Chat-Kommunikation und Face-to-face-Kommunikation - Ein konversationsanalytischer Vergleich - Sebastian Stumpf - E-Book

Chat-Kommunikation und Face-to-face-Kommunikation - Ein konversationsanalytischer Vergleich E-Book

Sebastian Stumpf

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  • Herausgeber: GRIN Verlag
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2005
Beschreibung

Magisterarbeit aus dem Jahr 2005 im Fachbereich Sprachwissenschaft / Sprachforschung (fachübergreifend), Note: 2,0, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (Geisteswissenschaften), Sprache: Deutsch, Abstract: Ich habe in dieser Arbeit zum Ziel, eine gesprächsanalytische Untersuchung von Chat-Kommunikation vorzunehmen und sie mit Face-to-face-Konversation zu vergleichen. Im zweiten Kapitel liefere ich einen Einblick in die Chat-Kommunikation und ihre Besonderheiten. Dafür stelle ich in Abschnitt 2.2 die technischen und kommunikativen Rahmenbedingungen dar, die im erheblichen Maße die Interaktion im Chat beeinflussen. Im letzten Abschnitt des zweiten Kapitels wird noch die Bedeutung von Nicknames im Chat beschrieben. Das dritte Kapitel befasst sich mit der medialen und konzeptionellen Einordnung von Chat-Kommunikation. Mit Hilfe der Forschungsergebnisse von Koch/Oesterreicher (1994) wird die Frage behandelt, ob es sich beim Chat um ein Gespräch oder einen Text handelt, die in Abschnitt 3.3 schließlich geklärt werden soll. Im vierten Kapitel gehe ich zum Hauptteil der Arbeit über, einen umfassenden Vergleich der Chat-Kommunikation mit Face-to-face-Gesprächen. Im ersten Teil nehme ich einen Vergleich auf der Ebene der Gesprächsorganisation vor. Dafür erläutere ich zunächst die Gesprächorganisation in der Face-to-face-Kommunikation und dabei insbesondere das Turn-taking-Modell von Sacks/Schegloff/Jefferson (1974), um danach die Organisation von Chat-Gesprächen darzustellen und Unterschiede sowie Gemeinsamkeiten herauszuarbeiten. Die Kernfrage ist, inwiefern das Turn-taking-Modell in der Chat-Kommunikation überhaupt zum Einsatz kommt. Abschnitt 4.1.6 stellt zu dieser Frage erst die Positionen von Nils Lenke und Peter Schmitz (1995) sowie von Denise E. Murray (1989) vor, bei denen es sich um Gegner des Turn-taking-Modells im Chat handelt. Diese Positionen werden in den folgenden Abschnitten auf ihren Wahrheitsgehalt untersucht, wofür ich Auszüge aus einem allgemeinem Web-Chat verwende, der sowohl für registrierte als auch nicht registrierte Benutzer zugänglich ist. Anhand eines größeren Chat-Auszugs untersuche ich, inwieweit in Chat-Gesprächen Elemente des Turn-taking-Modells auftauchen. In Abschnitt 4.1.7 ziehe ich schließlich ein Fazit. Im zweiten Teil untersuche ich, in welchem Maße nonverbales Verhalten und paralinguistische Elemente aus Face-to-face-Gesprächen in der Chat-Kommunikation simuliert werden können und auch müssen.

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Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Grundsätzliches zur Chat-Kommunikation
2.1. Das Neue an der Chat-Kommunikation
2.2. Technische und kommunikative Rahmenbedingungen
2.3. Besonderheiten der Chat-Kommunikation
2.4. Nicknames
3. Zwischen Schriftlichkeit und Mündlichkeit
3.1. Elemente konzeptioneller Mündlichkeit in der Chat-Kommunikation
3.2. Mediale und konzeptionelle Mündlichkeit bzw. Schriftlichkeit
4.1. Gesprächsorganisation
4.1.1. Allgemeine Prinzipien der Gesprächsorganisation
4.1.2. Sprecherwechsel in Face-to-face-Gesprächen
4.1.3. Reparaturprozeduren in Face-to-face-Gesprächen
4.1.6. Sprecherwechsel in der Chat-Kommunikation
4.1.6.1. Paarsequenzen in der Chat-Kommunikation
4.1.6.3. Reparaturprozeduren
4.1.6.4. Einzelgespräch/ Mehrpersonengespräch
4.1.7. Fazit
4.2. Darstellung von paralinguistischen und nonverbalen Elementen im Chat
4.2.1. Substitutionsmöglichkeiten
4.2.1.1. Emoticons
4.2.1.3. Großschreibung
4.2.1.4. Buchstaben- und Satzzeichen-Reduplikation
4.2.2. Fazit
5. Zusammenfassung

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1. Einleitung

Ich habe in dieser Arbeit zum Ziel, eine gesprächsanalytische Untersuchung von Chat-Kommunikation vorzunehmen und sie mit Face-to-face-Konversation zu vergleichen. Im zweiten Kapitel liefere ich einen Einblick in die Chat-Kommunikation und ihre Besonderheiten. Dafür stelle ich in Abschnitt 2.2 die technischen und kommunikativen Rahmenbedingungen dar, die im erheblichen Maße die Interaktion im Chat beeinflussen. Im letzten Abschnitt des zweiten Kapitels wird noch die Bedeutung von Nicknames im Chat beschrieben.

Das dritte Kapitel befasst sich mit der medialen und konzeptionellen Einordnung von Chat-Kommunikation. Mit Hilfe der Forschungsergebnisse von Koch/Oesterreicher (1994) wird die Frage behandelt, ob es sich beim Chat um ein Gespräch oder einen Text handelt, die in Abschnitt 3.3 schließlich geklärt werden soll. Im vierten Kapitel gehe ich zum Hauptteil der Arbeit über, einen umfassenden Vergleich der Chat-Kommunikation mit Face-to-face-Gesprächen. Im ersten Teil nehme ich einen Vergleich auf der Ebene der Gesprächsorganisation vor. Dafür erläutere ich zunächst die Gesprächorganisation in der Face-to-face-Kommunikation und dabei insbesondere das Turn-taking-Modell von Sacks/Schegloff/Jefferson (1974), um danach die Organisation von Chat-Gesprächen darzustellen und Unterschiede sowie Gemeinsamkeiten herauszuarbeiten. Die Kernfrage ist, inwiefern das Turn-taking-Modell in der Chat-Kommunikation überhaupt zum Einsatz kommt. Abschnitt 4.1.6 stellt zu dieser Frage erst die Positionen von Nils Lenke und Peter Schmitz (1995) sowie von Denise E. Murray (1989) vor, bei denen es sich um Gegner des Turn-taking-Modells im Chat handelt. Diese Positionen werden in den folgenden Abschnitten auf ihren Wahrheitsgehalt untersucht, wofür ich Auszüge aus einem allgemeinem Web-Chat verwende, der sowohl für registrierte als auch nicht registrierte Benutzer zugänglich ist. Anhand eines größeren Chat-Auszugs untersuche ich, inwieweit in Chat-Gesprächen Elemente des Turn-taking-Modells auftauchen. In Abschnitt 4.1.7 ziehe ich schließlich ein Fazit.

Im zweiten Teil untersuche ich, in welchem Maße nonverbales Verhalten und paralinguistische Elemente aus Face-to-face-Gesprächen in der Chat-Kommunikation simuliert werden können und auch müssen. Dafür stelle ich in den nächsten Abschnitten die verschiedenen Substitutionsmöglichkeiten dar und zeige auch hier anhand von Beispielen aus der Chat-Kommunikation, wie sie eingesetzt werden und welche Auswirkungen sie auf die Kommunikation haben. In 4.2.2 ziehe ich zu diesem Thema ein weiteres Fazit

Zum Abschluss dieser Arbeit fasse ich in Abschnitt 5 die wichtigsten Punkte dieser Arbeit noch einmal zusammen.

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2. Grundsätzliches zur Chat-Kommunikation

2.1. Das Neue an der Chat-Kommunikation

Durch den Medienwandel der letzten Jahre ist eine Fülle neuer Kommunikationsformen entstanden. Hierbei muss besonders die Errungenschaft des Internets herausgestellt werden und das daraus entstandene E-Mailen und Chatten. Diese Kommunikationsformen sind heutzutage äußerst populär und aus unserer Gesellschaft nicht mehr wegzudenken. Die Tatsache, dass sich im Internet Netzwerkdienste etabliert haben, die eine direkte sprachliche Kommunikation zwischen den Benutzern des Internets ermöglichen und sich zudem immer weiter ausbreiten, ist vom großen linguistischen Interesse (Beisswenger 2000: 13), da es sich um neue bis dato unerforschte Kommunikationsformen handelte. Der Chat stellt hierbei, im Gegensatz zur zeitversetzten E-Mail- und Foren-Kommunikation, eine bemerkenswerte Novität dar. Die Kommunikationspartner etablieren einen gemeinsamen Kommunikationsraum, indem sie sich mittels getippter Beiträge miteinander unterhalten können. „Zum ersten Mal wird schriftliche Sprache genuin und im großen Stil für die situationsgebundene, direkte und simultane Kommunikation genutzt.“ (Storrer 2001: 439) „Im großen Stil“ bedeutet, dass die Direktkommunikation über das Medium „Schrift“ nicht mehr länger auf Randbereiche beschränkt bleibt. Zwar bestand schon vorher die Möglichkeit zur schriftbasierten Direktkommunikation1, jedoch war es gegenüber dem Sprechen keine ökonomische Kommunikationsform und deshalb weniger genutzt. Mit „genuiner Nutzung von schriftlicher Sprache“ ist gemeint, dass „die Schriftlichkeit in keinem systematischen Verhältnis zu einer vorgängigen oder nachträglichen medialen Mündlichkeit steht“ (Storrer 2001: 439), d.h. die Chat-Texte sind nicht für die mündliche Wiedergabe konzipiert. Eine sehr wichtige Neuheit des Chat besteht darin, dass man in der Regel davon ausgehen kann, dass der Chat-Teilnehmer, dessen Beitrag man gerade liest, in diesem Moment ebenfalls am Chat teilnimmt und den Kommunikationsverlauf verfolgt. Die Anwendungsmöglichkeiten für die Kommunikationsform „Chat“ nehmen immer weiter zu. Das Treffen im Chatraum kann z.B. ein Telefonat oder eine Telefonkonferenz ersetzen. Auch Beratungsgespräche, auf welchem Gebiet auch immer, können im Chat organisiert werden. Im Freizeitbereich dient der Chat u.a. zur Kontaktaufnahme und -pflege, oder einfach als Forum für Unterhaltungen. Die Anonymität dieses

Kommunikationsmediums bietet die Möglichkeit unter dem Schutz der Anonymität und unverbindlich verborgene Persönlichkeitsanteile auszuleben. Für Menschen, die viel am Computer arbeiten, bietet der Chat die Möglichkeit die Isolation des Arbeitsplatzes aufzuheben, oder sich einfach nur abzulenken (Vgl. Döring 1998: 112). „Der Chat ist

1Computervermittelte Kommunikation gab es schon lange bevor sich die Chat-Kommunikation durchsetzte. In den spätern sechziger Jahren begann man vor allem in den USA so genannte Mailboxen zu betreiben. Sie dienten

dazu, in Foren Meinungen auszutauschen und Dateien zur Verfügung zu stellen. Außerdem konnten sich die

Mailbox-User untereinander E-Mails senden. Die ersten Chats entstanden im Rahmen dieser Mailboxen und

dienten den Usern dazu, mit dem Betreiber der Mailbox Kontakt aufzunehmen. Interessant wurde diese Art der

Kommunikation erst, als die ersten Mailboxen an mehrere Telefonleitungen zugleich angeschlossen wurden. So

konnten sich mehrere User zur gleichen Zeit einwählen, und natürlich dauerte es nicht lange, bis die ersten Chats

entwickelt waren und sich sogleich größter Beliebtheit erfreuten. Mit dem Siegszug des Internets wuchsen auch

die Chat-Systeme.

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also keine neue kommunikative Gattung oder Gesprächsart, sondern eine Kommunikationstechnologie, mit der sich einerseits viele ‚traditionelle’ Gesprächsarten in getippter Form organisieren lassen , in der aber auch neue Gesprächsarten entstehen, die kein Pendant in der Mündlichkeit mehr haben.“ (Storrer 2001: 440) Zwar weisen die Chats Ähnlichkeit mit schon vorhandenen Gesprächsarten in getippter Form auf (hierzu mehr in Kapitel 3), doch könnte man sich bei Chat-Protokollen aufgrund ihrer kommunikationstechnischen und sprachlichen Besonderheiten nur unter großen Schwierigkeiten vorstellen, sie mündlich vortragen zu lassen, d.h. die technischen Randbedingungen machen die Chats zu einer neuen Kommunikationsform, die sich durch spezifische kommunikative Merkmale und durch eigene sprachliche Strukturen auszeichnet. Im nächsten Abschnitt werden diese technischen und kommunikativen Rahmenbedingungen nun genauer dargestellt.

2.2. Technische und kommunikative Rahmenbedingungen

Der Chat, wie wir ihn heute kennen wurde in seinen Grundzügen 1988 von dem finnischen Studenten Jarkko Oikarinen entwickelt. Obwohl dieses

Kommunikationssystem ursprünglich lediglich für eine lokale Mailbox konzipiert war, hat es bis heute allen anderen Online-Kommunikationsformen den Rang abgelaufen. Es handelt sich um eine Kommunikationsform, die es den Teilnehmern möglich macht, direkt, synchron und wechselseitig über das Internet zu kommunizieren. Die Textproduktion erfolgt über Computertastatur und erscheint nach Drücken der Return-oder Entertaste auf dem Bildschirm aller Chat-Teilnehmer. Technisch gesehen handelt es sich beim Chat um eine Form synchroner computervermittelter Kommunikation (Computer-mediated communication, kurz CMC), die auf dem Client-Server-Prinzip basiert. Um diese Kommunikationsform nutzen zu können, muss eine Software, ein so genanntes Client-Programm, installiert werden, die den Datenaustausch zwischen dem Client, also dem Computer des Teilnehmers, und dem zentralen Chat-Server ermöglicht (vgl. Storrer 2001). Zunächst wird die Verbindung zum Internet hergestellt, dann das Chat-Programm aktiviert und schließlich erfolgt die Einwahl in einen so genannten Chatraum bzw. Kanal (Um ein Chaos bei der von so vielen Teilnehmern genutzten Kommunikationsform zu vermeiden, unterteilt man dieses weltumspannende Netz in Kanäle oder Chaträume). Der letzte Schritt ist die Eingabe des Textes und die Bestätigung mittels Drücken der Enter-Taste. Dadurch wird der produzierte Text an den Server geschickt, der ihn dann an alle beteiligten Rechner weiterschickt, bis er letztendlich auf den Displays der beteiligten Chat-Teilnehmer erscheint. Der Abstand zwischen Bestätigen und dem Erscheinen auf dem Bildschirm ist nahezu zeitgleich. Das Angebot an Chaträumen ist beinahe grenzenlos, jedoch muss zwischen drei verschiedenen schriftbasierten Chat-Formen1unterschieden werden:

1Schriftbasierte Chat-Formen sind die gängigen; nicht schriftbasierte, sondern grafische Chat-Formen kommen nur sehr selten vor und können zu den Sonderformen des Chat gerechnet werden.

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- DemInternet-Relay-Chat (IRC),der in den späten 80-er Jahren von dem finnischen Studenten Jarkko Oikarinen entwickelt wurde und von einem Verbund von IRC-Servern als eigenständiger Dienst spezieller Client-Software betrieben wird.

- Den so genanntenWeb-Chats,die mit Hilfe von gängigen WWW-Browsern (z.B. Netscape, MS Internet-Explorer) genutzt werden können - DenOnline-Chats,die von großen Providern mit spezieller Client-Software organisiert werden. (Vgl. Runkehl/Schlobinski/Siever 1998: 84) Die Unterschiede zwischen diesen drei Chat-Formen, die überwiegend technischer Natur sind, sind für die weitere Arbeit nicht von Belang. Von großer Bedeutung sind allerdings die technischen Rahmenbedingungen, die alle drei Chat-Formen gemein haben.