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Mit dem bizarren Mord an einem Gemeindepfarrer in einem New Yorker Bondage-Club beginnt Nikki Heats bislang aufregendster und gefährlichster Fall. Sie bekommt es mit New Yorks bösartigstem Drogenbaron, einem arroganten CIA-Mitarbeiter sowie einer geheimnisvollen Todesschwadron, die sie erledigen will, zu tun. Und das ist nur die Spitze eines Eisbergs, die zu einer dunklen Verschwörung führt, die bis in die höchsten Ebenen des NYPD reicht. Doch als sie der Wahrheit zu nah kommt, fällt Nikki plötzlich in Ungnade, verliert ihre Marke und muss sich allein den Mördern stellen, die es auf sie abgesehen haben. Sie kann niemandem mehr vertrauen. Außer vielleicht dem einzigen Mann in ihrem Leben, der kein Polizist ist: der Reporter Jameson Rook. Mitten in New Yorks kältestem Winter seit hundert Jahren ist Nikki fest entschlossen zu beweisen, dass man sie nicht so leicht erledigen kann.
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Seitenzahl: 561
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HEAT RISES
KALTGESTELLT
ÜBERSETZUNG
ANIKA KLÜVER
Die deutsche Ausgabe von CASTLE 3: HEAT RISES – KALTGESTELLT
wird herausgegeben von Amigo Grafik, Teinacher Straße 72, 71634 Ludwigsburg.
Herausgeber: Andreas Mergenthaler und Hardy Hellstern, Übersetzung: Anika Klüver;
verantwortlicher Redakteur und Lektorat: Markus Rohde; Lektorat: Sabine Elbers;
Satz: Amigo Grafik; Cover Artwork: Shubhani Sarkar;
Printausgabe gedruckt von CPI Morvia Books s.r.o., CZ-69123 Pohorelice. Printed in the Czech Republic.
CASTLE © ABC Studios. All rights reserved
Originally published in the United States and Canada as HEAT RISES by Richard Castle.
Copyright © 2011 by ABC Studios, Inc. This translated edition published by arrangement with Hyperion, an imprint of Buena Vista Books, Inc.
German translation copyright © 2012 by Amigo Grafik GbR.
Print ISBN ISBN: 978-3-86425-009-5 (Oktober 2012) · E-Book ISBN 978-3-86425-057-6 (September 2012)
WWW.CROSS-CULT.DE
Für Captain Roy Montgomery, NYPD.Er setzte sich zur Wehr und brachte mir alles bei,was ich über Mut und Charakterstärke wissen muss.
Das Besondere an New York City war, dass man nie wissen konnte, was sich hinter einer Tür verbarg. Mordermittlerin Detective Nikki Heat dachte darüber nach, wie sie es schon so viele Male getan hatte, während sie ihren Crown Victoria parkte und beobachtete, wie sich das Blaulicht der Streifen- und Krankenwagen in den Schaufenstern der Vierundsiebzigsten Straße Ecke Amsterdam Avenue spiegelte. Sie wusste zum Beispiel, dass die unscheinbare Tür des Weinladens in eine künstliche Höhle führte, die in sanften Beige- und Terrakottatönen gehalten war. Die einzelnen Flaschen wurden in kleinen Wandnischen präsentiert, die aus exklusiv aus Frankreich importierten Flusssteinen bestanden. Auf der anderen Seite der Straße befand sich die Tür zu einem Gebäude, das einst eine Bank aus der Ära Franklin D. Roosevelts gewesen war. Dahinter führte eine Wendeltreppe nach unten zu einer gewaltigen Ansammlung von Baseballschlagkäfigen, die voller junger Hoffnungsträger der MLB waren und am Wochenende als Nachmittagsprogrammpunkt für Kindergeburtstage dienten. Doch an diesem Morgen um kurz nach vier würde sie die unscheinbarste Tür von allen – die aus Mattglas ohne Schild, die lediglich eine über ihr befestigte Straßennummer aus goldener und schwarzer Klebefolie aus einem Baumarkt besaß – in einen der am wenigsten zu erwartenden Innenbereiche des ruhigen Blocks führen.
Ein Officer, der vor der Tür postiert war, trat von einem Fuß auf den anderen, um sich warmzuhalten. Um ihn herum strahlte das helle Arbeitslicht der Spurensicherung aus dem dahinterliegenden Raum und verwandelte das Mattglas in das blendende Portal aus Unheimliche Begegnung der dritten Art. Nikki konnte den kondensierenden Atem des Mannes aus fast vierzig Metern Entfernung sehen.
Sie stieg aus, und obwohl die Kälte in ihren Nasenlöcher zwickte und ihr die Tränen in die Augen trieb, knöpfte Nikki ihren Mantel nicht zu. Stattdessen schob sie ihn routinemäßig mit der Hand zur Seite, um sicherzustellen, dass sie ungehinderten Zugriff auf die Sig Sauer hatte, die sie darunter im Holster trug. Und dann hielt die Mordermittlerin trotz der Kälte inne, um ihr nächstes Ritual durchzuführen: eine Pause, um den Toten zu ehren, auf den sie gleich treffen würde. Dieser kleine, ruhige, private Moment war eine Zeremonie, die Nikki Heat für sich beanspruchte, wann immer sie einen Tatort erreichte. Deren einfacher Zweck bestand darin, Heat daran zu erinnern, dass die Leiche, die auf sie wartete, egal ob Opfer oder Krimineller, ein Mensch war und es verdiente, respektvoll und als Individuum behandelt zu werden anstatt als Teil einer Statistik. Nikki atmete langsam ein, und die Luft fühlte sich für sie genauso an wie an jenem Thanksgiving-Abend vor zehn Jahren, als sie während der College-Ferien zu Hause gewesen war und ihre Mutter brutal erstochen und auf dem Küchenfußboden liegend vorgefunden hatte. Sie schloss die Augen und konzentrierte sich auf ihren Moment.
„Stimmt etwas nicht, Detective?“ Der Moment war vorbei. Heat drehte sich um. Ein Taxi hielt neben ihr an, und sein Fahrgast sprach sie durch das Rücksitzfenster an. Sie erkannte sowohl ihn als auch den Fahrer und lächelte.
„Nein, Randy, alles in Ordnung.“ Heat trat an das Taxi heran und schüttelte Detective Randall Fellers Hand. „Halten Sie sich von sämtlichem Ärger fern?“
„Ich hoffe nicht“, erwiderte er mit einem Lachen, das sie immer an John Candy denken ließ. „Sie erinnern sich sicher noch an Dutch“, sagte er und nickte in Richtung von Detective Van Meter, der auf dem Fahrersitz saß. Feller und Van Meter arbeiteten als verdeckte Ermittler in der Taxi-Einheit des NYPD, einer speziellen Einsatztruppe zur Verbrechensbekämpfung, die von der Special Operations Division geleitet wurde. Sie zogen in extra dafür ausgestatteten Taxis durch New Yorks Straßen. Die Polizisten in Zivil der Taxi-Einheit gehörten alle zur alten Garde. Sie waren durch die Bank harte Knochen, die sich nichts gefallen ließen, machten, was sie wollten, und hingingen, wo sie wollten. Die Taxi-Ermittler stromerten frei durch die Straßen und spürten Verbrechen auf, doch da auch die Polizeiarbeit mit der Zeit immer wissenschaftlicher geworden war, wurden sie für ihre Patrouillen zunehmend in Gegenden geschickt, in denen es auffallend viele Raubüberfälle, Einbrüche und Vorfälle von Straßenkriminalität gab.
Der Polizist am Steuer ließ sein Fenster herunter und nickte Heat zum Gruß wortlos zu, sodass sie sich fragte, warum Van Meter sich überhaupt die Mühe gemacht hatte, das Fenster herunterzulassen. „Pass bloß auf, Dutch, sonst laberst du ihr noch ein Ohr ab“, sagte Detective Feller und ließ wieder sein Candy-Kichern vernehmen. „Glückspilz Nikki Heat wird mitten in der Nacht zum Dienst gerufen.“
„Manche Leute haben einfach keine Manieren“, fügte Dutch hinzu. „Eine Frechheit, sich zu dieser frühen Stunde ermorden zu lassen.“ Heat konnte sich nicht vorstellen, dass Van Meter oft innehielt und noch einmal in sich ging, bevor er auf eine Leiche traf.
„Hören Sie“, sagte sie. „Es ist nicht so, dass ich nicht gerne bei minus vier Grad draußen herumstehen würde, aber da drinnen wartet ein Opfer auf mich.“
„Wo ist Ihr Begleiter?“, fragte Feller mit mehr als nur ein wenig Interesse. „Dieser Journalist, wie heißt er noch gleich?“
Feller stocherte schon wieder herum. So wie er es jedes Mal tat, wenn sie sich über den Weg liefen, um herauszufinden, ob Rook noch aktuell war. Seit sie in dieser Nacht vor ein paar Monaten in Rooks Loft einem Auftragsmörder entkommen war, befand sich Nikki auf Fellers Radar. Nach Heats Kampf mit dem Texaner, waren er und Dutch unter den ersten Polizisten gewesen, die ihr zu Hilfe geeilt waren. Seitdem ließ sich Feller keine Gelegenheit entgehen, so zu tun, als würde er Rooks Namen nicht kennen, und sie über die aktuelle Lage mit ihm auszuhorchen. Heat spielte mit. Dass Männer Interesse an ihr zeigten, war ihr nicht fremd, und es gefiel ihr sogar, solange sie nicht zu weit gingen, aber Feller …
In einer romantischen Komödie würde ihm eher der Komödien- als der Romantikanteil zukommen. Er wäre mehr der herumalbernde Bruder als der Schwarm. Detective Feller war witzig und bot angenehme Gesellschaft, aber eher bei ein paar Bier in der Polizistenbar als bei einem Glas Sancerre bei Kerzenschein. Vor zwei Wochen hatte sie ihn aus der Herrentoilette im Plug Uglies kommen sehen. Er hatte einen Kranz aus Handreinigungstüchern um den Hals getragen und gefragt, ob sonst noch jemand einen Hummerlatz brauche.
„Wie heißt er noch gleich?“, wiederholte Nikki. „Der hat einen Auftrag und ist deswegen unterwegs.“ Und dann machte sie ihre Botschaft klar und deutlich, indem sie hinzufügte: „Er wird allerdings gegen Ende der Woche zurück sein.“ Doch der Detective las etwas anderes in ihrer Stimme.
„Ist das gut oder schlecht?“
„Gut“, antwortete Heat ein wenig zu schnell. Also ließ sie ein Grinsen aufblitzen und versuchte, ihren Tonfall dadurch auszugleichen. „Sehr gut.“ Und um sich selbst zu überzeugen, ergänzte sie: „Wirklich gut.“
Was Nikki auf der anderen Seite der Tür vorfand, war kein städtischer Schrein der Weinkunde mit kunstvoll gestapelten grünen Flaschen. Ebenso wenig hörte sie das Klacken eines Aluminiumschlägers, dem die gedämpfte Landung eines Balls in einem gepolsterten Netz folgte. Stattdessen wurde sie bei ihrem Abstieg in den Keller von einer erstickenden Mischung aus Räucherstäbchenduft begrüßt, der sich mit den Dämpfen eines ätzenden Lösungsmittels vereinte. Hinter ihr ließ Detective Van Meter ein leise gekeuchtes „Wow“ vernehmen, und als Heat den Treppenabsatz umrundete, um die letzten paar Stufen hinunterzusteigen, hörte sie, wie sich Dutch und Feller Handschuhe überstreiften. „Wenn ich mir hier unten irgendeine Geschlechtskrankheit einfange, verklage ich die verdammte Stadt so lange, bis sie mir gehört“, raunte Van Meter seinem Partner zu.
Im Keller erreichten sie etwas, das man nur mit sehr viel Wohlwollen als Empfangsbereich bezeichnen konnte. Die purpurrot gestrichenen Ziegelwände hinter der Theke aus Resopal und die billigen Stühle erinnerten sie an einen kleinen privaten Fitnessclub, allerdings keinen besonders luxuriösen. In der gegenüberliegenden Wand befanden sich vier Türen. Sie standen alle offen. Drei führten in schummrige Zimmer, die nur von den Ausläufern der grellen Strahlen der Lampen der Spurensicherung erhellt wurden, die im Zuge der Ermittlung im Empfangsbereich aufgestellt worden waren. Aus der am weitesten entfernten offenen Tür strahlte mehr Licht, das von stroboskopartigen Blitzen unterbrochen wurde. Detective Raley, der ebenfalls Gummihandschuhe trug, stand vor dem Durchgang und beobachtete das Geschehen im Inneren. Als er Nikki aus dem Augenwinkel entdeckte, kam er auf sie zu.
„Willkommen im Pleasure Bound, Detective Heat“, sagte er.
Ihr Polizisteninstinkt sorgte dafür, dass Nikki zuerst die anderen drei Räume überprüfte, bevor sie den eigentlichen Tatort betrat. Sie wusste, dass Raley und die Officers, die als Erste eingetroffen waren, die Räume gesichert hatten, aber sie steckte den Kopf durch jede Tür und warf einen kurzen Blick hinein. Alles, was sie im Dämmerlicht erkennen konnte, waren die Umrisse von Gegenständen und Möbeln aus dem Sadomasobereich. Jedes Zimmer schien dabei einem eigenen Thema gewidmet zu sein: ein viktorianisches Boudoir, ein Raum für Tierrollenspiele und ein Zimmer, in dem man seiner Sinne beraubt wurde. In den kommenden Stunden würden diese Räumlichkeiten von der Spurensicherung durchforstet werden, um Beweise zu sammeln, doch fürs Erste war sie mit ihrer Begutachtung zufrieden. Heat zog ihre Handschuhe aus der Tasche und ging zur vierten Tür, wo Feller und Van Meter ehrerbietig hinter Raley warteten. Dies war ihr Fall, ihr Revier, und eine unausgesprochene Etikette besagte, dass sie den Raum vor ihnen betreten durfte.
Die Leiche war nackt und mit Händen und Füßen an einen xförmigen, vertikalen Holzrahmen gefesselt, der als Andreaskreuz bezeichnet wurde. Das Gebilde war in der Mitte des Raums fest im Boden und in der Decke verankert, der Körper des toten Mannes war in sich zusammengesackt. Seine Knie waren gebeugt und sein Hintern hing über dem Linoleumfußboden. Da sein massiges Gewicht – Heat schätzte ihn auf fast einhundertfünfundzwanzig Kilo – nun nicht mehr von seinen Muskeln gehalten wurde, waren die Handgelenkfesseln über seinem Kopf angespannt und verzogen seine Arme zu einem strammen Ypsilon.
Detective Feller sang leise den Refrain von „YMCA“, bis Nikki ihm einen tadelnden Blick zuwarf. Er verschränkte eingeschnappt die Arme vor der Brust und sah seinen Partner an, der nur mit den Schultern zuckte.
„Was haben wir hier, Rales?“, fragte Heat ihren Detective.
Raley warf einen Blick auf seine einzelne Seite mit Notizen. „Bisher nicht viel. Sehen Sie selbst.“ Er vollführte eine ausladende Geste durch den Raum. „Nirgendwo Kleidung, kein Ausweis, nichts. Die Putzkolonne hat die Leiche entdeckt. Sie sprechen nur Spanisch, also hat sich Ochoa mit ihnen ins Büro begeben, um ihre Aussagen aufzunehmen. Bisher wissen wir, dass der Laden gegen ein Uhr schließt, manchmal auch gegen zwei. Dann kommt die Putzkolonne. Sie haben ihre übliche Arbeit gemacht und dachten, sie wären allein, bis sie hier hineinkamen, in die, äh …“
„Folterkammer“, sagte Nikki. „Die Räume sind thematisch eingerichtet. Dieser hier dient der Folter und Demütigung.“ Sie nahm seinen Blick wahr und erklärte: „Ich war mal bei der Sitte.“
„Ich auch“, erwiderte Raley.
„Dann habe ich wohl bessere Arbeit geleistet.“ Heat zog eine Augenbraue hoch und sah zu, wie er errötete. „Also war niemand sonst hier, als die Leiche entdeckt wurde. Haben die Reinigungskräfte irgendjemanden aus dem Gebäude gehen sehen?“
„Nein.“
„Im Eingangsbereich befindet sich eine Überwachungskamera“, sagte Van Meter.
Raley nickte. „Wir sind schon dran.“ Dann wandte er sich an Nikki. „Im Büro der Geschäftsführerin gibt es einen verschlossenen Schrank, in dem sich laut Aussage der Reinigungskräfte das Aufnahmegerät befindet.“
„Wecken Sie die Geschäftsführerin“, sagte Heat. „Sie soll den Schlüssel für den Schrank mitbringen, aber erzählen Sie ihr nichts von der Leiche. Sagen Sie einfach, jemand hätte versucht, hier einzubrechen. Ich will nicht, dass sie auf dem Weg hierher irgendwen anruft, und ich will ihre Reaktion sehen, wenn sie erfährt, was wirklich passiert ist.“
Als Raley den Raum verließ, um den Anruf zu tätigen, fragte Heat den Leiter der Spurensicherung und den Polizeifotografen, ob sie in der näheren Umgebung nach Kleidung, einer Brieftasche oder einem Ausweis gesucht hätten. Sie kannte die Antwort bereits – immerhin waren diese Leute Profis –, aber die grundlegenden Punkte mussten abgedeckt werden. Das Offensichtliche, von dem oft angenommen wurde, es sei zu offensichtlich, war das, was oftmals übersehen wurde. Doch sobald man anfing, Vermutungen anzustellen, und aufhörte, die Dinge zu überprüfen, entstanden Lücken in den Ermittlungen. Die Beamten bestätigten, dass während der ersten Überprüfung der Umgebung weder Kleidung noch ein Ausweis oder irgendwelche anderen persönlichen Gegenstände gefunden worden waren.
„Wie wäre es, wenn Dutch und ich ein wenig durch die benachbarten Blocks fahren, um festzustellen, ob jemand etwas gesehen hat?“, schlug Detective Feller vor.
Van Meter nickte. „Um diese Zeit sind nicht viele Leute unterwegs, aber wir können die Restaurants, Müllabfuhren, Lieferwagen und so weiter abklappern.“
„Sicher“, sagte Detective Heat. „Ich weiß Ihre Unterstützung zu schätzen.“
Feller sah sie wieder mit seinem Hundeblick an. „Für Sie, Nikki? Ich bitte Sie.“ Er zog sein Handy hervor und kniete sich hin, um mit der eingebauten Kamera ein gutes Bild vom Gesicht des Toten machen zu können. „Kann sicher nicht schaden, das herumzuzeigen, um herauszufinden, ob ihn jemand kennt.“
„Gute Idee“, meinte Nikki.
Auf dem Weg nach draußen blieb Detective Feller noch einmal stehen. „Hören Sie, tut mir leid, wenn ich mit dieser Village-People-Aktion danebenlag. Ich wollte die Situation nur ein wenig auflockern, verstehen Sie?“
So sehr sie es auch verabscheute, wenn sich jemand einem Opfer gegenüber respektlos verhielt, konnte sie in Fellers Gesicht doch erkennen, dass ihm sein Verhalten unangenehm war. Als erfahrener Detective des NYPD wusste sie, dass es sich dabei nur um unangebrachten Polizistenhumor gehandelt hatte und er keinesfalls gefühllos wirken wollte. „Schon vergessen“, sagte Heat. Er lächelte, nickte ihr zu und ging davon.
Lauren Parry kniete neben dem Opfer auf dem Boden, und während sie jedes Kästchen in ihrem Bericht ausfüllte, erklärte die Gerichtsmedizinerin Nikki: „Okay, wir haben hier also einen unbekannten Mann Ende vierzig, der ungefähr hundertfünfundzwanzig Kilo wiegt.“ Die Gerichtsmedizinerin deutete auf ihre Nasenlöcher. „Offenbar Raucher, definitiv Trinker.“
Mit den unbekannten Opfern war es immer schwierig, dachte Nikki. Ohne einen Namen, mit dem man arbeiten konnte, musste man bei null anfangen. Wertvolle Ermittlungszeit würde dafür draufgehen, einfach nur herauszufinden, um wen es sich handelte.
„Der vorläufige Todeszeitpunkt …“, Lauren Parry betrachtete das Thermometer und fuhr fort, „… liegt zwischen zwanzig und zweiundzwanzig Uhr.“
„Es ist schon so lange her? Bist du sicher?“ Heats Freundin sah von ihrem Klemmbrett auf und starrte sie an. „Okay, du bist dir also sicher“, stellte Heat fest.
„Vorläufig, Nik. Ich werde die üblichen Untersuchungen durchführen, sobald er in die Gerichtsmedizin gebracht wurde, doch fürs Erste ist das ein gutes Zeitfenster für dich.“
„Was ist die Todesursache?“
„Du willst wirklich jede noch so kleine Kleinigkeit wissen, was?“, fragte die Gerichtsmedizinerin neckisch. Dann wurde sie nachdenklich und drehte sich herum, um die Leiche zu betrachten. „Die Todesursache könnte Ersticken sein.“
„Das Halsband?“
„Das ist meine beste erste Vermutung.“ Lauren stand auf und deutete auf das Gehorsamkeitshalsband, das in den Hals des Mannes einschnitt. Es war so fest geschnürt, dass sich sein Fleisch über die Ränder wölbte. „Das reicht zweifellos aus, um die Luftröhre einzuengen. Die geplatzten Adern in den Augäpfeln weisen ebenfalls auf einen Erstickungstod hin.“
„Spulen wir noch mal zurück. Deine beste erste Vermutung?“, fragte Heat.
„Komm schon, Nikki, du weißt doch, dass meine erste Aussage immer vorläufig ist.“ Dann schaute Lauren Parry wieder nachdenklich in Richtung der Leiche.
„Was?“
„Ordnen wir es einfach vorläufig als ‚Erstickungstod‘ ein, bis ich die Autopsie durchführen kann.“
Nikki wusste, dass es nichts bringen würde, Lauren zu Mutmaßungen anzutreiben, genau wie ihre Freundin wusste, dass sie von ihr keine Spekulationen verlangen konnte. „Geht in Ordnung“, sagte sie, obwohl sie merkte, dass ihre Freundin von der Gerichtsmedizin über etwas nachgrübelte.
Lauren zog eine Plastikschublade in ihrem Ausrüstungskoffer auf, holte ein paar Tupfer heraus und fuhr mit ihrer Untersuchung fort, während Nikki sich dem widmete, was sie am Tatort eines Mordes immer tat. Sie verschränkte die Hände hinter dem Rücken und ging langsam durch den Raum, wobei sie sich hin und wieder hinkniete oder vorbeugte und die Leiche aus allen Blickwinkeln betrachtete. Das war nicht nur ein Ritual, sondern eine fundamentale Maßnahme, mit der sie ihren Kopf von sämtlichen Schlussfolgerungen und Vermutungen reinigte. Die Absicht bestand darin, ihren Geist allen Eindrücken zu öffnen, alles hineinzulassen, was hineinwollte, und vor allem das zu bemerken, was sie bemerkte.
Ihrem ersten Eindruck zufolge war das Opfer keine Person, die sich körperlich betätigte. Eine beachtliche Speckrolle an seinem Bauch deutete darauf hin, dass er zu Lebzeiten viel gesessen hatte oder zumindest einen Beruf ausübte, der nichts mit Bewegung oder Kraft zu tun hatte, wie Sport, Bauarbeiten oder andere handwerkliche Tätigkeiten. Wie bei den meisten Leuten war die Haut seiner Oberarme im Vergleich zu der der Unterarme blass, aber der Kontrast war nicht besonders stark. Das verriet ihr nicht nur, dass er sich viel im Haus aufhielt, sondern auch, dass er entweder häufig langärmlige Kleidung trug oder nicht gern im Garten arbeitete oder Golf spielte. Andernfalls wäre selbst so lange nach dem Sommer noch ein wenig Bräune zu sehen gewesen. Sie trat näher, um seine Hände zu betrachten und achtete darauf, nicht auf sie zu atmen. Sie waren sauber und weich, was ihre Annahme bezüglich des Lebens im Haus bestärkte. Die Fingernägel waren ordentlich aber nicht manikürt. So etwas sah man normalerweise bei wohlhabenden Männern mittleren Alters oder jungen Yuppies, die besser in Form waren. Das Kopfhaar war in der Mitte ausgedünnt, was zu dem Alter passte, auf das Lauren ihn geschätzt hatte. Das Gleiche galt für die weißen Strähnen, die sich ins dunkelgraue Haar mischten. Die Augenbrauen waren buschig, was manchmal auf einen Junggesellen oder einen Witwer hindeuten konnte, und sein grauweißer Spitzbart verlieh ihm das Aussehen eines Akademikers oder Gelehrten. Nikki sah erneut auf seine Fingerspitzen und bemerkte die bläuliche Verfärbung, die sich in der Haut selbst zu befinden schien und nicht darauf, wie es bei Ölfarbe oder Tintenflecken der Fall gewesen wäre.
Überall waren Blutergüsse, Quaddeln und Hautabschürfungen zu sehen – vorne, hinten und auch an den Seiten des Körpers, sowohl am Rumpf, an den Beinen und an den Armen. Detective Heat blieb bei ihrer unvoreingenommenen Herangehensweise und versuchte, diese Male nicht einer Nacht voller sadomasochistischer Aktivitäten zuzuschreiben. Es war möglich, in Anbetracht der Umgebung sogar wahrscheinlich, aber keinesfalls sicher. Es gab keine offensichtlichen Schnitte, Stichwunden oder Einschüsse, und sie konnte auch kein Blut entdecken.
Der Rest des Raums war makellos, zumindest für einen Folterkeller. Die Suche der Spurensicherung nach Fingerabdrücken und Fasern mochte Beweise erbringen, doch es gab keinen sichtbaren Abfall, keine Zigarettenstummel und auch sonst keine Hinweise wie zum Beispiel ein praktischerweise fallen gelassenes Streichholzheftchen aus einem Hotel, auf dem die Zimmernummer des Mörders stand, wie man es in den alten Filmen sah.
Wieder erinnerte sich Nikki daran, für alles offen zu sein, und weigerte sich, zu der Schlussfolgerung zu kommen, dass es überhaupt einen Mörder im klassischen Sinn gab. Ein Tötungsdelikt? Möglicherweise. Mord? Ebenfalls nur eine Möglichkeit. Die Option, dass es sich um einen Unfalltod im Zuge einer Foltersitzung handelte, die in beiderseitigem Einvernehmen stattfand, durfte nicht ausgeschlossen werden. Womöglich geriet die Sache außer Kontrolle und die dominante Person in der Beziehung ergriff daraufhin panisch die Flucht.
Heat entwarf gerade ihr eigenes Diagramm des Raumaufbaus, was sie immer tat, um zusätzlich zu dem, das die Spurensicherung anfertigte, noch ein persönliches Bild zu haben, als Detective Ochoa von der Befragung der Reinigungskräfte zurückkehrte. Er begrüßte Nikki recht nüchtern, doch seine Miene hellte sich sofort auf, sobald sein Blick auf die Gerichtsmedizinerin fiel.
„Detective“, sagte Lauren ein wenig zu formell.
„Doktor“, erwiderte er in ebenso zurückhaltendem Ton. Dann sah Nikki, wie Lauren etwas aus der Tasche ihres Anzugs nahm und es ihm zusteckte. Detective Ochoa warf keinen Blick darauf, sagte nur „Ja, danke“ und trat quer durch den Raum, wo er ihnen den Rücken zuwandte und seine Armbanduhr an seinem Handgelenk befestigte. Nikki konnte sich leicht ausrechnen, wo Oach gewesen war, als man ihn zum Einsatz gerufen hatte.
Zu sehen, wie die beiden diese Scharade veranstalteten, um ihre Intimität zu verbergen, versetzte ihr einen Stich. Sie hob ihren Stift über das Diagramm und hielt inne, da sie sich daran erinnerte, dass sie und Rook sich vor gar nicht langer Zeit ähnlich verhalten hatten, um ihre Affäre geheim zu halten – und damit ebenfalls niemandem etwas vormachen konnten. Das war während der Hitzewelle im vergangenen Sommer gewesen, als er Nikkis Team in seiner Funktion als Journalist bei der Arbeit begleitet hatte, um Recherchen über Mordermittlungen für den Artikel anzustellen, den er für die First Press schrieb. Letztendlich konzentrierten sich seine Beobachtungen allerdings eher auf Nikki als auf ihr Team. Auf der Titelseite einer renommierten nationalen Zeitschrift abgebildet zu sein, erwies sich für die publicityscheue Heat als zweifelhaftes Vergnügen. Mit den Ärgernissen und unerfreulichen Komplikationen ihrer fünfzehn Minuten Ruhm waren allerdings auch ein paar unerwartete romantische Momente mit Jameson Rook einhergegangen. Und jetzt hatte sich das Ganze zu einer Art Beziehung entwickelt. Na ja, dachte sie – wie sie es in letzter Zeit sehr häufig getan hatte – weniger eine Beziehung, sondern eher … was?
Nachdem das Feuer ihrer Romanze aufgeflammt und sogar noch heißer geworden war, passierte mit der Zeit noch etwas anderes. Ihre Beziehung vertiefte sich zu etwas, das sich für Nikki immer mehr nach etwas Ernsthaftem anfühlte und sich in eine bestimmte Richtung entwickelte. Doch nun hing es mitten in der Luft.
Er war jetzt bereits seit Wochen fort. Rook war für einen Monat untergetaucht, um für einen Artikel für die First Press Nachforschungen über den internationalen Waffenschmuggel anzustellen. Das bedeutete, dass er einen Monat lang nicht zu erreichen war, während er sich in osteuropäischen Bergdörfern, afrikanischen Hafenstädten, auf mexikanischen Flugpisten und Gott weiß wo noch herumtrieb. Ein Monat, in dem Nikki sich fragte, wie der Stand ihrer Beziehung war.
Dass Rook sich nicht meldete, war dabei nicht besonders hilfreich. Er hatte ihr erklärt, dass er verdeckt arbeiten würde und sie für eine Weile mit Funkstille rechnen müsse, aber mal ernsthaft. Die ganze Zeit in Isolation zu verbringen, ohne wenigstens einen Anruf zu erhalten, machte sie verrückt. Sie fragte sich, ob er noch lebte, ob er womöglich im Gefängnis irgendeines Kriegsherrn verrottete … oder sonst was. Hatte er wirklich so lange keine Möglichkeit zur Kommunikation gehabt oder es einfach nicht intensiv genug versucht? Nikki hatte sich zuerst dagegen gewehrt, doch nach den Tagen und Nächten, in denen sie sich bemüht hatte, nicht darüber nachzudenken, kämpfte sie nun mit der Vorstellung, dass der Charme des spitzbübischen Globetrotters Jameson Rook vielleicht ein wenig nachließ. Natürlich respektierte sie seine Karriere als zweifach mit dem Pulitzerpreis ausgezeichneter Enthüllungsjournalist, und ihr Verstand wusste, was das mit sich brachte. Aber die Art und Weise, wie er einfach so die Stadt verlassen hatte und aus ihrem Leben verschwunden war, führte dazu, dass sie sich nicht nur fragte, wo sie als Paar standen, sondern auch, ob er überhaupt noch etwas mit ihr zu tun haben wollte.
Nikki sah auf ihre Armbanduhr und überlegte, wie spät es wohl dort war, wo sich Jameson Rook gerade befand. Dann warf sie einen Blick auf das Datum. Rook hatte gesagt, dass er in fünf Tagen zurück sein würde. Die Frage für Nikki war, wie es dann mit ihnen weitergehen würde.
Heat ging ihre Optionen durch und kam zu dem Schluss, dass es produktiver für sie sein würde, auf die Ankunft der Geschäftsführerin des Sexclubs zu warten, damit diese den Videoschrank aufschließen konnte. Auf diese Weise konnte sie ihre eigenen beiden Detectives damit beauftragen, ein paar Officers anzufordern und mit ihnen zu Fuß die Umgebung abzusuchen. Da sich die Taxi-Einheit freiwillig gemeldet hatte, die Restaurants, Nachtschichtarbeiter und Lieferanten zu übernehmen, trug sie Raley und Ochoa (die gemeinsam liebevoll als „Roach“ bezeichnet wurden) auf, sich darauf zu konzentrieren, einen Ausweis oder eine Brieftasche zu finden. „Gehen Sie auf die übliche Weise vor. Suchen Sie in Mülleimern, Containern, U-Bahn-Gittern, unter den Veranden von Wohnungen und an allen anderen Orten, die infrage kommen, wenn man auf der Flucht ist und schnell etwas loswerden will. In dieser Gegend gibt es nicht viele Gebäude mit Portiers, aber wenn Sie einen sehen, fragen Sie, ob er etwas Auffälliges bemerkt hat. Ach, und überprüfen Sie das Phoenix House am Ende des Blocks. Vielleicht waren ein paar der Patienten wach und haben etwas gesehen oder gehört.“
Roachs Handys klingelten im Abstand von zwei Sekunden. Heat hielt ihr eigenes Telefon hoch und sagte: „Das ist ein Foto von unserem Opfer, das ich Ihnen gerade geschickt habe. Wenn sich die Gelegenheit ergibt, zeigen Sie es herum. Man kann nie wissen.“
„Klar“, sagte Ochoa. „Wer bekommt nicht gerne vor dem Frühstück ein Bild eines Erstickungsopfers vor die Nase gehalten?“
Als sie sich in Richtung der Treppe nach oben aufmachten, rief sie ihnen hinterher: „Und merken Sie sich alle Sicherheitskameras mit Blick auf die Straße, an denen Sie vorbeikommen. Banken, Juweliere, Sie wissen schon. Wenn sie nachher aufmachen, können wir dort vorbeischauen, und uns die Aufnahmen ansehen.“
Nach ihrer Unterhaltung mit der Geschäftsführerin des Pleasure Bound musste sich Detective Heat erst einmal erholen. Nikki bezweifelte, dass die Frau von Raley geweckt worden war. Im Gegenteil, Roxanne Paltz wirkte, als sei sie die ganze Nacht wach gewesen. Sie war stark und streng geschminkt, regelrecht herausgeputzt und tauchte in einem engen Vinylkostüm auf, das knarrte, wann immer sie sich auf dem Stuhl in ihrem Büro bewegte. Ihre kleine Brille hatte blaue Gläser, die farblich zu den Spitzen ihres stacheligen, vom vielen Bleichen geschädigten Haars passten, das den unverwechselbaren Geruch von Cannabis verströmte. Als Nikki ihr den wahren Grund für ihre Anwesenheit nannte und erklärte, dass sich in ihrer Folterkammer ein toter Mann befand, wurde sie kreidebleich und geriet ins Wanken. Heat zeigte ihr das Foto auf ihrem Handy, und die Frau musste sich beinahe übergeben. Sie setzte sich wackelig hin und trank einem Schluck von dem Wasser, dass Nikki ihr aus dem Spender besorgt hatte. Doch nachdem sie sich erholt hatte, behauptete sie, den Mann noch nie gesehen zu haben.
Als Nikki fragte, ob sie sich die Überwachungsvideos ansehen könne, wurde die Situation ungemütlich, und Roxanne Paltz redete plötzlich nur noch von Verfassungsrechten. Sie sprach mit der Autorität einer Person, die schon mehrfach schikaniert worden war, weil sie ein Geschäft im Sexgewerbe führte, und so berief sie sich auf triftige Gründe, unrechtmäßige Durchsuchungen, Kundendiskretion sowie die Freiheit der Meinungsäußerung. Sie hatte ihren Anwalt auf einer Kurzwahltaste gespeichert, und obwohl es noch nicht einmal sechs Uhr war, rief sie ihn an und weckte ihn auf. Nikki musste sich ihrem Waschbärmascarablick stellen, während sie wie ein Papagei seine Gewissheit nachplapperte, dass ohne richterliche Anordnung keine Schränke geöffnet oder Videos abgespielt werden durften.
„Ich bitte Sie nur um ein wenig Kooperation“, sagte Nikki.
Roxanne saß da, lauschte dem Anwalt an ihrem Telefon und nickte immer wieder, wobei jedes Mal das Vinyl knarrte. Dann legte sie auf. „Er sagt, Sie sollen sich ins Knie ficken.“
Nikki Heat hielt inne und lächelte leicht. „Wenn ich mir die Ausrüstung so ansehe, die Sie hier haben, wäre das vermutlich der einzige Ort, an dem ich das tatsächlich tun könnte.“
Detective Heat wusste, dass sie den Durchsuchungsbeschluss bekommen konnte, und hatte gerade ihren Anruf nach Downtown beendet, um die Sache ins Rollen zu bringen, als ihr Handy in ihrer Hand vibrierte. Es war Raley. „Ich glaube, wir haben etwas.“
Als die den Bürgersteig erreichte, erwartete sie Sonnenschein, doch es war immer noch dunkel. Nikki hatte dort unten in dem Folterkeller ihr Zeitgefühl verloren und erkannte, dass das vermutlich der Sinn der Sache war.
Die Detectives Raley, Ochoa, Van Meter und Feller standen in einem Halbkreis unter der grünen Stoffmarkise eines Lebensmittelgeschäfts an der Ecke auf der anderen Seite der Straße. Als Nikki die Vierundsiebzigste Straße überqueren wollte, um zu ihnen zu gelangen, musste sie anhalten, damit sie nicht von einem Lieferanten auf einem Fahrrad mit breiten Reifen überfahren wurde. Sie beobachtete, wie er keuchend an ihr vorbeifuhr und jemandes Frühstück in dem Drahtkorb auf und ab hüpfte, und kam zu dem Schluss, dass sie vielleicht doch nicht den schwersten Job der Stadt hatte. „Was haben Sie?“, fragte sie, als sie die anderen erreichte.
„Wir haben ein paar Kleidungsstücke und einen Schuh gefunden, die in der Lücke zwischen diesen beiden Gebäuden steckten“, sagte Ochoa und lenkte den Strahl seiner Taschenlampe auf eine Mauernische, die das Lebensmittelgeschäft von dem Nagelstudio nebenan trennte. Raley hielt eine dunkle Hose sowie einen schwarzen, mit Quasten versehenen Halbschuh hoch und ließ dann beides in eine braune Asservatentüte aus Papier gleiten. „Solche Stellen sind Klassiker, um etwas zu verstauen“, erklärte Ochoa. „Das habe ich beim Drogendezernat gelernt.“
„Leuchte mal hierher, du Schnüffler, ich glaube, da ist noch mehr.“ Raley nahm seinem Partner die kleine Taschenlampe ab und hockte sich vor die Nische. Ein paar Sekunden später zog er den zweiten Halbschuh heraus und meinte: „Tja, was sagt man dazu?“
„Was?“, fragte Ochoa. „Spann uns nicht auf die Folter, was ist es?“
„Eine Sekunde. Wenn du nicht so viel zugelegt hättest, hättest du das an meiner Stelle tun können.“ Raley verdrehte seine Schulter, um sich in eine bessere Position zu bringen und griff erneut in die schmale Öffnung. „Voilà. Ein weiteres Halsband.“
Nikki erwartete, irgendein ledernes Gebilde mit scharfkantigen Nieten und Ringen aus Edelstahl zu sehen, doch als Raley endlich aufstand und seinen Fund mit einer behandschuhten Hand hochhielt, musste sie feststellen, dass es sich keineswegs um diese Art von Halsschmuck handelte. Es war das Kollar eines Priesters.
Im Jahr 2005 stellte die Stadt New York elf Millionen Dollar zur Verfügung, um die technischen Mittel des NYPD zu modernisieren, indem sie das Echtzeitverbrechenszentrum baute, eine Computerkontrollstation, die – neben zahlreichen anderen Fähigkeiten – Polizisten im Einsatz auf Anfrage Verbrechensberichte und Polizeidaten mit erstaunlicher Geschwindigkeit übermittelte. Aus diesem Grund benötigte Detective Heat in einer Stadt mit achteinhalb Millionen Einwohnern weniger als drei Minuten, um das Opfer im Folterkeller mit ziemlicher Sicherheit zu identifizieren. Das Echtzeitverbrechenszentrum griff auf Daten zu und spuckte einen Bericht zu einer Vermisstenanzeige aus, die am Abend zuvor von der Haushälterin eines Gemeindepfarrhauses für einen Pater Gerald Graf aufgegeben worden war.
Nikki beauftragte Roach damit, vor Ort zu bleiben und die Gegend weiter abzusuchen, während sie sich nach Uptown begab, um die Frau zu befragen, die die Vermisstenanzeige aufgegeben hatte. Die Detectives Feller und Van Meter hatten ihre Schicht zwar schon hinter sich, aber Dutch bot an, Roach bei den Haustürbefragungen zu helfen. Feller erschien am Fenster ihres Wagens und meinte, wenn Heat nichts gegen seine Gesellschaft hätte, würde er sie gerne begleiten. Sie zögerte, da sie vermutete, dass Feller nur nach einer Gelegenheit suchte, später noch etwas mit ihr trinken oder essen zu gehen. Doch immerhin erklärte der erfahrene Detective seine Bereitschaft, ihr in seiner Freizeit bei einem Fall zu helfen, und das würde sie sicher nicht ablehnen. Falls er versuchen sollte, die Sache in eine Verabredung umzuwandeln, würde sie sich eben einfach damit auseinandersetzen müssen.
Die Kirche Our Lady of the Innocents befand sich an der Nordgrenze des Reviers, in der Mitte des Blocks an der Fünfundachtzigsten Straße zwischen der West End Avenue und dem Riverside Drive. So früh vor dem morgendlichen Berufsverkehr dauerte die Fahrt nicht einmal fünf Minuten. Doch sobald Heat auf den Broadway abbog, schaltete die Ampel vor dem Beacon Theater auf rot um.
„Ich bin froh, dass wir endlich mal ein wenig Zeit allein verbringen können“, sagte Feller, während sie warteten.
„Klar“, erwiderte Nikki und versuchte gleich darauf, das Thema zu wechseln. „Ich weiß Ihre Unterstützung zu schätzen, Randy. Ein weiteres Paar Augen und Ohren kann nie schaden.“
„Das gibt mir die Gelegenheit, Sie etwas zu fragen, ohne dass die ganze Welt mithört.“
Sie sah zur Ampel hinauf und spielte mit dem Gedanken, das Blaulicht einzuschalten. „Ach ja?“
„Haben Sie irgendeine Ahnung, wie Sie bei Ihrer Prüfung zum Lieutenant abgeschnitten haben?“, wollte er wissen. Das war nicht die Frage, die sie erwartet hatte. Nikki drehte sich zu ihm um. „Grün“, sagte er, und sie fuhr weiter.
„Ich weiß nicht, ich glaube ganz gut. Lässt sich schwer beurteilen“, meinte sie. „Ich warte immer noch darauf, dass die Ergebnisse bekannt gegeben werden.“ Als der Beamtentest vor Kurzem vom Dezernat angeboten worden war, hatte Heat daran teilgenommen. Allerdings nicht so sehr deswegen, weil sie den dringenden Wunsch nach einer Beförderung verspürte, sondern weil sie nicht sicher war, wann er erneut angeboten werden würde. Budgetkürzungen aufgrund der Wirtschaftskrise hatten New York genauso getroffen wie jede andere Gemeinde. Als Reaktion darauf waren im Vorjahr die Gehaltserhöhungen eingeschränkt worden, indem man die bevorstehenden Beförderungsprüfungen verschob.
Detective Feller räusperte sich. „Was würden Sie sagen, wenn ich Ihnen erzähle, dass ich gehört habe, dass Sie mit der Bestnote bestanden haben?“ Sie warf ihm einen Seitenblick zu und konzentrierte sich dann wieder auf den Fahrer des Brotlieferwagens, der ohne zu blinken direkt vor ihr angehalten hatte, um auf ihrer Spur in zweiter Reihe zu parken. Während sie ihren Blinker einschaltete und darauf wartete, dass die Überholspur frei wurde, fuhr er fort. „Ich weiß, dass es tatsächlich so ist.“
„Woher?“
„Von ein paar Insiderquellen. Aus Downtown.“ Er streckte die Hand nach dem Armaturenbrett aus. „Macht es Ihnen was aus, wenn ich die Temperatur ein wenig runterstelle? Ich fange hier drinnen gleich an zu kochen.“
„Nur zu.“
„Ich versuche, gute Verbindungen aufrechtzuerhalten.“ Er drehte den Knopf eine Stufe runter und entschied sich dann für eine weitere, bevor er sich wieder auf seinen Sitz zurücksinken ließ. „Ich habe nicht vor, für immer auf dem Rücksitz dieses Taxis herumzufahren, verstehen Sie?“
„Ja, sicher.“ Nikki fuhr um den Brotlieferwagen herum. „Ich, äh, weiß die Information zu schätzen.“
„Wenn Sie also Ihre mündliche Prüfung hinter sich haben und über alle anderen Hürden gesprungen sind, die sie einem in den Weg stellen – wie das Erlernen des geheimen Händedrucks oder was auch immer –, würden Sie mir dann einen Gefallen tun? Vergessen Sie auf dem Weg nach oben nicht Ihre Freunde.“
Rums, da haben wir es, dachte Nikki. Die Sache war ihr ein wenig peinlich. Die ganze Zeit über hatte Sie gedacht, dass Feller auf eine Verabredung mit ihr aus war, obwohl er sich eigentlich nur bei ihr beliebt machen wollte, weil er sich davon einen Vorteil versprach. Sie rief sich noch einmal das Bild vor Augen, wie er in der Polizistenbar mit seinem dämlichen Hummerlatz herumgealbert hatte, und fragte sich, ob der Witzbold in ihm wirklich nur einen Spaß machen wollte, oder ob er in Wahrheit einfach ein geschickter Händeschüttler war. Je mehr er redete, desto stärker wurde dieses Bild.
„Wenn Sie Ihren Goldstreifen bekommen, wird das zur Abwechslung mal eine gute Nachricht auf dem Revier sein. Und Sie wissen, was ich damit meine.“
„Ich bin nicht sicher, dass ich das weiß“, erwiderte sie. Auf der Neunundsiebzigsten Straße erwischten sie eine weitere rote Ampel, und unglücklicherweise dauerte die Rotphase bei dieser sehr lange.
„Nicht sicher, das ist ein Brüller“, sagte er. „Ich meine Captain Montrose.“
Nikki wusste ganz genau, worauf er anspielte. Ihr Vorgesetzter, ihr Mentor, Captain Montrose, stand unter zunehmendem Druck des Polizeihauptquartiers, das seine Leistung als Leiter des 20. Reviers beurteilte. Ob es nun an der schlechten Wirtschaftslage, der steigenden Arbeitslosigkeit oder an einem Rückfall in die dunklen Zeiten des Chaos vor der Guiliani-Ära lag, die Verbrechensstatistiken kletterten in allen fünf Stadtteilen nach oben. Und was noch schlimmer war, in Wahljahren schlugen sie besonders stark aus. Das Gesetz der Schwerkraft galt auch in diesem Fall, was bedeutete, dass der ganze Mist nach unten zu den Leitern der Reviere sackte. Aber Heat hatte bemerkt, dass ihrem Captain das Leben besonders schwer gemacht wurde. Montrose war ausgesondert und allein zu speziellen Besprechungen und Standpauken gebeten worden. Seit einer Weile verbrachte er im Hauptquartier ebenso viel Zeit wie in seinem Büro. Seine Persönlichkeit hatte unter dem Druck gelitten. Er war ernster geworden und hatte sich immer mehr zurückgezogen – nein, es war noch mehr als das, er war regelrecht heimlichtuerisch geworden. So sehr, dass Nikki sich fragte, ob in seinem Leben noch etwas anderes vorging als die Überprüfung der Revierstatistiken. Was Heat jedoch wirklich störte, war die Tatsache, dass die private Demütigung ihres Vorgesetzten allgemeines Gesprächsthema beim Dezernatsklatsch zu sein schien. Wenn Feller darüber Bescheid wusste, dann galt das auch für andere. Ihr Sinn für Loyalität sorgte dafür, dass sie sich innerlich dagegen sträubte und ihrem Vorgesetzten den Rücken stärken wollte.
„Hören Sie, Randy, auf wen wird denn heutzutage kein Druck ausgeübt? Ich habe gehört, dass diese wöchentlichen Besprechungen über die Verbrechensstatistiken im Hauptquartier für alle Revierleiter hart sind, nicht nur für meinen.“
„Allerdings“, stimmte er nickend zu. „Die sollten einen Abfluss in den Boden einbauen, damit das Blut ablaufen kann. Grün.“
„Herrgott, die Ampel ist doch gerade erst umgesprungen.“ Nikki trat aufs Gas.
„Tut mir leid. Das macht Dutch auch verrückt. Ich sage Ihnen, ich muss aus diesem Taxi rauskommen.“ Er ließ sein Fenster herunter und spuckte aus. Als er es wieder schloss, sagte er: „Hier geht es nicht nur um die Statistiken. Ich habe einen Kumpel bei der Dienstaufsichtsbehörde. Ihr Mann ist auf deren Radar.“
„Unsinn.“
„Nein, im Ernst.“
„Weswegen?“
Er zuckte übertrieben mit den Schultern. „Es ist die Dienstaufsichtsbehörde, also was denken Sie?“
„Nein. Ich glaube das nicht“, beharrte sie.
„Dann lassen Sie’s eben bleiben. Vielleicht ist er sauber, aber ich versichere Ihnen, dass sein Kopf auf dem Richtblock liegt und sie schon die Axt schärfen.“
„Nicht vielleicht. Montrose ist sauber.“ Sie bog nach links auf die Fünfundachtzigste Straße ab. Anderthalb Blocks vor ihnen konnte sie ein Kreuz auf einem Kirchendach ausmachen. Die Wohnungen auf der anderen Seite des Hudson wurden von der aufgehenden Sonne in pinkfarbenes Licht getaucht. Nikki schaltete ihre Scheinwerfer aus, als sie die West End Avenue überquerte.
„Wer weiß?“, meinte Feller. „Wenn Sie befördert werden, können Sie das Revier vielleicht übernehmen, wenn er untergeht.“
„Er wird nicht untergehen. Montrose steht unter Druck, aber er gehört zu den anständigsten Menschen, die ich kenne.“
„Wenn Sie das sagen.“
„Das tue ich. Er ist unangreifbar.“
Als Nikki vor dem Pfarrhaus ausstieg, wünschte sie, sie hätte die Fahrt alleine unternommen. Nein, tatsächlich wünschte sie sich, dass Feller sie einfach auf einen Drink oder zum Bowling oder zum Sex eingeladen hätte. Mit all diesen Möglichkeiten hätte sie sich lieber auseinandergesetzt.
Sie streckte die Hand nach der Klingel aus, doch bevor sie auf den Knopf drücken konnte, sah sie durch das Buntglasfenster in der Tür einen kleinen Kopf, und die Tür wurde geöffnet. Dahinter stand eine winzige Frau Ende sechzig.
Nikki entsann sich der Notizen, die sie sich anhand der Botschaft des Einsatzverbrechenszentrums gemacht hatte. „Guten Morgen, sind Sie Lydia Borelli?“
„Ja, und Sie sind von der Polizei, das ist eindeutig.“
Nachdem sie ihr ihre Ausweise gezeigt und sich vorgestellt hatten, fragte Nikki: „Und Sie haben wegen Pater Graf angerufen?“
„Oh, ich war ganz krank vor Sorge. Bitte, kommen Sie doch rein.“ Die Lippen der Haushälterin zitterten, und ihre Hände zuckten nervös. Als sie die Tür schließen wollte, verfehlte sie die Türklinke und musste erneut danach greifen. „Haben Sie ihn gefunden? Geht es ihm gut?“
„Mrs. Borelli, haben Sie vielleicht ein aktuelles Foto, das ich mir ansehen könnte?“
„Vom Pater? Nun, ich bin sicher, dass hier irgendwo … Ah, ich weiß.“
Sie führte sie über dicke Teppiche, die ihre Schritte dämpften, durchs Wohnzimmer und ins anliegende Studienzimmer des Pastors. Auf den Regalbrettern des Einbauschranks über dem Schreibtisch standen mehrere Fotos in Glasrahmen zwischen Büchern und diversem Schnickschnack. Die Haushälterin nahm eins herunter und fuhr mit den Fingern über den oberen Rand des Rahmens, um ihn vom Staub zu befreien, bevor sie ihn Nikki reichte. „Das ist vom letzten Sommer.“
Heat und Detective Feller standen nebeneinander, um es zu betrachten. Der Schnappschuss war auf einer Art Protestveranstaltung aufgenommen worden und zeigte den Priester mit drei lateinamerikanischen Demonstranten. Sie hatten die Arme ineinander verschränkt und führten den Marsch hinter einem Spruchband an. Pater Grafs Gesicht, das mitten beim Verkünden eines Protestrufs eingefangen worden war, war definitiv dasselbe wie das der Leiche im Pleasure Bound.
Die Haushälterin nahm die Neuigkeit stoisch auf, bekreuzigte sich und neigte dann den Kopf zu einem stummen Gebet. Als sie fertig war, konnte man ihre Adern an ihren Schläfen durchscheinen sehen, und Tränen liefen ihre Wangen hinab. Auf dem Beistelltisch neben dem Sofa stand eine Schachtel mit Taschentüchern. Nikki hielt sie ihr hin, und sie nahm eins.
„Wie ist es passiert?“, wollte sie wissen und starrte dabei auf das Taschentuch in ihren Händen.
So zerbrechlich, wie die Frau erschien, hielt Heat es für besser, ihr momentan keine Details über den Tod des Priesters während einer Folter- und Demütigungssitzung in einem Sadomasostudio zu nennen. „Das untersuchen wir noch.“
Dann sah sie auf. „Hat er gelitten?“
Detective Feller zwinkerte Nikki zu und wandte sich ab, um sein Gesicht zu verbergen. Plötzlich schien er sehr damit beschäftigt zu sein, das Foto zurück ins Regal zu stellen.
„Sobald uns der Bericht der Gerichtsmedizin vorliegt, werden wir mehr wissen“, antwortete Nikki und hoffte, dass ihr Ausweichmanöver elegant genug war, dass die Frau es ihr abkaufte. „Wir wissen, dass das ein schwerer Verlust für Sie ist, aber in Kürze, nicht jetzt sofort, werden wir Ihnen einige Fragen stellen müssen, die uns weiterhelfen könnten.“
„Natürlich, was immer Sie benötigen.“
„Momentan wäre es sehr hilfreich, wenn wir uns hier im Pfarrhaus umsehen könnten, Mrs. Borelli. Sie wissen schon, seine Papiere durchsuchen, einen Blick ins Schlafzimmer werfen.“
„Und in seinen Schrank“, fügte Feller hinzu.
Nikki schritt ein. „Wir wollen nach allem suchen, das uns helfen könnte, denjenigen zu finden, der das getan hat.“
Die Haushälterin sah sie verwirrt an. „Noch mal?“
„Ich sagte, wir würden gerne die …“
„Ich habe gehört, was Sie gesagt haben. Ich meinte, müssen Sie alles noch mal durchsuchen?“
Heat lehnte sich näher an die Frau heran. „Wollen Sie damit sagen, dass jemand dieses Haus bereits durchsucht hat?“
„Ja. Gestern Abend. Ein anderer Polizist. Er sagte, er würde wegen meiner Vermisstenanzeige ermitteln.“
„Oh, natürlich, manchmal überschneiden sich unsere Ermittlungen“, sagte Nikki. Das mochte durchaus der Fall sein, doch ihr Unbehagen wuchs. Sie sah zu Feller und erkannte, dass er ebenfalls misstrauisch war. „Darf ich fragen, wer der Polizist war?“
„Ich habe seinen Namen vergessen. Er hat ihn mir genannt, aber ich war so aufgewühlt. Eine altersbedingte Gedächtnislücke.“ Sie kicherte und unterdrückte dann ein Schluchzen. „Er hat mir eine Marke gezeigt, die wie Ihre aussah, also ließ ich ihn rein. Ich sah fern, während er sich überall umschaute.“
„Nun, ich bin sicher, dass er einen Bericht eingereicht hat.“ Nikki schlug ihren spiralgebundenen Notizblock auf. „Aber vielleicht kann ich mir den Behördenkram ersparen, wenn Sie ihn mir beschreiben.“
„Natürlich. Groß. Schwarz, oder muss man heutzutage afroamerikanisch sagen? Sehr angenehm. Er hatte ein freundliches Gesicht. Kahlköpfig. Oh, und er hatte ein kleines Muttermal oder einen Leberfleck oder so was, genau hier.“ Sie deutete auf die entsprechende Stelle auf ihrer Wange.
Heat hörte auf zu schreiben und steckte die Kappe auf ihren Stift. Sie hatte alles, was sie brauchte. Die Haushälterin hatte soeben Captain Montrose beschrieben.
Detective Heat war sich nicht sicher, was ihr lieber gewesen wäre: aufs Revier zu kommen und Captain Montrose in seinem Büro vorzufinden, damit sie ihn wegen seines Besuchs im Pfarrhaus am vergangenen Abend befragen konnte, oder nur auf einen leeren Stuhl zu treffen, damit ihr diese Besprechung noch eine Weile erspart bliebe. Wie es der Zufall wollte, war sie an diesem Morgen – wie schon an so vielen anderen – diejenige, die das Licht im Hauptraum des Morddezernats einschaltete. Das Büro des Captains war verschlossen, und hinter der Glasscheibe, durch die er in den Hauptraum sehen konnte, war alles dunkel. Ihre Gefühle beim Anblick des leeren Büros beantworteten die Frage, was ihr lieber gewesen wäre: Sie war enttäuscht. Nikki war niemand, der lange zögerte, und besonders wenn ihr ein Thema unangenehm war, wollte sie die Sache instinktiv zur Sprache bringen und sich mit dem Problem auseinandersetzen.
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