Cherringham - Ein Dieb in stiller Nacht - Matthew Costello - E-Book

Cherringham - Ein Dieb in stiller Nacht E-Book

Matthew Costello

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  • Herausgeber: beTHRILLED
  • Kategorie: Krimi
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2024
Beschreibung

Weihnachten im Cherringham

Zwei Tage vor Weihnachten wird der junge Liam Byrne bei einem Einbruch erwischt. Seine hochschwangere Frau Shannon ist am Boden zerstört: kein Geld, keine Hoffnung und der Mann im Gefängnis. Doch Liam behauptet, er sei reingelegt worden. Während Cherringham im Schnee versinkt, versuchen Jack und Sarah das Unmögliche - werden sie den wahren Schuldigen finden und Liam rechtzeitig befreien können?

Über die Serie: "Cherringham - Landluft kann tödlich sein" ist unsere erfolgreichste Cosy-Crime-Serie. Jede Folge ist unabhängig lesbar und geeignet, in die Welt von Cherringham einzusteigen. Cherringham ist ein beschauliches Dorf in den englischen Cotswolds. Doch mysteriöse Vorfälle, eigenartige Verbrechen und ungeklärte Morde halten die Bewohner auf Trab. Zum Glück bekommt die örtliche Polizei tatkräftige Unterstützung von Sarah und Jack. Die alleinerziehende Mutter und der ehemalige Cop aus New York lösen jeden noch so verzwickten Fall. Und geraten das ein oder andere Mal selbst in die Schusslinie ...

eBooks von beTHRILLED - mörderisch gute Unterhaltung!


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Seitenzahl: 162

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Inhalt

Cover

Grußwort des Verlags

Über diese Folge

Cherringham – Landluft kann tödlich sein  – Die Serie

Die Hauptfiguren

Titel

1. Alle Jahre wieder

2. Wie die anderen leben!

3. Santa’s Grotto

4. Im Wohnwagen

5. Eine Unterhaltung im Zellentrakt

6. Im trauten Heim der Marchmonts

7. Der Teufel steckt im Detail

8. Ein belebter Abend im Railway Arms

9. Ein Arbeitsessen

10. Ein Hilfsangebot

11. Einige Wahrheiten kommen ans Licht

12. Was Alfie gesehen hat

13. Ein geschäftiger Abend

14. Weihnachtscocktails bei den Marchmonts

15. Wann ist ein Einbruch kein Einbruch?

16. Fröhliche Weihnachten!

Über die Autoren

Impressum

Leseprobe

 

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Über diese Folge

Zwei Tage vor Weihnachten wird der junge Liam Byrne bei einem Einbruch erwischt. Seine hochschwangere Frau Shannon ist am Boden zerstört: kein Geld, keine Hoffnung und der Mann im Gefängnis. Doch Liam behauptet, er sei reingelegt worden. Während Cherringham im Schnee versinkt, versuchen Jack und Sarah das Unmögliche – werden sie den wahren Schuldigen finden und Liam rechtzeitig befreien können?

Cherringham – Landluft kann tödlich sein – Die Serie

»Cherringham – Landluft kann tödlich sein« ist eine Cosy-Crime-Serie, die in dem vermeintlich beschaulichen Städtchen Cherringham spielt. Regelmäßig erscheinen sowohl auf Deutsch als auch auf Englisch spannende und in sich abgeschlossene Fälle wie auch Romane mit dem Ermittlerduo Jack und Sarah.

Die Hauptfiguren

Jack Brennan hat jahrelang für die New Yorker Mordkommission gearbeitet – und fast genauso lange von einem Leben in den englischen Cotswolds geträumt. Mit einem Hausboot im beschaulichen Cherringham ist für ihn ein langgehegter Traum in Erfüllung gegangen. Doch etwas fehlt ihm. Etwas, das er einfach nicht sein lassen kann: das Lösen von Kriminalfällen.

Sarah Edwards ist Webdesignerin. Nachdem ihr perfektes bürgerliches Leben in sich zusammengefallen ist, kehrt sie mit ihren Kindern im Schlepptau in ihre Heimatstadt Cherringham zurück, um dort neu anzufangen. Das Kleinstadtleben ist ihr allerdings oft zu langweilig. Gut, dass sie in Jack einen Freund gefunden hat, mit dem sie auch in der vermeintlichen Idylle echte Abenteuer erleben kann!

Matthew CostelloNeil Richards

CHERRINGHAM

LANDLUFT KANN TÖDLICH SEIN

Ein Dieb in stiller Nacht

Aus dem Englischen von Sabine Schilasky

1. Alle Jahre wieder

Liam Byrne saß auf dem Boden des engen Wohnwagens, zog die Schnürsenkel seiner Arbeitsstiefel stramm und band sie fest.

»Dein Handy ist aufgeladen, oder?«, ertönte Shannons Stimme aus dem winzigen Sitzbereich. Er neigte sich vor, damit er sie sehen konnte, vollständig eingehüllt in eine Bettdecke und Kissen um sich herumgestopft. An einem kleinen Plastiktannenbaum blinkte eine billige Lichterkette. Der Fernseher lief laut – irgendeine Reality-Show.

»Klar«, antwortete er und zog seinen Parka an. »Keine Sorge, Babe.«

»Ich sorge mich aber«, erwiderte sie. »Was ist, wenn etwas passiert, und du bist nicht hier?«

Er ging zu ihr, bückte sich und drückte sie. Dieser Tage glühte ihr Gesicht.

»Hör zu, heute Nacht passiert nichts, in Ordnung? Du bist erst in einer Woche dran.«

»Ach ja? Das heißt gar nichts. Man hört immer wieder, dass ein Baby einfach so kommen kann. Aus dem Nichts. Peng!«

Liam war sich nicht sicher, ob »Peng!« das richtige Wort war. Lachend küsste er sie auf die Wange.

»Vertrau mir einfach, okay?« Er trat zurück und zog den Reißverschluss seines Parkas bis oben zu. »Heute Nacht passiert sicher nichts. Und ich bin sowieso nicht lange weg.«

»Das will ich dir auch geraten haben. Du weißt ja, was ich sonst mache.«

»Haha, leere Versprechungen«, sagte Liam.

»Hey, das kannst du dir abschminken – und zwar für die nächsten Jahre!«, sagte Shannon, und er sah, dass ihr Lächeln weicher wurde. »Wo triffst du diesen Typen überhaupt?«

»Im Railway Arms.«

»Oh, in dem Laden? Aber das ist doch ein anständiges Jobangebot, oder?«

»Vollkommen anständig.«

»Na, und bleib bei Alkoholfreiem. Nicht angetrunken fahren!«

Liam grinste. »Ich bleibe immer stocknüchtern.«

»Haha! Erst seit ich auf dich aufpasse.«

Liam nahm den grünen Elfenhut, der neben ihr lag, setzte ihn ihr auf und schaltete ihn ein, dass die Lichter blinkten.

»Siehst du, deshalb liebe ich dich«, sagte er schmunzelnd. »Mein Schutzengel.«

»Ganz richtig. Den brauchst du auch.«

Er ging zur Tür und nahm die Autoschlüssel vom Haken.

»Hast du genug Benzin?«, fragte sie.

»Ja, gestern erst für einen Fünfer getankt.«

Für fünf Pfund. Das war so ziemlich das Äußerste, was sie sich leisten konnten.

Eine Sekunde lang erinnerte Liam sich an die Zeiten, als er seinen großen alten Mitsubishi Shogun vollgetankt und einen Hunderter hingeblättert hatte, ohne weiter darüber nachzudenken.

Jetzt sorgen wir uns, ob fünf reichen oder wir vielleicht zehn zusammenbekommen, dachte er. Und dieser Gedanke machte ihn umso entschlossener, heute Abend zu tun, was getan werden musste.

Es geht ums Überleben, dachte er. Vor allem mit einem Kind, das unterwegs ist.

»Bis später, Babe«, sagte er, bemüht, sein Grinsen zu halten, und zog die Kapuze seines Parkas auf. Dann öffnete er die Tür und trat hinaus in die kalte Dunkelheit.

Von draußen schloss er die Tür fest und blieb kurz stehen. Dies war einer der Momente, in denen man – wie nannte man das noch gleich? Ach ja ­ an einem Scheideweg stand.

Denn noch könnte er wieder reingehen, Shannon erzählen, der Typ habe abgesagt und aus dem »anständigen« Job würde nichts.

Dann könnte er sich mit ihr in die Bettdecke kuscheln und fernsehen. So tun, als würde sich nach Weihnachten schon etwas ergeben.

Schön wär’s …

Er blickte den kleinen Wolken seines Atems nach, die das gedämpfte Licht aus dem Wohnwagen einfingen. Der Boden war weiß und hartgefroren, der Schnee zu einer harten Fläche vereist, und über sich konnte Liam die Sterne am dunklen Himmel hell funkeln sehen.

Klar, aber so kalt.

Nein, dachte er. Es wird sich nichts anderes ergeben. Dies hier muss sein.

Er überquerte den Hof zu ihrem verbeulten alten Toyota, der neben Pete Butterworths Grundstück parkte.

Als er hinüber zur Low Copse Farm schaute, konnte er durch die erleuchteten Fenster unten den Farmer mit seiner Frau Becky auf dem Sofa vorm Fernseher sitzen sehen. Im Kamin brannte ein Feuer, und ihr großer Weihnachtsbaum in der Ecke reichte bis zur Zimmerdecke.

Das ist das wahre Leben, dachte er.

Liam zwang sich blinzelnd, zu dem eisigen Wagen zu gehen. Bis vor wenigen Monaten hatten Shannon und er genau solch ein Leben gehabt: hübsches Haus, großer Wagen draußen, strahlende Zukunft.

Hätte nie gedacht, dass wir das alles so schnell verlieren können.

Jetzt campierten sie auf Petes Hof in einem neun Meter langen Wohnwagen – der Farmer war überaus großzügig – und mussten immer noch jeden Penny dreimal umdrehen. Essen konnten sie nur dank der Tafel.

Er holte den Eiskratzer aus der Tasche und machte alle Scheiben frei, bevor er einstieg und den Zündschlüssel ins Schloss steckte. Hoffentlich ließ ihn das verdammte Ding nicht im Stich!

Der Motor sprang hustend und stotternd an.

Erst jetzt sah Liam nach der Tankanzeige – nicht einmal ein Viertel voll. Verdammt! Aber es müsste reichen, dachte er. Dann schaltete er die Scheinwerfer ein und fuhr weg von der Farm. Die alten Reifen hatten die Straße nach Winsham Hill hinauf kaum Griff.

Und von dort ging es … nach Cherringham.

Liam fuhr langsam und vorsichtig die Cherringham High Street entlang, wobei er achtgab, keine Aufmerksamkeit auf den Wagen zu lenken, indem er sich brav ans Tempolimit hielt.

Wie weihnachtlich das Dorf aussah: Der Neuschnee von gestern war zu beiden Seiten der Straßen aufgetürmt, an den Ladenfronten hingen Lichterketten, die zumeist rot und grün blinkten, wenige andere nur schlicht weiß. Der große Weihnachtsbaum des Dorfs stand hell erleuchtet da.

Als er am Angel vorbeikam, sah er, dass der teure Pub voll war. Natürlich, denn es waren nur noch ein paar Tage bis Weihnachten.

Und er entsann sich, dass er erst im letzten Jahr mit Shannon dort gewesen war und einige Freunde auf Drinks getroffen hatte. Sie waren lange dort am Kamin geblieben, hatten Whisky getrunken und waren schließlich hinaus in die Nacht gegangen, wo sie wie die Kinder eine Schneeballschlacht veranstaltet hatten.

Gute Zeiten. Glückliche Zeiten.

Er fuhr weiter, vorbei am Marktplatz, und bog in die Well Lane, wo er einen verschneiten Platz zum Parken fand und den Motor ausstellte.

Er machte es genauso, wie dieser Dez gesagt hatte: Park irgendwo, wo es ruhig ist, keine Straßenlaternen oder Verkehrskameras sind.

Dann stieg er aus, verriegelte den Toyota und stapfte zurück zur High Street. Seine Stiefel knirschten auf dem gefrorenen Schnee. Er ging nach rechts, weg vom Ortszentrum, die Hände in den Taschen vergraben und den Kopf gesenkt, aber den Blick auf die Straße vorn gerichtet.

Heute Abend war sicherlich niemand draußen – dafür war es viel zu verflucht kalt. Doch selbst hier, wo die Straße dunkel war, wollte er nicht riskieren, auf Bekannte zu treffen. Das wäre schlecht.

Dann entdeckte er einen Wagen weiter vorn, einen großen schwarzen Audi, der am Straßenrand parkte. Als Liam sich ihm näherte, leuchteten die Scheinwerfer einmal kurz auf.

Das Zeichen.

Liams Herz schlug schneller, als er die Beifahrertür öffnete.

Noch ein entscheidender Moment.

Wenn er einstieg, wäre es besiegelt. Und Liam hatte sich bereits entschieden.

Er stieg in den Audi und schnallte sich an.

»Du bist spät«, sagte Dez.

»Ich bin hier oder etwa nicht?«, entgegnete Liam, ohne ihn anzusehen.

Stille trat ein. Liam blickte nach vorn zur Weihnachtsbeleuchtung in der fernen High Street.

»Na gut«, sagte Dez schließlich. »Ziehen wir es durch.«

Als er den Motor des Audi anließ und losfuhr, lehnte Liam sich in die Lederpolster zurück.

Es gab kein Zurück mehr.

2. Wie die anderen leben!

Sie brauchten zwanzig Minuten bis Bourton-on-the-Water. Dez hatte beide Hände am Steuer und redete über Fußball, als sie die vereisten Straßen entlangglitten.

Liam trug so gut wie nichts zur Unterhaltung bei. Er wollte dies hier nur hinter sich bringen.

Als sie in die Hauptstraße des Örtchens einbogen, sah er, dass die Restaurants und Pubs allmählich schlossen. Es waren nur noch wenige Leute draußen, die vermutlich alle bibberten, während sie zu dem Weihnachtsbaum schauten, der vor dem Fluss Windrush aufragte, sodass sich seine Lichter im Wasser spiegelten.

Wer’s sich leisten kann, dachte Liam, der die Gruppe anschaute, die Selfies vor den Lichtern knipste. Fröhliche Weihnachten!

Bald würden sie zu Hause vor ihren gemütlichen Kaminfeuern oder vielleicht in edlen Hotelzimmern sitzen, lauter aufgeregte Kinder um sich herum, weil Weihnachten vor der Tür stand.

Dez verlangsamte auf Schritttempo.

»Okay, Liam, da ist es«, sagte er mit einem Nicken zu einem Haus an der Ecke auf der Fahrerseite. »Check das mal.«

Liam musste nicht gesagt werden, um welches Haus es ging. Er hatte den Sommer über genug Zeit damit verbracht, dort zu arbeiten. Von morgens um acht bis abends, mit Glück nur bis sechs; und das fünf Tage die Woche, manchmal sogar sechs Tage.

Die Arbeit bei den Marchmonts war die schlimmste seines Lebens gewesen.

Und hier war er wieder.

Wenn auch nicht zum Arbeiten. Nicht so richtig.

Eine Buchenhecke trennte das Haus von der Straße. Es war aus altem Cotswolds-Stein, makellos renoviert und verfügte drinnen über sechs Schlafzimmer. Das Ganze umgeben von einem perfekt angelegten Garten und einer geschwungenen Einfahrt.

Das Anwesen war locker zwei Millionen wert, wie Liam gehört hatte. Vielleicht mehr. Er hatte sich geschworen, nie wieder herzukommen nach all dem … Ärger.

Und dennoch war er jetzt hier.

»Brennt irgendwo Licht?«, fragte Dez.

Liam hatte den besseren Blickwinkel. Der Wagen bewegte sich sehr langsam weiter.

»Ich sehe ein helles Fenster oben, eines unten«, antwortete Liam, der hinübersah, als Dez vorbeifuhr. »Das sind die, die sie immer brennen lassen, wenn sie weg sind.«

»Cool«, sagte Dez. »Es heißt, dass sie nicht vor eins zurück sind, also haben wir reichlich Zeit.«

Liam hatte keine Ahnung, woher Dez diese Information hatte, fragte aber auch nicht. Je weniger er wusste, desto besser.

Dez beschleunigte, und sie fuhren bis zum Ende der Straße. Dort wendeten sie und kamen zurück, wurden vor dem Haus wieder langsamer, ehe sie in eine kleine Gasse an der Ecke abbogen, die am Garten entlang verlief.

Diese Gasse war, wie Liam wusste, ruhig, uneinsehbar und, was das Beste war, unbeleuchtet. Noch dazu gab es eine Tür in der hohen Trockenmauer, die leichten Zugang zur Rückseite des Hauses bot.

Dez hielt an und schaltete den Motor aus.

Er lehnte sich zurück, hob ein paar schwarze Nylontaschen hoch und reichte Liam eine. Als Nächstes kamen Latexhandschuhe, von denen er ebenfalls ein Paar Liam gab, bevor er sich seine überstreifte.

Dann hielt er Liam eine Stirnlampe hin. »Hör zu, die machst du nicht an, bis wir drinnen sind.«

Liam wollte erwidern: »Ich bin kein Idiot«, wusste jedoch, dass dies kein guter Moment war, sich mit Dez anzulegen.

Er kannte den Typen ja kaum, nahm allerdings an, dass man sich lieber nicht mit ihm anlegte. Nun sah er, wie Dez einen Schalter der Wageninnenraumbeleuchtung bediente; damit sie nicht automatisch anging, schätzte er.

»Alles klar. Gehen wir«, sagte Dez, und beide stiegen aus dem Wagen und in den gefrorenen Schnee. Liam drückte seine Autotür so leise wie möglich zu und zog seine Parkakapuze fester, weil es eisig war. Er sah einen Viertelmond über dem Dorf aufgehen.

Das Licht reichte knapp aus, ihnen den Weg zu leuchten.

»Geh du voran«, befahl Dez, worauf Liam der Mauer bis zur Tür folgte, Dez dicht hinter sich.

Sie blieben sekundenlang stehen, bis sich ihre Augen an die Dunkelheit anpassten, und horchten beide.

»Alles okay? Was ist los?«, fragte Dez. Liam sah, dass der Kerl grinste. »Etwa Schiss?«

»Mir gefällt nur nicht, hier draußen zu stehen«, antwortete Liam. Auch wenn er zugeben musste, dass er Angst hatte.

Dann holte Dez eine dünne Metallstange aus seiner Jacke und stemmte sie in den Rahmen, um die Tür aufzubrechen.

»Diese Tür hat hoffentlich keine eigene Alarmanlage«, raunte er.

»Hat sie nicht«, sagte Liam.

Dez lehnte sein ganzes Gewicht auf die Metallstange, und zunächst geschah gar nichts. Dann jedoch brach die Tür mit einem lauten Krachen so weit auf, dass Dez beinahe der Länge nach im Garten landete.

Liam folgte ihm hastig und drückte die Tür hinter ihnen zu. Sie beide atmeten schwer, horchten auf eine Reaktion, einen Hinweis, dass jemand sie gehört hatte.

Doch im Dorf war alles still.

Und sie waren drinnen.

Liam ging erneut voraus, als sie die schneebedeckte Einfahrt überquerten und die Seite des großen Hauses erreichten, beide tief in den Schatten geduckt.

Vor der Doppelgarage standen keine Wagen – ein gutes Zeichen.

Nun arbeitete Liam sich um das Haus herum, weiterhin dicht gefolgt von Dez, bis sie zu einer kleinen Terrasse nahe der Hintertür gelangten.

Immer noch kein Geräusch von drinnen.

»Gut«, sagte Dez. »Wo ist der Schlüssel?«

Liam wusste genau, nach welchem Topf er suchte – der leuchtend gelbe mit dem kleinen Zitronenbaum. Er erinnerte sich, wie erstaunt er gewesen war, dass man hier in England tatsächlich Zitronen ziehen konnte.

Er betrachtete die Reihe von Pflanztöpfen, doch in der Dunkelheit sah irgendwie alles anders aus.

»Komm schon, Alter, mach jetzt«, drängte Dez.

Liam fühlte, wie er panisch wurde. Das hier könnte alles versauen. Wo war der verdammte Topf?

Doch dann entdeckte er ihn – ganz am Ende der Reihe, versteckt hinter den anderen. Er ging hin, kippte ihn leicht an und sah den alten, schweren Schlüssel.

Ja!

Er packte den Schlüssel und hielt ihn in die Höhe, als er zu Dez zurückkehrte.

»Hab ich nicht gesagt, dass ich weiß, wo er ist?«

»Guter Mann«, sagte Dez grinsend. »Hab ja nie an dir gezweifelt. Und du weißt die Kombination für die Alarmanlage noch, ja?«

»Wie oft muss ich das noch sagen?«, erwiderte Liam.

»Ist ja gut, Alter. Kein Grund, gleich empfindlich zu werden«, sagte Dez. »Also, sowie wir drinnen sind, gibst du den Code ein, klick-klack, nicht? Und wir machen uns an die Arbeit.«

Liam trat an die Tür, steckte den Schlüssel ins Schloss und wollte ihn drehen.

Aber … das ging nicht. Er sah Dez verwirrt an.

»Was ist los?«, fragte Dez.

»Keine Ahnung«, sagte Liam. »Ich denke … Ich denke, es ist vielleicht nicht abgeschlossen.«

»Was?«

»Was ist, wenn jemand drinnen ist?«, fragte Liam. Auf einmal war er wieder nervös. »Jemand früher nach Hause gekommen ist?«

»Nee, ausgeschlossen«, sagte Dez. »Keine Autos. Kein Licht. Da kann keiner drinnen sein.«

Liam wusste aus seiner Zeit hier, dass die Marchmonts oft nicht abschlossen. Hatten sie es heute Abend auch nicht getan? Waren in Eile los und hatten nicht nach der Hintertür gesehen?

Verrückt, dachte er, solch ein Risiko einzugehen. Andererseits gab es praktisch nichts mehr, was ihn an reichen Leuten noch überraschte.

»Komm schon«, sagte Dez. »Mach jetzt!«

Liam war klar, dass ihm keine Wahl blieb. Er packte den Türknauf, drehte ihn – und drückte.

Und die Tür ging auf. Liam huschte schnell nach drinnen und wartete, dass die Alarmanlage mit ihrem Countdown begann.

Aber es kam nichts. Stille.

»Na, was sagt man dazu?«, murmelte Dez neben ihm. »Die dämlichen Idioten haben auch noch vergessen, die Alarmanlage einzuschalten!«

Offene Tür. Keine Alarmanlage. Liam konnte nicht glauben, dass das passierte.

So einfach konnte es doch nicht sein!

Andererseits wusste er auch, dass sich Hugh Marchmont und dessen Frau Caitlyn manchmal die Mühe sparten, ihre Alarmanlage zu aktivieren, wenn sie ausgingen.

Es hatte zu viele Fehlalarme gegeben, wenn ihre Tochter Skye nachts mit ihren Schulfreundinnen nach Hause kam, den Schlüssel vergessen hatte und kurzerhand einbrach – natürlich alle betrunken oder Schlimmeres.

Und Liam war auch bekannt, dass weder Hugh noch Caitlyn es mochten, wenn sich irgendeine Handy-App einloggte, sobald einer von ihnen ins Haus kam oder es verließ.

Hatten sie womöglich zu viel voreinander zu verbergen? Zu viele Geheimnisse?

»Kein Alarm. Okay, dann müssen wir uns ja nicht hetzen«, sagte Dez, und beide betraten den dunklen hinteren Flur.

Wieder warteten sie und lauschten. Diesen Bereich des Hauses kannte Liam gut. Hier war er jeden Morgen mit seinem Lehrling Alfie reingekommen, als sie die Luxusküche der Marchmonts eingebaut hatten.

Es kam ihm wie eine Ewigkeit her vor.

Zu seiner Linken war die Stiefelkammer, rechts die Waschküche. Nichts als Stille – einzig das Brummen der Tiefkühltruhen und das Ticken des Heizkessels, der alles behaglich warm hielt.

Mit einem Nicken zu Dez machte Liam sich aus dem Gedächtnis auf den Weg ins Hausinnere. Was an fahlem Mondschein durch die Fenster hereinfiel, bot so gut wie kein Licht.

Trotzdem erkannte er in der Küche die Marmorarbeitsplatten wieder, die einzupassen vor Monaten solch ein enormer Aufwand gewesen war. Er strich mit der Hand über den kühlen Stein.

Und verdrängte die Erinnerung.

Zeit, sich zu konzentrieren.

Zeit … sich zu rächen.

Sie waren nun in der Diele mit dem Steinboden, von der eine geschwungene Treppe nach oben führte. An den Wänden hingen lauter alte Gemälde der Familie. Auf der einen Seite ging es ins Wohnzimmer (»Salon« nannten es die Marchmonts): drei Sofas, ein skandinavischer Kaminofen, komische moderne Kunst, riesiger Fernseher …