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Folge 46 der britischen Erfolgsserie
Als ein wertvoller mittelalterlicher Kelch aus der St. James Kirche gestohlen wird, sieht es zunächst nach dem Werk einer professionellen Diebesbande aus. Doch als Jack und Sarah den Fall genauer untersuchen, kommt ihnen der Verdacht, dass jemand den Dieben geholfen hat. Kann es wirklich sein, dass ein Mitglied des Kirchenvorstandes in das Verbrechen verwickelt ist? Bald entdecken die beiden Hobbydetektive, dass auch in der frommen Welt des Glaubens echte Gefahren lauern können.
Über die Serie: "Cherringham - Landluft kann tödlich sein" ist unsere erfolgreichste Cosy-Crime-Serie. Jede Folge ist unabhängig lesbar und geeignet, in die Welt von Cherringham einzusteigen. Cherringham ist ein beschauliches Dorf in den englischen Cotswolds. Doch mysteriöse Vorfälle, eigenartige Verbrechen und ungeklärte Morde halten die Bewohner auf Trab. Zum Glück bekommt die örtliche Polizei tatkräftige Unterstützung von Sarah und Jack. Die alleinerziehende Mutter und der ehemalige Cop aus New York lösen jeden noch so verzwickten Fall. Und geraten das ein oder andere Mal selbst in die Schusslinie ...
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Seitenzahl: 168
Cover
Grußwort des Verlags
Über diese Folge
Cherringham – Landluft kann tödlich sein – Die Serie
Die Hauptfiguren
Titel
1. Eine dunkle, stürmische Nacht
2. Der Tatort
3. Mehr Tee, Vikar?
4. Eine Runde mit dem Major
5. Zur Mittwochnacht
6. Nicht die ganze Wahrheit?
7. Ein Pint im Angel
8. Chili auf der Goose
9. Sonntagsgottesdienst
10. Enthüllungen
11. Die Schuldigen
12. Von Angesicht zu Angesicht
13. Eine Sackgasse
14. Enthüllungen
15. Das Wunder des Kelchs
Über die Autoren
Impressum
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Als ein wertvoller mittelalterlicher Kelch aus der St. James Kirche gestohlen wird, sieht es zunächst nach dem Werk einer professionellen Diebesbande aus. Doch als Jack und Sarah den Fall genauer untersuchen, kommt ihnen der Verdacht, dass jemand den Dieben geholfen hat. Kann es wirklich sein, dass ein Mitglied des Kirchenvorstandes in das Verbrechen verwickelt ist? Bald entdecken die beiden Hobbydetektive, dass auch in der frommen Welt des Glaubens echte Gefahren lauern können.
»Cherringham – Landluft kann tödlich sein« ist eine Cosy-Crime-Serie, die in dem vermeintlich beschaulichen Städtchen Cherringham spielt. Regelmäßig erscheinen sowohl auf Deutsch als auch auf Englisch spannende und in sich abgeschlossene Fälle wie auch Romane mit dem Ermittlerduo Jack und Sarah.
Jack Brennan hat jahrelang für die New Yorker Mordkommission gearbeitet – und fast genauso lange von einem Leben in den englischen Cotswolds geträumt. Mit einem Hausboot im beschaulichen Cherringham ist für ihn ein langgehegter Traum in Erfüllung gegangen. Doch etwas fehlt ihm. Etwas, das er einfach nicht sein lassen kann: das Lösen von Kriminalfällen.
Sarah Edwards ist Webdesignerin. Nachdem ihr perfektes bürgerliches Leben in sich zusammengefallen ist, kehrt sie mit ihren Kindern im Schlepptau in ihre Heimatstadt Cherringham zurück, um dort neu anzufangen. Das Kleinstadtleben ist ihr allerdings oft zu langweilig. Gut, dass sie in Jack einen Freund gefunden hat, mit dem sie auch in der vermeintlichen Idylle echte Abenteuer erleben kann!
Matthew CostelloNeil Richards
CHERRINGHAM
LANDLUFT KANN TÖDLICH SEIN
Der verschwundene Kelch
Aus dem Englischen von Sabine Schilasky
Ray Stroud blieb an der Friedhofspforte von St James stehen, eine Hand an dem kalten, rostigen Metall.
Im heulenden Wind zog er seine Jacke weiter zu, neigte sich vor und starrte leicht schwankend in die Dunkelheit.
Vor sich – in der stockfinsteren Nacht und unter den ächzenden, knarrenden Bäumen – konnte er eben die Grabmale und Steine von Cherringhams lang Verstorbenen ausmachen. Nicht dass Ray irgendjemanden gekannt hätte, der hier lag.
Er fröstelte. Gefallenes Laub wirbelte auf, und er glaubte, seltsame Formen in dessen Schatten zu sehen – beinahe, als wäre es lebendig.
Zeit, sich von hier zu verziehen.
Er blickte auf, um sich zu fangen und sah, wie der Mond einem grinsenden Gesicht gleich hinter dicken Wolken auftauchte.
Wie in einem Kinderspiel – Huhu, wo bin ich? oder Ich sehe dich!
Aber bei allem, was er sich heute Abend gegönnt hatte, war zu langes Nach-oben-Schauen gar nicht gut und brachte ihn ins Torkeln. Er packte die Pforte fester. Diese rasenden Wolken versetzten seinen Magen in Bewegung, als wäre er auf einem schlingernden Boot.
Und der Wind! Der lief so richtig zur Hochform auf und drohte ihn jeden Moment umzuwerfen!
Links von sich sah er die dunklen Umrisse der Kirche, die wirkte, als würde auch sie ihn beobachten, wie er nach Hause zu kommen versuchte.
Erneut schaffte es der Mond hinter den Wolken hervor und färbte den Kirchturm knochenweiß, ehe die Wolken ihn rasch wieder in Dunkelheit hüllten.
Rechts waren die vagen Umrisse der Kirchenmauer zu sehen, dahinter das Dach des Gemeindesaals, der um diese nächtliche Stunde dunkel und verlassen war.
Jetzt musste Ray eine Entscheidung treffen.
Hundert Meter vor ihm – jenseits des Kirchhofs und ein bisschen weiter den Weg hinunter – war die kleine Pforte zur Cherringham High Street und dem Pfad, der zum Fluss führte, an dem sein wunderbar warmer Kahn vertäut war.
So nahe.
Doch sollte er wirklich diese Abkürzung zwischen den Gräbern hindurch nehmen?
Nicht dass er abergläubisch wäre. Er doch nicht!
Dennoch … In Nächten wie dieser passieren schon mal Sachen. Was, wenn einer der Bäume umstürzt? Oder Dachschindeln runterfliegen?
Oder, schlimmer noch, auch das war eine wirklich blöde Vorstellung, wie er wusste …
Aber nach reichlich Drinks und mehr als genug zu rauchen, fragte er sich unweigerlich …
Was, wenn die Geister all dieser Royalisten-Soldaten, die in der Schlacht von Cherringham so brutal niedergemetzelt wurden und hier begraben liegen, wach werden und auf Rache aus sind?
Und mich finden?
Was für ein dämlicher Gedanke! Aber …
Ja, vielleicht sollte ich den längeren Weg über die Nebenstraße nehmen.
Ray machte einen Schritt, als wäre seine Entscheidung gefällt.
Andererseits wusste er, dass er riskierte, auf die Motorradgang zu treffen, die beim Kebab-Imbiss abhing und immer in Prügellaune war.
In einer normalen Nacht würde Ray nicht zögern.
Aber diese war nicht normal. Und Ray fühlte sich gar nicht auf der Höhe. Eher durcheinander und zittrig. Wie eben manche Abende endeten.
Dabei hatte es recht harmlos angefangen: Einige nette Joints mit Ian und Maggie bei Sonnenuntergang an Deck ihres Boots. Danach ein schöner Spaziergang zum Ploughman auf eine kurze Runde Billard, bevor er sich vielleicht ein Curry holte, das er in die alte Mikrowelle stecken könnte.
Tja, das war der Plan gewesen.
Irgendwie war es dann auf sechs Pints Guinness hinausgelaufen, ohne auch nur eine Tüte Chips, um die viele Flüssigkeit aufzusaugen. Und dann hatte er noch oben in der Railway Tavern Tequila Shots gekippt, bis sie zumachten – gefolgt von ein paar fragwürdigen Joints und Cider-Dosen mit seinen Kumpels auf den Schaukeln vom Kinderspielplatz.
Und die Joints hauten jetzt gerade richtig rein. Dazu dieses Gewitter, das sich zusammenbraute, und der kreischende Wind …
Er war echt auf schlechtem Zeug. Keine Frage.
Was bedeutete, dass jeder Schatten, jedes Knarzen eines Asts, jeder aufgewirbelte Laubhaufen sein Herz halb ausflippen und sein Hirn schreien ließ »Lauf, Ray, lauf!«
Also, was jetzt? Ray holte tief Luft in der Hoffnung, dass es seine absurde Angst dämpfte. Kebab-Laden oder Geister?
Im nächsten Moment, als würde irgendetwas antworten, wurde es plötzlich hell auf dem Friedhof. Ein gigantischer Blitz erleuchtete alles grellweiß, dicht gefolgt von einem krachenden Donner.
Und dann – als wäre das noch nicht genug – begann es zu regnen. Ein Platzregen, ohne Vorwarnung, kein sanfter Schauer, oh nein, sondern eine totale Flut, die da runterkam!
Moment mal, dachte Ray, von jetzt auf gleich völlig durchnässt. Das hier ist doch ein Kirchhof. Wo angeblich Gott zu Hause ist!
Also, ja, Regen, Donner, Blitz – aber eigentlich kann hier nichts Übles passieren, oder?
Er strich mit der Hand über die Pforte, hob den Riegel und ging hindurch, um sogleich so schnell zu laufen, wie es seine unkoordinierten Beine erlaubten.
Er hatte die Hälfte des Weges bereits hinter sich, als ein weiterer greller Blitz alles beleuchtete. Ray erschrak. In diesem Moment glaubte er, ein Gesicht hinter einem der Grabmäler hervorspähen zu sehen, das direkt zu ihm schaute!
Es wurde wieder dunkel, und Ray, der vorübergehend vom Blitz geblendet war, blieb wie versteinert stehen, rieb sich die Augen und blickte noch einmal hin.
Doch das Gesicht war wieder in der Dunkelheit verschwunden.
Was bin ich für ein Idiot! Langsam beruhigte sich sein Atem. Seine durchnässten Klamotten klebten an ihm. In meinem Alter Gespenster zu sehen!
Er ging weiter, den Kopf im strömenden Regen gesenkt, auf die andere Pforte und die Straßenlaternen zu. Er war beinahe da, als er hörte – und fühlte –, wie etwas …
Explodiert.
Dieses Geräusch war anders – definitiv kein Donnerkrachen. Und dann fiel es ihm wieder ein. Es war wie das Geräusch, das er vor Jahren gehört hatte, als er noch in den Steinbrüchen und auf den großen Baustellen gejobbt hatte.
Da war eine Sprengladung hochgegangen.
Aber der Lärm schien aus Richtung Kirche zu kommen.
Was überhaupt keinen Sinn ergab.
Ein Feuerwerk vielleicht? Herumalbernde Jugendliche?
Ray machte auf dem Absatz kehrt, weil seine Neugierde über die Angst siegte, während er in den Sturm und den verrückten Regen starrte und versuchte, inmitten des Rauschens und Heulens auf andere Geräusche zu horchen.
Er neigte sogar den Kopf zur Seite, als würde er so besser hören, und tatsächlich war da ein leises Klappern aus der Kirche zu hören. Ja! Ein Scheppern von Metall auf Metall! Etwas war heruntergefallen. Und wurde da eine Tür zugeknallt?
Es war Mitternacht – da müsste die Kirche leer und abgeschlossen sein. Was Ray wusste, weil er in jungen Jahren manch eine Nacht mit seinen Kumpels besoffen genau dort verbracht und versucht hatte, an den Messwein zu kommen – ihn aber nie gefunden hatte.
Jetzt hörte er eine Stimme! Eine Männerstimme. Die rief! Dann ein Stöhnen, wie man es bei einer Prügelei vernahm.
Prompt fürchtete Ray sich nicht mehr vor Geistern oder fliegenden Dachziegeln, sondern vor menschlicher Gewalt. Halb geduckt lief er auf den Schutz der Kirchenmauer zu.
Dann ging er vorsichtig an der Seite der Kirche entlang, wo er immer wieder auf dem durchnässten Laub ausrutschte.
Am Ende der Seitenmauer blieb er stehen und presste sein Gesicht gegen den kalten, nassen Stein. Er linste um die Ecke zu der Stelle, von der er wusste, dass dort der Seiteneingang war.
Und die Tür stand offen!
Drinnen, kaum sichtbar, lag eine Gestalt am Boden, und Ray hörte noch ein Stöhnen. Jemand war dort und verletzt!
Immer noch vorsichtig – und ein wenig klarer, wohl dank des einsetzenden Adrenalinschubs – trat Ray vor und bückte sich zu der auf der Seite liegenden Gestalt auf dem Steinboden hinunter.
Es handelte sich um einen Mann in einem dunklen Wintermantel.
»Alter!«, rief Ray über den lärmenden Wind hinweg. »Alter – alles okay?«
Der Mann stöhnte, murmelte etwas und drehte sich langsam um, als noch ein Blitz explodierte und die Szene in grellem Weiß einfror.
Und eine Kopfwunde sichtbar werden ließ, aus der dem Mann Blut übers Gesicht rann.
Ray erkannte ihn sofort.
Der Major!
Das war jedenfalls sein Spitzname. Ray hatte keine Ahnung, wie er wirklich hieß. Der Typ war Kirchenvorsteher und wohnte direkt neben dem Friedhof.
Ray war kein Fan von ihm. Der Major hatte ihm und seinen Kumpels mal die Cops auf den Hals gehetzt, weil sie auf einem der Gedenksteine Bier getrunken und gegrillt hatten.
»Ü-Überfall«, stammelte der Major, der sich aufzusetzen versuchte. »Jemand hat …«
»Ganz ruhig«, sagte Ray und legte eine Hand auf die Schulter des Mannes. »Bewegen Sie sich nicht. Sie brauchen einen Krankenwagen.«
»Krankenwagen, ja.« Der Major schloss die Augen wieder. »Na, machen Sie schon, Mann! Worauf warten Sie? Rufen Sie an!«
»Ah«, antwortete Ray. »Da könnte es ein Problem geben.«
»Problem?«
»Ja. Na ja, ich habe kein Handy.«
»Was?« Jetzt starrte der Major ihn an – als wäre er sicher, dass Ray log.
»Nee«, sagte Ray. »Ich traue den Dingern nicht. Die horchen einen nämlich ab. Ständig.«
Während der Major ihn weiter entgeistert ansah, schob er eine Hand in seine Manteltasche, holte ein Mobiltelefon hervor und gab es Ray.
»Nehmen Sie meins. Schnell!«, sagte er und sank wieder nach unten, wobei sein Kopf scheußlich auf dem Stein aufschlug.
Ray nahm das Telefon und tippte aufs Display.
»Hier steht … dass ich einen Code brauche. Um es zu wecken oder so? Sehen Sie, deshalb habe ich …«
»Was? Ein Code? Oh ja, richtig. Der ist Waterloo. Waterloo.«
»Was?« Ray verstand nicht, was der Kerl redete. Der alte Abba-Song? Hatte er sich den Kopf vielleicht ein bisschen zu doll angeschlagen?
»Kann nicht der Song sein, Alter«, sagte er. »Das müssen Zahlen sein.«
»Nein, Sie Vollidiot! Die Schlacht von Waterloo! Achtzehnter Juni 1815!«
Ray verkniff sich eine Empfehlung, was ihn der Major mal könnte. Kopfschüttelnd tippte er den Code ein, wählte den Notruf und bat um einen Krankenwagen.
»Rufen Sie auch die Polizei«, sagte der Major. »Die Polizei muss kommen.«
»Sind Sie sicher?«, fragte Ray, dem grundsätzlich unwohl war, wenn die Polizei erwähnt wurde.
»Machen Sie schon, Mann!«, befahl der Major.
Ray bedachte den Major mit einem strengen Blick.
»Übrigens wären Bitte und Danke auch nicht unangebracht«, sagte er. »Ich meine ja nur. Es kostet nix, höflich zu sein, wie meine Mum immer gesagt hat.«
Der Major antwortete nicht, aber Ray vermutete, dass er unter Schock stand, weshalb er einfach tat, was von ihm verlangt wurde, und dem Major sein Telefon zurückgab.
»Sie sind in zehn Minuten hier.«
Der Major steckte sein Handy ein und stützte sich auf einen Ellbogen, um sich aufzurichten. Ray wollte ihn bremsen, doch der Mann sträubte sich. Schließlich gab Ray nach und half ihm auf die Beine.
»Danke, danke«, sagte der Major. Na also, ging doch. Er stand schwankend auf und klopfte sich Schmutz vom Mantel ab. Dann hielt er eine Hand an seinen Kopf. »Verdammt, tut das weh.«
»Was ist passiert?«, fragte Ray, der den Major festhielt, damit er nicht umkippte. »Sind Sie gestürzt?«
»Was? Seien Sie kein Narr«, antwortete der Major. »Jemand hat mich niedergeschlagen. Ich war hier, um die Tür zu überprüfen, wie jede Nacht. Da habe ich Schritte gehört und etwas gesehen. Dann auf einmal, zack, alles schwarz. Ich hatte keine Chance.«
»Klar, bei dem Wetter … Da ist es schwer, irgendwas zu hören. Obwohl ich einen Knall wie von einem Feuerwerk gehört habe. Haben Sie das auch gehört?«
»Ja, habe ich«, sagte der Major, und Ray bemerkte, dass er zur Kirchentür sah. »Warten Sie mal – haben Sie jemanden rauskommen sehen?«
»Nee, ich war ja in die andere Richtung unterwegs.«
»Kommen Sie«, sagte der Major.
Und ehe Ray ihn davon abhalten konnte, stakste der Major unsicher hinüber und durch die Kirchentür ins dunkle Innere. Ray folgte ihm.
Als er das Innere der Kirche betrat, roch er Rauch – ein vertrauter Geruch, den er jedoch nicht recht zuordnen konnte.
»Der Strom ist aus«, flüsterte der Major, der einen Schalter betätigte. Dann holte er sein Handy wieder hervor und schaltete dessen Licht ein. »Deshalb muss die Alarmanlage aus gewesen sein. Wie auch immer, bleiben Sie bei mir. Und passen Sie auf: Die könnten noch hier sein.«
Ray war sich nicht sicher, wer die sein sollten.
Doch er hatte das Gefühl, dass ihm keine andere Wahl blieb, als dem Major und dem Lichtkegel aus dessen Handy zu folgen.
Er schaute sich um, auch wenn bei der spärlichen Beleuchtung wenig zu sehen war. Ray wusste, dass dieser Teil der Kirche Sakristei hieß; eine Art geheimer Kirchenraum, den die Öffentlichkeit nie betrat.
Ansonsten wusste Ray nicht viel darüber, was in Kirchen stattfand.
Weiter vorn öffnete der Major eine andere Tür, und Ray folgte ihm in einen sehr viel kleineren Raum.
»Riechen Sie das?«, fragte der Major.
Plötzlich fiel Ray wieder ein, woher er diesen Geruch kannte. Das war Sprengstoff. Eindeutig. Und im selben Moment wusste er, dass er recht gehabt hatte, was den Knall anging, bevor der Major verletzt wurde.
»Verflucht«, sagte er. »Moment, ich glaube, das ist …«
Ehe er den Satz beenden konnte, sah er den Lichtstrahl auf einem Objekt in einem Schrank landen – einem Safe.
Dessen Tür weit offen stand.
Der Major eilte hin und hockte sich davor. Er bewegte sich jetzt ziemlich sicher, als er die eine Seite des Safes festhielt und tief hineinspähte.
Dann richtete er sich wieder auf, trat zurück und drehte sich um.
»Weg«, sagte der Major, und Ray bemerkte, dass er im Licht seines Handys sehr blass und entsetzt aussah.
»Was?«, fragte Ray.
»Alles.«
»Oh Mist!«, sagte Ray. Zwar hatte er keinen Schimmer, was genau weg war, dennoch nahm er an, dass der Major eine angemessene Reaktion verdiente.
Und tatsächlich regten sich aus den Tiefen seines Gedächtnisses wenige Erinnerungen an das, was er über die Kirche St James wusste – abgesehen von den niedergemetzelten Soldaten des Königs.
»Warten Sie mal«, sagte er. »Sie meinen doch nicht … dieses Becherding? Dieses silberne? Das, das ungefähr eine Tonne Geld wert ist?«
»Doch!«, sagte der Major. Er sank in der Ecke auf die Knie und vergrub das Gesicht in den Händen. »Der Cherringham-Kelch. Er ist weg!«
Und in diesem Moment wurde Ray klar, dass er sich unmöglich nach Hause schleichen konnte, ehe die Polizei hier war.
Er würde die ganze Nacht Fragen beantworten müssen.
Denn so, wie der Safe aussah, und dem Sprengstoffgeruch nach zu urteilen, war eines offensichtlich.
Dieses silberne Becherding – der »Cherringham-Kelch« – ist gestohlen worden.
Mit einem Kaffee in der Hand blieb Jack Brennan an den Pforten von St James stehen und sah sich das Schwarze Brett an. Soweit er sich entsann, hatte er das in all den Jahren, seit er aus New York hergezogen war, noch nie gemacht.
Damals hatte man in dem Glaskasten lediglich verblichene Listen mit Gottesdienstzeiten, Ankündigungen von Kirchenveranstaltungen und die Namen der Mitarbeiter und Ehrenamtlichen mitsamt Telefonnummern gefunden.
Jetzt hingegen konnte er kaum glauben, was er hier sah. Große, farbige Poster zeigten eine Seite von Cherringham und St James, deren Existenz Jack bislang nicht bekannt gewesen war.
Zündende Idee! Unser spaßiger Familiengottesdienst wird elektrisch!
Groovy! Samstag Lunch für Dads und Kids!
Moody Montag! Chillen und den Gedanken nachhängen bei sanften Klängen für den Geist.
Jack leerte seinen Kaffee, warf den Becher in einen nahen Mülleimer und ging den Weg hinauf zur Kirche. Heute Morgen sah der Kirchhof wie ein perfektes Cotswolds-Touristenfoto aus: blauer Himmel, das Laub der Bäume rot und braun über den teils verfallenen Grabsteinen und Statuen, das weiche Gelb der uralten Steine und die gotischen Bögen der Kirche selbst.
Wie Jack sah, wartete Sarah bereits auf einer Bank unter der alten Eiche auf ihn – pünktlich wie immer.
»Tatsächlich habe ich mich gerade gefragt, wann ich dich zuletzt in der Nähe einer Kirche gesehen habe, Jack«, sagte sie, als sie aufstand, und umarmte ihn zur Begrüßung.
»Hey, na hör mal! Willst du etwa andeuten, ich sei ein Ungläubiger?«, fragte Jack grinsend. »Lass dir gesagt sein, dass ich mal Messdiener in St Vinny’s war. Ich habe den Padres sogar bei Hochzeiten geholfen – und Beerdigungen.«
»Damals in Brooklyn? Das ist allerdings lange her.«
»Stimmt«, pflichtete Jack ihr bei, als sie gemeinsam zum Kircheneingang gingen. »Sagen wir, der Allmächtige und ich haben eine Abmachung, uns gegenseitig nur in sehr dringenden Fällen zu belästigen.«
»Tja, vielleicht ist dies einer jener Anlässe.«
»Der Cherringham-Kelch, ja?« Jack blickte zu Sarah, die nickte. »Ich dachte, da ist die Polizei mit vollem Einsatz dran – wie sollen wir da helfen können?«
»Das habe ich mich auch gefragt. Aber Tony wollte es unbedingt.«
Tony Standish war ein alter Freund von Jack und Sarah – ein Anwalt und, wie Jack wusste, auf vielfältige Weise eine Stütze der Gemeinde von Cherringham.
»Als er mich gestern Abend anrief, sagte er sogar wörtlich ›Ihr zwei seid unsere letzte Hoffnung‹.«
»Aha?« Jack schmunzelte. »Also kein Druck, was? Übrigens, ist seine Bitte offiziell?«
»Nicht direkt – oder zumindest noch nicht. Tony fungiert derzeit als stellvertretender Kirchenvorsteher. Ich glaube, er zieht uns auf eigene Faust hinzu.«
»Gut zu wissen«, sagte Jack. »Wir wollen ja nicht, dass dieser ›Ungläubige‹ irgendwelchen Kirchenälteren auf den Schlips tritt, nicht wahr?«
Sie erreichten das Portal, doch Sarah ging weiter.
»Wollen wir nicht rein?«, fragte Jack.
»Wir treffen Tony in der Sakristei. Ein bisschen weniger öffentlich.«
»Und auch noch der Tatort, falls stimmt, was Ray mir erzählt hat.«
Sarah lachte. »Lass mich raten – er hat dir alles schon detailliert geschildert, oder?«
Da Ray auf dem Kahn direkt neben Jacks Grey Goose lebte, hatte Sarah ihn im Laufe der Jahre beinahe so gut kennengelernt wie Jack.
Eine Marke für sich, so viel stand fest. Doch im Grunde eine gute Seele.
»Und ob er das hat! Seit es passiert ist, hört er gar nicht mehr auf, davon zu reden«, antwortete Jack. »Ich kann allerdings nicht behaupten, dass das, was er mir erzählt hat, sonderlich viel Sinn ergibt.«