Cherringham - Eine tödliche Rezeptur - Matthew Costello - E-Book
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Cherringham - Eine tödliche Rezeptur E-Book

Matthew Costello

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Beschreibung

Folge 38 der britischen Erfolgsserie

Ein Mitarbeiter der weltberühmten Cherringham Gin Company wird eines Morgens tot in der Brennerei aufgefunden. Doch war es wirklich ein Unfall, wie alle zunächst glauben? Ein alter Freund von Jack und Sarah bezweifelt das und bittet sie, die Sache zu untersuchen. Bald entdecken die beiden Hinweise darauf, dass der Tote Arnold Pettifer das exzentrische Genie hinter dem berühmten Gin war - und dass es eine Menge Leute mit einem Mordmotiv gibt ...

Über die Serie: "Cherringham - Landluft kann tödlich sein" ist unsere erfolgreichste Cosy-Crime-Serie. Jede Folge ist unabhängig lesbar und geeignet, in die Welt von Cherringham einzusteigen. Cherringham ist ein beschauliches Dorf in den englischen Cotswolds. Doch mysteriöse Vorfälle, eigenartige Verbrechen und ungeklärte Morde halten die Bewohner auf Trab. Zum Glück bekommt die örtliche Polizei tatkräftige Unterstützung von Sarah und Jack. Die alleinerziehende Mutter und der ehemalige Cop aus New York lösen jeden noch so verzwickten Fall. Und geraten das ein oder andere Mal selbst in die Schusslinie ...

eBooks von beTHRILLED - mörderisch gute Unterhaltung!



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Inhalt

Cover

Cherringham – Landluft kann tödlich sein – Die Serie

Über diese Folge

Die Hauptfiguren

Über die Autoren

Titel

Impressum

1. Ein unerwartetes Ableben

2. Alte Freunde

3. Ein verdächtiger Todesfall

4. Die Cherringham Gin Company

5. Ein geschäftiger Nachmittag

6. Pettifers letzte Lieferung

7. Volles Haus

8. Leeres Haus

9. Der Sonntagsbraten

10. Zurück zur Fabrik

11. Ein Schlüssel zu einer Tür

12. Ein enthülltes Geheimnis

13. Die letzte Nacht der Codes und Verbrechen

14. Die Lieferung

15. Eine echte Jagd

16. Martinis aufs Haus

Cherringham – Landluft kann tödlich sein – Die Serie

»Cherringham – Landluft kann tödlich sein« ist eine Cosy- Crime-Serie, die in dem vermeintlich beschaulichen Städtchen Cherringham spielt. Regelmäßig erscheinen sowohl auf Deutsch als auch auf Englisch spannende und in sich abgeschlossene Fälle wie auch Romane mit dem Ermittlerduo Jack und Sarah.

Über diese Folge

Ein Mitarbeiter der weltberühmten Cherringham Gin Company wird eines Morgens tot in der Brennerei aufgefunden. Doch war es wirklich ein Unfall, wie alle zunächst glauben? Ein alter Freund von Jack und Sarah bezweifelt das und bittet sie, die Sache zu untersuchen. Bald entdecken die beiden Hinweise darauf, dass der Tote Arnold Pettifer das exzentrische Genie hinter dem berühmten Gin war – und dass es eine Menge Leute mit einem Mordmotiv gibt …

Die Hauptfiguren

Jack Brennan hat jahrelang für die New Yorker Mordkommission gearbeitet – und fast genauso lange von einem Leben in den englischen Cotswolds geträumt. Mit einem Hausboot im beschaulichen Cherringham ist für ihn ein langgehegter Traum in Erfüllung gegangen. Doch etwas fehlt ihm. Etwas, das er einfach nicht sein lassen kann: das Lösen von Kriminalfällen.

Sarah Edwards ist Webdesignerin. Nachdem ihr perfektes bürgerliches Leben in sich zusammengefallen ist, kehrt sie mit ihren Kindern im Schlepptau in ihre Heimatstadt Cherringham zurück, um dort neu anzufangen. Das Kleinstadtleben ist ihr allerdings oft zu langweilig. Gut, dass sie in Jack einen Freund gefunden hat, mit dem sie auch in der vermeintlichen Idylle echte Abenteuer erleben kann!

Über die Autoren

Matthew Costello ist Autor erfolgreicher Romane wie Vacation (2011), Home (2014) und Beneath Still Waters (1989), der sogar verfilmt wurde. Er schrieb für verschiedene Fernsehsender wie die BBC und hat dutzende Computer- und Videospiele gestaltet, von denen The 7th Guest, Doom 3, Rage und Pirates of the Caribbean besonders erfolgreich waren. Er lebt in den USA.

Neil Richards hat als Produzent und Autor für Film und Fernsehen gearbeitet sowie Drehbücher verfasst, für die er bereits mehrfach für den BAFTA nominiert wurde. Für mehr als zwanzig Videospiele hat der Brite Drehbuch und Erzählung geschrieben, u. a. The Da Vinci Code und, gemeinsam mit Douglas Adams, Starship Titanic. Darüber hinaus berät er weltweit zum Thema Storytelling. Bereits seit den späten 90er Jahren schreibt er zusammen mit Matt Costello. Inzwischen haben die beiden mit »Cherringham. Landluft kann tödlich sein« und »Mydworth. Ein Fall für Lord und Lady Mortimer« zwei Serien erfolgreich ins Leben gerufen.

Matthew CostelloNeil Richards

CHERRINGHAM

LANDLUFT KANN TÖDLICH SEIN

Eine tödliche Rezeptur

Aus dem Englischen von Sabine Schilasky

beTHRILLED

Deutsche Erstausgabe

»be« – Das eBook-Imprint der Bastei Lübbe AG

Für die Originalausgabe:

Copyright © 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln

Titel der englischen Originalausgabe: »Still Dead«

Für diese Ausgabe:

Copyright © 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln

Textredaktion: Dr. Arno Hoven

Lektorat/Projektmanagement: Rebecca Schaarschmidt

Covergestaltung: Jeannine Schmelzer unter Verwendung von Motiven © shutterstock: Shoot 24 | Martin Burguillo Fotos | JJFarq

eBook-Erstellung: Jilzov Digital Publishing, Düsseldorf

ISBN 978-3-7325-6537-5

www.luebbe.de

www.lesejury.de

1. Ein unerwartetes Ableben

Arnold Pettifer bog auf den Parkplatz der Cherringham Gin Company ein, schaltete den Motor aus und stieg aus seinem verbeulten alten Volvo.

Es war sieben Uhr und ziemlich ruhig hier. Nur wenige andere Wagen parkten im Personalbereich.

So wie er es dieser Tage vorzog.

Früher, ja, da konnte er sich hier kaum loseisen!

Damals war er der jüngste Leiter einer Abteilung für Botanicals im ganzen Land (und stolz darauf), und er hätte nicht im Traum daran gedacht, die Brennerei zu verlassen, ehe er nicht sicher war, dass die Destillen für den reibungslosen Nachtbetrieb bereit waren.

Und im Morgengrauen war er stets wieder hier gewesen, um die Früchte all der Arbeit zu kosten und zu genießen – die sorgfältig ausgesuchten Botanicals, die Wahl des reinsten Wassers und perfekten Alkohols.

Zusammen ergaben sie den Cherringham Gin – den besten in den Cotswolds, wie die in Hülle und Fülle gewonnenen Preise und Goldmedaillen bewiesen!

Wie schnell sich die Dinge ändern, dachte er, als er seine Arbeitstasche von der Rückbank nahm und zum Haupteingang ging.

Und nicht nur hier in der Brennerei, sondern überall.

Nichts war sicher, nichts vorbestimmt. Anscheinend hielt sich das Leben nicht mehr an die Spielregeln.

Er blickte hinüber zum Hauptgebäude, das beinahe vierzig Jahre lang sein zweites Zuhause gewesen war. So viele schöne Erinnerungen.

Im frühabendlichen Sonnenlicht schimmerte die umgebaute alte Mühle in warmen Farben; ihr hoher Schornstein wirkte rostrot vor den Eichen und Kastanien, die das Gebäude umgaben.

Von außen betrachtet hatte sich diese historische Mühle, die nur eine Meile außerhalb von Cherringham stand, seit Jahrhunderten kaum verändert.

Das Innere zeichnete sich zwar immer noch durch viele historische Merkmale aus, dennoch würden die mittelalterlichen Müller es wohl kaum wiedererkennen.

Im neunzehnten Jahrhundert waren die Mühlsteine und Trichter herausgerissen und durch kupferne Destillen, Lagerräume für Kräuter sowie riesige Wasser- und Alkoholtanks ersetzt worden.

Alles dank der Familie Rawlinson, die geahnt hatte, dass man mit Alkohol viel mehr verdienen konnte als mit Brot, und die Cherringham Gin Company gründete.

Was sie nie bereut hatte.

Doch natürlich standen nun weitere Veränderungen an, und auf die hatte Pettifer wenig Einfluss.

»Guten Abend, Arnold!«, riss ihn eine Stimme aus seinen Gedanken. Er drehte sich um und entdeckte Steve Shriver, den beleibten Sicherheitsmann. Shriver stand neben einem der hinteren Notausgänge und rauchte eine Zigarette.

Normalerweise hätte Arnold eine Bemerkung dazu gemacht (die nur halb im Scherz gemeint wäre): Zigaretten verschmutzen die Atmosphäre … eine dreckige Angewohnheit und Respektlosigkeit!

Doch dieser Tage fehlte ihm für so etwas die Energie.

»Steve«, sagte er und bemerkte, dass Shriver zumindest den Anstand besaß, seine Zigarette auf den Boden fallen zu lassen und mit seinem großen schwarzen Stiefel auszutreten. »Ist jemand da?«

Shriver klopfte sich Asche von der ausgeblichenen Uniform; seine Finger waren braun vom jahrzehntelangen Rauchen. »Ich glaube, Bill ist im Lager und prüft die letzte Lieferung. Kirsty ist um Punkt fünf auf ihrem schicken Fahrrad weggeflitzt.«

»Ist ja nichts Neues«, sagte Arnold und zog die Augenbrauen hoch.

Steve und er witzelten viel über die jungen Mitarbeiter – allen voran seine Assistentin –, die es nicht erwarten konnten, dass es fünf Uhr wurde, um auf die Sekunde genau Schluss zu machen.

Work-Life-Balance hatte Kirsty es genannt, als er sie nach ihrer ersten Woche im Betrieb darauf ansprach.

Pünktlich zum Feierabend nach Hause davonzueilen hatte sogar einen Namen!

Das »funktioniert« bei mir nicht, sagte er ihr immer. Die Arbeit ist mein Leben – Work is my life!

Er hatte gehofft, sie würde über dieses kleine Wortspiel lachen, aber das hatte sie nicht getan – nur höflich genickt.

Im Laufe der Monate hatte Arnold sich daran gewöhnt, dass sie über die – seiner Meinung nach flachen – Witze anderer recht gerne lachte, jedoch nie über seine trockenen Bemerkungen.

Hatte er etwas falsch gemacht? Irgendwas gesagt, das er nicht hätte sagen sollen? Vielleicht lag es daran, dass er ein alter Mann war und für die alten Methoden stand. War es das?

Falls ja, verstand er es nicht. Im Grunde war es ihm auch egal, wie er jetzt feststellte.

»Und oben?«, fragte er und nickte zu den oberen Stockwerken, in denen die Verwaltungsbüros waren und wo noch Licht brannte.

»Ach, Verkauf und Buchhaltung sind auch schon zu Hause«, antwortete Steve, zog ein Taschentuch hervor und wischte sich die Nase. »Sie kennen die doch.«

»Keine Spur von Mr Kavanaugh?«

»Dem Aasgeier?« Shriver verdrehte die Augen, als er den Spitznamen des neuen Geschäftsführers benutzte, von dem jeder behauptete, er wäre ihm eingefallen. »Doch, der ist noch da.«

»Schade«, murmelte Arnold leise.

Er sah Shriver grinsen. Wie er zu Dirk Kavanaugh stand, war kein Geheimnis. Und was Kavanaugh von ihm hielt, ebenso wenig.

»Wie es aussieht, hat er mal wieder eine längere Besprechung mit dem jungen Mr Rawlinson«, berichtete Shriver und beugte sich verschwörerisch vor. »Den ganzen Nachmittag hocken die schon zusammen. Und die zwei werden sicher auch wieder zusammen weggehen – zu irgendeinem vornehmen Restaurant. Kennen Sie dieses schicke Spa an der Straße nach Chippy? Wie ich gehört habe, sind sie da Stammgäste.«

Arnold nickte zustimmend. Der Managing Director und der neue Geschäftsführer planten eifrig … jede Menge Veränderungen.

»Tja, sicher haben Sie reichlich zu tun, Steve«, sagte er, weil ihm diese Vertrautheit und dieser Tratsch auf einmal unangenehm waren. Es war ein wenig … unpassend. »Ich will Sie nicht länger aufhalten.«

Er lächelte Shriver höflich zu und drehte sich zu seinem Büro und dem Trockenraum um.

»Soll ich Ihnen später einen Tee bringen, Sir?«, fragte Steve.

»Oh, sehr nett von Ihnen«, antwortete Arnold und hielt einen Moment inne. »Aber ich habe eine Thermoskanne Kaffee dabei.«

»Wollen Sie wieder die Nacht durcharbeiten, Sir?«

»Wahrscheinlich«, erwiderte Arnold, der es eilig hatte, in sein Büro zu kommen.

»Soll ich vielleicht auf meinen Runden bei Ihnen reinschauen, Sir?«

»Nicht nötig. Ich habe viel zu tun«, sagte Arnold.

»Wie Sie wünschen, Mr Pettifer.« Shriver verstand die Botschaft.

Arnold wusste, dass er nach diesem kleinen Hinweis so bald nichts von Shriver sehen würde. Dessen »Runden« bestanden in einem zehnminütigen Spaziergang über das Firmengelände, gefolgt von einem langen Nickerchen vorm Fernseher in seiner Bude.

Harter Job.

Arnold ging über den Kiesplatz zur alten Mühle. Ihm fiel auf, dass das Rolltor des Lagers offen stand, und drinnen sah er Bill Travis Säcke von einer Palette auf einen Rollwagen hieven.

Der Lagermeister blickte auf und winkte ihm freundlich zu. Arnold nickte und fragte sich, ob eben eine neue Lieferung angekommen war.

Es wurde eine erwartet; sie war sogar überfällig. Aus Marokko, wenn er sich richtig erinnerte.

Bei dem Gedanken durchfuhr ihn ein leichtes Kribbeln.

Dann erreichte er das Hauptgebäude und ging durch die Doppeltüren, schritt am leeren Empfang vorbei und den Korridor entlang, der zu seinem Büro und dem Trockenraum führte.

Arnold vergewisserte sich, dass alle seine Dateien gesichert waren, klappte seinen Laptop zu und trank den Rest von seinem inzwischen lauwarmen Kaffee.

Eine Stunde hatte er mit einigen Qualitätsprüfungen im Destillationsraum verbracht, die Berechnungen der Brennereiassistenten überprüft und die Druckwerte eingetragen. Das alles war sehr wichtig.

Hope und Glory, die beiden großen, uralten Kupferdestillen – deren Namen noch vom Geist des Empires zeugte, der bei ihrem Einbau in den 1850ern vorherrschte –, funktionierten nach wie vor erstaunlich gut. Arnold fragte sich, wie viele Gallonen Gin sie ihm im Laufe der Jahre geliefert haben mochten. Tausende? Hunderttausende?

Hier in seinem Büro hörte er das beruhigende Brummen der Maschinen nebenan, die beide die Botanicals rührten und erhitzten, das Geheimrezept aus Kräutern und Gewürzen, dem der Cherringham Gin sein typisches sattes, sinnliches – und einzigartiges – Aroma verdankte.

Der Herstellungsprozess hatte sich seit fast zweihundert Jahren nicht verändert, und bis morgen wäre ein neuer Schub bereit, verdünnt und in Flaschen abgefüllt zu werden.

Wie viele würde er noch überwachen? Plötzlich hielt er inne, weil die Antwort auf diese Frage eine tatsächliche, feste Zahl war.

Sie könnte exakt berechnet werden, war etwas, das auf reale Geschehnisse verwies.

Die alten Methoden würden bald abgeschafft sein …

Nein, dachte er und verdrängte den Gedanken. Dies ist kein Moment, um rührselig zu werden. Es ist Arbeit zu erledigen!

Er stand auf, nahm seinen weißen Kittel vom Haken, zog ihn an und knöpfte ihn zu.

Dann griff er sein neuestes Notizbuch vom Schreibtisch, wie immer ein zuverlässiges Exemplar der Marke Moleskine, das ihn stets begleitete, vergewisserte sich, dass er seine Schlüssel in der Tasche hatte, und ging aus dem Büro den Korridor hinunter zu seinem Lieblingsbereich in der Brennerei: dem Trockenraum.

Seltsam. Die schwere Tür zum Trockenraum war nicht abgeschlossen.

Du meine Güte, dachte er stirnrunzelnd. Das ist nicht gut. Gar nicht gut.

Er müsste morgen früh mal mit Kirsty sprechen. Diese Tür offen zu lassen war in Arnolds Augen unverzeihlich, sogar ein Kündigungsgrund.

Obwohl die Sicherheit in der Alkoholproduktion und dem Lagerbereich engmaschig sein sollte, war der Trockenraum Arnolds Auffassung nach der wichtigste in der ganzen Brennerei.

Hier befanden sich Geheimnisse, die geschützt werden mussten!

Denn in diesem Raum wurden die Gewürze und Kräuter zusammengestellt, abgemessen und geprüft. Die Zutaten an sich waren kein Geheimnis, doch deren Mengenverhältnis und die Rezeptur waren es allemal.

Er ging hinein, schaltete das Licht ein und schloss die Tür hinter sich, bevor er sich im Raum umschaute.

Abgesehen vom Notausgang gab es nur diese eine Tür. Keine Fenster. Die Oberflächen waren gefliest. Das einzige Geräusch war das Sirren der Neonröhren und des Abluftventilators. Sein Blick glitt über die Reihen von Arbeitstischen mit Laborausstattung zum genauen Messen und Testen.

Dort, in ihren einzelnen Behältern, waren die Zutaten für die morgigen Brände, alle für ihn zur Überprüfung aufgereiht.

Also hat Kirsty immerhin eines richtig gemacht!

Es gab einige wichtige Schritte in dem Prozess, die immer nur er ausführte.

Zumindest noch.

Er atmete tief durch die Nase ein. Die würzige Duftmischung in diesem Raum war eine Konstante in seinem Leben, die stets gleiche Kulisse seiner Arbeit.

Dann hielt er inne. Heute Nacht war da irgendeine zusätzliche Note – ein Hauch von etwas Scharfem lag in der Luft, das Arnold kurioserweise nicht recht zu bestimmen vermochte.

Was zum Teufel ist das? Trotz jahrelanger Erfahrung und seiner Vertrautheit mit dem Duft jedes einzelnen Gewürzes, das er je benutzt hatte, konnte er diesen … nicht zuordnen. Und dennoch kam er ihm bekannt vor.

Im Geiste ging er mehrere Möglichkeiten durch.

Hatten die Putzkräfte die offene Tür genutzt, um leichtsinnigerweise die Arbeitsflächen abzuwischen? Er hoffte es nicht – der Geruch ihrer Reinigungsmittel könnte es vollkommen unmöglich machen, die fragile Balance der Düfte zu erkennen.

Er nahm seinen Stift und das Notizbuch aus der Brusttasche und begann sich durch die Gewürzschalen zu arbeiten, beugte sich vor, um die Aromen zu inhalieren, tauchte die Hände tief in jede Schale, befühlte die Körner, rollte sie zwischen den Fingern, kostete davon.

Blumige Kubebenpfefferkörner aus Sumatra; fantastischer Koriander aus Marokko; Zimtkassie aus Sri Lanka, die fast Zimt war; Wacholder, pinienartig mit einer Spur Zitrone; Süßholzwurzel, Limonenschale und dunkle Mandel aus Murcia.

Jedes Gewürz, jedes Kraut war von vertrauenswürdigen Scouts überall auf der Welt sorgfältig ausgewählt oder von Arnold selbst auf seinen jährlichen Reisen aufgespürt worden. Nur das Allerbeste, von Arnold Pettifer persönlich genehmigt, schaffte es, in die Zutatenliste für den Cherringham Gin aufgenommen zu werden!

Auf halbem Weg durch die Gewürzreihe blieb er plötzlich stehen, weil sich sein Gesicht ungewöhnlich heiß anfühlte. Er trat einen Schritt zurück und holte tief Luft.

Unvermittelt tränten seine Augen. Er rieb sie mit dem Handrücken und stellte fest – dass sein Gesicht …

… taub war!

Ihm wurde klar, dass er eine Art allergische Reaktion hatte – eine ernst zu nehmende und schnell voranschreitende. Aber wie und auf was? Das war doch ausgeschlossen!

Dann spürte er, wie ihm die Kehle eng wurde und ihm die Zunge so anschwoll, dass sie beinahe aus seinem Mund quoll.

Er ging zurück – nein, er stolperte nach hinten –, rempelte gegen einen Arbeitstisch und blickte sich suchend um … Ja! Da ist er! Der Erste-Hilfe-Kasten, in dem ein EpiPen war, falls irgendwelche Besucher, die man hier reinließ, eine allergische Reaktion auf die Gewürze zeigten.

Er torkelte hin, stieß dabei Gegenstände um, die krachend auf dem Fliesenboden landeten, riss den Kasten herunter und kippte den Inhalt auf den nächsten Arbeitstisch. Aber da war kein EpiPen!

Er versuchte, um Hilfe zu rufen, nur brachte er kein Wort heraus – lediglich gurgelnde Geräusche, die mehr wie ein Stöhnen klangen. Zudem würde ihn niemand hören, weil dieser Raum schallgedämpft war.

Ich muss hier raus!

Mühsam schleppte er sich an dem Arbeitstisch entlang zur Tür. Wenn er noch die Kraft hatte, sie aufzuziehen, könnte er den Feueralarm im Flur auslösen.

Nur wenige Schritte entfernt.

Doch als er an der Klinke zog, merkte er sofort, dass die schwere Tür nicht aufging. Ein weiteres Mal zerrte er am Griff, so fest, wie er konnte, und immer noch bewegte sich die Tür nicht.

Sie ist abgeschlossen! Aber wie?

Er riss an seinen Taschen, zog schließlich seinen Schlüsselbund hervor. So viele Schlüssel – warum so viele? Entsetzt schaute er zu, wie ihm die Schlüssel aus der Hand fielen und über die Fliesen unter den Arbeitstisch schlitterten.

Nein!

Seine Zunge drohte ihm die Luftröhre zu blockieren, und sein eben noch taubes Gesicht begann sich wie entflammt anzufühlen. Seine Lunge lechzte nach Sauerstoff, und die Kehle wurde beständig enger.

Er blickte sich nach einer anderen Lösung um … Ja! Der Notausgang! Er war einige Schritte entfernt, doch wenn er sich beeilte …

Es gab ein gewaltiges Krachen, als er gegen einen Arbeitstisch stieß und zu Boden fiel. Jetzt war seine Kehle dicht, und er bekam keine Luft mehr.

Nun kroch er auf die Brandschutztür zu, zog sich an deren Stangen, mit denen sie geöffnet werden konnte, nach oben und drückte mit aller Kraft. Seine Lunge brannte vor Sauerstoffmangel.

Das würde klappen … es muss.

Aber auch diese Tür rührte sich nicht. Als würde … als würde … etwas sie blockieren.

Und während Arnold Pettifer auf den Fliesenboden sackte und das Bewusstsein verlor, drehte sich der Raum um ihn herum und wurde immer dunkler. Er wusste, dass er sterben würde.

Und ihm kam ein letzter, verwirrender Gedanke …

So unwahrscheinlich es auch zu sein scheint – alles deutet darauf hin, dass ich in diesem Moment ermordet werde.

2. Alte Freunde

Sarah nahm zwei Stufen auf einmal, als sie die Treppe hinuntereilte, und bahnte sich ihren Weg durch den Flur zur Küche an einem Haufen Rucksäcke und Taschen vorbei. Chloe war bereits am Tresen, aß Cornflakes und ging irgendwas auf ihrem Handy durch.

»Tee?«, fragte Sarah und schaltete den Wasserkocher ein.

»Nein danke, Mum«, antwortete ihre Tochter, ohne aufzusehen.

Sarah nahm Joghurt aus dem Kühlschrank, einiges Obst aus der Schale und begann zu schnippeln.

»Also habe ich das letzte Nacht nicht geträumt«, sagte sie.

Nun blickte Chloe verwirrt auf. »Was geträumt?«

Sarah nickte zu den Taschen. »Mein wunderschöner Sohn, dein allerliebster Bruder, ist von seinen Reisen zurückgekehrt?«

»Ach so, ja, Daniel.« Chloe benahm sich, als wäre seine Heimkehr keine große Sache.

»Hat er dich begrüßt? Es muss gegen drei Uhr gewesen sein, nicht?«

Chloe lachte. »Er ist nicht so blöd, das zu wagen!«