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Folge 30 der britischen Erfolgsserie.
Bernard Mandeville liebt Züge. Jeden Sonntag kauft der elegante ältere Herr ein Ticket für die Great Cotswold's Dampfeisenbahn. Und jedes Mal nimmt er im Erste-Klasse-Abteil Platz und genießt die Fahrt in dem prächtigen Museumszug. Doch an diesem einen Sonntag geschieht etwas Merkwürdiges: Bernard verschwindet spurlos ... und die Zeugen sind sich sicher, dass der alte Herr den Zug nie verlassen hat! Die Familie engagiert Sarah und Jack, um nach dem vermissten Bernard zu suchen. Wurde er entführt? Die beiden Ermittler sind entschlossen, das Rätsel um den verschwunden Gentleman zu lösen, doch ihre Zugfahrt in der historischen Bahn birgt eine Menge Überraschungen ...
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Seitenzahl: 174
Veröffentlichungsjahr: 2018
Cover
Cherringham – Landluft kann tödlich sein – Die Serie
Über diese Folge
Die Hauptfiguren
Über die Autoren
Ein Gentleman verschwindet
Impressum
1. »Great Cotswolds Steam Railway« – Die großartige Dampfeisenbahn
2. Alles einsteigen!
3. Eine eigenartige Einladung
4. Das Geheimnis von Mandeville Towers
5. Zimmer mit Aussicht
6. Der Schauplatz des Verbrechens
7. Die Spuren werden zurückverfolgt
8. Zuginspektion
9. Archie
10. Einen Schritt weiter
11. Der Butler und Wächter
12. Verdächtige Vorgänge
13. Alle Lichter aus
14. Licht am Ende des Tunnels
15. Die Kameraaufzeichnungen
16. Der Plan wird enthüllt
In der nächsten Folge
Leseprobe
»Cherringham – Landluft kann tödlich sein« ist eine Cosy- Crime-Serie, die in dem vermeintlich beschaulichen Städtchen Cherringham spielt. Regelmäßig erscheinen sowohl auf Deutsch als auch auf Englisch spannende und in sich abgeschlossene Fälle wie auch Romane mit dem Ermittlerduo Jack und Sarah.
Bernard Mandeville liebt Züge. Jeden Sonntag kauft der elegante ältere Herr ein Ticket für die Great Cotswolds Dampfeisenbahn. Und jedes Mal nimmt er im Erste-Klasse-Abteil Platz und genießt die Fahrt in dem prächtigen Museumszug. Doch an diesem einen Sonntag geschieht etwas Merkwürdiges: Bernard verschwindet spurlos … und die Zeugen sind sich sicher, dass der alte Herr den Zug nie verlassen hat! Die Familie engagiert Sarah und Jack, um nach dem vermissten Bernard zu suchen. Wurde er entführt? Die beiden Ermittler sind entschlossen, das Rätsel um den verschwunden Gentleman zu lösen, doch ihre Zugfahrt in der historischen Bahn birgt eine Menge Überraschungen …
Jack Brennan hat jahrelang für die New Yorker Mordkommission gearbeitet – und fast genauso lange von einem Leben in den englischen Cotswolds geträumt. Mit einem Hausboot im beschaulichen Cherringham ist für ihn ein langgehegter Traum in Erfüllung gegangen. Doch etwas fehlt ihm. Etwas, das er einfach nicht sein lassen kann: das Lösen von Kriminalfällen.
Sarah Edwards ist Webdesignerin. Nachdem ihr perfektes bürgerliches Leben in sich zusammengefallen ist, kehrt sie mit ihren Kindern im Schlepptau in ihre Heimatstadt Cherringham zurück, um dort neu anzufangen. Das Kleinstadtleben ist ihr allerdings oft zu langweilig. Gut, dass sie in Jack einen Freund gefunden hat, mit dem sie auch in der vermeintlichen Idylle echte Abenteuer erleben kann!
Matthew Costello ist Autor erfolgreicher Romane wie Vacation (2011), Home (2014) und Beneath Still Waters (1989), der sogar verfilmt wurde. Er schrieb für verschiedene Fernsehsender wie die BBC und hat dutzende Computer- und Videospiele gestaltet, von denen The 7th Guest, Doom 3, Rage und Pirates of the Caribbean besonders erfolgreich waren. Er lebt in den USA.
Neil Richards hat als Produzent und Autor für Film und Fernsehen gearbeitet sowie Drehbücher für die BBC, Disney und andere Sender verfasst, für die er bereits mehrfach für den BAFTA nominiert wurde. Für mehr als zwanzig Videospiele hat der Brite Drehbuch und Erzählung geschrieben, u.a. The Da Vinci Code und, gemeinsam mit Douglas Adams, Starship Titanic. Darüber hinaus berät er weltweit zum Thema Storytelling. Bereits seit den späten 90er Jahren schreibt er zusammen mit Matt Costello Texte, bislang allerdings nur fürs Fernsehen.
Cherringham ist die erste Krimiserie des Autorenteams in Buchform.
Matthew CostelloNeil Richards
CHERRINGHAM
LANDLUFT KANN TÖDLICH SEIN
Ein Gentleman verschwindet
Aus dem Englischen von Sabine Schilasky
beTHRILLED
Deutsche Erstausgabe
»be« – Das eBook-Imprint von Bastei Entertainment
Copyright © 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln
Für diese Ausgabe:
Copyright © 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln
Textredaktion: Dr. Arno Hoven
Lektorat/Projektmanagement: Rebecca Schaarschmidt
Covergestaltung: Thomas Krämer unter Verwendung von Motiven © shutterstock: jason2009 | suns07butterfly | David Hughes | ohenze
eBook-Erstellung: Jilzov Digital Publishing, Düsseldorf
ISBN 978-3-7325-5386-0
www.be-ebooks.de
www.lesejury.de
Dieses eBook enthält eine Leseprobe der in der Bastei Lübbe AG erscheinenden »Vorhang auf für einen Mord«, der ersten Folge der Serie »Bunburry. Ein Idyll zum Sterben« von Helena Marchmont.
Copyright © 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln
Übersetzung: Sabine Schilasky
Covergestaltung: Kirstin Osenau unter Verwendung von Motiven
© shutterstock: JeniFoto | FreeProd33 | Canicula | Sk_Advance studio | ivangal | Nikola Barbutov
Reg Syms griff in seine enge Westentasche und zog seine Elgin hervor, eine klassische Uhr, die durch ihre unpraktische Größe nur noch schöner und – als Accessoire für einen echten »Bahnhofsvorsteher« – angemessener wirkte.
In genau diesem Moment öffnete sich die Seitentür zu seinem Büro – seiner »Domäne«, wie er es gern nannte. Und herein kam, nun ja … der Neue.
Ein Praktikant, der sämtliche Hindernisse und Hürden überwunden hatte, um in die rein ehrenamtliche Vereinigung der Dampflok-Begeisterten aufgenommen zu werden. Ja, man machte es Neuen nicht leicht, denn es mussten die bloß Gelangweilten oder Neugierigen von den wahren Enthusiasten getrennt werden.
Bei dieser sehr besonderen, wenn auch kurzen Bahnlinie zu arbeiten, einem echten Relikt aus einer hundert Jahre zurückliegenden Epoche, erforderte Wissen, Leidenschaft, Hingabe und – bei einer Bahnlinie unerlässlich – Pünktlichkeit.
Und während Reg weiter auf seine Uhr schaute, die exakt acht Uhr dreißig anzeigte, hörte er den Neuen sagen: »Guten Morgen, Mr Syms!«
Reg blickte auf. Er führte eine kleine Inspektion durch, als er Tim Waites Aufmachung betrachtete: Jackett, Krawatte, Weste – die Standarduniform, bei der alles in Ordnung war. Zuletzt fiel sein Blick auf das sauber gefaltete Taschentuch, natürlich in Signalrot, in der Jackentasche.
»Pünktlich. Gut, gut«, lobte er. »Die erste Fahrt heute – dann geben wir mal unser Bestes.«
Und Reg lehnte sich vor, um durch das Fenster des Fahrkartenschalters zum bleigrauen Himmel über dem historischen Bahnhofsgebäude zu sehen.
»Ziemlich grau und trübe heute. Es wird trotzdem viel los sein, und Sie werden reichlich zu tun haben …« –- die nächsten Worte sagte er ganz besonders gern –- »auf der Great Cotswolds Steam Railway. Na dann, auf geht’s!«
Und Reg Syms begann sich ans Werk zu machen. Nun, wenn man ehrlich war, bestand es hauptsächlich darin, auf Fahrgäste zu warten. Und Tim Waite schaute ihm dabei zu.
Während sein Praktikant zusah – sich »im Schatten hielt«, wie es der jüngere Mann bezeichnete –, begrüßte Reg die alten wie die neuen Fahrgäste, stellte Quittungen aus und überreichte Fahrkarten aus festem Karton durch das kleine Loch in der Glasscheibe.
Wahrer Kundenservice!
Schließlich war der erste Ansturm vorbei, und als die Fahrgäste über den Bahnsteig eilten, vorbei an den wartenden Waggons, um zu sehen, wie die Lokomotive Dampf aufstaute, wandte Reg sich dem neuen Praktikanten zu.
Obwohl er gerade erst bei der Eisenbahn anfing, war Waite alles andere als ein junger Mann: ein Mittvierziger, der wahrscheinlich darauf erpicht war, dem Trubel zu Hause bei Frau und Kindern zu entkommen, um dieses … Abenteuer zu erleben.
Wer wollte das nicht?
»Merken Sie es sich genau, Mr Waite: das Lächeln, die Begrüßung – das alles ist außerordentlich wichtig.« Er reckte einen Finger in die Höhe. »Stellen Sie sich dieses kleine Büro, den Bahnsteig hier, die großartige Lokomotive da vorn – einfach alles – als eine wunderbare Zeitmaschine vor. Wir versetzen die Menschen in eine vollkommen andere Zeit zurück. Und ich wage zu behaupten – in eine bessere Zeit!«
Waite nickte. »Ich werde darauf achten …«, begann er.
Er verstummte, weil in diesem Moment ein Geräusch immer lauter wurde, das Reg wohlvertraut war. Das wummernde Dröhnen eines Mercedes-Motors.
Und Reg wusste genau, wer das war.
Bernard Mandeville – dessen Ankunft hier so verlässlich war wie der antiquierte Fahrplan dieser Bahnlinie.
Es wäre kein richtiger Sonntagmorgen, ohne dass Mr Mandeville ans Fahrkartenfenster trat und einen Fahrschein kaufte. »Nur für eine Person, bitte«, pflegte er in seinem sanften Singsang zu sagen, während er den Fahrschein erstand, so als geschähe es nicht zum hundertsten Mal.
Und Regs Antwort ebenfalls immer gleich; dazu ein Lächeln, ein Tippen an die Mütze, als würde er jemanden zum ersten Mal zu diesem großartigen Erlebnis begrüßen.
»Einer unserer besten und treuesten Fahrgäste«, sagte Reg, »also passen Sie jetzt gut auf.«
Dann wartete er auf Bernard Mandeville. Dieser Tage war er nicht mehr so flott auf den Beinen – oder flott bei irgendwas –, während er sich auf den Weg zum Fahrkartenschalter von Cherringham Junction machte.
»Guten Morgen, Reg«, grüßte Bernard.
Eine Vertraulichkeit, die in diesem Fall durchaus angemessen war.
Zumindest vonseiten des Fahrgastes.
»Mr Mandeville, wie schön, Sie zu sehen.«
Als wäre es eine Überraschung. Ein unerwartetes Vergnügen.
Bernard war gekleidet wie immer, und zwar perfekt abgestimmt auf das nostalgische Ambiente der Eisenbahn: langer Tweed-Mantel, klassischer, kurzkrempiger Hut, dreiteiliger Anzug mit Fischgrätmuster und sogar eine Nelke im Knopfloch. Als würde ihn der Zug nach Paris bringen, nicht zum Bahnhof Cheltenham Racecourse – gerade mal fünfundzwanzig Meilen entfernt.
Die Lokomotive war kraftvoll, doch gemessen an den schwindelerregenden Ansprüchen der heutigen Zeit, tuckerte sie viel zu langsam dahin.
Bernard bestellte seinen Fahrschein wie nach einem sorgfältig verfassten Drehbuch.
»Ah ja«, antwortete Reg. »Einmal Cheltenham und zurück. Sehr gerne.«
Und während Bernard seine Geldbörse hervornahm, um wie üblich einen Zwanzig-Pfund-Schein zu zücken, sah Reg hinter ihm …
Vielleicht ist das ja sein Sohn?
Er wusste nie, was für ein Verwandter von Bernard – es schienen drei zu sein – es jeweils war, der den Mann zum Bahnhof fuhr und dort wartete, bis er wieder zurück war.
Sein heutiger »Chauffeur« rauchte eine Zigarette und wirkte ein wenig ungeduldig. Reg dachte: Der soll mir ja nicht die Kippe auf den Bahnsteig werfen.
»Ah, hier haben wir es«, sagte Bernard und reichte den frischen Geldschein durch die Öffnung. »Diese neuen Scheine sind so glatt! Aus Plastik oder so, was? Noch ein Beweis, wie sich die Zeiten ändern. Gutes britisches Geld wird zu Zellophan!«
Reg gab Bernard seine kleine Fahrkarte aus Karton und anschließend sein Wechselgeld.
»Genießen Sie die Fahrt, Mr Mandeville«, sagte er.
Worauf Bernard antwortete: »Tue ich immer, Reg, tue ich immer.«
Dann drehte der Mann sich um und ging langsam auf das Erste-Klasse-Abteil zu, wo sein Verwandter bereits an der offenen Tür wartete. Reg beobachtete, wie der junge Mann Mr Mandeville stützte und ihm die Stufen hinauf ins Abteil half.
In dem Zug gab es keine richtigen Klassen mehr; man durfte sitzen, wo immer man wollte. Doch Reg nahm an, dass Bernard Mandeville sich immer in den warmen, abgewetzten Wagen der ehedem teuren und glamourösen ersten Klasse am wohlsten fühlen würde.
Nachdem er eingestiegen war, konnte Reg sehen, wie er sich im Abteil auf den Fensterplatz in Fahrtrichtung setzte. Sein Verwandter legte dem alten Mann eine Decke über die Beine.
Tim war neugierig.
»Also, dieser Typ, Bernard …«
»Mr Mandeville.«
»… nimmt jeden Sonntag den Zug nach Cheltenham Racecourse und zurück?«
»Verlässlich wie ein Uhrwerk. Seit die Linie in Betrieb ist, hat er noch keinen Sonntag verpasst.«
»Verblüffend. Er muss den Zug lieben!«
»Oh ja. Ich denke, wären da nicht seine diversen Gebrechen, würde er bei uns mitmachen. Sie wissen schon, als Ehrenamtlicher.«
»Gebrechen?«
»Ach, viel weiß ich darüber nicht, nur, dass der Arzt regelmäßig bei ihm ist. Es muss etwas ziemlich Ernstes sein. Ich habe das Gefühl, sein einziges Vergnügen ist diese kleine Ausfahrt einmal die Woche.«
»Und was ist mit dem Typen?«
Reg sah den jungen Mann aus dem Abteil steigen und den Bahnsteig hinuntergehen.
»Sein Sohn, glaube ich.«
Reg nickte. Thema erledigt, dachte er und fing an, die Fahrgäste für die erste Tour am Morgen zu zählen.
»Wirkte ganz schön mürrisch, fand ich«, merkte Tim Waite an.
Reg hielt grundsätzlich nichts davon, sich in die Angelegenheiten anderer einzumischen. Trotzdem …
»Mürrisch? Kann sein. Es sind drei verschiedene Leute, die ihn bringen. Sie sehen die alle, wenn Sie erst fest im Dienstplan sind. Zwei Frauen – Schwestern, vermute ich.«
Reg holte seine Taschenuhr hervor.
Es reicht mit dem Fragespiel, dachte er.
Dann ertönte das laute Pfeifen der Dampflok. So satt, so volltönend.
Ein basso profundo, ging es Reg durch den Kopf. Ganz anders als das schrille Kreischen der modernen Züge.
Sein Blick wanderte zu der großen Bahnhofsuhr unter dem Bahnsteigdach – ja, pünktlich auf die Sekunde.
Er wandte sich zu Waite um, denn nun stand ein wichtiger, ja entscheidender Teil des traditionellen Ablaufs an.
»Wollen wir?«, fragte Reg schlicht, als wären sie im Begriff, etwas absolut Offensichtliches zu tun.
Er stand auf, wies mit einer Handbewegung Tim Waite an, zur Tür hinauszugehen, und folgte ihm auf den Bahnsteig, ehe er die Bürotür hinter ihnen schloss.
Dann drehte er sich um, atmete die rauchige Luft tief ein, blickte nach links zum Dienstwagen und nach rechts zum Ende des Bahnsteigs, wo die große Lokomotive wartete – dampfend und rauchend. Sie erschien ihm wie ein wildes Tier, das an seiner Leine zerrte.
Während er die hektische Betriebsamkeit beobachtete – die letzten Fahrgäste, die rasch einstiegen, das laute Zuknallen der alten, schweren Türen sowie das Geplapper von Kindern, die sich vor den Abteilfenstern zusammendrängten und ihre Gesichter an das Glas pressten –, hörte er ein weiteres lautes Pfeifen. Anschließend sah er, wie fauchend eine Dampfwolke unter der Maschine hervorquoll …
Und der vertraute Kitzel der unmittelbar bevorstehenden Abfahrt regte sich in ihm. Er dachte: Dies hier ist es, worum es geht!
Das lebendige, atmende Zeitalter der Dampfmaschine!
Reg drehte sich zu Tim Waite um und stellte erfreut fest, dass sich auf dem Gesicht des Mannes die gleiche Begeisterung widerspiegelte.
»Wissen Sie was, Tim?«, sagte er; irgendwie fühlte er sich plötzlich dazu veranlasst, ihn mit dem Vornamen anzusprechen. »Wie wäre es, wenn Sie einsteigen und die erste Fahrt mitmachen?«
»Was, wirklich?«
»Später geht es vielleicht nicht mehr. Nur zu. Archie kümmert sich um Sie.«
»Archie?«
»Er ist der Schaffner. So können Sie den Rest der Mannschaft kennenlernen. Ist ein seltenes Erlebnis, von einer Neunundsiebziger gezogen zu werden.«
Er beobachtete, wie Tim die Aufforderung geistig verarbeitete – ohne sich jedoch zu rühren.
»Hopp, hopp«, ermunterte Reg ihn. »Sie wartet nicht auf Sie!«
Tim grinste und setzte sich endlich in Bewegung: Er stieg an Bord und schlug die Waggontür mit jenem wohltuenden Doppelknall zu.
Dann zog er das Fenster herunter und schaute raus zu Reg.
»Das ist sehr freundlich von Ihnen, Mr Syms!«
Reg nickte und trat zurück. Er blickte zum letzten Wagen, wo Archie stand und wartete. Die beiden nickten sich zu – abfahrtbereit.
Einer der Ehrenamtlichen schritt den Zug ab, um sich zu vergewissern, dass alle Türen geschlossen waren. Anschließend pfiff er so laut, dass sich eine Gruppe von zuschauenden Kindern die Ohren zuhielt, und schwenkte seine kleine Fahne.
Mit einem weiteren lauten Pfeifen der Lok und einem zischenden Dampfschwall bewegte sich die großartige Maschine vorwärts – langsam, aber unaufhaltsam.
Reg blickte wieder nach vorn und sah die großen weißen Wolken, die von der Lokomotive zum passend grauweißen Himmel aufstiegen.
Widerwillig ruckelnd und klappernd setzten sich die Eisenbahnwagen in Bewegung.
Wäre er vorn auf dem Bahnsteig, könnte Reg zusehen, wie sich die Räder der Lok drehten und der alte, aber stabile Mechanismus die Wagenreihe zog.
Der Zug war nur zur Hälfte besetzt, denn diese Eisenbahn war – leider Gottes – vor allem eine Touristenattraktion. Eine Narretei für Fans. Spaß für Kinder, Familien und Enthusiasten, die etwas Seltenes erleben wollten.
Und für Reg – wie für alle anderen, die hier arbeiteten – war sie ein Hobby. Manchmal jedoch kam Reg seine Zeit hier wie … ja, wie sein wahres Leben vor.
Als Bernards Abteil an ihm vorbeirollte – der elegante alte Mann, dessen Abenteuer nun begann, winkte ihm sogar verhalten zu –, sah Reg aus dem Augenwinkel Mandevilles Sohn, der in Jeans und Fleecepullover hinten am Mercedes stand und zuschaute, wie der Zug abfuhr.
Nie begleitete jemand von Bernards Familie den alten Mann auf der Fahrt. Eine Reise in einer Dampfeisenbahn war offenbar nicht jedermanns Sache.
Zeit für meinen Tee, dachte Reg. Vielleicht sehe ich mal nach, was das Old Tea House heute an Kuchen und Keksen anbietet.
Und mit diesem Gedanken schloss er das Büro mit dem Fahrkartenschalter ab, so wie er es an jedem Wochenende um diese Uhrzeit tat, und ging den Bahnsteig hinunter zum kleinen Bahnhofscafé.
Er würde Tee trinken und überlegen, welche Fragen der Praktikant Tim zu dem Ritual haben könnte, das er eben erstmals miterlebte.
Tim lehnte sich aus dem Fenster des letzten Wagens und genoss die Aussicht auf die vom Regen durchgeweichten Felder und Wälder, während der Zug durch die Landschaft der Cotswolds ratterte.
Dampf- und Rauchwolken zogen um ihn herum durch die Luft. In jeder langsamen Kurve konnte er, wenn er sich richtig weit nach draußen lehnte, zehn Wagen weiter vorn die Lokomotive sehen, die diese sanften Hügel hinter Cherringham mit Leichtigkeit meisterte.
Seine Frau Helen hatte ihn gedrängt, sich ein Wochenendhobby zu suchen, nachdem die Kinder aus dem Haus waren. Die ganze Woche saß er im Dorf an einem Computer und verkaufte Versicherungen. Im Winter sah er kaum mal Tageslicht.
Und Helen hatte recht – dies hier würde Spaß machen!
»Vorsicht, dass Sie keinen Ruß ins Auge kriegen, junger Mann«, erklang eine Stimme hinter ihm.
Tim drehte sich um und erkannte Archie wieder, der am Bahnhof aus dem Dienstwagen des Zuges gekommen war. Er reichte ihm die Hand.
»Archie? Ich bin Tim Waite, der neue Ehrenamtliche.«
»Ah, stimmt ja! Freut mich, Tim.«
»Reg sagte, dass ich heute Morgen mitfahren darf. Er meinte, Sie würden mir alles erklären.«
»Hm, hat er das gesagt?«, fragte Archie mit strenger Miene. Tim sah, dass er eine buschige Braue nach oben zog.
Na toll, dachte er. Mein erster Tag, und schon krieg ich Ärger!
Doch dann zwinkerte der andere Mann und klopfte ihm auf die Schulter.
»Klar, das mache ich gern. Wie wäre es, wenn Sie mit mir kommen, während ich die Fahrkarten kontrolliere? Ist eine halbe Stunde bis Cheltenham, also reichlich Zeit. Wenn Sie Glück haben, lasse ich Sie vielleicht sogar ein paar Fahrkarten knipsen!«
Archie hielt seine antiquierte Lochzange in die Höhe, und Tim lachte.
»Der Speisewagen sollte auch genug Dampf haben, wenn wir bei ihm angelangt sind. Da gönnen wir uns eine Tasse Tee und ein Kit-Kat, was?«, schlug Archie vor, als er die Schiebetür öffnete, die zu den Fahrgastwagen führte. »Und in Cheltenham bringe ich Sie für die Rückfahrt auf der Lok unter. Wie finden Sie das?«
»Super«, sagte Tim und folgte Archie in den ersten Wagen.
Zwanzig Minuten später legten sie den versprochenen Zwischenstopp im uralten Speisewagen ein, um einen Tee zu trinken und einen Schokoladenkeks zu essen.
Viele der Fahrgäste waren Touristen, und Tim hatte bemerkt, dass Archie mit jedem von ihnen kurz plauderte. Gleichwohl hatte Tim auch einige Leute aus Cherringham wiedererkannt, die einen Familienausflug mit der Eisenbahn unternahmen.
Die meisten Reisenden saßen in den offenen Wagen, wo sich verblichene Holzbänke paarweise gegenüberstanden und sich oben Gepäcknetze spannten.
Andere zogen die Abgeschiedenheit der ersten Klasse vor – einzelne Abteile, die durch Schiebetüren von einem schmalen Gang getrennt wurden.
Hier schienen sich vor allem ältere Fahrgäste wohlzufühlen. Rentnerpaare und Eisenbahnbegeisterte.
Nach und nach fing auch Tim an, wie Archie mit den Leuten zu plaudern. Die freundliche Atmosphäre, die anscheinend der Dampfeisenbahn zu verdanken war, färbte auf ihn ab.
In einem der Wagen sah er Mr Mandeville. Der alte Mann saß allein, eine Decke über seinen Knien ausgebreitet, und blickte aus dem Fenster. Archie klopfte an die Glastür, bevor er sie aufschob.
Tim rechnete auch hier mit einer kurzen Unterhaltung – Archie gingen offensichtlich der Klatsch und die kleinen Scherze nie aus.
Doch Mr Mandeville nickte nur, reichte Archie den Fahrschein und wandte sich wieder zum Fenster.
Die beiden wechselten kein Wort.
Komisch, dachte Tim. Doch er erinnerte sich daran, dass es Mr Mandeville nicht gut ging. Hatte der arme alte Bursche vielleicht Schmerzen?
Bei ihrem Tee bestätigte Archie, was Tim bereits vermutet hatte. »Mr Mandeville? Der alte Knabe in Tweed?«, fragte er. »Der war noch nie für irgendwelches Geplauder zu haben, um ehrlich zu sein. Und ich will ihn gewiss nicht stören, den armen Kerl.«
Tim fragte, wie lange Mr Mandeville schon mit dieser Eisenbahn fuhr, doch ehe Archie antworten konnte, war ein lautes Pfeifen zu hören, und plötzlich waren sie in einem Tunnel!
Das Schnaufen der Lokomotive wurde lauter, und in der Dunkelheit vor den Fenstern konnte Tim die Dampfwolken vorbeiziehen sehen.
»Der Winsham-Tunnel«, sagte Archie, der eines der Fenster fest schloss. »Der zweitlängste Tunnel auf einer Dampfeisenbahnlinie in unserem Land.«
Tim trat ans Fenster, fasziniert von dem Lärm und den flackernden Spiegelungen der vielen Wagenlichter an den Tunnelwänden.
Es schien ewig zu dauern. Doch schließlich ertönte noch ein Pfiff, und sie fuhren wieder hinaus in den strahlenden Sonnenschein. Der Zug ruckelte von einer Seite zur anderen, so schnell war er nun.
»Exakt vier Minuten!«, rief Archie, der auf seine Taschenuhr blickte. »Kommen Sie, noch zwei Wagen, dann sind wir in Cheltenham.«
Tim trank seinen Tee aus und stellte die Tasse zurück auf den Tresen.
»Und wenn wir dort sind, heißt es, alle Mann an Deck, um die Lokomotive für die Rückfahrt nach vorn zu schaffen. Bleiben Sie in meiner Nähe, junger Tim, und ich sorge dafür, dass Sie einen Logenplatz auf der Lok bekommen!«
Tim folgte Archie weiter durch den Zug, der sich schwankend und rüttelnd fortbewegte. Das glaubt Helen mir nie, fuhr es Tim durch den Kopf