Chiemgau-Schweigen - Caroline Sendele - E-Book

Chiemgau-Schweigen E-Book

Caroline Sendele

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Beschreibung

Filmstar Sanna Schweigart fühlt sich nach einem umstrittenen Talkshow-Auftritt in München bedroht. Sie zieht die renommierte Journalistin Katharina Langenfels ins Vertrauen und kündigt eine Auszeit an. Der Rückzugsort, eine einsame Hütte im Chiemgau, bleibt geheim. Dort angekommen findet Schweigart keine Ruhe. Ist ihr jemand gefolgt? Katharina wartet vergeblich auf ein Lebenszeichen der Schauspielerin. Dann wird ein Toter aus Sannas Umfeld gefunden. Schwebt die Schauspielerin in Gefahr?

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Caroline Sendele

Chiemgau-Schweigen

Kriminalroman

Zum Buch

Angst auf der Alm Nach einem Interview, in dem sie die Benachteiligung älterer Schauspielerinnen bei der Rollenvergabe beklagt, sieht sich Filmstar Sanna Schweigart Belästigungen durch begeisterte Fans und Bedrohungen von Hatern ausgesetzt. Sie beschließt, München vorerst zu verlassen. Das Ziel der Auszeit, eine einsame Hütte im Chiemgau, verrät Schweigart nicht. Journalistin Katharina Langenfels macht sich zunehmend Sorgen, als sie nichts mehr von der Schauspielerin hört. Vor ihrem Verschwinden hatte sie von zudringlichen Mails eines Stalkers berichtet. Ist der Filmstar in Sicherheit? Katharinas Mitarbeiterin Birgit Wachtelmaier nimmt die digitale Verfolgung des Stalkers auf. Ein moderner Kini aus Gstadt am Chiemsee gerät ins Visier der begnadeten Hackerin. Ist seine Verehrung für den bayerischen Märchenkönig Ludwig II. nur Tarnung? Als ein Toter aus Sannas Umfeld gefunden wird, beginnt ein nervenaufreibender Wettlauf gegen die Zeit. Katharina steht bald vor menschlichen Abgründen.

Caroline Sendele wurde 1965 in Heidelberg geboren. Aufgewachsen in München verbrachte sie viel Zeit am Chiemsee. Während des Studiums verließ sie Bayern und ging für einige Monate nach Sevilla. Ihr Magisterstudium in Germanistik, Spanisch und Geschichte schloss sie in Freiburg ab. Ein Volontariat beim Privatradio eröffnete ihr den Weg zum Journalismus. Einige Jahre arbeitete sie bei SWF3/SWR3 in Baden-Baden als Redakteurin und Moderatorin. Auch im SWF/SWR Fernsehen hat sie verschiedene Sendungen präsentiert. Aktuell ist sie Teamchefin der Nachmittagssendung „Kaffee oder Tee“ im SWR Fernsehen. Ihre Herzensgegend ist der Chiemgau geblieben. Der besondere Menschenschlag und die wunderbare Landschaft inspirieren sie – nicht nur zum Schreiben.

Impressum

Personen und Handlung sind frei erfunden.

Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen

sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

Die automatisierte Analyse des Werkes, um daraus Informationen insbesondere über Muster, Trends und Korrelationen gemäß § 44b UrhG (»Text und Data Mining«) zu gewinnen, ist untersagt.

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Im Ehnried 5, 88605 Meßkirch

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[email protected]

Alle Rechte vorbehalten

Herstellung/E-Book: Mirjam Hecht

Umschlaggestaltung: U.O.R.G. Lutz Eberle, Stuttgart

unter Verwendung eines Fotos von: © Outdoorpixel / stock.adobe.com

ISBN 978-3-7349-3006-5

Zitate

»Das Wunder, auf das ich so lange gewartet habe, bin ich selbst.«

Selma Lagerlöf, schwedische Schriftstellerin

*

»Ein ewiges Räthsel will ich bleiben mir und anderen …«

Ludwig II. von Bayern, Brief an die Schauspielerin Marie Dahn-Hausmann vom 25. April 1876

Anfang Juli 2023 Donnerstagvormittag, München, Kaiserstraße

»… deswegen werde ich erst mal abtauchen.« Sanna Schweigart scrollte resigniert über ihr Tablet. »Ich könnte ewig weiterlesen, ›vertrocknete alte Schachtel‹, ›lass dir doch ne Glatze rasieren, hässlicher kannste ja nicht mehr werden‹, ›arrogante Bonzen-Zicke‹, ›Was glaubst du denn, wer du bist? Nix drauf, aber die Klappe aufreißen‹, ›Vorsicht, Schlampe, es sind nicht alle deine Fans‹.« Die Schauspielerin legte das Tablet vor sich auf den Parkettboden und starrte traurig darauf.

Damit hatte Katharina Langenfels nicht gerechnet. »Wie viele Kommentare dieser Art bekommen Sie pro Tag?«

Sanna Schweigart war eine der besten und erfolgreichsten Schauspielerinnen Deutschlands. Sie wollte sich vorerst aus der Öffentlichkeit zurückziehen, weil sie den Hass nicht mehr ertrug. Um das bekannt zu machen, hatte sie Katharina ein Exklusivinterview angeboten.

»Ich zähle sie nicht mehr. Eigentlich lese ich sie auch kaum noch. Schon von den paar hier wird mir schlecht. Am Anfang habe ich manchmal geantwortet, aber das hat in den sozialen Medien gar keinen Sinn. Die, die dich hassen, sind durch Argumente nicht zu überzeugen. Die meisten Beleidigungen werden sowieso unter Fake-Namen geschrieben, erbärmlich.«

Die beiden Frauen saßen nebeneinander auf der eleganten braunen Wildledercouch in Schweigarts Münchener Wohnung.

»Das ist alles eine Reaktion auf Ihren Auftritt bei Linser?«

Sanna Schweigart nickte. Vor zwei Wochen war sie in der täglichen Talkshow von Michael Linser zu Gast gewesen. Sie hatte sich getraut, das Thema der Rollenvergabe an ältere Schauspielerinnen anzusprechen. Auch ihr ehemaliger Manager Achim Wedel, der sie lange dazu gedrängt hatte, ihre grauen Haare zu färben, hatte sein Fett wegbekommen.

Katharina hatte sich vor dem Fernseher schlapp gelacht, wie gut Schweigart den schleimigen Wedel nachahmen konnte. »Mei, Sanna, du wirst auch nicht jünger. Da musst du dich schon auch nach der Decke strecken. Sonst kriegst du bald keine Rollen mehr. So ein bisschen Farbe auf dem Kopf, ist doch wurscht.«

Katharina hatte Wedel vor ein paar Jahren bei einer Recherche über den Fernsehmoderator Robert Adelhofer kennengelernt. Sie hatte damals noch als Reporterin beim Nachrichtenmagazin »Fakten« gearbeitet. Wedel war ihr direkt unsympathisch gewesen.

Dass Schweigart ihn geschasst hatte und seither ohne Management arbeitete, war in der Klatschpresse freudig breitgetreten worden.

»Üble Kommentare gab es vorher auch schon, aber jetzt ist es explodiert. Ich schätze mal, die Silberrücken-Bemerkung war zu viel.« Sanna strich das halblange graue Haar zurück, das sich weich um ihr Gesicht legte, und starrte ins Leere. Ihr Hund, ein plüschiger schwarz-weißer Border Collie, der halb auf dem cremefarbenen Wollteppich und halb auf den nackten Füßen seines Frauchens lag, stand auf und legte den Kopf in Schweigarts Schoß. Sanna streichelte das Tier und lächelte traurig. »Ja, du willst mich trösten. Bist so ein Lieber, Knurrhahn.«

Der Hund schaute sie treuherzig an und begann, ihre Hand abzulecken.

Sanna Schweigart war mit ihren Anfang 50 eine sehr attraktive Frau. Das dunkle Braun ihrer Augen betonte sie mit dezentem Kajal und Wimperntusche. Kleine Fältchen gaben ihrem Blick mehr Tiefe. Das hellblaue, kurze Leinenkleid harmonierte mit den Haaren und setzte ihre schlanken Beine in Szene. Der angenehme Duft eines fruchtigen Parfums umwehte die Schauspielerin.

Eine echte Dame, dachte Katharina.

Die Altbauwohnung in der Schwabinger Kaiserstraße war ein Wohlfühlort. Die dicken Mauern sorgten trotz der sommerlichen Temperaturen für ein gutes Raumklima. Traumhaft hohe Decken und glänzendes Fischgrätparkett, auf dem nur vereinzelt Teppiche lagen, hielten den Jugendstil in der Wohnung lebendig. Ein riesiges Mandala, das gegenüber vom Sofa hing, gab dem Raum Ruhe. Kräftige Orange-, Rot- und Blautöne zogen die Betrachterin in das kreisförmige Bild hinein. Der historische Stuck bildete einen perfekten Kontrast. Katharina entdeckte keinen Fernseher. Auf einer antiken Kommode standen ein Foto von Sanna und ihrem Mann – dem renommierten Physiotherapeuten Johnny Angerer – und eine ganze Serie von Bildern, auf denen Knurrhahn die Hauptrolle spielte.

»Ihr Hund ist entzückend. Meine Tochter hätte auch so gern einen. Aber uns fehlt einfach die Zeit.«

»Das verstehe ich gut. Aber wenn der Vierbeiner dann da ist, gibt man ihn nicht mehr her.« Schweigart drückte ihr Gesicht in Knurrhahns flauschigen Nacken. Der Hund hob kurz den Kopf. Seine Augen waren bis auf einen schwarzen Streifen, der vom linken Auge abging, von weißem Fell umgeben.

»Verrutschter Kajal«, kommentierte die Schauspielerin schmunzelnd.

Ab dem Hals wechselten sich weiße und schwarze Fellteile ab, der Schwanz war komplett schwarz. Knurrhahn schleckte noch mal kurz Sannas Hand, als wolle er sich abmelden. Dann kuschelte er sich wieder zufrieden knurrend auf den Teppich.

»Haben Sie denn von Veiterer und Mollik selbst was gehört nach der Talkshow?«

Katharina hatten die Äußerungen Sanna Schweigarts zum Alter ihrer Kollegen Michael Veiterer und Damian Mollik gut gefallen.

»Was ist denn zum Beispiel mit den beiden Silberrücken im Münchenkrimi?«, hatte sie losgelegt. »Der eine läuft weiterhin in zu engen Jeans rum, beide stellen mit Würde und Selbstverständlichkeit ihre Falten und ihre grauen Haare zur Schau. Bei uns Frauen geht das nicht. Darauf habe ich keine Lust mehr.«

»Endlich spricht’s mal jemand aus«, hatte auch Katharinas Mann Tobias begeistert vor dem Fernseher ausgerufen.

»Der Michi hat mir danach direkt gemailt, dass er mich versteht und es wirklich ungerecht sei, wie mit älteren Schauspielerinnen umgegangen wird. Als Profilbild hat er jetzt einen Silberrücken.« Schweigart lächelte. »Von Damian habe ich nichts gehört, aber ich glaube, der steht da drüber. Es gibt auch ansonsten reichlich Zustimmung, sowohl von Kolleginnen und Kollegen als auch von Fans. Zum Teil sprechen sie mich auf der Straße oder im Supermarkt an, um mir zu sagen, wie mutig sie das fanden. Die Hater sind aber leider auch nicht zurückhaltend. Von Kot im Briefkasten bis zu Bespucken auf der Straße war alles dabei in den letzten beiden Wochen. Die Plissees hab ich neu anbringen lassen.«

Katharina hatte sich schon gewundert, warum weiße Abdeckungen über den kunstvollen Jugendstilfenstern den Blick auf die Kaiserstraße verdeckten. Die Plissees, die die Münchener Sommersonne aussperrten, waren sicher teure Maßanfertigungen, denn die Fenster bestanden aus unterschiedlich großen Ovalen.

»Bisher habe ich mir nie Gedanken darüber gemacht, ob aus dem Haus gegenüber hier hereingefilmt werden könnte, jetzt schon. Als ob der ganze Müll, den ich geschickt und gesagt kriege, nicht schon genug wäre, hat jemand meinen privaten Insta-Account ausfindig gemacht und schreibt mir seit Kurzem Nachrichten, nennt sich ›Sannalover23‹.« Schweigart verdrehte die Augen. »Er will mich treffen und er wird mich treffen, er weiß alles über mich und so weiter.« Schweigart deutete angewidert auf ihr Tablet. »Ich nehme das nicht sonderlich ernst, aber wenn es in die Privatsphäre geht, dann reicht es einfach.« Die Schauspielerin strich sich traurig durch die Haare.

»Die Polizei kann nichts tun?«

»Ich könnte Anzeige erstatten. Aber es würde vermutlich nichts dabei herauskommen. Ich werde ja nicht konkret bedroht.« Sanna schaute nachdenklich vor sich hin. »Auch bei der Polizei gibt es undichte Stellen. Dann steht der ganze Mist in der Zeitung und alles wird noch schlimmer. Ich versuche erst mal, selbst damit klarzukommen. Aktuell habe ich kein Projekt, erst nächstes Jahr wieder eine Rolle in einer Liebeskomödie. Man braucht mich hier gerade nicht. Also kann ich auch mal neue Wege gehen.«

»Das klingt spannend. Weil Sie sagen, Sie haben aktuell kein Projekt: Hatte die Absage für ›Affären‹ den Grund, dass Sie dem Regisseur zu alt waren?« Katharina hatte recherchiert, dass in dem hochkarätig besetzten Mehrteiler um die Mauscheleien von Rita Berberer, der Intendantin einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt, Sanna Schweigart ursprünglich die Hauptrolle übernehmen sollte. Kurz vor Drehbeginn hatte die Produktionsfirma dann bekanntgegeben, dass die jüngere Anita Arensburg die Intendantin spielen würde.

»Gesagt hat mir das so natürlich niemand. Aber dass Achim insistierte, ich solle mir endlich die Haare färben, und Bemerkungen beim Casting legen das nahe. Bei ›Linser‹ habe ich mich diesbezüglich bedeckt gehalten. Ich wollte mich nicht komplett um Kopf und Kragen reden.«

»Was für Bemerkungen?«, hakte Katharina nach.

»›So viel Fältchen hat die Berberer nicht um die Augen, aber das kriegen wir schon hin, Schätzchen.‹ Oder: ›Haben Sie mit Botox auch ein Problem, Frau Schweigart?‹ Dabei hat die Berberer zum einen graue Haare und zum anderen deutlich mehr Falten als ich. Sie ist ja auch viel älter. So authentisch wollte man es dann aber wohl doch nicht.«

»Verstehe. Und was meinten Sie eben mit den neuen Wegen, die Sie gehen wollen?«

»Ich nehme mir eine Auszeit, zusammen mit Knurrhahn. Hoffentlich wächst dann Gras über die Sache und ich kann wieder ein normales Leben führen, wenn ich zurückkomme.« Bei der Erwähnung seines Namens hatte der Hund kurz aufgeschaut, sich dann auf den Rücken gedreht und lag jetzt alle vier Pfoten nach oben gestreckt auf Sannas Füßen. »Wie Sie sehen, würde er es nicht akzeptieren, wenn er dableiben müsste.« Die Schauspielerin kraulte Knurrhahn liebevoll den Bauch. »Mein Mann kann mich leider nicht begleiten, der ist unabkömmlich.«

Katharina wusste, dass Angerer sowohl in der exklusiven Theatinerstraße in München als auch in Prien am Chiemsee Physiotherapiepraxen betrieb – nur für Privatpatienten. Ihr bester Freund Oliver kannte Angerer seit dessen beruflichen Anfängen und war ihm in die Praxis in die Theatinerstraße gefolgt. Ansonsten gaben sich dort viele Prominente die Klinke in die Hand. »Geh zum Angerer« war ein geflügeltes Wort in betuchteren Münchener Kreisen.

»Verraten Sie mir, wohin es Sie zieht?«

»Das bleibt mein Geheimnis. Nehmen Sie mir das nicht übel, Frau Langenfels, ich schätze Sie sehr. Mit der Medell-Sache damals haben Sie einen starken Eindruck bei mir hinterlassen. Auch Ihr Umgang mit dem Fall Adelhofer war vorbildlich. Ich weiß, dass meine Geschichte bei Ihnen sehr gut aufgehoben ist. Dürfte ich Sie bitten, das Interview erst zu veröffentlichen, wenn ich abgetaucht bin? Dann können sich von mir aus alle das Maul zerreißen und spekulieren, wo ich bin. Und ich habe meine Ruhe.«

Katharina nickte. Zu hören, dass sie für ihre Arbeit geschätzt wurde, tat gut. Sie selbst neigte zu Selbstkritik. Es war vor allem ihre Freundin Birgit, die sie regelmäßig daran erinnerte, was für eine journalistische Koryphäe sie sei.

Nachdem sie vor Jahren eine rechte Schmutzkampagne gegen den grünen Landtagsabgeordneten Medell aufgedeckt hatte, war sie zu unfreiwilliger Berühmtheit gelangt. Kurz darauf hatte sie bei der Recherche über Robert Adelhofer die große Lebenslüge öffentlich gemacht, auf der seine Karriere als erfolgreicher Fernsehmoderator gründete. Nebenbei hatte sie herausgefunden, warum Adelhofers Bruder zu Tode gekommen war. Die Serie über Adelhofer hatte Katharinas Ruf endgültig zementiert und ihr den Weg zur Redaktionsleiterin von »Fakten« geebnet, einem der renommiertesten deutschen Nachrichtenmagazine. Als ihr ehemaliger Chef Bernd Riesche-Geppenhorst in Elternzeit gegangen war, sollte sie ihn zunächst kommissarisch vertreten. RG, wie Katharina ihn nannte, war aber überraschenderweise nicht zurückgekommen. Er bot ab und an noch als freier Mitarbeiter ein Thema an, »um nicht ganz aus der Übung zu kommen«.

Katharina hatte die Leitung fest übernommen und ihre Zeit als Reporterin bei »Fakten« hinter sich gelassen. Nur noch in besonderen Fällen schrieb sie selbst. Ein Interview mit Sanna Schweigart gehörte natürlich dazu.

»Nach meiner Auszeit spreche ich als Erstes mit Ihnen, das sage ich Ihnen jetzt schon zu. Sollte es vorher Berichtenswertes geben, kontaktiere ich zuerst Sie. Einverstanden?« Schweigart schenkte zwei Gläser Zitronenwasser aus einem Glaskrug ein. Seit Beginn des Gesprächs hatte der unberührt auf dem glänzend weiß lackierten Sofatisch gestanden. Jetzt hielt Sanna Katharina ein Glas hin und trank selbst einen großen Schluck. Die Schauspielerin wirkte erleichtert.

»Das freut mich sehr. Gut, verbleiben wir so. Ich gebe Ihnen meine Mobilnummer. Es könnte sich auch eine Kollegin um die Nachrichten auf Ihrem privaten Account kümmern, wenn Sie möchten. Frau Wachtelmaier ist unsere Digitalspezialistin. Für ›Fakten‹ wäre Stalken im Internet eine interessante Hintergrundrecherche. Ihren Namen halten wir natürlich raus.«

»Das klingt gut, vielen Dank! Vielleicht melde ich mich demnächst und erkundige mich nach dem Stand der Dinge.« Die Schauspielerin reckte zufrieden den Daumen hoch, als es dumpf klingelte. Es klang, als käme es aus Schweigarts Rücken. »Ach, da ist mein Festnetz, ich habe es schon die ganze Zeit gesucht.« Sie griff hinter sich und zog ein schnurloses Telefon hervor. »Ich verstecke es oft hinter dem Sofakissen vor Knurrhahn, damit er es nicht zum Spielzeug umfunktioniert, und dann vergesse ich selbst, wo es ist.« Schweigart meldete sich mit einem gut gelaunten »Hallo«. Sekunden später versteinerte sich ihre Miene, sie drückte die Beenden-Taste und stopfte das Telefon wieder hinter das Kissen. »Jetzt haben sie meine Festnetznummer. Unglaublich. Das ist noch nie passiert. Es ist eine Geheimnummer.« Die Schauspielerin war kreidebleich.

»Wer war das?« Katharina spürte Schweigarts Angst.

»Keine Ahnung. Jemand, der es offenbar ›geil‹ findet, mich am Telefon zu haben. Das hat er jedenfalls stöhnend kundgetan.«

Das Telefon klingelte erneut. Schweigart riss das Gerät hinter dem Sofa hervor und starrte darauf. Ihre Hand zitterte. Sie aktivierte den Lautsprecher und fauchte: »Rufen Sie hier nie wieder an.«

Bevor sie auflegte, hörten die beiden Frauen noch ein keuchendes »ich komm dich ficken«.

»Nichts wie weg hier.« Sanna Schweigart rutschte auf den Boden und fuhr unruhig durch das Fell ihres Hundes.

Donnerstagnachmittag, München, Sendlinger Tor Archiv »Fakten«

»Das hat die Schweigart nicht verdient. So eine sensationelle Schauspielerin. Wobei, ein bissl Farbe in den Haaren würde sie schon viel jünger machen, aber gut. Jede so, wie sie will.« Die Archivarin von »Fakten« und Katharinas beste Freundin Birgit Wachtelmaier saß in ihrem Büro und hatte gespannt dem Bericht über das Interview gelauscht. Unter der roten Mähne, die Birgit heute offen trug, lugten als Ohrschmuck zwei kleine giftgrüne Fragezeichen hervor.

»Ich finde es bewundernswert, dass endlich mal eine der ganz großen Schauspielerinnen sich wehrt und die von Männern gemachten ungeschriebenen Regeln nicht mehr akzeptiert.«

»Sag ich doch. Aber dem Veiterer Michi und dem Mollik Damian stehen die grauen Haare halt schon sehr gut. Das mit den Silberrücken hätte sich die Sanna vielleicht sparen können«, meinte Birgit.

Katharina verdrehte grinsend die Augen. Wenn es um Optik ging, egal ob männlich oder weiblich, warf Birgit gern mal alle feministischen Prinzipien über Bord. Ihre Freundin nahm einen Schluck aus der schwarzen Jumbotasse mit der Aufschrift »Superheldin«. Katharina hatte sie ihr zu Beginn von Birgits Schwarz-Phase geschenkt. Exzentrisch kleidete sie sich schon seit der Trennung von ihrem Mann, einem spießigen Finanzbeamten. Zunächst war sie ein Fan schriller Farben und eigenwilliger Kombinationen geworden. Inzwischen trug sie nur noch Schwarz mit jeweils einem bunten Accessoire. »In den aktuellen Zeiten geht’s nicht anders«, war ihr lapidarer Kommentar dazu. Katharina vermutete, dass auch Birgits 40. Geburtstag vor zwei Jahren zu dem Stilwechsel beigetragen hatte. Damals hatte sie schwer mit dem neuen Lebensjahrzehnt gehadert und Katharina beneidet, die ein Jahr vorher problemlos die 30er hinter sich gelassen hatte. Inzwischen hatte sich das gelegt und Birgit trug weiterhin selbstbewusst figurbetonte Kleidung, was ihre üppigen Formen zusätzlich hervorhob. Ihre 1,62 Meter streckte sie meist durch das Tragen atemberaubend hoher High Heels. Heute hatte sie ein ärmelloses schwarzes Top mit einer dreiviertellangen Leggins kombiniert. Dadurch kamen die schwarzen Stilettos mit Spitzeneinsatz besonders zur Geltung.

»Du willst keinen Kaffee mehr, richtig? Ist schon fast 17 Uhr.«

Katharina nickte.

»Ein Wasser? Oder noch viel besser …« Birgit zog eine Büchse aus einer ihrer Schreibtischschubladen, öffnete sie und hielt sie Katharina hin.

»Hm, Rooibos-Vanille, hast du den extra für mich gekauft?«

»Klar, Chefin, ich muss mich doch einschleimen.« Birgit schaltete den Wasserkocher ein und hängte ein Sieb mit Rooibos-Tee in eine weitere Jumbotasse, magentafarben mit der Aufschrift »beste Freundin«. Die hatte Birgit Katharina geschenkt und hielt sie für deren Besuche im Schrank bereit.

Die enge Verbindung der beiden Frauen hatte die Bewährungsprobe, dass Katharina auch Birgits Chefin geworden war, bestanden. In der Redaktion wurde natürlich über die zwei getratscht, aber das nahmen sie locker. Beruflich bevorzugt wurde Birgit von ihrer Freundin ohnehin nicht.

»Danke, du bist ein Schatz. Ich kann einen Tee brauchen. War stressig heute, erst das Interview und dann der Artikel über die Pressekonferenz des Umweltministers.«

»Aber bei dem Termin war doch der Zuwinkel?«

»Stimmt. Nur hat er viel zu lang und so einseitig geschrieben, dass ich den Text gerade quasi neu verfasst habe. Damit mir nicht langweilig wird.«

Birgit wusste, dass Zuwinkel Katharinas meistgehasster Mitarbeiter war. Die Mischung aus mangelnder journalistischer Kompetenz und dem Versuch, jeden Artikel in die Länge zu ziehen, um durch mehr Zeilen sein Honorar aufzubessern, war ein rotes Tuch für ihre Freundin. Dass Katharina eines seiner Machwerke wieder mehr als nur überarbeiten musste, würde dem Kollegen Ärger einbringen.

Birgit konnte den Wichtigtuer auch nicht leiden. Regelmäßig orderte er bei ihr im Kommando-Ton ausführliche Dossiers, meist mit dem Zusatz »sehr dringend«. Bei ihr biss er da allerdings auf Granit. Sie ließ sich Zeit und stellte genau so viele Infos zusammen, wie wirklich nötig waren. Resolut warf Birgit ihre roten Haare zurück. Die giftgrünen Fragezeichen an den Ohren wackelten empört.

Katharina hatte den Schmuck ebenso wie die schwarzen Fragezeichen aus Samt auf Birgits Top schon die ganze Zeit bestaunt. »Hast du gewusst, dass ich mit einer anspruchsvollen Recherche an dich herantreten würde?« Katharina deutete auf das Oberteil.

Birgit lachte. »Nein, die passen einfach gut zu meinem Job. Das Teil ist übrigens aus dem Thailandurlaub, drei Euro. Hatte ich das schon erwähnt?«

Katharina nickte amüsiert. Birgit hatte bereits ausführlich von der Reise erzählt. Das größte Highlight: drei Kilo Gewichtsabnahme »wegen dem vielen Gemüse, total Low Carb«.

»Was hast du denn Anspruchsvolles für mich?« Die Sonne, die durchs Fenster schien, beleuchtete das Fragezeichen an Birgits rechtem Ohr, als wollte es das Interesse seiner Trägerin unterstreichen.

Katharina trank einen Schluck Tee. »Mm, lecker. Man schmeckt richtig die Vanille. Danke dir.«

Birgit strahlte.

»Also: Schweigart hat mir die ganzen Kommentare gezeigt, die seit ihrem Auftritt bei ›Linser‹ auf ihren offiziellen Social-Media-Profilen gepostet wurden. Das ist zwar echt gruselig, aber leider normal bei Prominenten. Jetzt hat ein Sannalover23 ihren privaten Insta-Account ausfindig gemacht und schreibt ihr aufdringliche DMs. Sannalover23 ist ein Fake, es gibt keine Inhalte auf dem Profil, er folgt niemandem. Ich habe Schweigart von deinen digitalen Fähigkeiten erzählt. Sie wäre froh, wenn du checken könntest, wer hinter diesem Nutzernamen steckt. Hier sind die Zugangsdaten. Für die Zweifaktorauthentifizierung hat sie mir ihren Pin-Code gegeben, hier, alles vertraulich, versteht sich.«

»DMs, Katharina, ich bin stolz auf dich. Du hast es dir gemerkt.«

Katharina schmunzelte. Vor ein paar Tagen hatte die Freundin ihr erklärt, dass Katharinas Tochter Svenja »Direct Messages«, also private Nachrichten meinte, wenn sie von DMs sprach, die sie über Insta bekommen hatte.

»Dann bin ich doch mal gespannt, wie leicht oder schwer es mir der Lover macht.«

Katharina rührte in ihrem Tee und berichtete Birgit noch von dem anonymen Anruf auf Schweigarts Festnetz.

»Pfui Teufel. Was für ein Glück, dass ich nur eine kleine Archivarin bei Deutschlands bestem Nachrichtenmagazin bin.« Birgit seufzte theatralisch, die beiden Fragezeichen schwangen hin und her.

»Kleine Archivarin? Du bist die Größte, was täte ich ohne dich?« Katharina stand auf, legte den Arm um die Freundin und drückte ihr einen Kuss auf die sorgfältig geschminkte Wange. »Und du weißt ja …«

»… es bleibt alles legal, logo.« Birgit salutierte theatralisch, was auf ihren Stilettos sehr lustig aussah. Beide wussten, dass die Archivarin ihr Aufgabenprofil sehr umfassend auslegte. Hacken im Internet war ihre große Leidenschaft. Die zum Teil unorthodoxen Vorgehensweisen hatten schon oft entscheidende Hinweise gegeben, wie zuletzt im Fall Adelhofer. Welche digitalen Wege ihre Freundin wirklich beschritt, musste Katharina nicht wissen. So handhabten sie es seit Langem. Birgit versprach, vorsichtig zu sein, Katharina hakte nicht weiter nach.

»Jetzt muss ich nach Hause, Käsespätzle essen, von Tobias und Svenja zubereitet. Kein klassisches Hochsommeressen, aber Svenja liebt es. Und dann schabt der Papa natürlich Spätzle mit ihr.«

»Läuft bei euch, oder?«

Katharina nickte verlegen wie ein verliebter Teenager.

»Tobias ist ein toller Papa. Während unserer Trennung hatte er wenig Kontakt zu Svenja, das weißt du ja auch noch.«

»Ich erinnere mich dunkel.« Birgit war froh, dass diese Phase der Vergangenheit angehörte. Wie oft hatte Katharina händeringend einen Babysitter gesucht, wenn der Job sie wieder einmal außerhalb der Kita-Öffnungszeiten beansprucht hatte.

»Jetzt unternimmt er oft was mit ihr, wenn sie Zeit für ihren Vater erübrigen kann und nicht gerade eine ihrer pubertären ›Meine Eltern sind beknackt‹-Phasen hat. Seit Neuestem gehen sie am Wochenende zusammen bouldern. Da habe ich mal Zeit für mich. Und abends, wenn sie wiederkommen, sind alle happy.« Katharina lächelte zufrieden. »In der Agentur hat Tobias sich unentbehrlich gemacht. Er kriegt inzwischen die Leitung ganzer Werbekampagnen übertragen. Andere Kollegen ruhen sich im Homeoffice eher aus.«

Nie hätte sich Birgit vor einigen Jahren vorstellen können, dass Katharina und Tobias noch mal ein Paar werden und sogar heiraten würden. Er hatte sie während ihrer Schwangerschaft betrogen. An Versöhnung war damals nicht zu denken gewesen. Erst bei der Recherche zu Robert Adelhofer waren sich die beiden wieder nähergekommen, da hatte Svenja schon die erste Klasse besucht.

»Sehr gut. Dann wird er nicht neidisch auf seine erfolgreiche Gattin. Dass Magenta deine neue Lieblingsfarbe ist, hat er auch abgespeichert?« Birgit deutete auf Katharinas fröhliches Shirt eines spanischen Designers. Die Lilatöne passten perfekt zu den braunen Locken.

»Woher weißt du …?«

»Dass Tobias dir das Teil geschenkt hat? Weil du viel zu sparsam wärst, um dir so ein Luxusstück zu leisten.«

»Stimmt. Höchstens für Svenja würde ich so viel ausgeben.«

»Drum ist es gut, dass ein Mann im Haus ist, der dafür sorgt, dass du anständig angezogen bist. Mein Kleiderfundus wird fast nicht mehr benötigt.«

Katharina lachte. Ausgerechnet Birgit mit ihrem speziellen Style hatte schon vor Jahren in ihrem Büro einen Schrank mit »Termin-Klamotten« für Katharina eingerichtet. Für den Fall, dass sie kurzfristig zu einem wichtigen Gespräch oder einer Pressekonferenz musste und mal wieder eher leger gekleidet in die Redaktion gekommen war.

»Das liegt aber nicht nur an Tobias. Ich gehe ja kaum noch zu Terminen, bin eine richtige Schreibtischjournalistin geworden«, seufzte Katharina.

»Oh, mir kommen die Tränen. Die Schreibtischjournalistin, die heute bei Sanna Schweigart war, ganz schlimmes Schicksal.« Birgit tippte ihrer Freundin an die Stirn. »Geht’s noch? Auf nach Hause, Frau Redaktionsleiterin.«

Katharina sah auf die Uhr: »Erst 17.30 Uhr und ich kann schon in den Feierabend. Davon hätte ich früher nur träumen können.«

»Stimmt. Super, dass die Chefin mit gutem Beispiel vo­rangeht.«

»Solange alle Artikel pünktlich abgegeben werden, ist mir egal, wann die Leute Schluss machen.«

Birgit nickte. »Hat RG nie so gehandhabt. Ein Segen, dass er uns nur noch ab und an mit einem Artikel beglückt.«

»Jetzt ist es aber mal genug mit den Blumen.« Katharina stand auf, drückte ihrer Freundin einen Kuss auf die Wange und ging Richtung Tür.

»Auch die Sneakers passen farblich, top!« Birgit deutete auf Katharinas – natürlich magentafarbene – Schuhe.

»Die sind aus dem Outlet, 25 Euro.«

»Klar, Hauptsache Schnäppchen.« Birgit wandte sich ihrem Laptop zu. »Dann einen schönen Abend.« Die Hackerin war in Gedanken bereits bei Sannalover23.

Die Kusshand, die Katharina ihrer Freundin beim Schließen der Bürotür zuwarf, ging ins Leere.

Freitagmittag, München, Theatinerstraße, »Angerers Home of the Fitness«

»Der Starke und die Schöne – Sanna Schweigart und Johnny Angerer ganz privat«.

Aufmerksam betrachtete Oliver die Bilder im Klatschblatt »Szene«. Sein Physiotherapeut und dessen Frau hatten vor ein paar Jahren die Türen zu ihrer Wohnung in Schwabing und der Villa in Prien für eine Fotostory geöffnet. Nach dem, was Katharina am Vorabend erzählt hatte, würde Schweigart aktuell sicher keine Promireporterin in ihre Wohnung lassen.

Damals hatte das Paar strahlend seine Privatsphäre gezeigt – vom Whirlpool über einen in allen Farben leuchtenden Bauerngarten in Prien bis zum eigenen Fitnessstudio in der Münchener Wohnung.

So detailliert interessierte es Oliver gar nicht, obwohl er ein glühender Verehrer von Schweigarts Schauspielkunst war. Im Moment wartete er eher sehnsüchtig darauf, dass sein unterer Rücken in den Genuss der Wunderhände von Schweigarts Ehemann käme. Aktuell stand der am Empfang und unterhielt sich angeregt mit einer Mitarbeiterin – wahrscheinlich die Therapeutin der jungen Frau, die hier im Wartezimmer ebenfalls schon ein paarmal missmutig von ihrem Smartphone aufgeblickt hatte. Zumindest versuchte Angerer, den Patienten das Warten und die Schmerzen so erträglich wie möglich zu machen. Ein beheizbarer Massagesessel aus hellblauem Leder stand bereit, um sich schon vor der Behandlung etwas Lockerung zu gönnen. Nebenan lud ein Kneippbecken ein.

»Es gibt nix Besseres, Herr Arends. Eine, maximal zwei Minuten Wassertreten und Sie sind schon fast wie neu. Immunsystem, Durchblutung, Venen, Ganzkörpererneuerung, verstehns? Und Schlafen tuns danach wie ein Baby.«

Bei der Hitze heute hatte Oliver kurz damit geliebäugelt, Johnnys Standardspruch zu befolgen. Aber mal wieder hoffte er, gleich dranzukommen, hatte die Schuhe angelassen und sich in einen der edlen Korbsessel fallen lassen. Eine große dunkelblaue Amphore neben ihm verbreitete dezenten Vanilleduft – im Hochsommer eigentlich zu schwer, fand Oliver. Er wischte weiter über das praxiseigene Tablet. Selbstverständlich lagen hier keine abgegriffenen Zeitschriften herum. Die Gäste konnten im Internet surfen und verschiedene Publikationen digital abrufen. Jedes Mal öffnete Oliver als Erstes »Szene«. Irgendwie entspannte es ihn, sich Bilder aus dem bewegten Leben der Promis anzusehen. Hier im Wartezimmer hatte er damals auch den kleinen Artikel über die Hochzeit seiner besten Freundin entdeckt. »Starreporterin heiratet nach acht Jahren Trennung Vater ihres Kindes« war die einfallsreiche Schlagzeile gewesen, darunter sogar ein Foto. Katharina und Tobias hatten es locker genommen. Wer dem Blatt das Foto zugespielt hatte, hatte selbst Birgit nicht herausfinden können.

Oliver stand auf und goss aus einem goldfarbenen Spender »energetisierendes Wasser aus einer bayerischen Kraftquelle« in einen der bereitstehenden Kristallkelche. 80 Prozent der exklusiven Behandlung bezahlte seine private Kasse, 20 Prozent übernahm Oliver selbst. Da musste er das eine oder andere Angebot doch auch mal nutzen. Diese Luxuspraxis hatte nichts mehr mit den zwei Räumen im Olympiadorf gemeinsam, in denen Angerers Karriere begonnen hatte. Oliver hatte dessen Arbeit damals schon geschätzt und die deutlich angezogenen Preise beim Umzug in die Theatinerstraße in Kauf genommen.

Durstig leerte er das halbe Wasserglas. Eine Viertelstunde war er mit dem E-Bike von der Ainmillerstraße in die Innenstadt gefahren – bei 30 Grad. Trotz der Klimaanlage im Wartezimmer schwitzte er. Angerer stand weiterhin am Empfang. Was hatte er mit seiner Mitarbeiterin so Wichtiges zu besprechen? Sie lächelten sich an, schien nichts Ernstes zu sein.

Oliver setzte sich wieder. Johnnys Behandlung war die Wartezeit wert. Er war einfach der Beste. Ob ISG-Blockade oder steifer Hals, Angerer hatte Techniken drauf, die Beschwerden ruckzuck verschwinden ließen. Das wusste auch die A-, B-, und C- Prominenz Münchens, die Oliver hier regelmäßig zu Gesicht bekam. Richard Meier, der neue Mittelstürmer-Gott des ortsansässigen Triple-Siegers, war eben direkt durchgewunken worden.

Oliver trank gelangweilt sein Wasser. Gerade hatte er den leeren Kelch auf dem dafür vorgesehenen Silbertablett abgestellt, als eine der jungen Mitarbeiterinnen im schicken weißen Jumpsuit den Raum betrat. Das Teil lag am Körper an wie eine zweite Haut. Den Reißverschluss des Oberteils hatte die Blonde, die laut Namensschild Mareike hieß, deutlich zu weit offen gelassen.

»Des nehm ich gleich mit, Herr Arends.« Sie strich routiniert die langen Haare zurück und griff lächelnd nach dem Glas. »Sie können dann in die Vier.« Mareike bückte sich und säuberte das Tablet mit Desinfektionsspray. Die Einblicke, die sie dabei gewährte, waren Oliver etwas peinlich.

Glücklicherweise winkte Johnny ihm vom Empfang überschwänglich zu. »I komm sofort, eine Sekunde noch. Wir besprechn grad noch den Dienstplan.«

Oliver betrat Behandlungsraum Nummer vier, eigentlich mehr ein Saal, ausgestattet mit edlem Kirschholzparkett, das rötlich leuchtete. Eine große Massageliege bildete das Zen­trum. Über ihr konnte der auf dem Rücken liegende Patient eine abstrakte Deckenmalerei aus bunten Linien und geometrischen Formen bewundern. Zum Ablegen der Kleidung stand ein antiker Thonet-Stuhl bereit. Selbstverständlich gab es auch hier den goldfarbenen Wasserspender. Hanteln, Kettlebells und Thera-Bänder, die an einer Wand bereitlagen, blieben bei Oliver ungenutzt. Auch den zur Praxis gehörenden Geräteraum mit den neuesten computergesteuerten Maschinen zum Muskelaufbau nutzte er nicht mehr. Er trainierte zu Hause. Zu Angerer ging Oliver nur noch, wenn er sich behandeln lassen musste. Früher war auch das ein Termin gewesen, der hauptsächlich der Beruhigung seiner Ängste gedient hatte. Selbst Rückenbeschwerden hatten hypochondrische Schübe bei ihm ausgelöst.

»A bissl verspannt, Herr Arends, sonst alles subba.« Diese Entwarnung hatte damals besser gewirkt als eine angstlösende Tablette. Johnny hatte sicher nicht geahnt, wie wichtig die Botschaft für seinen Patienten gewesen war. Danach war Oliver beschwingt in seine Kanzlei zurückgekehrt. Kein Bandscheibenvorfall, keine schwere Gelenkentzündung, kein künstliches Knie in Sicht, uff.

Diese Zeiten hatte er hinter sich. Seinen Psychotherapeuten, der ihm aus der Angststörung geholfen hatte, sah er sehr unregelmäßig. Zu Weihnachten brachte er dem Mann weiterhin ein Geschenk vorbei. Dankbar war Oliver ihm auf ewig. Der Therapeut hatte damals Techniken empfohlen, die das Gehirn umprogrammierten. »Mentalgymnastik« nannte er das Training, bei dem Oliver sich gedanklich mit allen Sinnen in angenehme Erlebnisse hineinversetzte. Die Ängste waren weniger, Oliver optimistischer geworden. Auch Katharina war das aufgefallen. Schon als sie gemeinsam die erste Klasse besucht hatten, hatte sie ihn regelmäßig auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt, meist mit einem lakonischen »da ist nichts«. Später war die eine oder andere Beziehung an Olivers Ängsten gescheitert. An das Single-Dasein hatte er sich inzwischen schon fast gewöhnt. Umso wichtiger war Katharina. Sie hatte immer zu ihm gestanden und seinen Ängsten stoische Ruhe entgegengesetzt. Mal war es ein verdächtiger roter Fleck auf dem Arm gewesen, den Katharina lapidar als Mückenstich identifizierte. Mal hatte sie ihren Freund daran erinnert, dass es sich bei seinen Schmerzen in der Brust nicht um einen Herzinfarkt handelte, sondern sie vom Kistenschleppen kamen. Am Vortag hatte er einem Kumpel beim Umzug geholfen.

Zufrieden entledigte sich Oliver seiner »Anwaltsuniform«, wie er es nannte: dunkelblaues Polohemd, hellbraune Bundfaltenhose, dunkelbraune Slipper. Die Klammer, um die Hose zum Radfahren hochzustecken, legte er daneben. Nur noch mit einer grauen Boxershorts bekleidet, streckte er sich wohlig auf dem flauschigen Handtuch aus.

Selbiges hatte inzwischen Yazemin, eine weitere Mitarbeiterin im knappen weißen Sport-Outfit, über die Massageliege gespannt. »Der Herr Angerer ist sofort da, dann geht’s den verklebten Faszien an den Kragen.« Mit einem verschwörerischen Zwinkern winkte die dunkelhaarige Schönheit Oliver auf die Liege und schwebte aus dem Raum.

»So, der Herr Arends, wie geht’s uns denn heute? Zwickt der Piriformis noch?« Angerer hatte schwungvoll die Tür aufgerissen und scannte sofort mit analytischem Blick die möglichen Blockaden an Olivers unterer Wirbelsäule. Aus hygienischen Gründen grüßte der Physio glücklicherweise nur noch mit einem Kopfnicken. Sein Händedruck hatte sich angefühlt, als wollte er die gesamte Hand einer kurzen Akupressur-Behandlung unterziehen. Oliver hatte sie anschließend hinter dem Rücken immer unauffällig geschüttelt.

Der Inhaber des »Home of the Fitness« war durch und durch eine kraftvolle Erscheinung. An seinem Körper fand sich kein Gramm Fett. Die klar definierten Oberarmmuskeln beeindruckten auch durch ihren Umfang. Unter dem engen weißen Funktionsshirt zeichnete sich ein Waschbrettbauch ab, mit dem er James Bond doubeln könnte.

Das dezente Aftershave des Physiotherapeuten, das am Empfang zu einem astronomischen Preis angeboten wurde, fand reißenden Absatz. Vermutlich hofften die Patientinnen, ihrem Hartmut oder Alois daheim zumindest einen Hauch von Angerer-Aroma zu verleihen. Eine leichte Aufgabe war das nicht, denn der Physio sah auch noch unverschämt gut aus. Er trug einen dunkelblonden Undercut und hatte stahlblaue Augen, die von der leichten Gesichtsbräune noch betont wurden. Eine markante Nase und volle Lippen vervollständigten das ansprechende Gesamtbild. Dass Angerer einen Schlag bei Frauen hatte, wunderte Oliver nicht. Offenbar hatte er auch seine Wirkung auf Sanna Schweigart nicht verfehlt. In den einschlägigen Klatschspalten war damals zu lesen gewesen, Schweigart habe sich nach einer Rückenoperation unter Johnnys Händen sehr wohl gefühlt. Dies habe den Grundstein für die baldige Eheschließung gelegt. Der Altersunterschied war rauf und runter diskutiert worden – Angerer war 15 Jahre jünger als seine Sanna –, aber die beiden schien das nicht zu stören. Aus Olivers Sicht hatte vor allem Angerer mit der Schauspielerin das große Los gezogen.

»Das tut schon noch weeeeeeh«, ächzte Oliver, als der Physio seinen Finger genau in die Stelle der linken Gesäßhälfte gebohrt hatte, die sich »bretthart« anfühlte, wie Johnny konstatierte.

»Des is’ genau der Piriformis, da bleib ich jetzt amal drauf, verstehns? Dann lässt’s nach.«

»Aha«, wisperte Oliver. Tatsächlich wurde der Schmerz nach ein paar Sekunden weniger. Angerer begann, die ­Po­backe durchzuwalken, als handle es sich um einen Hefeteig, der kräftig geknetet werden musste.

»Sie müssen dehnen, jeden Tag dreimal. Schauns, so.« Angerer warf sich auf den Boden, winkelte beide Beine an und legte das linke über das rechte.

»Und jetzt ziehn«, rief er begeistert und führte die Übung behänd vor.

Das würde mit Sicherheit schmerzen, mutmaßte Oliver.

»Probieren Sie’s gleich amal«, kommandierte der Physio und kam mit einem einzigen Sprung zurück in den Stand. Ungelenk versuchte Oliver, die Haltung einzunehmen. Wie befürchtet war die Spannung beim »ranziehn, weiter ranziehn«, wie Angerer anfeuerte, mehr als unangenehm.

»Macht nix, jeden Tag dreimal, des hilft, glauben Sie’s mir.«

Oliver löste die Stellung erleichtert auf und genoss, dass Angerer sich dem unteren Rücken zuwandte.

»Des ISG läuft, des is’ schon amal suppa. Des hama ja auch schon x-mal eingrenkt. Wenns jetzt noch den Piriformis dehnen, dann brauchens mich bald nicht mehr.« Angerer lachte jovial und träufelte warmes Öl auf Olivers Rücken. In diesem Moment vibrierte es in der Trainingshose des Physios. »Oh, des is’ die Gattin. Sorry, Herr Arends, Momenterl.«

Angerer meldete sich mit einem flötenden »Servus Sannerl« und blieb in der halb geöffneten Tür stehen. Oliver atmete tief durch, erleichtert, kurz einfach nur liegen zu dürfen. Durch das gekippte Fenster drang der Sound der Theatinerstraße: italienische Wortfetzen, eine Drehorgel, ein kleines Kind brüllte »Maaaamaaaa, nein, will nicht«.

»Nochamal? Wahnsinn.« Angerer stand im Gang, hatte die Tür aber einen Spalt offen gelassen.

»Gibt’s ja ned«, hörte Oliver. Die Stimme des Physios hatte ihre Lockerheit verloren.

»Sannerl, ganz ruhig bleibn, alles werd guad.«

Bis zu seiner Liege hörte Oliver, wie aufgeregt Schweigart auf ihren Mann einredete. Verstehen konnte er sie nicht.

»Heut schon?«

Wieder ein unverständlicher Wortschwall.

»Dann muss i Patienten verlegn.«

Pause.

»Na, alles guad. Bleib in der Wohnung, i bin da, so schnell, wie’s geht. Bussi.« Johnny schmatzte in den Lautsprecher und kam zu Oliver zurück.

»Emergency, Sie haben’s vielleicht ghört. Aber wir warn ja sowieso fast durch. Nächstes Mal häng ich a paar Minuten dran. Sorry, aber wenn die Sanna ruft, muss der Johnny spurn.« Er lachte unecht.

»Ich hoffe, es ist nichts Ernstes. Gehen Sie nur.«

Der Physio stand da und trommelte mit den Fingern auf die Massageliege. Er schien Olivers Worte gar nicht zu hören. Plötzlich fixierte er seinen Patienten. »Sie, Herr Arends, Sie san doch Anwalt, stimmt’s?«

»Hm«, machte Oliver unbestimmt, da er nach dieser Frage oft in Dinge hineingezogen wurde, mit denen er lieber nichts zu tun hatte.

»Wenn ich Sie jetzt ganz spontan engagier’, gilt doch a Schweigepflicht, oder?«

»Ja. Ich wüsste aber vorher gern, worum es geht.« Oliver stand auf und begann, sich anzuziehen.

»Hier ham die Wände Ohren. Wenns fertig sind, kommens nach unten. Muss keiner sehen, dass wir zusammen die Praxis verlassn. Fahrens mit dem Aufzug bis in die Tiefgarage. Kommens zu dem dunkelblauen Cabrio Kennzeichen M-JA 010. Bitte tuns mir den Gefallen.«

»Einverstanden. Verstehen Sie das aber bitte nicht als Zusage.« Auf die Möglichkeit, dass er einen Fall auch ablehnen könnte, wies Oliver alle Klienten hin, auch einen Johnny Angerer. Da es um Sanna Schweigart ging, würde er tun, was er konnte, um zu helfen. Das musste Angerer aber nicht wissen.

Die Augen des Physios waren so flehentlich auf Oliver gerichtet, dass der nicht anders konnte, als Mitgefühl zu empfinden.

»Dank’ schön, bis gleich.«

Freitag, gleiche Zeit, München, Kaiserstraße

Was würde sie brauchen? Zwei warme Pullis, eine Fleece-, eine Regenjacke, zwei lange Hosen. Ansonsten Shorts, T-Shirts, Trägerhemdchen. Auf Kleider und Röcke würde sie verzichten.

Das Packen beruhigte Sanna. Sie lief konzentriert durch ihren begehbaren Kleiderschrank. Knurrhahn, der vorhin nicht nur geknurrt, sondern wütend gebellt und sogar geschnappt hatte, lag nun wachsam an der geöffneten Schiebetür und folgte mit den Augen jeder Bewegung seines Frauchens. Die gespitzten Ohren signalisierten: Ich werde dich verteidigen.

Sannas Handy meldete sich. Ihr Herz begann zu rasen, die Hände wurden feucht, ihr ganzer Körper schien zu glühen. So reagierte sie seit den obszönen Anrufen auf dem Festnetz bei jedem Klingelton – und nach dem Vorfall von vorhin erst recht. Hoffentlich hatte jetzt nicht auch noch irgendein Idiot ihre Mobilnummer herausgefunden. Hektisch kramte sie unter den Kleiderstapeln nach dem Gerät. »Herbert«, zeigte das Display an. Sie seufzte erleichtert auf. »Hallo, mein Lieber, danke, dass du gleich zurückrufst.«

Die tiefe, ruhige Stimme des Freundes tat ihr gut. Schon als sie in Trostberg zusammen im Kindergarten gewesen waren, hatte Herbert Schafgott die Fähigkeit gehabt, Sanna bei so mancher Unbill des Lebens wieder auf die Spur zu setzen. Nie würde sie die Bügeleisengeschichte vergessen. Es war ihr dritter Geburtstag gewesen. Sie war wie jeden Tag in den Kindergarten gegangen, wo sie ein bunt dekorierter Schokoladenkuchen erwartet hatte. Der Raum hatte voller Girlanden gehangen. Sanna hatte gestrahlt vor Freude und Stolz. Sie stand im Mittelpunkt. Dann war Rosi erschienen. Sanna konnte sie sowieso nicht leiden. Und ausgerechnet heute hatte sie stolz ihr neues Spielzeugbügeleisen mitgebracht.

»Vom Opa«, erklärte Rosi strahlend und begann, sämtliche herumliegenden Kleidungsstücke zu glätten. »Schau, kanz klatt«, verkündete sie immer wieder angeberisch. Sanna ignorierte das zunächst und aß mit Herbert und anderen Kindern den Kuchen. Als eine der Erzieherinnen zum x-ten Mal zu Rosi lief, um ihre Bügelkünste zu loben, platzte dem Geburtstagskind der Kragen. Sanna riss Rosi das Gerät aus der Hand und schrie »mein Burdstag«.

Sofort versammelte sich die Erzieherinnenschar um die beiden kleinen Mädchen und versuchte, die Wogen zu glätten. »Schau, Sanna, das ist Rosis Bügeleisen. Wir haben doch so viel andere Spielsachen.«

Alles Mögliche wurde als Ersatz herangeschleppt, Puppen, Feuerwehrautos, Spielzeugwerkzeug – nichts half.

Sanna drückte das Bügeleisen an ihre Brust und war ganz außer sich. »Ich hab Burdstag, ich hab Burdstag«, brüllte sie immer wieder unter Tränen.

Rosi hatte inzwischen auch angefangen zu weinen. Der vierjährige Herbert rettete die Situation. Mit einem Stück Kuchen ging er zu der verunsicherten Bügeleisenbesitzerin.

»Schmeckt guad, probier a Stückerl. Die Sanna bügelt solang.«

Hose und Shirt aus seinem Turnbeutel breitete er vor Sanna aus. Die begann zu bügeln, während Rosi irritiert den Kuchen aß – begleitet von leisen Tröstungen einer Erzieherin.

Sanna hatte sich richtig hineingesteigert, daran erinnerte sie sich genau. »Noch eins und noch eins, so viel Abeit heut, so viel«, hatte sie vor sich hin geflüstert und natürlich bemerkt, wie die anderen Kinder um sie herumstanden und staunten.

Rosi hatte das Schauspiel kauend beobachtet und, kaum war der letzte Happen geschluckt, »fertich« gerufen.

Sofort hatte Herbert verkündet: »Feierabend.«

»Feierabend«, hatte Sanna fröhlich bestätigt.

»Dann können jetzt alle zusammen Verstecken spielen, einverstanden? Sanna fängt an, weil sie das Geburtstagskind ist.« Dieser pädagogische Coup der Erzieherin hatte dann doch funktioniert. Nach dem Spiel war das Bügeleisen verschwunden.

Herbert hatte Sanna an diesem Tag zu ihrer ersten Hauptrolle verholfen und sie in ihre Schranken gewiesen.

»Sanna? Bist no’ da?«

»Ja, entschuldige. Ich habe nur gerade an die Bügeleisengeschichte gedacht. Damals warst du auch schon im richtigen Moment zur Stelle.«

»Mei, des Bügeleisen und die depperte Rosi. Die hat immer no’ an Haushaltswarenladen in Trostberg, da kanns bügln, bis alles platt is’.« Herbert lachte.

Sannas Anspannung ließ weiter nach.