegentlich privat. Ich hatte kaum einen Menschen so schnell ins Herz geschlossen wie Jamie.
Es war auch leicht, mit ihm befreundet zu sein. Er war ein offener, lustiger und äußerst liebenswerter Kerl, der immer sagte, was er dachte.
»Hey, Sexy!«, begrüßte er mich, als ich neben ihm Platz nahm.
Ich hatte schon so oft versucht, ihm diesen Spitznamen wieder auszureden, aber irgendwann hatte ich mich einfach damit abgefunden.
»Hi, James«, erwiderte ich, um ihn zu ärgern, da er es nicht leiden konnte, mit seinem richtigen Namen angesprochen zu werden.
»Du Optimistin«, meinte er mit einem Nicken zu meiner Kameratasche, die ich nun über die Stuhllehne hängte.
»Man weiß ja nie.« Ich zuckte mit den Schultern und versteifte mich plötzlich.
Er war wieder da. Ein schneller Blick über meine Schulter verriet mir, dass mein Körper sich nicht geirrt hatte. Blake Walden hatte gerade auf einem der Stühle ein paar Reihen hinter mir Platz genommen. Seine dunklen Augen waren auf mich gerichtet, verschlangen mich geradezu und ließen meinen Puls in die Decke schießen. Schnell wandte ich meinen Blick von ihm ab und rutschte unruhig auf meinem Stuhl hin und her.
Natürlich war es mir nicht gelungen, einfach so zu tun, als würde er nicht existieren. Mein verräterischer Körper regierte sofort auf ihn, sobald er den Raum betrat. Manchmal driftete dann auch mein Hirn ein wenig ab und fragte sich zum Beispiel, wie weit diese Tattoos wohl reichten. Ob sie seinen gesamten Oberkörper zierten? Vielleicht sogar noch mehr? Natürlich hätte ich ihn einfach danach fragen können, um meine Neugier zu befriedigen, aber selbst wenn ich mich in Gegenwart von Männern nicht in ein scheues Lämmchen verwandeln würde, hätte ich wohl keine Antwort bekommen. Blake war eher der schweigsame Typ. Um genau zu sein, hatte ich ihn noch kein einziges Mal sprechen hören, was seine geheimnisvolle dunkle Ausstrahlung verstärkte, die wiederum sehr anziehend auf Frauen – und auf Jamie – wirkte. Die Mädchen in unserem Kurs schienen sich mehr für Blake als für die Vorträge von Mrs. Altman zu interessieren, was man ihnen nicht wirklich verübeln konnte. Ich hörte sie ständig kichern und tuscheln. Hin und wieder versuchte eine von ihnen sogar, ihn anzusprechen und mit ihm zu flirten, aber er ignorierte sie jedes Mal und sah sie nur mit hochgezogener Augenbraue an, woraufhin die Mädels – meist kichernd – zurück zu ihren Freundinnen liefen.
Auch wenn ich selbstbewusster gewesen wäre, hätte ich es ihnen nicht nachgemacht. Erstens sprang er offensichtlich nicht auf solche Flirtversuche an, und zweitens hatte ich nichts übrig für Männer wie ihn, auch wenn mein Körper das nicht immer ganz so sah wie ich. Natürlich faszinierte er mich ein wenig, und manchmal fragte ich mich, was wohl seine Geschichte war, doch ihn umgab eine düstere Aura, von der ich mich lieber fernhielt. Düster hatte ich schon gehabt. Ich wollte etwas Echtes, etwas Schönes. Ich wollte Freude und Lachen. Ich wollte jemanden wie Jamie. Jemanden, der mich schon bei unserer ersten Begegnung zum Lachen brachte und bei dem ich mich von Anfang an wohlfühlte. Deshalb hatte ich Jamie auch schon öfter gefragt, ob er nicht einen heterosexuellen Zwillingsbruder hätte, aber leider hatte er das jedes Mal grinsend verneint.
»Mr. Dunkel und Mysteriös starrt dich wieder an«, murmelte Jamie, dem die Ankunft Blakes ebenfalls nicht entgangen war, da die Mädchen wie üblich zu Tuscheln begonnen hatten.
Ich zuckte nur mit den Schultern. Was hätte ich auch sagen sollen? Ich wusste, dass er mich anstarrte, immerhin machte er das schon seit unserer ersten Vorlesung, nur hatte ich keine Ahnung, warum, und fühlte mich dabei jedes Mal unwohler. Ich begann – wie immer – an meinen Klamotten herumzuziehen und zu zupfen, aus Angst, irgendetwas könnte verrutscht sein und zu viel Haut preisgeben, was der Grund für sein Starren war. Doch da ich meistens nur Jeans und irgendein unauffälliges Shirt trug, war da nicht viel, was hätte verrutschen können. Ich trug keine zu engen Kleider, kurzen Röcke oder Tops mit großem Ausschnitt, nur bei den seltenen Gelegenheiten eines Klubbesuchs oder Ähnlichem.
Wenn ich dann mit dem Zupfen und Zerren an meiner Kleidung fertig war und sichergestellt hatte, dass alles gut saß, begann ich stattdessen, mich zu fragen, ob er wohl die Speckröllchen an meinen Hüften gesehen hatte und mich deshalb die ganze Zeit anstarrte. Wie bei einem Autounfall, bei dem man einfach nicht wegsehen konnte.
Ich nahm meine helle Jeansjacke und hängte sie über die Rückenlehne meines Stuhls, um meinen Körper vor weiteren Blicken zu schützen. Sollte er sich doch jemand anderen zum Anglotzen suchen. Meinem Magen war es nämlich egal, warum Blake das tat, er begann trotzdem jedes Mal zu hüpfen, als würde ich gerade in einer Achterbahn sitzend neunzig Grad nach unten rauschen.
»Er ist so heiß«, säuselte Jamie. »Weißt du, ich habe überlegt, ihn zu bitten, für mich Modell zu stehen, weil wir im Zeichenkurs gerade Aktmalerei durchnehmen und ich noch kein passendes Motiv gefunden habe.«
»Du bist in einem Zeichenkurs?«
»Nein, aber das muss er ja nicht wissen.«
Mir entfuhr ein lautes Lachen, woraufhin sich mehrere Köpfe zu uns umdrehten. Ich räusperte mich und spürte, wie Wärme in meine Wangen schoss.
»Du bist so niedlich, wenn du rot wirst«, meinte Jamie.
Ich ignorierte ihn und konzentrierte mich stattdessen auf Professor Altman, die gerade den Hörsaal betrat.
»Hallo, meine Lieben«, begrüßte sie uns wie immer. »Da wir nun die Grundlagen der Fotografie ausführlich besprochen haben, wird es Zeit, aktiv zu werden.«
Sofort veränderte sich die Stimmung im Raum. Ein erwartungsvolles Raunen ging um, und alle richteten ihre volle Aufmerksamkeit auf die Professorin.
»Ihre Semesternote wird aus zwei Teilen zusammengesetzt. Am Ende des Semesters werden Sie eine Prüfung ablegen, bei der Sie Ihr theoretisches Wissen über die Fotografie unter Beweis stellen müssen. Der zweite Teil besteht aus einem Projekt, das Sie in Partnerarbeit erledigen werden.«
Jamie und ich sahen uns grinsend an, während sich Mrs. Altman eine ihrer kupferfarbenen Korkenzieherlocken hinters Ohr strich.
»Jedes Paar erhält ein Thema, zu dem es eine Fotostrecke machen muss. Die Umsetzung und wie Sie das Thema interpretieren, ist Ihnen selbst überlassen. Und keine Sorge, hierbei geht es nicht darum, perfekte Fotos zu schießen. Ich will, dass Sie sich mit der Kamera vertraut machen. Dass Sie mit ihr spielen und dabei herausfinden, wer Sie als Fotografen sind. Es geht weniger um die Technik, als darum, echte Gefühle zu transportieren.«
»Und wie genau werden Sie dieses Projekt benoten?«, fiel Derek, einer meiner Kommilitonen, ihr ins Wort.
»Es gibt Punkte für Kreativität, persönliche Weiterentwicklung, Teamwork und Bildbearbeitung. Ich stehe Ihnen natürlich immer mit Rat und Tat zur Seite, also scheuen Sie sich nicht, mir Fragen zu stellen oder mich um Hilfe zu bitten. Ich werde Sie das ganze Projekt über begleiten und Ihnen über die Schulter sehen, um mir ein Bild davon zu machen, wie Sie zusammenarbeiten und welche Fortschritte Sie als Fotografen machen. Erst dachte ich daran, Sie Ihre Projekte präsentieren zu lassen, aber ich hatte Angst, das könnte Sie einschüchtern und daran hindern, Ihr gesamtes kreatives Potenzial zu nutzen. Darum habe ich beschlossen, dass Sie mir am Ende des Semesters lediglich Ihre Bildstrecken abgeben, die außer mir niemand sonst zu Gesicht bekommt.«
»Dürfen wir unsere Partner selbst wählen?«, fragte Jamie mit einem kurzen Blick auf mich.
Hoffnungsvoll blickte ich zu Mrs. Altman. Gemeinsam mit Jamie an einem Fotoprojekt zu arbeiten, würde bestimmt unglaublich viel Spaß machen. Ich konnte mir nicht vorstellen, mit irgendeinem der anderen Kursteilnehmer ein Team zu bilden. Leider schüttelte Professor Altman schnell den Kopf.
»Nein, mein Lieber. Es soll hierbei auch darum gehen, sich selbst kennenzulernen und über sich hinauszuwachsen, deshalb will ich Sie aus eurer Komfortzone herauslocken.«
»Wie werden die Teams dann bestimmt?«, wollte Jamie wissen.
»Ganz einfach. Sie sind einundvierzig Studenten. Ich habe zwanzig verschiedene Themen ausgearbeitet.«
Bei diesen Worten fischte sie eine braune Papiertüte aus ihrer Tasche.
»Jedes Thema steht auf einem Zettel. Neunzehn davon sind doppelt und eines gibt es dreimal. Sie werden Zettel ziehen und wer dasselbe Thema hat wie Sie, ist Ihr Partner. Da Sie eine ungerade Anzahl an Studenten sind, gibt es ein Dreier-Team. So weit alles klar?«
Ein zustimmendes Murmeln ging durch den Raum.
»Gut. Dann legen wir gleich los.«
Mrs. Altman ging durch den Raum und ließ dabei jeden Studenten einen Zettel aus der braunen Tüte ziehen. Als ich an der Reihe war, ließ ich meine Hand in die bereits abgegriffene Tüte gleiten. Mehrere kleine Zettelchen streiften meine Finger. Ich griff nach einem, der ganz unten lag, und zog ihn heraus. Dann entfaltete ich das kleine Stück Papier und überflog schnell die wenigen Zeilen.
Eigenschaften und Emotionen
Eure Aufgabe wird sein, verschiedene menschliche Eigenschaften und Emotionen in Fotografien einzufangen.
Das war alles. Ich drehte den Zettel um, doch da war nichts. Mehr bekamen wir also nicht an Informationen.
»Was hast du?«, fragte ich an Jamie gewandt und lugte auf seinen Zettel.
Als ich das erste Wort gelesen hatte, seufzte ich enttäuscht.
»Wir sollen die verschiedenen menschlichen Beziehungen fotografisch darstellen. Und du?«
»Dasselbe, nur mit menschlichen Eigenschaften und Emotionen.«
»Schade. Ich hatte gehofft, wir wären ein Team.«
»Ja, ich auch.«
»Was genau meint sie denn damit? Sollen wir Beziehungen zwischen Menschen mit unterschiedlichen sexuellen Orientierungen fotografieren oder ...?«
»Das ist wahrscheinlich euch überlassen, aber ich glaube, sie meint damit jegliche Art von Beziehung, nicht nur die zwischen Verliebten, also auch so was wie Vater und Sohn, Großmutter und Enkelin, Bruder und Schwester.«
»Oh! Daran hatte ich gar nicht gedacht. Das gibt mir schon ein wenig mehr Handlungsspielraum.«
Das Stimmengewirr im Raum wurde stetig lauter, da nun alle versuchten, ihren Partner zu finden. Als sich fast alle Pärchen gefunden hatten, bekam ich ein ungutes Gefühl. Außer mir waren nur noch eine Handvoll anderer Leute auf der Suche nach der anderen Hälfte ihres Teams, darunter auch Blake Walden. Ich ging zu jedem einzelnen der noch Übriggebliebenen, und mit jedem Kopfschütteln wuchs die Panik in mir, bis niemand mehr da war, den ich hätte fragen können. Niemand außer Blake. Er kam auf mich zu, und ich musste schlucken. Ohne ein Wort zu sagen, hielt er mir seinen Zettel unter die Nase. Mein Herz sank in die Hose, als ich die Worte darauf las: Eigenschaften und Emotionen.
Nicht lustig, Universum! Überhaupt nicht lustig!
Da ich keine Anstalten machte, ihm meinen Zettel zu zeigen, sondern einfach nur wie erstarrt dastand, nahm er ihn mir aus der Hand.
»Dann sind wir wohl ein Team«, murmelte er.
Er hatte eine tiefe, kehlige Stimme, die jedes Wort schmutzig klingen ließ. Er wäre perfekt als Synchronsprecher für Pornos. Gab es so etwas überhaupt? Und warum zum Teufel dachte ich im Moment an Pornos?
Mit feuchten Händen nahm ich ihm den Zettel wieder ab und blickte hinunter auf den Boden.
»Wie es aussieht, haben sich nun alle Paare gefunden«, rief Mrs. Altman laut, woraufhin das Reden eingestellt wurde und jeder seine Aufmerksamkeit auf sie richtete.
»Setzen Sie sich nun zusammen und besprechen Sie den Rest der Stunde, wie Sie Ihr Thema am besten umsetzen wollen. Natürlich können und sollen Sie die kommenden Stunden an Ihren Projekten arbeiten, aber das Fotografieren werden Sie außerhalb der Unterrichtszeit erledigen müssen. Die Bildbearbeitung und alles andere, das dazugehört, machen Sie hier. Und keine Sorge, wir besprechen in den kommenden Wochen natürlich noch alle Bildbearbeitungsprogramme, und wenn Sie Fragen haben, stehe ich zur Verfügung. Dann mal an die Arbeit.« Sie klatschte zweimal laut in die Hände, woraufhin sich alle auf ihre Stühle setzten. Da ich wohl keine andere Wahl hatte, nahm ich neben Blake Platz.
»Hast du schon eine Idee?«, fragte Blake, woraufhin ich schnell den Kopf schüttelte.
Tatsächlich hatte ich eine Idee. Er müsste nur ein Foto von mir in diesem Augenblick machen und wir hätten alle möglichen Emotionen auf nur einem Bild: Angst, Unsicherheit, Hass auf Gott und das gesamte Universum oder wer auch immer für meine Misere verantwortlich war.
Ich sah hinüber zu Jamie, der rechts ein paar Reihen vor mir saß und mich amüsiert beobachtete. Ich warf ihm einen finsteren Blick zu, als Blake meine Aufmerksamkeit wieder auf sich zog.
»Also, ich will nichts Kitschiges machen. Keine verliebten Blicke und Blümchen überall.«
Was für eine Überraschung.
»Wir sollten etwas Gewagteres versuchen. Ich denke, dass das Mrs. Altman mehr beeindrucken würde.«
Ja, so wie die Professorin vorhin geredet hatte, war ich mir sicher, dass sie genau so dachte. Aber was genau meinte er mit »gewagt«?
»Was sagst du dazu?«
Ich zuckte nur mit den Schultern. Wie zu erwarten gewesen war, war ich zu einem stummen Fisch mutiert.
»Okay, dann sage ich dir, woran ich denke.«
Im Gegensatz zu mir war Blake offensichtlich nicht schweigsam, weil er schüchtern war. Wenn er musste – so wie jetzt gerade –, konnte er ein ganzes Gespräch völlig allein führen. Und seine nächsten Worte bestätigten mir, dass er tatsächlich alles andere als scheu war.
»Verführung.«
»Was?« Ich sah ihn perplex an.
»Verführung«, wiederholte er mit samtiger Stimme, die mir heiße Schauer den Rücken hinunterjagte. »Das sollten wir zu unserem Thema machen. Und wir selbst sind die Models. Das ist einfacher und wir müssen uns auf niemanden außer uns selbst verlassen.«
Ich sah ihn fragend und ein wenig fassungslos an, da ich aber nichts dazu sagte, redete er weiter.
»Also, ich denke, wir sollten eine Bildreihe davon machen, wie du mich verführst.«
Ich musste schlucken.
»Du weißt schon, erst ein paar interessierte Blicke, sexy Posen, Leidenschaft und dann die Trennung.«
»Trennung?«, murmelte ich mit kaum hörbarer Stimme.
War ich jetzt zu einem Papagei mutiert, oder was?
»Ja, wie gesagt, ich will keinen Kitsch. Außerdem kann man bei einer Trennung viel intensivere Gefühle darstellen. Wut, Traurigkeit, Hass. Also, was hältst du davon?«
Ich zuckte wieder nur mit den Schultern, während ich eigentlich laut »Nein! Auf gar keinen Fall!« schreien wollte.
»Gut, dann hätten wir das schon mal«, meinte Blake, der mein Schulterzucken fälschlicherweise als »Ja« gedeutet hatte, doch ich machte keine Anstalten, ihm zu widersprechen.
»Wir sollten unsere Handynummern austauschen, um uns absprechen zu können, wann wir uns treffen.«
Er gab mir sein Telefon und ich tippte schnell meine Nummer ein.
»Wie heißt du?«
»Dawn.«
»Ich bin Blake.«
»Ja, ich weiß«, hätte ich beinahe geantwortet, stattdessen nickte ich nur kurz und reichte ihm mein Smartphone, damit er seine Nummer einspeichern konnte.
»Okay, das war’s auch schon für heute. Ich dachte, wir machen ein wenig früher Schluss, da Sie sicher über einiges nachzudenken haben. Wir sehen uns nächste Woche!«, verkündete Professor Altman kurz darauf.
Ich sprang auf, noch ehe sie den letzten Satz zu Ende gesprochen hatte, und verließ fluchtartig den Hörsaal, ohne mich noch einmal umzudrehen.
»Dein Partner ist also Blake Walden«, lachte Jamie, der mich im Flur eingeholt hatte.
»Du kannst ihn gern haben.«
»Pass auf, sonst nehme ich das Angebot noch an. Mein Partner ist dieser Derek. Der Kerl ist so was von dumm und dazu noch arrogant. Eine gefährliche Mischung. Jeden meiner Vorschläge hat er als Bullshit abgetan. Wie war’s bei euch?«
»Du hast wenigstens Vorschläge gemacht. Ich habe kaum zwei Worte gesagt, während er beschlossen hat, dass unser Thema Verführung sein wird. Und nicht nur das, er will, dass wir beide die Models sind.« Ich stöhnte frustriert.
»Okay, jetzt will ich auf jeden Fall mit dir tauschen. Ich würde mich gern von Blake verführen lassen, wenn auch nur auf Fotos.«
»Ich soll ihn verführen.«
Jamie sah mich einen Augenblick lang an, als wüsste er nicht, ob ich es ernst meinte oder nicht, ehe er in schallendes Gelächter ausbrach.
»Sorry, Süße, du bist zwar wirklich sexy, aber vom Charakter her nicht gerade die typische Verführerin.«
»Ja, das weiß ich auch. Vielen Dank!«, gab ich gereizt zurück.
»Halt mich auf dem Laufenden«, meinte Jamie zwinkernd, als wir das Gebäude verließen und sich unsere Wege trennten. Ich machte mich auf den Weg nach Hause, während er in die entgegengesetzte Richtung zu den Studentenwohnheimen ging.
Am Samstagabend fuhren Bailey und ich wie verabredet zu Monas Wohnung.
Ich hatte Bailey von Blake und dem Projekt erzählt und im Gegensatz zu Jamie hatte sie ein wenig mehr Mitgefühl gehabt, trotzdem schien sie meine Misere sehr zu amüsieren.
»Ihr seid eindeutig overdressed«, empfing Mona Bailey und mich, woraufhin wir an uns hinabsahen, als würden wir erwarten, dass uns jemand ohne unser Wissen in schicke Kleider gesteckt hatte. Aber wir trugen beide immer noch Jeans und Pullis.
Wir folgten Mona ins Wohnzimmer und machten es uns auf der Couch gemütlich, während sie für ein paar Minuten in ihrem Schlafzimmer verschwand. Als sie zurückkam, warf sie Bailey und mir je eine Jogginghose und ein übergroßes T-Shirt zu.
»Wir wollten es uns heute doch gemütlich machen«, erklärte sie auf unsere fragenden Blicke hin.
Da es einfacher war, sich Monas Willen einfach zu beugen, schlüpften wir in die bequemen Klamotten. Mona holte währenddessen eine Flasche Weißwein und drei Gläser aus der Küche und stellte sie auf dem Couchtisch ab.
»Also, was gibt es Neues?«, fragte sie, füllte die Gläser und reichte daraufhin jedem eines.
»Nicht viel«, antwortete Bailey schulterzuckend. »Aber bei Dawn hat sich da etwas ergeben.«
Sie grinste nur, als ich ihr einen bösen Blick zuwarf.
»Was denn? Geht es um einen Kerl? Ich wette, es geht um einen Kerl!«
»Es geht um ein Projekt, das wir in Fotografie machen müssen.«
»Langweilig.« Mona verdrehte die Augen und nahm einen Schluck von ihrem Wein.
»Dawn hat das Beste ja auch ausgelassen«, erzählte Bailey weiter.
»Oh! Also doch ein Kerl!«
Ich seufzte und erzählte Mona von Blake, da sie sonst ohnehin keine Ruhe gegeben hätte.
»Das wird mit heißem Sex enden! Merk dir meine Worte!«, prophezeite Mona.
Ich schnaubte.
»Klar und dann heiraten wir und bekommen viele kleine, tätowierte Babys.«
»Wer redet denn von heiraten? Du kannst auch Sex haben, ohne dir gleich einen Ring anstecken zu lassen.«
»Ich bekomme in seiner Nähe nicht einmal einen geraden Satz heraus, Mona.«
»Na und? Beim Sex musst du ja nicht reden. Außer er steht auf Dirty-Talk. Hast du ein Foto von ihm?«
»Noch nicht, aber bald hat sie sicher ganz viele davon«, lachte Bailey.
»Ist er auf Instagram oder Facebook?«
»Keine Ahnung.«
»Ach, komm schon! Du hast ihn sicher schon gestalkt.«
»Was?«, empörte ich mich, knickte unter Monas Blick jedoch schnell ein. »Okay, ja, vielleicht habe ich nach ihm gesucht, aber nur, weil ich wissen wollte, ob er vielleicht in irgendeiner Gang ist oder so.«
»Klar.« Mona verdrehte die Augen. »Also? Hast du ihn gefunden?«