Cherringham Sammelband - Folge 40-42 - Matthew Costello - E-Book

Cherringham Sammelband - Folge 40-42 E-Book

Matthew Costello

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  • Herausgeber: beTHRILLED
  • Kategorie: Krimi
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2024
Beschreibung

Very British - drei England-Krimis in einem Band!

Diese E-Book-Sonderausgabe beinhaltet die Fälle 40 bis 42 der Cosy-Crime-Serie "Cherringham - Landluft kann tödlich sein".

Folge 40: Es ist Winter in Cherringham und der Kleinganove Charlie Topper schwebt in Lebensgefahr: Vor einigen Monaten wurde er bei einem Einbruch Zeuge eines kaltblütigen Mordes. Um nicht selbst in Schwierigkeiten zu geraten, hat er niemandem erzählt, was er gesehen hat. Doch nun scheint der Mörder ihn gefunden zu haben, und in seiner Verzweiflung bittet er Jack und Sarah um Hilfe.

Folge 41: Ed Finlay, IT-Spezialist und Vater zweier Kinder, ist verschwunden und seine Frau wendet sich verzweifelt an Jack und Sarah. Die beiden Privatdetektive stoßen bald auf eine Reihe seltsamer Geheimnisse um den Vermissten - und die deuten darauf hin, dass der Familienvater in großer Gefahr schweben könnte! Wird es Jack und Sarah gelingen, ihn rechtzeitig aufzuspüren?

Folge 42: Auf dem geschichtsträchtigen Landsitz Morton Mano wird Cyril Roebuck, ein älterer Herr, tot in der großen Halle aufgefunden. Zunächst sieht es nach einem Herzinfarkt aus. Doch der Raum war von innen verschlossen - und Cyril kann ihn nicht verriegelt haben! Jack und Sarah versuchen, das seltsame Rätsel des verschlossenen Zimmers zu lösen - und finden bald heraus, dass im Herrenhaus tatsächlich ein Verbrechen begangen wurde ...

eBooks von beTHRILLED - mörderisch gute Unterhaltung!

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Inhalt

Cover

Grußwort des Verlags

Über diesen Sammelband

Sammelband XIV

Ein eiskaltes Verbrechen

Kein sicheres Versteck

Tod im Herrenhaus

Über die Autoren

Weitere Serien der Autoren

Impressum

 

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Über diesen Sammelband

Ein eiskaltes Verbrechen

Es ist Winter in Cherringham. Doch das Verbrechen macht auch bei klirrender Kälte keine Pause und beschert Jack und Sarah einen neuen Fall: Der Kleinganove Charlie Topper ist in Lebensgefahr. Im letzten Sommer wurde er bei einem Einbruch Zeuge eines kaltblütigen Mordes. Um nicht selbst in Schwierigkeiten zu geraten, hat er niemandem erzählt, was er gesehen hat. Doch nun hat ihn der Mörder offenbar aufgespürt! In seiner Verzweiflung bittet er Jack und Sarah um Hilfe: Können die beiden den Fall lösen, bevor der eiskalte Mörder auch hinter ihnen her ist?

Kein sicheres Versteck

Ed Finlay ist verschwunden, doch die örtliche Polizei kann nicht viel tun. Schließlich hat der IT-Spezialist und hingebungsvolle Vater zweier Kinder selbst gesagt, dass er für eine ganze Weile weg sein würde. Als die Wochen vergehen, ohne dass es Neuigkeiten gibt, wendet sich seine Frau verzweifelt an Jack und Sarah und bittet um deren Hilfe. Die beiden stoßen schon bald auf jede Menge seltsame Geheimnisse, die den Vermissten umgeben – und die darauf hindeuten, dass der Familienvater in großer Gefahr sein könnte! Wird es Jack und Sarah gelingen, Ed Finlay rechtzeitig aufzuspüren?

Tod im Herrenhaus

Endlich hat Jack die lange aufgeschobene Knieoperation hinter sich gebracht. Doch nun muss er sich schonen und langweilt sich, daher arbeitet er ehrenamtlich im Besucherservice auf dem geschichtsträchtigen Landsitz Morton Manor. Eines Morgens wird sein Kollege Cyril Roebuck tot in der Großen Halle aufgefunden. Zunächst sieht es danach aus, dass der liebe alte Mann einen Herzinfarkt erlitten hat. Doch der Raum war von innen verschlossen – und Cyril konnte ihn nicht verriegelt haben! Jack bittet Sarah, mit ihm das seltsame Rätsel des verschlossenen Zimmers zu ergründen – und schon bald finden die beiden heraus, dass Cyrils tatsächlich einem Verbrechen zum Opfer gefallen ist …

Matthew CostelloNeil Richards

CHERRINGHAM

LANDLUFT KANN TÖDLICH SEIN

Sammelband XIV

Folge 40: Ein eiskaltes VerbrechenFolge 41: Kein sicheres VersteckFolge 42: Tod im Herrenhaus

Matthew CostelloNeil Richards

CHERRINGHAM

LANDLUFT KANN TÖDLICH SEIN

Ein eiskaltes Verbrechen

Aus dem Englischen von Sabine Schilasky

1. Ein perfekter Juniabend

Karl Huntford schritt vorsichtig durch das hohe Gras der steil abfallenden Wiese, hinunter zum Teich und dem kleinen Holzdeck, das er eigens für Abende wie diesen gebaut hatte.

Er hielt einen perfekt gekühlten Sauvignon Blanc in der einen Hand und zwei Weingläser in der anderen.

Hinter ihm folgte seine Frau Christine mit einem kleinen Korb, in dem sich ein größeres Stück Brie und einige von den lachhaft teuren Kräckern aus dem Hofladen befanden.

Wie für den Abend vorhergesagt, waren die Temperaturen absolut ideal – warm mit einer sehr sanften Brise, die von rechts über den Teich wehte.

Karl liebte es, wenn sie sich hierhin zurückzogen. Die hölzerne Plattform war von ihm so angelegt worden, dass sie freien Blick auf den Teich und den nahen Wald hatten: Sie konnten von dort aus die Tiere beobachten, die in der Dämmerung auftauchten, als handelte es sich um eine besondere Aufführung eigens für sie beide.

Huntford genoss es.

Ganz besonders, nachdem er ein ganzes Jahr verloren hatte, um sich an solchen Erlebnissen zu erfreuen.

Nach einer solchen Erfahrung lernte man die wirklich schönen Dinge erst recht schätzen.

Diese Wiese zum Beispiel: der erste Teil des großen Renaturierungsprojekts für das Anwesen. Ein volles Jahr lang hatte er dieses geplant. Das absichtlich ungemähte Gras war nun von Wiesenmargeriten, Klatschmohn und Rotem Fingerhut gesprenkelt.

Und die Schmetterlinge! Rote Admirale, Kleine Füchse – herrliche Farbtupfer, die von Blume zu Blume tanzten.

Eines Tages, wenn ich Glück habe, dachte er, sehe ich vielleicht sogar einen Himmelblauen Bläuling.

Karl betrat das Holzdeck, das den Teich ein wenig überragte. Dort standen zwei stabile Metallstühle und ein passender Tisch für Drinks und Snacks.

Gerade genug Platz für sie beide – wie Karl es am liebsten hatte.

Er stellte den Wein und die Gläser hin, bevor er einen schlichten Korkenzieher aus seiner Gesäßtasche hervorholte. Mit der Spitze löste er das Foliensiegel.

Karl gab altmodischen Korkverschlüssen eindeutig den Vorzug, ganz gleich, was Experten über die neuen, einfachen Schraubverschlüsse und deren Wirksamkeit sagten.

Ein Schraubverschluss! Das war so romantisch und spannend, als würde man eine Ketchup-Flasche öffnen!

Er entkorkte den Wein mit einem leisen »Plopp«.

»Gut gemacht«, lobte ihn Christine und stellte den Käse und die Kräcker hin.

In ihrer ärmellosen blauen Karobluse und den weißen Shorts sah sie fantastisch aus.

»Besser könnte das Wetter gar nicht sein«, sagte Karl.

Natürlich würden Tage kommen, an denen der Sommer in den Herbst und der Herbst in den Winter überging.

Doch jetzt gerade? Perfekt.

Rasch schenkte er ihnen ein und erhob sein Glas, um mit Christine anzustoßen – ein sanftes »Pling«. Sie lächelte.

Seine Frau war schön wie immer – die Wangen von Natur aus rosig, und auf ihrem Mund schimmerte nur ein Hauch von Lippenstift.

Make-up ist unnötig. Eine wahre Naturschönheit.

Ich … bin ein glücklicher Mann, dachte er.

Dann wandte er sich ab und blickte zu dem Teich, der unten im Tal eingebettet war, und dem dichten Wald auf dem Hügel gegenüber.

Alles gehörte seiner Frau und ihm. Und bald würde die Dämmerung einsetzen.

»Sehen wir mal, was für Besucher wir heute Abend haben werden«, sagte er.

Und es dauerte nicht lange, bis sie nicht mehr allein waren.

Sie hatten einen Habicht entdeckt, der drüben am Teichrand entlangsegelte und dann im Wald verschwand, wo die Bäume dunkel und undurchdringlich wirkten.

Wahrscheinlich sitzt er dort irgendwo auf einem hohen Ast, dachte Karl. Beobachtet. Wartet auf seine Beute.

Nach einer kleinen Ewigkeit – während der Karl und Christine Käse aßen, auf andere Vögel zeigten und sich leise unterhielten – kam der Habicht plötzlich aus den Bäumen hervorgeschossen und näherte sich im raschen Sturzflug dem Teichrand.

»Ah – er hat etwas«, stellte Karl fest, als der Vogel mühelos mit einer winzigen grauen Gestalt zwischen seinen Krallen wieder aufstieg.

»Oder sie? Du hast doch gesagt, dass Männchen und Weibchen gleich gut jagen.«

Er lächelte. »Das stimmt. Oh, sieh mal! Es scheint eine kleine Maus zu sein. Oder ist das eine Spitzmaus? Keine sehr üppige Mahlzeit – vielleicht nur ein kleiner Imbiss für die Küken im Nest.«

Sie schauten weiterhin aufmerksam zum Waldrand, tranken und knabberten Kräcker mit würzigem Brie.

Dann hörte Karl, wie Christine sagte: »Oh, da ist sie. Die Mutter und ihre Jungen vom letzten Jahr.«

»Pünktlich auf die Minute.«

Zögerlich und wachsam – der Inbegriff der Nervosität – trat ein Hirschquartett aus dem dichten Unterholz: eine Hirschkuh und ihre drei gepunkteten Kälber.

Die Kleinen ästen, während die Mutter hauptsächlich in alle Richtungen schaute, um rechtzeitig feststellen zu können, ob ihren Kälbern Gefahr drohte.

Wahrscheinlich kam bald noch mehr Wild.

Vor einer Woche hatte sich sogar einmal der Hirsch sehen lassen – immer ein aufregender Anblick, insbesondere wegen des wachsenden Geweihs mit den scharfen Spitzen, das gleich einer Waffe allzeit für den Kampf bereit war.

Und Karl, der nahe bei seiner Frau saß, war so glücklich und zufrieden gewesen, wie man es nur sein konnte.

Der fabelhafte französische Wein half zweifellos auch, dass sich solche Hochgefühle einstellten.

Charlie Topper hatte beobachtet, wie das Paar von seinem herrschaftlichen Haus auf dem Hügel den Hang hinunterging – eine kleine Strecke von rund hundert Metern.

Genau wie sie es schon an vielen Nachmittagen getan hatten, die er hergekommen war, um sich im Gebüsch und zwischen den Bäumen auf einer Seite des Hauses zu verstecken.

Verlässlich wie ein Uhrwerk, dachte Charlie, was das Leben stets leichter macht.

Anfangs war Charlie nur neugierig gewesen, wie er die beiden ausrauben könnte. Er hatte geglaubt, dass es in solch einem Haus, das zwar alt, aber modernisiert worden war, eine Alarmanlage geben musste.

Doch dann war ihm auf seinen kleinen Expeditionen, bei denen er seinen verbeulten Nissan gut eine Meile weit weg parkte und durch den Wald zum Haus stapfte, fernab der Wanderwege, um das Paar zu beobachten – es auszuspionieren –, etwas Entscheidendes aufgefallen.

Sie verließen ihr Haus immer hinten durch eine Schiebetür, um zu ihrem gemütlichen kleinen Holzdeck zu gehen.

Die Tür glitt einfach auf und oftmals auch wieder zu – jedoch nicht immer.

Im Sommer sind die Leute so unachtsam. Bewegen sich rein und raus.

Als gäbe es überhaupt keinen Grund zur Sorge.

Und wenn Charlie geduldig genug gewesen war, um eine ganze Weile zu bleiben – eine Stunde, vielleicht länger –, hatte er sie mit einer leeren Weinflasche und Gläsern zurückkehren und ins Haus spazieren gesehen.

Und keiner der beiden tippte irgendwelche Zahlencodes ein, um ins Haus zu gelangen, wenn die Tür geschlossen war.

Die Alarmanlage war ausgeschaltet.

Ich schätze, dachte er, dass sie sich sicher fühlen, weil sie in der Nähe sind, und es nicht für nötig halten, alles zu verriegeln.

Und Kameras? Es musste welche geben, aber die waren höchstwahrscheinlich diskret platziert und entsprechend schwer zu finden. Was allerdings kein unlösbares Problem darstellte. Denn Charlie hatte eine Skimaske mit Öffnungen für die Augen und den Mund.

Mit der war er quasi unsichtbar.

An einem warmen Nachmittag wie heute war das Atmen in dem Ding freilich nicht angenehm, so viel stand fest. Doch in diesem Fall blieb ihm keine andere Wahl.

Und nun blickte er den Hügel hinunter, über das hohe Gras hinweg, und vergewisserte sich, dass die zwei, was immer sie da unten taten, Wein trinkend und über ihren Besitz blickend, dem Haus den Rücken zugekehrt hatten.

Was bedeutete – ja –, dass es für Charlie Topper Zeit wurde, nachzuschauen, welche Schätze er drinnen finden könnte.

Charlie eilte aus seiner Deckung zwischen den Bäumen und schlüpfte durch dieselbe Schiebetür ins Haus, die das Paar stets benutzte.

Zum Glück ist die Tür offen geblieben, dachte er. Aber selbst wenn sie geschlossen wäre – ohne eine Alarmanlage lässt sich wahrscheinlich jede Tür öffnen.

Charlie hatte von einigen seiner Kumpel Gerüchte gehört, dass der Typ, der hier wohnte – obwohl er wegen irgendwelcher üblen Geldgeschichten im Knast gesessen hatte –, immer noch einiges an Barem besaß.

Vielleicht sogar eine ganze Menge.

So wie es drinnen aussieht, muss da etwas dran sein, fand Charlie, als er sich im Haus umblickte.

Während er von Zimmer zu Zimmer ging, dachte er, dass es eher wie ein modernes Museum aussah: Skulpturen, Kunst – und alles war angeleuchtet. Charlie würde jederzeit zugeben, einen schlichten Geschmack zu haben, und tatsächlich hatte er keine Ahnung, was hier wertvoll und was reine Dekoration war.

Allerdings wurde unter seinen Kollegen in der Einbruchdiebstahl-Branche spekuliert, dass die Frau teuren Schmuck besaß.

Ja, und Schmuck war fast so gut wie kaltes, hartes Bargeld. Leicht an einen Hehler zu verkaufen. Dinge von echtem Wert, die sich in schnelles Geld umwandeln ließen.

Er näherte sich einem Fenster und überprüfte, ob die beiden noch unten am Teich saßen – eigentlich war es mehr ein kleiner See –, bevor er zur Treppe ging.

Denn Leute bewahren ihren Schmuck natürlich im Schlafzimmer auf!

Und im größten Schlafzimmer oben stand selbstverständlich ein Schmuckkasten auf einer weißen Kommode. Er hatte jedoch ein Schlüsselloch und war vermutlich abgeschlossen.

Doch als Charlie den Kasten mit seiner von einem Handschuh verhüllten Hand zu öffnen versuchte, ging der Deckel zu seinem Erstaunen auf.

Darunter kam eine schwindelerregende Menge an Funkelndem zum Vorschein.

Manche der bunteren Stücke waren mit Steinen besetzt, die Charlie nicht kannte. Doch er sah auch einige, von denen er wusste, woraus sie bestanden und dass sie leicht zu verscherbeln waren – wie etwa die Diamantohrringe und diese Perlenkette.

Bei solch einem Haus … und solch einem Mann … der eine jüngere Frau hatte … dachte Charlie. Da sind diese Perlen garantiert echt.

Mein lieber Schwan, hier ist heute wirklich Zahltag für mich.

Karl schenkte seiner Frau die letzten Tropfen Wein ein. Die Flasche schien viel zu schnell geleert. Aber war das bei wirklich gutem Wein nicht immer so?

»Ein Jammer! Alles ausgetrunken.«

Dann sagte Christine etwas, nun ja, Ungewöhnliches.

Eine leere Flasche war normalerweise das Zeichen, dass das leise Reden und die Naturbeobachtung hier vorbei waren. Auf der anderen Seite des Teichs hielt sich jetzt ein ganzes Hirschrudel auf, und zu dem Habicht hatten sich Schwalben gesellt, die pfeilschnell über das Wasser hinwegflogen und Insekten fingen.

Es war sogar ganz kurz ein Eisvogel zu sehen gewesen – ein exquisiter Farbblitz vor einem Hintergrund aus Sumpfdotterblumen und violettem Weiderich.

»Karl, soll ich schnell zum Haus gehen und noch eine Flasche holen? Es ist so schön hier – der Sonnenuntergang, dieser Abend.«

Karl nickte. Die Sonne war hinter den Hügel hinter ihnen gesunken, und die Kumuluswolken über dem Wald auf der anderen Seite leuchteten pink und orange.

»Warum nicht. Ich gehe …«, begann er.

Aber Christine war bereits aufgestanden.

»Bleib du hier – vielleicht siehst du den Eisvogel noch mal. Ich bin gleich wieder da. Den gleichen?«, fragte sie. Natürlich meinte sie den Wein. »Man soll ja nicht mitten im Rennen die Pferde wechseln, heißt es doch.«

Er schaute ihr nach, während sie den Hügel hinaufging, und holte tief Luft. Der Abend schmolz langsam dahin. Dann drehte er sich wieder zu seinem hübschen Teich um.

Als er mit den Schlafzimmern fertig war, betrat Charlie einen kleinen, dunklen Raum im zweiten Stock, in dem die Vorhänge geschlossen waren. Es handelte sich um eine Art Büro, wie er annahm.

Das einzige Licht kam von einem Laptop mit silbernem Gehäuse und schwarzen Tasten.

Der Computer war aufgeklappt und zeigte wechselnde Bilder, die aussahen, als wären sie auf diesem Anwesen – der Wald, Hirsche, Vögel – und während der Auslandsreisen des Paars aufgenommen worden.

Ein sonniger Strand, Huntford in Badehose und einem blütenweißen, kurzärmligen Hemd.

Seine Frau in einem Bikini.

Ja, dachte Charlie, dem Typen geht es gut.

Das heißt, bis heute Abend.

Doch es wurde Zeit zu verschwinden. Er wusste ja, wie lange ihre kleinen Ausflüge hinunter an den Teich gewöhnlich dauerten.

Dann jedoch zögerte er und sah sich den Laptop genauer an. Der war noch neu. Und Charlie wollte darauf wetten, dass er gutes Geld wert war.

Also stopfte er ihn in seinen Rucksack zu dem Schmuck, den er eingesteckt hatte.

Und weil er sich mit solchen Sachen nicht auskannte, riss er auch noch alle Kabel raus, die mit dem Computer verbunden waren, und steckte sie ebenfalls ein.

Charlie hatte nun einen vollen Rucksack – als wäre er eine Art umgekehrter Nikolaus. Er drehte sich zu einem kleinen Fenster um, das zur Wiese, zu dem Tal und dem Teich ging, und schob den Vorhang ein winziges Stück zur Seite …

Oh Gott!

Huntfords Frau kam mit schnellen Schritten den Hügel hinauf zum Haus!

Charlie Topper wusste, dass seine sorgfältig geschmiedeten Pläne schnell dahin sein könnten. Es brauchte bloß einen Anruf bei der Polizei, und die würde ihn auf dem Weg zurück zu seinem Auto erwischen. Mit der Beute bei sich!

Also rannte er, so schnell er konnte, aus dem kleinen Büro und die breiten Treppen hinunter. Ja, er raste förmlich.

Und dabei dachte er: Wie zur Hölle komme ich jetzt raus?

2. Eine Überraschung für alle

Karls Blick glitt wieder über die Wildwiese und zu seiner Frau, die beinahe beim Haus angelangt war.

Für einen Moment ließ er es zu, dass seine Gedanken abschweiften. Dieser Ort weckte stets eine besondere Ruhe tief in ihm: nur seine Frau und die Natur. Pures Glück.

Es war erstaunlich, wie er es geschafft hatte, dies hier zu erreichen, nach – nun ja – einem finanziellen und persönlichen Desaster von einer solchen Tragweite, dass es die meisten Männer gebrochen hätte.

Zerstört hätte.

Aber nicht ihn! Und mit den neuen Plänen, deren Umsetzung bereits eingeleitet war, und dem üblen Teil, der nun vorbei war, sah die Zukunft sogar noch besser aus.

Er nickte, als wollte er sich selbst versichern, dass die Gedanken, die ihm soeben durch den Kopf gegangen waren, tatsächlich der Wahrheit entsprachen.

In wenigen Momenten wäre Christine mit einer weiteren Flasche Wein zurück, und vielleicht würde er ihr dann ein wenig mehr von diesen Plänen erzählen.

Ja, das würde er machen.

Denn was brachte es schon, faszinierende Pläne zu haben, die in der Mache waren, wenn man sie mit keiner Menschenseele teilte?

Charlie Topper, dessen Rucksack sich fast zum Bersten wölbte, rannte zu einer Seitentür, die er gesehen hatte. Sie ging von der riesigen, blitzblank geputzten Küche ab.

Er legte die Hand an den Türknauf und überlegte: Die Alarmanlage an der Terrassentür ist zwar aus, aber trotzdem könnte die hier noch aktiviert sein …

Vielleicht war das Paar nicht so arglos und von einem solchen Sicherheitsgefühl durchdrungen, wie er es sich an diesem Sommernachmittag vorgestellt hatte.

Doch er hörte ein Geräusch hinter sich. Die Frau kam gerade herein, und Charlie wusste, dass er keine Wahl hatte.

Er drehte den Knauf, zog und stürmte hinaus, als würde er gejagt.

Und dann, ohne sich umzudrehen, raste er direkt auf den dichten Wald seitlich vom Haus zu, wo er sehr bald so gut wie unsichtbar wäre.

Bisher hörte er zum Glück nichts aus dem Haus hinter ihm – es gab keinen Alarm. Und blinkende rote Lichter waren auch nicht zu sehen, wie er feststellte, als er einen hastigen Blick nach hinten warf.

Jetzt musste er nur noch zu seinem Wagen zurückeilen. Den hatte er abseits der Straße in dichtem Gestrüpp versteckt, wo der alte Nissan in den Augen vorbeikommender Passanten hoffentlich wie ein zurückgelassenes Wrack wirkte.

Da er jetzt endlich wieder in Deckung war – außer Atem, aber halbwegs beruhigt, weil ihn der Wald und die dichten Büsche abschirmten –, blieb er stehen, drehte sich um und blickte hinunter zu der Wiese.

Huntford wartete darauf, dass seine Frau wiederkam.

Würde seine hübsche Frau merken, dass etwas nicht stimmte … oder vielmehr fehlte, und nach ihrem Mann schreien?

Aber dann …

Dann …

Charlie nahm eine Bewegung im Wald auf der anderen Seite vom Teich wahr. Und während er dorthin schaute, sagte er sich immer wieder, dass er einfach zu seinem Auto weiterrennen sollte, so schnell er konnte.

Er sah jemanden drüben, der auf einer Höhe mit Huntford und so tief ins Unterholz geduckt war, dass es Charlie innehalten ließ. Etwas an dieser ganzen Situation stimmte nicht – stimmte absolut nicht.

Er schluckte, als er erkannte, dass die Gestalt etwas in den Händen hielt, und dachte: Nur eine Sache sieht so aus, aber das kann doch nicht sein …

Die Gestalt bewegte sich wieder ein wenig – nur ein ganz kleines bisschen –, und nun erkannte Charlie es deutlich:

Die Gestalt da drüber hielt ein Gewehr in den Händen.

In dem Moment bemerkte er, wie Karl Huntford sich vorbeugte, als wäre auch ihm etwas aufgefallen, das nicht zu den Hirschen, den Vögeln und dem friedlichen Teich gehörte.

Charlie wollte es mit einem Schulterzucken abtun – das hier ging ihn nichts an. Der Kerl war vielleicht irgendein Wilderer, der sich auf Huntfords Anwesen herumtrieb. Doch dann hörte er einen kurzen, harten Knall, der ein Echo im Tal und in den umliegenden bewaldeten Hügeln auslöste.

Dieses Geräusch konnte bloß eines bedeuten: Die Waffe war abgefeuert worden.

Er beobachtete, wie Karl Huntfords rechte Hand für eine Sekunde nach oben zuckte, dann kippte der Mann nach hinten und schlug gegen den Metalltisch, sodass die leeren Gläser auf das Holzdeck fielen und zerbrachen.

Und Huntford rührte sich nicht mehr.

Während Charlie sich bereits umdrehte, um zu fliehen, und er vom Haus her ein Schreien hörte, das beständig lauter wurde, dachte er …

Ich habe eben gesehen, wie ein Mann ermordet wurde!

Und dann rannte er durch den Wald zu seinem Wagen.

Das Auto stand noch dort, wo er es gelassen hatte. Charlie riss die Fahrertür auf, die er nicht abgeschlossen hatte, und klemmte den Rucksack hastig hinter den Beifahrersitz. In letzter Minute dachte er daran, keinen Lärm zu machen, und schloss die Tür so leise, wie es ging. Dann kramte er in seiner Tasche nach dem Schlüssel.

»Immer mit der Ruhe, Charlie. Bleib ruhig«, murmelte er vor sich hin und versuchte, seine Atmung zu verlangsamen, damit das Herzrasen aufhörte.

Keiner hat dich gesehen. Du bist hier bloß spazieren gegangen und hast nichts gehört oder gesehen.

Er fand den Schlüssel, ließ den Motor an und biss die Zähne zusammen, weil es so laut war. Dann setzte er zurück aus dem Unterholz und bog auf den Weg.

Es war ungefähr eine Meile durch den Wald bis zur Straße nach Cherringham, und Charlie wusste eines: War er erst mal dort, befand er sich außer Gefahr, zumal es von Minute zu Minute dunkler wurde.

Werde nur nicht panisch, fahr nicht zu schnell, fall nicht auf!, ermahnte er sich. Ich habe nichts Falsches getan, mache bloß eine schöne Spazierfahrt – hier bei mir gibt’s nichts zu sehen, Officer.

Zwei Minuten später fühlte Charlie sich ruhiger. Er fuhr langsam mit ausgeschalteten Scheinwerfern durch den vollkommen verlassenen Wald, und Cherringham – und die Sicherheit – rückte näher.

Bisher war nichts von der Polizei zu hören oder zu sehen.

Charlie blickte nach hinten zu dem Rucksack und gestattete sich einen kurzen Gedanken: Dieser Schmuck wird ein Vermögen wert sein!

Er erreichte eine Wegkreuzung im Wald und wollte geradeaus fahren, als gleichsam aus dem Nichts ein Wagen von links kam. Der Fahrer raste wie ein Irrer.

Charlie trat die Bremse durch, der andere ebenfalls – bevor er im Abstand von Zentimetern an ihm vorbeirutschte. Als beide Fahrzeuge zum Stehen kamen, war das Gesicht des anderen Fahrers schockstarr. Dann gab er wieder Vollgas, sodass eine Staubwolke hinter ihm aufstob.

Charlie sah dem Fahrzeug hinterher, als es um eine Biegung im Wald verschwand. Sein Herz hämmerte erneut, und Schweiß rann ihm übers Gesicht.

Ein alter Land Rover, dachte er, der Kastenform nach zu urteilen. Aber die Farbe war im Dämmerlicht unmöglich auszumachen gewesen.

Hatte der Fahrer ihn gesehen? Das konnte Charlie nicht einschätzen. Vielleicht. Vielleicht verpfiff er ihn bei der Polizei. Dann wäre er geliefert!

Er runzelte die Stirn. Warum war der andere so verdammt schnell gefahren? Und überhaupt – was machte der um diese Zeit und in dieser Dunkelheit hier im Wald?

Und dann kamen Charlie Topper einige furchtbare Gedanken.

Alles schien ganz logisch.

Was, wenn der andere Fahrer der Mörder war?

Und was, wenn er ihn erkannt hatte?

Wenn er Charlies alten Nissan erkannt hatte?

Wenn er vermutete, dass Charlie bei dem Haus gewesen war?

Charlie wusste: Sollte die Antwort auf all diese Fragen »Ja« sein …

… dann steckte er in mächtigen Schwierigkeiten.

3. Acht Monate später

Jack bemerkte, dass sein Springer Spaniel Riley plötzlich seltsam ging, als sie die Laufplanke zu seinem Kanalboot, der Grey Goose, erreichten.

Auf dem Morgenspaziergang über die frostbedeckten Wiesen war noch nichts gewesen.

Zwar war Jack ein paarmal fast ausgerutscht, doch Riley hatte wie üblich kein Problem mit dem tückischen Boden oder dem eisigen Wind gehabt.

In den letzten Wochen war es kälter gewesen, als Jack es jemals in Cherringham erlebt hatte – eine bittere, gnadenlose Kälte, bei der sogar der Fluss zuzufrieren begonnen hatte.

Doch als er Riley nun humpeln sah, wusste er, dass etwas nicht stimmte.

Sonst preschte sein Hund am Ende ihrer morgendlichen Runde mehrmals die Laufplanke rauf und runter, als hätte er es genauso eilig wie Jack, der Kälte zu entkommen. Doch jetzt tapste er den Bootssteg langsam und vorsichtig hinauf, wobei er offensichtlich die rechte Vorderpfote schonte.

»Na, was hast du denn?«

Riley blickte Jack an, als wollte er antworten.

»Gehen wir nach drinnen in die Wärme und sehen es uns an, okay?«

Riley war bei Jack, seit er nach Cherringham gekommen war. Er konnte sich gar nicht vorstellen, hier auf dem Boot ohne Riley zu leben, der immerzu bereit war für einen Spaziergang. Oder, an wärmeren Tagen, für ein Apportierspiel.

Falls irgendwas Ernstes war, gab es in Cherringham einen guten Tierarzt, gleich am anderen Ende des Dorfs. Dort bekam Riley auch seine Impfungen und wurde hin und wieder untersucht.

Vorsichtig, um nicht auf dem vereisten Deck auszurutschen, öffnete Jack die Tür zum Bootsinneren, und ausnahmsweise lief Riley geradewegs zu seinem Hundebett und rollte sich zusammen, als hoffte er, was auch immer ihm fehlen mochte, würde einfach wieder weggehen, wenn er sich ausruhte. Jack zog einen Holzstuhl von seinem kleinen Tisch nahe an Rileys Bett, nahm Platz und beugte sich nach unten.

»Okay, mein Junge, ich sehe mir die Pfote nur mal an, einverstanden?«

Riley hatte beide Vorderpfoten zwischen dem Kissen und seinem Kopf eingeklemmt.

Jack streckte die Hand nach unten und zog sehr behutsam die rechte Vorderpfote unter Riley hervor, um sie ein wenig anzuheben. Der Hund gab einen leisen Laut von sich – knurrte aber nicht. Er verriet Jack lediglich, dass er dort Schmerzen hatte.

Jack nahm sein Handy hervor und leuchtete mit der integrierten Taschenlampe die Lederhäute ab. Auf den ersten Blick sahen sie normal aus, aber dann entdeckte Jack das Problem.

Ein nadelartiger Holzsplitter steckte in der Pfote und war vermutlich mit jedem Schritt Rileys tiefer hineingedrückt worden.

»Ah, da haben wir es. Ein Splitter. Die mag keiner, Riley. Und er fühlt sich sicher noch gemeiner an, wenn man auf allen vieren läuft, was? Ist gleich vorbei.«

Behutsam legte er die Pfote wieder aufs Kissen und ging zur kleinen Bugspitze des Bootes, wo der Medizinschrank war. Darin befanden sich nur einige unentbehrliche Sachen.

Jack holte eine Pinzette heraus, die sich stets als praktisch erwies, um Rileys Zecken zu entfernen, und eine kleine Tube Antiseptikum.

Dann kehrte er zu Riley zurück.

»Es dauert nur eine Sekunde«, versprach Jack, hob erneut die Pfote an, packte den Splitter mit der Pinzette und zog ihn heraus.

Riley riss die Augen weit auf, winselte oder knurrte aber nicht. Dafür war er ein zu braver Hund.

»Jetzt noch eine Kleinigkeit, damit es sich besser anfühlt«, sagte Jack.

Er schraubte den Tubendeckel ab, drückte einen Klacks Salbe heraus und tupfte ihn auf die Stelle an der Pfote, wo der Splitter gewesen war. Falls Riley sich die nächsten Tage beim Ausgehen auf ein Minimum an Herumtollen beschränkte, sollte alles gut sein.

Jack stand auf und schob den Stuhl zurück.

Nach dieser kleinen medizinischen Behandlung schloss Riley die Augen.

Zeit fürs Frühstück, dachte Jack.

Von der Tür der Goose erklang plötzlich ein vertrautes rhythmisches Klopfen. Jack kannte nur eine einzige Person, die sich mit diesem Geräusch ankündigte: Jacks leutseliger Nachbar und Freund, dem sein Bier genauso wichtig war wie sein Gras – Ray Stroud.

Als Jack sich zur Tür drehte, hatte Ray sie bereits geöffnet und beugte sich nach drinnen. Sofort bemerkte Jack, dass dies kein Freundschaftsbesuch von seinem Kifferfreund war.

»Ray? Ist es nicht ein bisschen früh für dich? Du stehst doch sonst nicht vor Mittag auf. Hast du etwa ein Vorstellungsgespräch?«

Normalerweise würde Jacks Scherz ihm ein Grinsen entlocken.

Aber Ray, der eigentlich ein total lockerer Typ war, hatte heute ein versteinertes Gesicht.

»Jack, kann ich dich vielleicht …« Ray schaute sich in dem Bootsraum um, als wollte er sich vergewissern, dass sie allein waren.

Ja, das ist nicht der Ray der langen Abende, der bis in die späte Nacht hinein aufbleibt.

»Ja, Ray?«

»… kurz sprechen?«

»Klar. Setz dich, und ich …«

Doch Ray schüttelte den Kopf. »Nein, ich meine, auf meinem Boot.«

Jack sagte nichts. Dies alles war komisch, zumal für Ray. Und jetzt bat er ihn auf sein Boot?

»In Ordnung, Ray. Wo immer du willst.«

Er fügte nicht hinzu, dass er nun neugierig war, warum es auf Rays Boot sein musste.

Stattdessen zog er seine schwere Burberry-Jacke wieder an, nahm sich seine Mütze und nickte Ray zu. »Nach dir.«

Beinahe so, als wollte er eigentlich nicht zurück zu seinem Kahn, drehte Ray sich um und ging Jack voraus von der Grey Goose zur alten Magnolia.

Die Laufplanke zu Rays Boot war immer eine Herausforderung. Das wacklige Holzbrett war kaum breit genug für eine Person und wippte und knarzte, als Jack, der annähernd hundertsiebzig Pfund wog, hinaufging.

Eines schönen Tages werde ich einen falschen Schritt machen und im Wasser landen, dachte er.

Doch Ray eilte weiterhin voraus. Aus seiner Kajüte wehte Jack der übliche Grasgeruch entgegen, zusammen mit einigen anderen Duftnoten unbekannten Ursprungs, die in dem Qualm von Rays uraltem Holzofen waberten.

Ray schloss die Tür fest hinter ihnen, drehte sich um und lief voraus zum Heck, wo ein kleiner, tiefer gelegener Bereich war, in dem Ray oft einschlief – wenn ihm die Suche nach seinem Bett zu viel wurde.

Doch als Jack nun die Stufen hinunterstieg und den Kopf wegen der niedrigen Decke einzog, sah er, dass dieser Raum besetzt war …

Von einem Mann, der dem Aussehen nach Rays Kreisen entstammen musste.

Langes, strähniges Haar, dichte Stoppeln am Kinn und ein weites, kariertes Hemd, das weidlich bekleckert und beschmiert werden konnte, ehe es wirklich schmutzig aussah. An der Jeans waren Spuren von Matsch und Farbe.

Der Mann blickte auf, als Ray sich räusperte – die Zeit für eine förmliche Vorstellung war jetzt gekommen – und sagte: »Jack, das ist mein Kumpel Charlie Topper. Er sagt, dass er in mächtigen Schwierigkeiten steckt.«

Jack nickte und schaute sich immer noch geduckt nach einem halbwegs sauberen Flecken auf dem U-förmigen Sofa um.

Warum ist Ray zu mir gekommen?, fragte er sich.

Das würde er sicher bald erfahren.

»Du kannst ihm vertrauen, Charlie. Na los! Erzähl ihm alles.«

Jack beobachtete, wie Charlie sich das Kinn rieb, als müsste er noch abwägen, wie riskant es war, mit diesem großen, unbekannten Yankee zu reden.

»Und es verlässt diese vier Wände nicht?«, fragte Charlie, wobei er Jack ansah.

»Kein Wort«, versprach Jack und verkniff sich die Frage, wo Rays Boot denn vier Wände hatte.

»Red schon, Charlie«, sagte Ray.

»Ist gut. Tja, die Sache ist die, Jack. Letzte Woche sind mir einige Sachen passiert. Schlimme Sachen. Unfälle … die keine Unfälle gewesen sind. Verstehen Sie, was ich meine?«

»Kann sein«, antwortete Jack. »Erklären Sie mal.«

»Knappe Nummern. Als wollte mir jemand was antun. Mich aus dem Verkehr ziehen.«

Jack nickte, hörte aufmerksam zu und versuchte, Charlie Toppers Worte abzuwägen.

»Zum Beispiel?«, fragte er.

»Ich habe einen kleinen Gasofen bei mir zu Hause. Montagmorgen ist das verdammte Gas an, aber die Zündflamme aus. Die Küche voller Gas! Hätte ich Licht angemacht, wäre ich wohl draufgegangen.«

Jack vermutete, dass es ohnedies nicht Charlie Toppers Lebensstil entsprach, besonders vorsichtig mit seinem Gasofen zu sein.

»Und da waren noch andere Sachen?«

Charlie nickte. »Mein alter Wagen. Ist eine ziemliche Rostlaube, klar, aber ich kümmere mich um die wichtigen Teile, wenn es nötig ist. Jedenfalls will ich am Mittwochabend einsteigen, nachdem ich ein paar Gläser unten im Railway Inn hatte – und da sehe ich diese Flüssigkeit auf dem Boden. Ich denke noch: Oh Mann, jetzt habe ich ein verfluchtes Ölleck. Aber das war gar kein Öl! Die gesamte Scheißbremsflüssigkeit war abgelassen worden! Hätte ich das nicht gemerkt, wäre ich in sonst was reingerast. Das hätte mich umbringen können!«

Wieder dachte Jack, dass auch Autoinstandhaltung und Wartung eher nicht ganz oben auf der Liste dieses Kollegen von Ray stehen dürften – und auf jeden Fall bedachte er nicht, wie gefährlich es war, angetrunken zu fahren.

»Noch mehr?«, fragte Jack.

Charlie schien zu zögern. Doch Ray ermunterte ihn weiterzusprechen. »Los jetzt, Charlie. Sag ihm auch das andere.«

»Ich hatte eine Nachricht im Briefkasten.«

»Haben Sie die dabei?«

»Nein. Da hab ich solchen Schiss gekriegt, dass ich sie weggeworfen habe. Da stand: ›Verschwinde, oder du bist tot.‹ Jemand droht mir, Jack. Das waren keine Unfälle.«

Ja, offensichtlich, dachte Jack.

Er warf Ray einen Blick zu. Etwas passt hier nicht. Weiß Ray mehr?

»Warum kommen Sie zu mir, Charlie? Die Polizei im Ort würde es sicher interessieren.«

Charlie rang sich ein Lächeln ab. »Ray sagt, dass Sie und Ihre Freundin gut im Rausfinden von Sachen sind. Sogar besser als die Polizei.«

»Sagen wir – ›anders‹«, korrigierte Jack ihn.

Charlie nickte. »Und jemand wie ich … Tja, ich muss gestehen, ich bin kein großer Fan von der Polizei, und umgekehrt gilt das Gleiche.«

Jack wurde misstrauisch. Ihm gefiel nicht, wie sich dies hier entwickelte.

»Und haben Sie eine Ahnung, warum Ihnen jemand droht?«

Noch ein Lächeln von Charlie, als wäre es ein interner Witz. »Ein Typ wie ich, der ab und zu ein bisschen Geschäfte macht … Na ja – ich habe immer meine Feinde.«

Darauf möchte ich wetten, dachte Jack.

»Wahrscheinlich ist es bloß jemand, der sich unbedingt ins Geschäft drängen will, verstehen Sie? Ich muss nur wissen, wer es ist, dann kann ich das regeln. Friedlich, versteht sich.«

»Okay, tja, ich treffe mich heute Abend zum Essen im Spotted Pig mit meiner Freundin.«

»Da war ich nie«, sagte Ray, der plötzlich den Restaurantkritiker mimte. »Taugt es was?«

Jack ging nicht darauf ein. »Ich könnte Ihr Problem mit ihr besprechen. Sie ist sehr klug. Wir sind ein gutes Team.«

Charlies Miene schien sich daraufhin aufzuhellen. Vielleicht glaubte er zu hören, dass die Kavallerie zu seiner Rettung kam.

»Allerdings werde ich das nicht tun, Charlie. Oh nein.« Jack machte eine Pause, weil er hoffte, dass er Charlie hinreichend schockte, um von ihm zu bekommen, was er wollte.

»Es sei denn …« – und wieder ließ Jack sich Zeit, bevor er weitersprach –, »… Sie erzählen mir die Wahrheit. Und zwar die ganze. Falls nicht …«

Jack bedeutete ihm mit einer Handbewegung, dass die Unterhaltung in dem Fall vorbei war.

Doch Charlie lenkte ein. »Okay, okay, schon klar. Da ist noch mehr. Ich erzähle Ihnen alles, aber das bleibt unter uns, okay? Wie dieses Anwalt-Mandanten-Dings, von dem sie immer im Fernsehen reden, ja?«

»Ich bin kein Anwalt.«

Charlie sah wieder zu Ray – der vermutlich wusste, was Charlie bisher verschwiegen hatte.

Was erklärte, warum auch Ray so besorgt aussah. Ihm war nicht wohl dabei, dass Charlie sich bei ihm vor denjenigen versteckte, die ihm etwas antun wollten.

»Erzählen Sie mir die Wahrheit, und Sarah und ich werden sehen, was wir tun können.«

Hierauf holte Charlie Topper sehr tief Luft.

»Das war letzten Juni, oben im Wald, auf der anderen Seite von Winsham.«

Jack entging nicht, dass Ray nervös zur Tür blickte und wieder zu Charlie.

Und dann beugte Charlie sich vor und senkte die Stimme.

»Sagt Ihnen der Name Karl Huntford etwas?«, fragte Charlie.

Jack überlegte kurz. »Ja.« Und er hatte das Gefühl, dass es in dem kalten, zugigen Boot noch kälter wurde.

Bei dem Namen war gewiss, dass es nicht um einen Streit zwischen Betrunkenen im Pub ging.

Dies war erheblich ernster.

Es ging um Mord.

4. Dinner – und die Wahrheit – im Spotted Pig

An ihrem Lieblingstisch in der Ecke des Spotted Pig, gleich neben der offenen Küche, sah Sarah grinsend zu Jack.

»Woher hast du gewusst, dass er dir nicht die Wahrheit gesagt hat?«

Jack grinste ebenfalls. »Typen wie Charlie Topper sind mir in Manhattan oft über den Weg gelaufen. Da entwickelt man als Cop anscheinend eine Art sechsten Sinn. Man weiß einfach, wann sie einem nicht die Wahrheit sagen – zumindest nicht die ganze.«

Sarah schaute sich zu den anderen Tischen um und sprach leise, damit niemand sie belauschen konnte.

»Denkst du wirklich, dieser Charlie hat gesehen, wie Karl Huntford ermordet wurde?«

»So, wie er es erzählt, ja. Er hatte es nur knapp aus dem Haus geschafft, mitsamt seinem Rucksack voller Schmuck, da sah er den Mörder im Wald. Hörte den Schuss. Sah Huntford zu Boden gehen. Für mich passt das.«

»Und er hat die ganze Zeit den Mund gehalten, um sich selbst nicht zu belasten?«

»Na ja, teilweise. Aber ich denke, es war auch ein spezieller Überlebensinstinkt, der ihn veranlasste zu schweigen. Was ich ihm nicht verübeln kann. Das war ein kaltblütiger und gut ausgeführter Mord.«

Sarah hatte noch eine Frage – oder vielmehr eine ganze Menge Fragen.

Doch Julia, die Mitbesitzerin des Pig, erschien mit einem Metalltablett, auf dem zwei Gläser standen.

»Hier, die Cocktails sollten euch zwei aufwärmen«, sagte sie und stellte die Gläser auf kleinen Untersetzer vor ihnen ab. Jacks Getränk war der gewohnte Wodka-Martini, der in dem geschliffenen Kristallglas schimmerte und auf dem oben ein paar Momente lang winzige Eissplitter aus dem Shaker schwammen, bevor sie wegschmolzen.

Während Sarahs …

»Ein Manhattan«, sagte Jack. »Wie kommt’s? Gin-Tonic ist doch sonst dein bevorzugter Cocktail.«

»Ich erinnere mich, dass du mir das letzte Mal erzählt hast, es gäbe fünf klassische Cocktails …«

»Stimmt, das habe ich gesagt.«

»Und dieser, nach deiner früheren Heimatstadt benannt, ist einer von ihnen.«

»Da streiten sich die Geister noch, aber die meisten würden zustimmen.«

»Ich habe den noch nie getrunken, deshalb dachte ich, ich probiere ihn mal.«

»Ich bin gespannt auf dein Urteil.«

Sarah erhob ihr Glas und stieß sachte mit Jack an. Es war eine Weile her, seit Jack und sie zuletzt so zusammengesessen hatten – insbesondere bei einem fantastischen Essen in Cherringhams allerbestem Restaurant.

Sie nahm einen Schluck. Der Drink war angenehm und gekühlt, aber auch gerade süß genug, um dem Whiskey die Schärfe zu nehmen.

»Wow, der ist gut! Ich würde sagen, der bleibt definitiv auf der Liste.«

»Ja, er hat seine Fans«, sagte Jack. »Und ich weiß nicht, ich mache ja dauernd Martinis …«

»Du bist berühmt dafür, Jack«, hob Sarah mit einem Lächeln hervor.

»Trotzdem … einen in solch einem Restaurant zu trinken, wie von Zauberhand gemacht? Das ist in jeder Hinsicht perfekt. Irgendwie schmeckt er immer besser.«

Julia kam am Tisch vorbei. »Alles in Ordnung?«

»Wunderbar«, antwortete Sarah.

»Wisst ihr schon, was ihr essen wollt?«

»Ach, du kennst mich«, sagte Jack. »Für mich das Rib-Eye. Und vielleicht einen kleinen Salat als Vorspeise, oder?«

»Geht klar. Aber ich verrate dir ein Geheimnis, Jack. Sie stehen heute Abend nicht auf der Karte, aber wir haben frische Guernsey-Austern.«

»Was, wirklich? Dann vergiss den Salat und bring mir die Austern. Mit meinen üblichen Beigaben?«

Sarah war bekannt, dass Jack die eiskalten Austern immer mit seinen amerikanischen »Beigaben« genoss – Ketchup, Meerrettich, Zitrone. Und sie musste zugeben, dass dies sehr viel besser schmeckte als irgendeine Vinaigrette.

»Hervorragend«, sagte Julia. »Und du, Sarah?«

»Ich denke, ich nehme das Lammkarree. Das hatte ich schon ewig nicht mehr. Und vorweg den Salat.«

»Sehr schön.«

Als Julia gegangen war, beugte Sarah sich vor. Sie hatte ihre Fragen parat.

»Glaubst du, dass Charlie wirklich in Gefahr ist?«

»Ja, ich denke schon. Ich meine – ein paar hässliche Zwischenfälle? Dann eine altmodische Drohung, dass er verschwinden soll? Es sieht eindeutig so aus, als wollte jemand Mr Topper aus dem Weg haben.«

Sarah nahm noch einen Schluck von ihrem köstlichen Getränk. »Ich nehme an, wenn er ein Augenzeuge war, ist es für den Täter naheliegend.«

»Oder«, ergänzte Jack, »für jemanden, der den Mörder schützen will.«

»Genau. Ich muss aufpassen, dass ich keine voreiligen Schlüsse ziehe.«

»Was nicht immer einfach ist.«

»Aber die Frage ist – warum jetzt?«

»Tja, bei diesem kleinen Detail konnte mich Charlie erhellen. Er weiß, was er gesehen hat. Und er vermutet, der Täter ist derselbe Mann, der ihm fast ins Auto krachte, als er vom Haus wegfuhr.«

»Aber hast du nicht gesagt, dass Charlie maskiert war? Dass ihn keiner erkennen konnte?«

»Ja, aber der Mörder dürfte aus den Nachrichten hinterher erfahren haben, dass an jenem Abend, als er seine Tat beging, das Haus von jemandem ausgeraubt wurde und diese Person höchstwahrscheinlich den Mord mit eigenen Augen gesehen hatte. Und vielleicht sogar auch den Mörder.«

»Ich würde dennoch sagen, dass die Beschreibung des mysteriösen Mannes sehr dürftig ist.«

Jack lachte. »Tja, Charlie hat ihn nicht richtig gesehen. Doch wäre ich der Mörder …«

»Kann ich mir nicht vorstellen.«

»Danke. Jedenfalls, wäre ich der Mörder, skrupellos und so, würde ich kein Risiko eingehen. Ich würde jeden potenziellen Zeugen beseitigen wollen – für immer.«

»Und warum die Warnungen?«, fragte Sarah. »Irgendwie sind das widersprüchliche Botschaften.«

»Eben. Ich denke, Charlie ist nach wie vor etwas sparsam mit der Wahrheit.«

»Und da ist noch etwas anderes. Warum ist jetzt, acht Monate später, jemand hinter ihm her?«

Jack ließ sich mit der Antwort einen Moment Zeit. »Nun, das ist das Interessante. Anscheinend hat Charlie den Schmuck nicht direkt vertickt. Er wollte nicht, dass Stücke irgendwo auftauchten und der Bösewicht dadurch die Möglichkeit erhielt, Charlie auf die Spur zu kommen. Also hat er gewartet, bis er sich sicher fühlte – und die Beute dann vor ein paar Wochen zu einem Hehler gebracht.«

Sarah nickte. »Eine vernünftige Vorgehensweise.«

»Nur – es hat sich herausgestellt, dass dies doch nicht so vernünftig war.«

»Offensichtlich nicht.«

»Und mit einem kaltblütigen Mörder da draußen braucht es nicht viel Fantasie, um zu begreifen, dass Charlie ein Ziel sein könnte, selbst wenn er nicht die volle Wahrheit sagt.«

»Wahrlich nicht.«

»Also«, sagte Jack. »Das sind die Fakten. Was meinst du? Sind wir dabei?«

Sarah bestrich ein Stück warmes, frisches Brot mit Butter, nahm einen Bissen und dachte nach.

Etwas beunruhigte sie.

»Gibt es ein Problem?«, fragte Jack. »Normalerweise springst du sehr schnell auf einen Fall an.«

»Wenn da draußen ein Mörder herumläuft und wir ihn fangen können, dann sollten wir den Fall natürlich übernehmen. Allerdings habe ich das unbestimmte Gefühl, dass dieser ach so ängstliche Juwelenräuber bei der Erzählung seiner Geschichte das eine oder andere ›vergessen‹ hat. Könnte es etwa sein, dass Charlie Topper immer noch auf dem Schmuck der armen Frau hockt?«

Jack lachte. »Also, im Prinzip schon … Ach ja, ich habe gerade vergessen zu erwähnen, dass er behauptet, der Hehler würde den Schmuck nur ›sicher‹ für ihn aufbewahren.«

»Dann schlage ich vor, dass wir Charlie einen Deal anbieten. Wir finden den Mörder und halten ihn raus – und als Gegenleistung gibt er den Schmuck zurück. Denkst du, darauf lässt er sich ein?«

»Sicher. Es ist ein gutes Angebot. Vor allem wenn man fürchtet, dass man umgebracht wird. Und du hast recht. Es ist das einzige Angebot, das wir machen sollten.«

Sarah hob ihr Glas und stieß mit ihm an. »Großartig. Ich bin dabei!«

»Super. In dem Fall habe ich einige Fragen an dich.«

»Gut. Dieses Spiel mag ich.«

Jack lächelte. »Ich hatte vor Monaten von dem Mord an Huntford gelesen. Da bot die Polizei einiges an Manpower bei der Ermittlung auf.«

»Das stimmt. Sie haben den gesamten Wald ums Haus herum abgekämmt.«

»Und nichts gefunden. Folglich war es schon im Herbst eher ein Cold Case.«

»Inoffiziell ja, wie ich gehört habe.«

Jack trank einen Schluck von seinem Martini.

»Aber dieser Huntford hat eine Vorgeschichte. Er wohnte schon eine Weile hier in der Gegend, oder? Genau wie seine Frau. Was weißt du über ihn?«

Sarah holte tief Luft. Tatsächlich wusste sie einiges über Huntford, und dieses Wissen hatte sie bereits besessen, ehe er eine berühmte Leiche wurde und im Zentrum eines ungeklärten Mordes stand.

»Ein bisschen«, antwortete sie. »Und wenn wir uns da reinstürzen, kann manches davon relevant sein. Besonders der Umstand, dass Huntford wegen Betrug gesessen hatte.«

»Richtig, die Haftstrafe hatte ich vergessen. Siehst du – dieser Fall ist schon interessant.«

Doch nun sah Sarah, wie Julia mit Jacks Austern aus der Küche kam, zusammen mit einer kleinen Sammlung an Gefäßen – Ketchup, frischer Meerrettich, Tabasco, Worcestersoße – und einem großen Stück Zitrone.

»Sieh mal! Hier kommen die Vorspeisen … mit deinen magischen Zutaten«, sagte sie. Jack würde sich jetzt auf seine »Cocktailsoße« konzentrieren wollen; das war ihr klar. Daher fügte sie hinzu: »Widme du dich deinen Austern, und hinterher erzähle ich dir alles, was ich über den verstorbenen Karl Huntford weiß.«

Jack wartete, bis Julia die Vorspeisenteller abgeräumt hatte, dann nahm er den Pouilly Fumé aus dem Kühler und schenkte ihnen nach.

»Also … Karl Huntford«, sagte er. »Seit wann hat er denn hier in der Gegend gelebt?«

»Schon bevor du hergezogen bist, glaube ich. Nicht, dass ich damals viel über ihn wusste. Er und seine Frau haben stets außerhalb des Orts gewohnt und hier anscheinend auch keine Kontakte gehabt.«

»Ein bisschen wie Eremiten, ja? Und keine Kinder?«

»Nicht, dass ich wüsste. Karl hat früher in London gearbeitet, glaube ich, und vor einigen Jahren – als es anständiges Internet gab – hat er angefangen, zu Hause zu arbeiten. Er handelte mit Investmentfonds, konnte sogar einige Einheimische für Anlagen interessieren. So habe ich erstmals von ihm gehört.«

»Aha? Lass mich raten – von dem Zeitpunkt an begann alles schiefzugehen?«

»Genau. Anscheinend hatte er bei der Krise vor einigen Jahren versucht, das Problem zu vertuschen, und Anlagekapital benutzt, um vorgetäuschte Gewinne auszuzahlen, und zudem die Berichte gefälscht.«

»Wie dieser Madoff in New York?«

»Ja. Und eine Menge nette Leute haben es teuer bezahlt. Manche verloren ihre gesamten Ersparnisse.«

»Traurig, aber eine bekannte Geschichte. Bisher tut mir Huntford nicht sonderlich leid.«

»Mag sein. Jedenfalls ist das Kartenhaus vor ungefähr drei Jahren in sich zusammengefallen, und er wurde geschnappt.«

»Ich erinnere mich, davon gelesen zu haben. Er hatte einen Geschäftspartner, oder?«

»Ja, einen jüngeren Mann. Rob Irgendwas. Warte mal! Rob … Fairfax, glaube ich. Aber ich meine mich zu erinnern, dass die Polizei ihm glaubte, nichts mit dem Betrug zu tun gehabt zu haben. Er kam mit einer Verwarnung davon.«

»Und Karl wanderte ins Gefängnis.«

»Für zwei Jahre – so lautete das Urteil. Doch nach einem Jahr wurde er entlassen. Der übliche Deal.«

»Okay. Und das war wann?«

»Als er rauskam? Vor einem Jahr um diese Zeit, wenn ich mich nicht irre. Er ist zurück nach Cherringham gekommen, hat sich sehr still verhalten – und anscheinend war es das.«

Jack trank einen Schluck Wein und dachte über das nach, was Sarah gesagt hatte.

Wieder einmal tauchte in seinem Kopf das Schlüsselwort auf.

Motiv …

»Also kehrte er nach Hause zurück … ungefähr vier Monate vor seiner Ermordung?«

»Ja, kommt ungefähr hin.«

»Das ist reichlich Zeit für jemanden, den Mord zu planen. Du sagtest, dass er einige Leute um einen Haufen Geld gebracht hatte?«

»Und wie. Manche waren ruiniert. Und alle waren wütend. Sie haben bei der Urteilsverkündung vor dem Gericht demonstriert und gefordert, dass man ihn hängt und andere … du weißt schon … solche Sachen.«

»Na gut. Eine Menge Leute verlieren alles wegen Huntford. Da mangelt es uns schon mal nicht an Verdächtigen.«

»Ganz und gar nicht«, stimmte Sarah ihm zu. »Es könnten sogar zu viele sein. Aber ich überlege gerade. Wenn wir nett fragen, verrät uns Alan vielleicht, mit wem die Polizei gesprochen hatte.«

Jack schmunzelte. Alan Rivers, Cherringhams einziger Dorfpolizist, gab eine Menge auf Dienstvorschriften. Andererseits hatte er in der Vergangenheit des Öfteren von ihren Nachforschungen profitiert und konnte manchmal die Regeln ein wenig aufweichen und ihnen Informationen geben.

»Gute Idee. Das könnte allerdings heikel werden«, meinte Jack. »Bei einem solch hochkarätigen, ungeklärten Fall? Ich habe das Gefühl, Alan wird keine große Hilfe sein. Sicher sind ihm die Hände gebunden. Und garantiert wird er wissen wollen, warum uns der Fall interessiert. Ich enthalte ihm ungern Dinge vor – was Charlie und so angeht. Dennoch – hier brauchen wir irgendeine plausible Geschichte.«

»Stimmt«, sagte Sarah grinsend. »Wir können schlecht erzählen, dass wir für einen Juwelendieb ermitteln, der eine zentrale Rolle in dem Fall spielt.«

Jack lachte. »Nein. Eine glaubhafte Geschichte – daran müssen wir dringend noch arbeiten.«

Sarah wandte den Blick ab.

Verblüffend, dachte er, man gebe Sarah ein Problem, und sie findet die Lösung.

»Okay, vielleicht sagen wir fürs Erste nur: ›Tut mir schrecklich leid, aber es steht mir nicht frei, den Namen meines Mandanten preiszugeben‹?«

»Wir haben Mandanten? Wie Anwälte? Das könnte Alan energisch infrage stellen. Aber einen Versuch ist es wert«, sagte Jack. »Bis dahin … Hast du, abgesehen von Alan, eine Idee, mit wem wir sonst sprechen sollten?«

»Ganz sicher mit meinem Vater. Er hat mir mehrere Vorträge über das skandalöse Benehmen von ›Leuten wie diesem Mann, Huntford‹ gehalten. Wahrscheinlich kann er mir Namen und auch Zahlen nennen.«

Jack war bekannt, dass Sarahs Vater, Michael, einen kleinen Investorenclub im Dorf leitete – eher zur Unterhaltung als um des Profits willen. Und Michael wusste, wovon er redete.

»Das ist eine sehr gute Idee«, stimmte Jack zu. »Und was ist mit der Ehefrau?«

»Mit Christine?«, sagte Sarah. »Weiß ich nicht. Es kann sein, dass das Paar einen Anwalt von hier engagiert hatte. Ich horche mich mal um.«

Jack nickte.

»Auf die eine oder andere Art müssen wir mit ihr sprechen. Es könnte sogar sein, dass Karl Huntford wusste, wer es auf ihn abgesehen hatte. Und sollte er sich ernsthaft Sorgen gemacht haben, würde ich wetten, dass er es seiner Frau anvertraut hatte.«

»Wahrscheinlich.«

»Ich würde mir auch gerne mal das Haus und den Wald ansehen«, fuhr Jack fort. »Sicher werden die Cops alles gründlich abgesucht haben, aber man weiß ja nie. Und es ist gut, ein Gefühl für den ›Schauplatz des Verbrechens‹ zu bekommen.«

»Was ist mit dem Hehler? Hat Charlie dir einen Namen genannt?«

»Da hat er sich ziemlich gesträubt, aber am Ende hat er ihn mir verraten. Ein Typ in Swindon. Professioneller Hehler, sagt Charlie, als würde es so etwas geben. Wir sollten mit ihm plaudern, wenn wir so weit sind. Vorausgesetzt, er redet überhaupt mit uns.«

»Perfekt. Könntest du mit Alan sprechen? Von Ex-Cop zu Cop?«

»Ja, kann ich machen. Was ist mit dir?«

»Zunächst mal rufen die Pflicht und die Abgabetermine. Ich muss morgen Vormittag ein paar Stunden im Büro einlegen. Aber danach kann ich ein bisschen telefonieren und recherchieren. Der übliche Hintergrundkram? Ich maile dir alles, was ich finde. Danach Kaffee mit meinem Vater, ja? Er ist sowieso immer begeistert, bei einem Fall helfen zu können, und bei diesem wird er besonders entzückt sein.«

»Perfektes Timing. Treffen wir uns dann hinterher, um uns auszutauschen?«, fragte Jack, der Julia mit den Hauptgängen kommen sah. »Und jetzt, während wir essen, erzähl mir, was deine Kinder so treiben. Und ich habe einige sehr niedliche Bilder von meiner Enkelin, die ich dir zeigen kann.«

»Oh ja, unbedingt!«, sagte Sarah.

Und Jack wusste, dass sie es ernst meinte.

5. Verdächtige

Jack fuhr langsam und umsichtig die Cherringham High Street hinauf und hielt auf dem verlassenen Parkplatz gegenüber dem Café Huffington’s an.

Als er aus seinem MGA ausstieg, machte er seine Burberry-Jacke fest zu, klappte den Kragen hoch und zog seine Mütze über die Ohren. Der Wind war bitterkalt, und die niedrigen Temperaturen durften es mit denen der schlimmsten New Yorker Winter aufnehmen können.

Mit gesenktem Kopf überquerte er die Straße und ging zur Polizeiwache. Bei dem böigen Wind und den vereisten Wegen war er froh, dass er morgens Schneestiefel angezogen hatte – obgleich es keinen Schnee gab.

Er drückte die Klingel draußen an der Wache und wartete auf das Klicken des Schlosses. Als er es vernahm, drückte er die Tür auf und trat ein.

Drinnen saß Alan hinter dem Tresen und umklammerte einen dampfenden Becher mit beiden Händen.

»Jack«, sagte er. »Lange nicht gesehen. Kann ich dir was anbieten?«

»Falls du einen Kaffee hast, dann sehr gerne.«

»Komm zu mir rein«, forderte Alan ihn auf, entriegelte die Tür zum gesicherten Bürobereich und schüttelte Jack die Hand, als er hindurchging. »Ist es dir kalt genug da draußen? Minus fünfzehn Grad hatten wir letzte Nacht, wie es scheint.«

»Ich fürchte, diese englischen Zahlen werden für mich nie einen Sinn ergeben, Alan«, entgegnete Jack grinsend und zog seine Jacke aus. »Einigen wir uns darauf, dass es langsam mit dem Frühling losgehen darf.«

Alan lachte, und Jack schaute zu, wie er eine offene Gebäckpackung aus einem Regal nahm und etwas vom Inhalt auf einen Teller schüttete. Dann rückte er einen Stuhl für Jack hin und stellte den Teller auf den Tisch, bevor er in die kleine Küche ging.

»Bedien dich, während ich mich um den Kaffee kümmere. Und du darfst mir auch erzählen, warum du hier bist, denn ich sehe es dir immer wieder an, wenn du nicht nur zum Plaudern herkommst.«

Nun musste Jack lachen. »Du hast ja recht. Okay, passend zum Wetter handelt es sich diesmal um einen Cold Case.«

»Welchen?« Alan blickte über die Schulter zu Jack, während er Wasser in die Kaffeemaschine füllte.

»Um den Mord an einem Gentleman namens Karl Huntford«, antwortete Jack.

Und schlagartig wurde Alans Gesicht sehr ernst.

»Jack.« Alan stockte, musste offensichtlich überlegen, was er als Nächstes sagen sollte. »Das ist kein Cold Case. Hast du irgendwelche Informationen über diesen Fall, von denen wir wissen sollten?«

Jack lächelte. Diese Frage kam nicht unerwartet, dennoch ließ er sich Zeit mit der Antwort. »Nein, bisher nicht. Aber sagen wir mal, ich könnte bald welche haben, wenn du mir ein bisschen was zu dem Fall sagen kannst.«

Alan atmete tief durch. »Ist nicht drin. Die Ermittlung liegt bei der Polizei in Oxford, Jack. Ich darf nicht mal über den Fall sprechen.«

Wieder schwieg Jack zunächst. Ich muss es mit einer anderen Taktik versuchen.

»Alan, was wäre, wenn ich dir etwas bringen könnte, das die Mordermittler nicht haben?«

»Und das wäre?«

»Beispielsweise Informationen zu dem Einbruch, der zufällig gleichzeitig stattfand.«

Alan nickte.

Er ist interessiert, dachte Jack. Aber genug, um die Regeln zu beugen?

»Meinst du einen Namen?«

Lächelnd schüttelte Jack den Köpf. »Keinen Namen – oder zumindest nicht gleich. Und wahrscheinlich auch nicht ohne gewisse Bedingungen. Tut mir leid. Vielleicht können wir es dabei belassen – nur für eine Weile. Doch möglicherweise führt es am Ende dazu, dass du dem Oxforder Team den Namen des Mörders nennen kannst.«

»Das klingt nach einem fragwürdigen Spiel.« Wieder atmete Alan tief ein und aus. »Ich bin mir nicht sicher, ob ich da mitmachen kann.«

Jack hatte gehofft, dass Alans Wunsch, den großen Tieren zu zeigen, wie die örtliche Polizei arbeitete, ihn bewegen würde, die Regeln großzügiger zu handhaben.

Wobei er diese Reaktion durchaus einkalkuliert hatte.

»Okay, ich habe eine Idee. Ich stelle dir eine Frage, und du beantwortest sie, sofern du kannst, ohne dass es die laufende Ermittlung beeinträchtigt. Ach, und übrigens …« Hier hielt er inne, während Alan den Kaffee einschenkte und ihn Jack brachte. »Was auch immer du mir sagst, habe ich selbstverständlich nicht von dir.«

Alan setzte sich.

Aufgrund seiner jahrelangen Erfahrungen bei der Polizei wusste Jack, dass dieses Angebot so sicher war, wie er es für den Polizisten von Cherringham nur machen konnte.

Er trank einen Schluck heißen Kaffee und wartete.

»In Ordnung, Jack. Du stellst Fragen, und vielleicht antworte ich, vielleicht auch nicht.« Schließlich lächelte Alan. »Und du hast recht – du hast es nicht von mir.«

Jack war froh, den schwierigen Teil mit Alan hinter sich zu haben.

Sarah unterhielt sich mit Beth – einer ihrer ältesten Freundinnen aus den Zeiten der Baby- und Krabbelgruppen, die inzwischen hinter der Theke von Huffington’s arbeitete –, als sie ihren Vater ins Café kommen sah.

»Dad!«, rief sie.

Er kam zu ihr und umarmte sie zur Begrüßung.

»Mann, ich glaube, das Wort ›Saukälte‹ wurde eigens für solche Tage erfunden«, sagte er.

»Ich glaube, den Ausdruck habe ich schon länger nicht mehr gehört, Dad. Aber ja, es ist furchtbar kalt. Ich habe dir einen Latte bestellt, einverstanden?«

Michael lächelte. Sarahs Vater hatte schon viele Jahre im Dorf gelebt, bevor Latte macchiatos und andere neumodische Kaffeearten ihren Eroberungszug antraten.

»Klar. Wenn das der Kaffee ist, der eigentlich wie Milchkaffee aussieht und schmeckt.« Sarah ging voraus zu einem freien Fenstertisch.

»Das Dorf ist heute Vormittag ja wie ausgestorben«, sagte er, als sie beide ihre Jacken auszogen und Platz nahmen. »Na ja, wundert einen nicht. Da draußen ist es ja wie auf einer Schlittschuhbahn. Mir graut davor, wenn heute Nacht Schnee kommt …«

»Wie bitte? Schnee? Das habe ich gar nicht gehört.«

»Oh ja. Eine große Schneefront ist im Anmarsch. In zwei Tagen liegt der hier richtig hoch, glaub mir.«

Sarah wusste, dass es sinnlos war, die Wettervorhersagen ihres Vaters anzuzweifeln. Ein Leben bei der Luftwaffe hatte ihm die wundersame Fähigkeit verliehen, Regen, Sonne oder Schnee vorherzusagen.

»Na dann«, fuhr er mit verschwörerisch gesenkter Stimme fort, »um was für einen Fall geht es – und wie kann ich dabei helfen?«

Sarah neigte sich leicht vor, weil sie wusste, wie sehr er das Gefühl von »Undercover-Arbeit« liebte. »Karl Huntford.«

»Oh! Dieser Schurke!«, sagte Michael laut und schaute sie dann verlegen an. »Entschuldige, Schatz, ich sollte eigentlich nicht schlecht über die Toten reden. Aber dieser Mann? Nun, du wirst sehr wenig Sympathien für ihn im Dorf finden – oder irgendwo auf der Welt.«

»Dad, weißt du, dass die Polizei immer noch im Dunkeln tappt, was den Mord an ihm betrifft?«

»Ja, und es wundert mich wenig. Die Liste möglicher Verdächtiger muss eine Meile lang sein. Warte mal, ermittelst du etwa in diesem Fall?«

»Ja.«

»Wirklich? In wessen Auftrag?«

»Tja, das darf ich nicht sagen. Es ist kompliziert.«

»Kann ich mir vorstellen.«

Flüchtig kam Sarah der Gedanke, dass ihr Vater jede Hilfe verweigern würde, aber dann lächelte er sie an.

»Okay, erzähl mal, was ich tun kann.«

Sie erwiderte sein Lächeln, während Beth mit ihren zwei schaumigen Latte macchiatos kam.

»Danke«, sagte sie zu ihr und wartete, bis ihre Freundin fortgegangen war. Anschließend wandte sie sich wieder ihrem Vater zu. »Ich habe gehofft, dass du mir mehr dazu sagen kannst, wie genau Huntford sein Geld gemacht hat – und wie er dann das aller anderen verlor.«

»Mit Freuden«, antwortete Michael. »Eine ziemlich alte Geschichte – und zwar durch Betrug. Nicht, dass ich so blöd war, mich von ihm einwickeln zu lassen. Was er den Leuten anbot, war schlicht zu schön, um wahr zu sein. Aber ich gebe zu, dass er ein cleverer, aalglatter Redner war. Er hat einige gute Freunde von mir übers Ohr gehauen. Wo soll ich anfangen?«

Sarah grinste. »Am Anfang?«

»Kluges Kind.« Michael zwinkerte ihr zu. »Ich muss dich aber warnen – dies wird eine Zwei-Kaffee-Beratung.«

»Du verhandelst echt hart, Dad, aber ich denke, das kann ich aufbringen. Ich lasse sogar noch ein Stück von dem Dattel-Walnuss-Kuchen springen, den du so magst.«

»Oh ja. Und, Sarah …« – er tätschelte ihre linke Hand, die auf dem Tisch lag –, »ich gestehe, dass ich mich geschmeichelt fühle, weil du mich um Hilfe bittest. Na dann, wo ist dein Notizblock? Mach schon, ich habe Hunger!«

Sarah lachte und holte ihren Notizblock und einen Stift hervor, während ihr Vater begann, das Pro und Kontra – und die Gefahren – von Investment- und Hedgefonds zu erklären.

Jack trank seinen Kaffee, während er sich den Ballistikbericht auf Alans Computer ansah.

Alans Regel von »nur Fragen« war mittlerweile vergessen. Tatsächlich war schnell klar geworden, wie sehr ihn das langsame Vorankommen der Ermittlungen zu diesem Fall frustrierte. Und Jack wusste, solange er Alan auf seiner Seite – und auf dem Laufenden – hielt, würde er die Informationen bekommen, die er brauchte.

»Und es wurde nur ein einziger Schuss abgefeuert?«, fragte Jack.

»Der hat gereicht. Er traf das Opfer direkt in die Brust. Der Mann war tot, ehe er auf dem Boden aufschlug.«

»Denkst du, das war ein Profi?«

»Kann sein«, sagte Alan. »Auf jeden Fall jemand, der wusste, was er tat. Hohlkammergeschoss, um möglichst großen Schaden anzurichten.«

»Ein versierter Schütze?«

»Genau.«

»Und die Spurensicherung hat nichts an der Stelle im Wald gefunden, an der er gestanden haben musste?«