Carlos lernt die Welt neu kennen - Andreas Venzke - E-Book

Carlos lernt die Welt neu kennen E-Book

Andreas Venzke

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Beschreibung

Carlos wird noch Italien transferiert. Weil er dort ohne Opa Ruben sein muss, geht es ihm schlecht. Deswegen ver­sucht ihm jemand mit einem Trick zu helfen: Ohne Carlos einzuweihen wird Opa Ruben erzählt, Carlos könnte angeblich keine Tore schießen. Als Opa Ruben daraufhin nach Italien kommt, merkt er, dass er angelogen wurde. Er macht Carlos dafür verantwortlich und geht zu ihm auf Distanz, der aber von nichts weiß. Carlos trifft diese Zurückweisung durch Opa Ruben so, dass er fortan wirklich keine Tore mehr schießen kann. Daraufhin wendet Opa Ruben seinerseits einen Trick an ...

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Seitenzahl: 53

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Andreas Venzke, geboren 1961 in Berlin. Gestern Student und Jobber, Raucher, Motorradfahrer, Gleitschirmflieger. Heute Dreifach-Vater, Häuslebauer, Langläufer, Museumsleiter, Hofschreiber. Lebt in Freiburg im Breisgau.

www.andreas-venzke.de

Es ist Sonntag und Carlos war nie besser in Form. Seit Wochen ist kein Spiel vergangen, ohne dass er nicht mindestens ein Tor für den São Paulo FC geschossen hätte, seinen neuen Verein. Seit zwei Jahren spielt er dort in der zweithöchsten Jugendmannschaft. Manchmal hat er sich bloß deswegen geärgert, weil er bis zur Halbzeit noch nicht erfolgreich war.

Sein neuer Trainer nennt sich Lica und er sagt manchmal: „Carlos, gib hier nur nicht an!“

Lica ist mindestens so streng wie sein alter Trainer Dom Dunga. Er erlaubt keine Mätzchen, keine Extratouren, nicht einmal eine kleine Verspätung beim Training. Und er achtet persönlich darauf, dass seine Spieler nach dem Training in die Schule gehen.

Lica erklärt Carlos immer wieder, dass es einen Stürmer genauso auszeichnet, gute Vorlagen zu geben und die gegnerischen Spieler auf sich zu lenken, als selber Tore zu schießen.

Carlos guckt als Antwort darauf nur in den Himmel.

Einmal zog Lica da die Augenbrauen hoch und murmelte: „Ja, vielleicht hast du recht. Ein Stürmer muss Tore schießen – und die schießt du ja auch. Aber denk nicht nur an dich!“

Da hat Carlos erst recht in den Himmel geguckt: Als ob er das machen würde! Und er gibt auch nicht an!

Ausgerechnet die Sonntage bestimmen bei Carlos das Leben. Dann kann er sich beweisen. Und er kann Opa Ruben zeigen, wie er sich weiterentwickelt. Zwar bringt ihn der Vater nun jeden Tag zum Training in die Fußballschule, sogar mit dem Auto, weil er mit dem Geld, das Carlos verdient, den Führerschein gemacht hat, aber Opa Ruben kommt immer nur am Sonntag, und immer nur zu den Heimspielen.

„Ich will dich nicht verrückt machen, Carlos“, hat er einmal deutlich gesagt, „und im mer am Trainingsplatz stehen und dir zurufen und applaudieren. Was tourst du inzwischen auch durch die Welt, mit all den Turnieren und Meisterschaften! Ich bin schon sechzig. Und so genau kenne ich mich mit Fußball gar nicht aus. Und da beim Training am Spielfeldrand – da stehen so viele Experten. Wenn die hören, dass ich dein Großvater bin, reden sie die ganze Zeit auf mich ein. Außerdem macht mir das Schnitzen immer noch so viel Spaß.“

Opa Ruben hielt wieder das Holzstück vor sich hin, an dem er gerade arbeitete, und zog mit kräftigen Schwüngen seines Messers den Rücken des Gürteltiers nach, das er formte. Seit neuestem schnitzt er an einem Jaguar.

Opa Ruben erzählt oft: In seiner Jugend, als er im Dschungel war, hat er wirklich mal einen Jaguar gesehen. Er streifte am Fluss entlang und erkannte den Jaguar plötzlich am Waldrand. Sein Herz schlug bis zum Hals: Das Raubtier hat immer zu ihm hingespäht, die Beine angespannt wie vor dem Sprung. Und wie ein Geist war er plötzlich verschwunden.

„Wir sind dem Jaguar nicht geheuer“, sagt Opa Ruben, wenn er davon erzählt. „Zwar haben mir mehrere Siedler im Dschungel versichert, wie der Jaguar in der Nacht sogar die kräftigsten Hunde aus dem Dorf holt, und keiner hat auch nur einen Laut gehört. Aber wir auf unseren zwei Beinen sind für den wohl zu seltsame Wesen.“

Carlos lacht dann immer, weil er sich einfach nicht vorstellen kann, dass Opa Ruben wirklich im Dschungel war.

Sein Bruder José war ja dort, aber der hat nie einen Jaguar angetroffen. Nur bleibt bei so einer Mine, wo sie das Metall aus der Erde holen, auch ringsherum keine Natur übrig, hat José erzählt.

José wohnt nun auch in dem neuen Haus, das die ganze Familie bezogen hat, seit Carlos beim São Paulo FC spielt.

Carlos ist manchmal enttäuscht, wenn er hört, Opa Ruben würde lieber an seiner Holz figur schnitzen als zum Fußballtraining zu kommen. Carlos versucht schon deswegen am Sonntag immer Tore zu schießen.

Und diesmal ist es noch dazu ein besonderer Sonntag. Es ist der Abschluss der Saison und sein letztes Heimspiel.

Carlos ist ziemlich aufgeregt, als er im Auto alles über das bevorstehende Spiel erzählt. Es sind ausgerechnet die Boas zu Gast, und die … die sollen so richtig einen dran kriegen!

Die Boas haben in der Hinrunde mit solchen üblen Tricks gespielt, dass Carlos ihnen das nie verzeihen wird – schon deswegen nicht, weil er von Cunta, diesem Hünen in ihrer Abwehr, einen Pferdekuss bekommen hat, und zwar so einen, dass er danach zwei Wochen einen blauen Fleck hatte, der später noch grün schimmerte wie ein Smaragd. Und der Schiedsrichter hatte nichts gesehen.

Für Carlos ist das Spiel noch wichtig, auch wenn es im Grunde um nichts mehr geht, weil seine Mannschaft längst als Meister feststeht. Außerdem sind wieder irgendwelche Spielbeobachter eingeladen. Manchmal kommen diese Talentsucher in Scharen. Dabei hat Lica oft genug gesagt, er werde ihn nicht weggeben, nicht in seinem Alter.

Doch wird Carlos in der nächsten Saison sowieso in die letzte Jugendklasse des São Paulo FC wechseln – und von dort sind manche schon mit siebzehn noch in der laufenden Saison in den Profikader gewechselt.

Als Carlos all das erzählt und beim Reden kaum zu bremsen ist, sieht er im Augenwinkel, wie plötzlich Opa Ruben auf dem Beifahrersitz dem Vater fast heimlich ein Zeichen gibt. Der Vater zögert kurz, fährt aber plötzlich rechts ab, einen falschen Weg.

„Wo fahrt ihr lang?“, ruft Carlos und sieht neben sich die Mutter an. Sie zuckt nur die Achseln.

„Wart ab!“, sagt Opa Ruben. „Es ist genug Zeit. Das Spiel fängt erst in zwei Stunden an.“

„Was soll das?“, fragt Carlos weiter. „Wenn wir in einen Riesenstau kommen! Was ich dann für Ärger kriege! Was habt ihr vor?“

Der Vater sieht Opa Ruben eindeutig fragend an. Opa Ruben macht aber immer nur eine Handbewegung, als ob er die Luft senkrecht zerschneiden müsste. Carlos weiß, Opa Ruben kann in seiner Familie manchmal Entscheidungen treffen, die auch der Vater strikt befolgt.

Die Fahrt geht in Richtung Onigo, wo sie früher wohnten.

Carlos sieht die Mutter erst recht fragend an, doch sie zieht nun die Schultern fast bis zum Hals hoch.

Noch einmal stellt Carlos fest: „Der Lica macht mir die Hölle heiß, wenn ich auch nur eine Minute zu spät in die Kabine komme.“

Doch keiner antwortet.

Der Vater hält ausgerechnet nahe der Kreuzung, wo Carlos früher als Autoscheibenputzer arbeitete.



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