Cherringham - Gefährliche Enthüllungen - Matthew Costello - E-Book

Cherringham - Gefährliche Enthüllungen E-Book

Matthew Costello

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Beschreibung

Folge 44 der britischen Erfolgsserie

Als der leblose Körper des Kriminaljournalisten Tom Pinder aus der Themse gefischt wird, vermuten alle, dass der stadtbekannte Trunkenbold versehentlich im Fluss ertrunken ist. Doch Pinders junge Kollegin glaubt nicht an diese Erklärung und bittet Jack und Sarah, Nachforschungen anzustellen. Während sie sich in die Geschichten vertiefen, an denen Pinder gearbeitet hat, entdecken Jack und Sarah bald, dass er sich einige sehr gefährliche Feinde gemacht hat, die bereit sind, vor nichts Halt zu machen, um eine gefährliche Wahrheit zu verbergen.

Über die Serie: "Cherringham - Landluft kann tödlich sein" ist unsere erfolgreichste Cosy-Crime-Serie. Jede Folge ist unabhängig lesbar und geeignet, in die Welt von Cherringham einzusteigen. Cherringham ist ein beschauliches Dorf in den englischen Cotswolds. Doch mysteriöse Vorfälle, eigenartige Verbrechen und ungeklärte Morde halten die Bewohner auf Trab. Zum Glück bekommt die örtliche Polizei tatkräftige Unterstützung von Sarah und Jack. Die alleinerziehende Mutter und der ehemalige Cop aus New York lösen jeden noch so verzwickten Fall. Und geraten das ein oder andere Mal selbst in die Schusslinie ...

eBooks von beTHRILLED - mörderisch gute Unterhaltung!


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Inhalt

Cover

Grußwort des Verlags

Über diese Folge

Cherringham – Landluft kann tödlich sein  – Die Serie

Die Hauptfiguren

Titel

1. Ein letztes Pint

2. Eine Leiche im Wasser

3. Verdächtigungen

4. Das Rose in Flower

5. Mehr Fragen als Antworten

6. Der Mann mit der Mütze

7. Es wird ernst

8. Ein Überraschungsgast

9. Der mächtige Mr D.

10. Endlich …

11. Die Wahrheit

12. Cherchez la femme

13. Die Pattsituation

In der nächsten Folge

Über die Autoren

Impressum

 

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Über diese Folge

Als der leblose Körper des Kriminaljournalisten Tom Pinder aus der Themse gefischt wird, vermuten alle, dass der stadtbekannte Trunkenbold versehentlich im Fluss ertrunken ist. Doch Pinders junge Kollegin glaubt nicht an diese Erklärung und bittet Jack und Sarah, Nachforschungen anzustellen. Während sie sich in die Geschichten vertiefen, an denen Pinder gearbeitet hat, entdecken Jack und Sarah bald, dass er sich einige sehr gefährliche Feinde gemacht hat, die bereit sind, vor nichts Halt zu machen, um eine gefährliche Wahrheit zu verbergen.

Cherringham – Landluft kann tödlich sein – Die Serie

»Cherringham – Landluft kann tödlich sein« ist eine Cosy-Crime-Serie, die in dem vermeintlich beschaulichen Städtchen Cherringham spielt. Regelmäßig erscheinen sowohl auf Deutsch als auch auf Englisch spannende und in sich abgeschlossene Fälle wie auch Romane mit dem Ermittlerduo Jack und Sarah.

Die Hauptfiguren

Jack Brennan hat jahrelang für die New Yorker Mordkommission gearbeitet – und fast genauso lange von einem Leben in den englischen Cotswolds geträumt. Mit einem Hausboot im beschaulichen Cherringham ist für ihn ein langgehegter Traum in Erfüllung gegangen. Doch etwas fehlt ihm. Etwas, das er einfach nicht sein lassen kann: das Lösen von Kriminalfällen.

Sarah Edwards ist Webdesignerin. Nachdem ihr perfektes bürgerliches Leben in sich zusammengefallen ist, kehrt sie mit ihren Kindern im Schlepptau in ihre Heimatstadt Cherringham zurück, um dort neu anzufangen. Das Kleinstadtleben ist ihr allerdings oft zu langweilig. Gut, dass sie in Jack einen Freund gefunden hat, mit dem sie auch in der vermeintlichen Idylle echte Abenteuer erleben kann!

Matthew CostelloNeil Richards

CHERRINGHAM

LANDLUFT KANN TÖDLICH SEIN

Gefährliche Enthüllungen

Aus dem Englischen von Sabine Schilasky

1. Ein letztes Pint

Tom Pinder bezahlte den Schankkellner, nahm die beiden Pint-Gläser mit schäumendem Indian Pale Ale auf – frisch vom Fass, auf die gute alte Weise – und griff sich noch die Tüte mit fettfrei gerösteten Erdnüssen. Dann bahnte er sich einen Weg durch den vollen Schankraum und ging hinaus in den Garten des Rose in Flower.

Warum komme ich eigentlich nicht häufiger hierher?, fragte er sich, als er im letzten abendlichen Sonnenschein stand und einen Schluck aus einem der Gläser nahm. Heute gibt es nicht mehr viele Pubs, in denen sie wissen, wie man ein Pint anständig serviert.

Doch die Antwort darauf kannte er. Der Pub mochte nur wenige Meilen flussaufwärts von Cherringham entfernt sein, aber man musste immer noch mit dem Auto herfahren. Und das kam, mit Blick auf die Rückfahrt, nicht infrage – es sei denn, er blieb stocknüchtern.

Und wann war er je in einen Pub gegangen und nüchtern geblieben?

Er entdeckte einen Tisch weit hinten unter einer Weide, deren Äste so tief hingen, dass deren Spitzen in den Fluss eintauchten. Den steuerte er an, um ihn sich zu sichern.

Er stellte die Gläser ab und setzte sich mit Blick zum Pub hin, damit er beobachten konnte, wer kam und wer ging. Dann schaute er auf seine Uhr.

Acht. Es ist fast so weit.

Er nahm noch einen großen Schluck von seinem Bier, bevor er seine lederne Umhängetasche öffnete und vorsichtig die Werkzeuge seines Handwerks herausnahm.

Das Telefon, um das Interview aufzunehmen. Zusätzlich noch ein digitales Aufnahmegerät. Ersatzbatterien – für alle Fälle. Notizblock – keiner von diesen kleinen spiralgebunden, die einem allzu leicht aus der Tasche rutschten; vielmehr war dieser ein richtiger DIN-A5-Block mit einer Mittellinie zum Stenografieren. Zu groß, als dass er einem aus der Tasche fallen und verloren gehen könnte.

Kuli. Und auch einen Bleistift. Wieder mal galt: Nur für alle Fälle.

Zwanzig Jahre bei Lokalzeitungen, zehn weitere in der Fleet Street. Und jetzt war er wieder hier gelandet, als Freiberufler für The Cherringham Times, bei der es sich eher um ein kostenloses Werbeblättchen handelte als um eine richtige Zeitung. Aber in der Not fraß der Teufel Fliegen. Und all seine Erfahrung hatte ihn gelehrt, für alles etwas in Reserve mit sich zu führen.

Doppelt hält besser, wie es so schön hieß. Vorsicht ist besser als Nachsicht.

Für alle Fälle.

Heute Abend durfte nichts schiefgehen. Oh nein, absolut nichts. Nicht bei diesem Interview. Das war – oh ja! – der ganz große Wurf.

Dies war die eine besondere Story, die ihn endlich aus dem verschlafenen Cherringham zurück auf die Titelseite einer echten Zeitung katapultieren würde!

Wer weiß! Vielleicht sogar zurück in die Fernsehstudios.

»Heute Abend begrüßen wir bei Newsnight den erfahrenen Kriminalreporter Tom Pinder, der die Story als Erster gebracht und die schockierenden Vorfälle heute bei Gericht verfolgt hat …«

Lächelnd hing Tom dieser Fantasie nach und trank noch einen großen Schluck von seinem Bier. Durch die Bäume blickte er zu einem Schwanenpaar, das unter den Steinbögen der mittelalterlichen Brücke hervorkam und am Pubgarten vorbeiglitt.

Wahrlich perfekt.

Drinnen war es voller geworden, doch hier, an dieser ruhigen, abgelegenen Stelle, hatte er das Gefühl, sicher und gut versteckt zu sein. Keiner konnte sie belauschen, so viel stand fest. Und sowieso schien hier im Pub nur die übliche ausgelassene Schar versammelt zu sein, die ihren Samstagabend genießen wollte – niemand Verdächtiges.

Keiner, der aussah, als könnte er hinter seiner Story her sein.

Als er zum Eingang des Pubs schaute, bemerkte er ein Gesicht an einem der oberen Fenster. Der Blick war nach unten auf ihn gerichtet, doch die Person zog sich gleich wieder hinter den Vorhang zurück.

Eigenartig.

Für einen Moment machte Tom sich Sorgen. Aber das Gesicht tauchte nicht wieder auf.

Wahrscheinlich bloß ein Gast in einem der Zimmer oben, der sich den Sonnenuntergang angesehen hat.

Und was für ein Sonnenuntergang! Heute Abend fand ein echtes Farbenspektakel am Himmel statt.

Er griff in seine Tasche und holte seine Zigaretten hervor, öffnete die Schachtel und klopfte einen Glimmstängel heraus. Aus purer Gewohnheit blies er nach dem Anstecken einen Rauchring in die Luft und beobachtete, wie er sich im letzten rosigen Sonnenschein kringelte.

So viel zum Vorhaben, mit dem Rauchen aufzuhören.Schon die zweite Schachtel heute.

Ein Jammer, dass er keinen Fotografen hatte, der diesen idyllischen Moment einfangen konnte. Was für ein malerisches Bild wäre das gewesen! Er musste wieder herkommen, wenn er einen Buchvertrag hatte – und das Ganze für die Kamera in Szene bringen.

Der Autor im Rose in Flower(links), mit John Sheeran bei seinem ersten großen Enthüllungsinterview.

Das erste Interview – ja, das klang richtig nett. Aber natürlich griff er den Dingen damit vor.

Er musste zuerst wirklich alle Fakten auf den Tisch bekommen, dann den Deal mit Sheeran unter Dach und Fach bringen, die Geschichte stilistisch gut ausarbeiten und schließlich die ganze pikante Story an eine der großen Zeitungen in London verkaufen – vielleicht sogar an die Sunday Times oder den Telegraph? Auch piekfeine Leser liebten einen guten Exklusiv-Krimi.

Er leerte sein Pint und stellte das Glas hin. Wieder sah er auf seine Uhr. Hm, wenn Sheeran in den nächsten paar Minuten nicht aufkreuzte, könnte er ebenso gut das zweite Pint trinken.

Und danach zwei neue holen.

Dann aber bemerkte er eine Bewegung hinten im Garten, wo die Hecke nach unten zum Wasser verlief – und sah eine Gestalt plötzlich auftauchen, als wäre sie von dem Feld hinter dem Pub gekommen.

Als würde sie sich anschleichen.

Ein Mann in einer Lederjacke, deren Kragen hochgeklappt war, und mit einer Wollmütze auf dem Kopf.

Komisch, dachte Tom. Ich erinnere mich nicht, jemals da eine Pforte zum Pub gesehen zu haben.

Was jedoch keine Rolle spielte. Der Mann schritt rasch über den Rasen auf Tom zu, war dabei stets im Schatten. Und dann, als er näher gekommen war, erkannte Pinder das Gesicht von so vielen alten Fotos wieder.

John Sheeran. Wie er leibt und lebt.

Toms Herz schlug schneller – dieser Adrenalinrausch, den er früher so geliebt hatte. Dieses Gefühl, das man nur bekam, wenn es mit einer Story so richtig losging und sie real wurde.

Er griff in seine Tasche und schaltete das Aufnahmegerät ein. Dann überprüfte er schnell sein Handy, stellte es auf »Aufnehmen« und schob es auf dem Tisch weiter nach vorn. Als Nächstes klappte er die oberste Seite des Notizblocks zurück, nahm den Kuli in die Hand und stellte sich innerlich auf das Interview ein, von dem er sicher war, dass es sein Leben verändern würde.

»Sind Sie fertig mit diesen Gläsern?«

Tom hörte auf zu schreiben und blickte von seinem Block auf. Einer von den jungen Männern, die vorhin hinterm Tresen bedient hatten, stand mit einem Tablett voller Gläser und Flaschen neben seinem Tisch.

»Was?« Tom zog sein leeres Glas zu sich. »Nein, ich nehme noch eines.«

»Nicht hier«, entgegnete der junge Mann. »Wir haben vor zwanzig Minuten ausgerufen, dass die letzten Bestellungen angenommen werden. Jetzt schließen wir. Also, wenn es Ihnen nichts ausmacht …«

Tom schaute sich in dem dunklen Garten um und bemerkte, dass es hier fast leer war.

In der Aufregung des Interviews hatte er die Zeit vollkommen aus den Augen verloren, seine Notizen sortiert und alles schnell runtergeschrieben, solange es noch frisch war, während die Pints geflossen waren.

Sheeran hatte sich längst verabschiedet. Die Lichter im Garten waren ausgeschaltet, und alles war still.

Es wurde Zeit, dass er sich auch auf den Weg machte.

»Können Sie mir ein Taxi rufen?«, fragte er und steckte seine Notizen und das Aufnahmegerät in seine Umhängetasche.

»An einem Samstagabend? Sie machen wohl Witze.«

Tom fluchte leise vor sich hin.

Ich hätte das vor Stunden vorbestellen sollen, dachte er.

Er hängte sich die Tasche über die Schulter und stand auf – um sogleich nach der Tischecke zu greifen, weil er schwankte und beinahe umfiel.

Hoppla!

»Alles gut bei Ihnen?«, fragte der Schankkellner, stellte das Tablett ab und streckte eine Hand aus, um ihn zu stützen.

Tom wehrte sie ab.

»Ja, ja. Natürlich.«

»Da müssen Sie sich den Alkohol runterlaufen, was?«, meinte der Bursche, nahm sein Tablett wieder auf und ging zurück zum Pub. »Zurück geht’s den Uferweg entlang – ist ein schöner Abend dafür.«

Tom blickte ihm nach und fluchte wieder leise vor sich hin. Dann aber ging er vorsichtig zwischen den leeren Tischen hindurch und nutzte sie als Stütze, wenn er merkte, dass er Gefahr lief, das Gleichgewicht zu verlieren. Unterdessen erloschen nacheinander die letzten Lichter im Garten.

Als er die kleine Pforte zur Straße erreichte, war es im Pub bereits still und dunkel. Es schien keine Menschenseele in der Nähe zu sein. Tom hielt sich schwankend am Pfosten der Pforte fest und wartete darauf, dass er sich ein wenig stabiler fühlte.

Irgendwo rechts von ihm, weiter hinten auf dem Weg, sah er einen sich bewegenden Schatten, der im nächsten Moment innehielt.

Katze? Hund? Kuh? Hier draußen, mitten in der Einöde, könnte es alles Mögliche sein.

Er hielt seine Umhängetasche fest an seiner Seite und ging auf die Straße. Nach einigen wackligen Schritten betrat er die alte Brücke und legte eine Hand auf das Geländer, um Halt zu finden. Der Stein fühlte sich kalt an.

Er blickte über die Kante. Im Licht des Halbmonds konnte er den Fluss gerade noch ausmachen, der schwarz und silbern unter ihm dahinströmte.

Verdammt! Ein Whisky für unterwegs wäre nett gewesen, dachte er. Dann fiel ihm ein: Es gab noch einen Pub auf der anderen Seite des Flusses! Vielleicht hatte der länger auf.

Immerhin war Samstagabend!

Tom eilte über die Brücke, so gut er es vermochte, blieb dann aber auf halbem Weg stehen. Als er in die Dunkelheit blinzelte, konnte er sehen … dass der andere Pub ebenfalls geschlossen hatte.

Dann hörte er einen Wagen in der Ferne und drehte sich um. Hinter sich sah er die Lichter näher kommen. Das Auto war schnell und die Brücke schmal, deshalb drückte sich Tom dicht ans Geländer.

Als der Wagen vorbeiraste und der Fahrer hupte, reckte Tom halb scherzhaft seinen Daumen hoch in der Hoffnung auf eine Mitfahrgelegenheit.

Doch der Fahrer hielt nicht an; und die Leute drinnen johlten, lachten und riefen irgendetwas in Toms Richtung. Trotzig zeigte er ihnen den Mittelfinger, als sie bereits in der Ferne verschwanden.

Wie es aussah, blieb ihm keine andere Wahl. Der Marsch am Fluss entlang zurück nach Cherringham dürfte leicht eine knappe Stunde dauern.

Aber was solls? Die Zeit wäre nicht vergeudet. Im Kopf arbeitete er bereits an seiner Story, schob Absätze hin und her, formulierte die Einleitung um, brachte ein bisschen Farbe hinein und schmückte einzelne Momente der großen Enthüllung aus.

Und was für eine Enthüllung!

Sheeran hatte ihm alles erzählt. Hatte Namen genannt. Ihm Zahlen gegeben. Er hatte die Unstimmigkeiten der Originalgeschichte vor all den Jahren aufgezeigt und sämtliche Lügen offenbart.

Besser hätte sich Tom das Interview nicht erträumen können. Danach würde er ein gemachter Mann sein.

Nein – erneut ein gemachter Mann.

Grinsend begann er, weiter über die Brücke zu gehen – und fühlte aus dem Nichts eine Hand, die ihn fest an der Schulter packte und so schnell herumdrehte, dass er beinahe rücklings gestürzt wäre.

Plötzlich rang er mit jemandem. Nein, das war kein Ringen, sondern ein richtiger Kampf!

Er nahm Lederhandschuhe und eine schwarze Skimaske wahr. Diese Person war stark … Oder vielleicht war er nach all den Pints einfach ziemlich schwach, immer noch betrunken. Seine Beine knickten fast unter ihm ein, als der Mann – oder die Frau, wer weiß! – seine Jacke packte. Verzweifelt schlug Tom mit den Armen um sich.

Und als ihm der Taschenriemen von der Schulter gezerrt wurde, begriff er, worauf der Angreifer aus war.

Seine Tasche! Mit seinem Handy, seinem Aufnahmegerät, seinen Notizen … seiner Story.

Mit aller Kraft, die er in seinem betrunkenen Zustand aufzubringen vermochte, zog er die Tasche zu sich heran, schrie und fluchte; aber die andere Person zerrte umso fester.

Flüchtig sah er die Szene vor sich, wie sie in dem Dokumentarfilm erscheinen würde, den er zu drehen plante. Dieser schon fast komische Angriff – wie zwei Kinder, die sich um einen Schulranzen zankten. Plötzlich jedoch riss die Riemenschnalle, brach einfach weg, und Tom spürte, wie er nach hinten geschleudert wurde, während er die Tasche immer noch mit beiden Armen umklammert hielt.

Er schlug mit dem Rücken auf das niedrige steinerne Geländer der Brücke und … kippte hinüber. Jetzt sah er den Mond sehr klar am schwarzen Himmel. Und er konnte einen letzten kurzen Blick auf seinen Angreifer werfen, der über das Geländer spähte, während Tom herabfiel.

Er flog scheinbar unendlich lange, bevor er hart auf das schwarze, erschreckend kalte Wasser prallte. Es umhüllte ihn, hielt ihn fest und zog ihn nach unten. Und Tom fühlte, wie alles – seine Story, seine Zukunft, seine »Wiederauferstehung« – in der Dunkelheit verschwand.

2. Eine Leiche im Wasser

Jack schrak aus dem Schlaf, riss augenblicklich die Augen weit auf und sah seinen Spaniel Riley neben dem Bett sitzen. Der Hund starrte ihn an, während die frühe Morgensonne durch die Vorhänge schien.

»Hey, was ist denn los?«, fragte Jack verwundert. Wenn Riley morgens dringend rauswollte, kratzte er für gewöhnlich an der Tür des Brückenhauses.

Einen Moment lang lauschte Jack den Morgengeräuschen auf dem alten Kahn und dem Fluss: das sanfte Knarzen des Holzes, das Schwappen der kleinen Wellen, ein paar quakende Enten, das ferne Tuckern eines Außenbordmotors – nichts Ungewöhnliches.

Doch dann … vernahm er etwas. Stimmen in einiger Entfernung. Die gehetzt und besorgt klangen … Und einige Rufe.

Jack zog sich Shorts und ein T-Shirt an, darüber einen Fleece-Pullover, weil es noch früh war. Nachdem er in seine Sneakers geschlüpft war, ging er durch den Wohn- und Küchenbereich nach vorn und hinauf auf das Deck der Grey Goose. Auf dem Weg dorthin nahm er seine Sonnenbrille an sich. Riley folgte ihm ungeduldig.

Draußen schaute Jack sich am Flussufer mit den vertäuten Booten um. Dann entdeckte er eine Gruppe von Leuten hinten auf einem der Kähne, und er erkannte seinen Nachbarn Ray, der neben dem Wasserfahrzeug ein Ruderboot manövrierte, während ihm die anderen Anweisungen zuriefen.

»Na, was haben wir denn hier, Riley?«, fragte Jack, und gemeinsam gingen sie den Uferweg hinunter, um nachzusehen, was los war.

In der kleinen Hausbootgemeinschaft hatte niemand etwas gegen neugierige Nachbarn. Es gehörte einfach zum Leben am Fluss dazu – wenn man hier vertäut war, konnte man nicht erwarten, viele Geheimnisse zu wahren.

Allerdings konnte man auch sicher sein, dass diese Geheimnisse, wenn sie denn herauskamen, niemals über das Flussufer hinaus weitererzählt würden.

»Jack!«, rief Ray vom Boot aus, als er sich näherte. »Klasse! Du bist genau der Mann, den wir brauchen.«

»Da bin ich mir nicht so sicher«, entgegnete Jack. »Ich hatte noch nicht meinen Morgenkaffee. Was gibt es, Ray?«

Er nickte zu der kleinen Gruppe hinten auf dem Kahn: Ian und Maggie, das alte Hippie-Paar, sowie Jimmy Hooper, der stets aufgeräumte Automechaniker im Ruhestand, mit dem Jack gestern bis spät in die Nacht bei Single-Malts Geschichten ausgetauscht hatte.

Jimmy hatte Jack von seinen Erlebnissen in Spanien erzählt, wo er eine Bar betrieben hatte, bis ihn die neuen Aufenthaltsbestimmungen zwangen, letztes Jahr nach England zurückzukehren.

»Hey, Jack«, grüßte Jimmy. »Was macht der Schädel heute Morgen?«

»Nicht allzu schlimm«, antwortete Jack lächelnd. »Je besser der Whisky, desto zahmer der Kater.«

»Ja, das stimmt«, sagte Jimmy grinsend.

»Komm lieber an Bord, Jack!«, rief Ian, der ernst dreinblickte, und Jack ging über die Laufplanke auf die Astral Traveller – was ein passender Name war, denn Ian und Maggie bauten heimlich Cannabis hinter einer Hecke am Uferpfad an. »Ich fürchte, wir brauchen deine Hilfe.«

Riley blieb dicht hinter Jack, als der sich der Gruppe zugesellte und dann über die Reling zu dem kleinen Boot schaute. Dort hielt Ray mit einer langen Bootsstange etwas seitlich an dem Kahn fest.

Und Jack erkannte schnell, was dieses Etwas war …

Eine Leiche.

»Aha, verstehe«, sagte er und blickte zu den anderen. »Hm, hat schon jemand überprüft, ob der noch lebt?«

Schlagartig schauten Ian, Maggie, Jimmy und Ray ihn schuldbewusst an.

»Oh verdammt, nein«, antwortete Ian. »Wir haben gedacht – du weißt schon … Weil der sich nicht bewegt, wohl eher nicht. Deshalb wollten wir lieber auf die Polizei warten. Wir wollen ja nichts falsch machen …«

»Und, hat jemand die Polizei gerufen?«, fragte Jack. »Und einen Krankenwagen?«

Alle blickten einander an, und Jack begriff, dass sie noch unter Schock standen. Wie gelähmt, dass eine Leiche an eines ihrer Boote getrieben wurde.

Ich schätze, das erleben sie hier sonst nicht, dachte Jack. Also muss man gnädig mit ihnen sein.