Chronische Schmerzen – ein gutes Leben jetzt erst recht - Renate Döbrich - E-Book

Chronische Schmerzen – ein gutes Leben jetzt erst recht E-Book

Renate Döbrich

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Beschreibung

Neue Wege für sich entdecken und das Leben selbstbestimmt und aktiv gestalten – erst recht bei chronischen Schmerzen! Menschen mit chronischen Schmerzen finden in diesem Ratgeber viele motivierende Impulse für einen individuellen, gesundheitsfördernden Umgang mit der Krankheit. Die beiden Autorinnen verbinden fachliches Wissen mit persönlichen Erfahrungen. Sie beschreiben nachvollziehbar, wie beglückend es für Betroffene sein kann, das Leben trotz der Schmerzen wieder in seiner Vielfalt und Buntheit für sich zu entdecken und zu gestalten. - Umfassende, leicht verständliche Informationen und erklärende Illustrationen machen den Unterschied zwischen akutem und chronischem Schmerz verständlich. - Zusammenhänge zwischen körperlichen, psychischen und sozialen Faktoren werden anschaulich beschrieben. - Konkrete Anleitungen zu alltagstauglichen Selbsthilfemöglichkeiten und -techniken sollen Betroffene zu einem aktiven Umgang mit der Krankheit ermutigen.Die Auseinandersetzung mit dem chronischen Schmerz fordert oftmals auch eine Auseinandersetzung mit sich selbst. Es könnte sein, dass sich hinter dem Schmerz ein Appell verbirgt, antrainierte und anerzogene Sackgassen zu verlassen. Die konkreten Anregungen und Tipps im Buch machen Mut (nach eigenen Bedürfnissen) daraus zu sammeln, zu sortieren und zu priorisieren, um dann an dem einen oder anderen Punkt zu beginnen, die Lebensfreude wiederzuentdecken und bewusst für mehr Lebensqualität zu sorgen. Die Arbeitsmaterialien zu diesem Buch können nach erfolgter Registrierung von der Hogrefe Website heruntergeladen werden.  

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Seitenzahl: 250

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Renate Döbrich

Franziska Wanger

Chronische Schmerzen – ein gutes Leben jetzt erst recht

Anleitungen und Hilfen, um selbstbestimmt neue Wege zu gehen

Chronische Schmerzen – ein gutes Leben jetzt erst recht

Renate Döbrich, Franziska Wanger

Programmbereich Medizin

Renate Döbrich

Fachreferentin für Gesundheitstraining

Schmerzbewältigung, Yogalehrerin

Asamstraße 70

83026 Rosenheim

www.aktivzurgesundheit.de

E-Mail: [email protected]

Franziska Wanger

Unternehmerin, Trainerin

Kufsteiner Strasse 57

83064 Raubling

www.wanger-land.de

E-Mail: [email protected]

Wichtiger Hinweis: Der Verlag hat gemeinsam mit den Autorinnen bzw. den Herausgebern große Mühe darauf verwandt, dass alle in diesem Buch enthaltenen Informationen (Programme, Verfahren, Mengen, Dosierungen, Applikationen, Internetlinks etc.) entsprechend dem Wissensstand bei Fertigstellung des Werkes abgedruckt oder in digitaler Form wiedergegeben wurden. Trotz sorgfältiger Manuskriptherstellung und Korrektur des Satzes und der digitalen Produkte können Fehler nicht ganz ausgeschlossen werden. Autorinnen bzw. Herausgeber und Verlag übernehmen infolgedessen keine Verantwortung und keine daraus folgende oder sonstige Haftung, die auf irgendeine Art aus der Benutzung der in dem Werk enthaltenen Informationen oder Teilen davon entsteht. Geschützte Warennamen (Warenzeichen) werden nicht besonders kenntlich gemacht. Aus dem Fehlen eines solchen Hinweises kann also nicht geschlossen werden, dass es sich um einen freien Warennamen handelt. Der Verlag weist ausdrücklich darauf hin, dass im Text enthaltene externe Links vom Verlag nur bis zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses eingesehen werden konnten. Auf spätere Veränderungen hat der Verlag keinerlei Einfluss. Eine Haftung des Verlags ist daher ausgeschlossen.

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Anregungen und Zuschriften bitte an:

Hogrefe AG

Lektorat Medizin

Länggass-Strasse 76

3012 Bern

Schweiz

Tel. +41 31 300 45 00

[email protected]

www.hogrefe.ch

Lektorat: Susanne Ristea

Redaktionelle Bearbeitung: Elisabeth Dominik, Allendorf

Herstellung: René Tschirren

Umschlagabbildung: Getty Images/Domepitipat

Umschlaggestaltung: Claude Borer, Riehen

Satz: punktgenau GmbH, Bühl

Format: EPUB

1. Auflage 2023

© 2023 Hogrefe Verlag, Bern

(E-Book-ISBN_PDF 978-3-456-96297-9)

(E-Book-ISBN_EPUB 978-3-456-76297-5)

ISBN 978-3-456-86297-2

https://doi.org/10.1024/86297-0000

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Zitierfähigkeit: Dieses EPUB beinhaltet Seitenzahlen zwischen senkrechten Strichen (Beispiel: |1|), die den Seitenzahlen der gedruckten Ausgabe und des E-Books im PDF-Format entsprechen.

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1 Franzis Vorgeschichte

2 Basislager

Akute und chronische Schmerzen

Akuter Schmerz – ein Warnsignal

Schmerz ist nicht gleich Schmerz

Chronischer Schmerz – die Warnfunktion fehlt

Die Entwicklung chronischer Schmerzen am Beispiel Großzehe

Multimodale Schmerztherapie

Medizin

Physiotherapie

Psychologie/Psychotherapie

Kreativtherapie

Soziale Beratung

Tagebuch Franzi

Welche Rolle spielt der Stress?

Schmerz ist Stress – Stress macht Schmerz

Wahrnehmen, Innehalten, Umdenken, Neu-Bewerten und dann erst Handeln

Bewertungsmuster

Neubewertung

Lebenspuzzle

3 Unsere Wanderkarte in 7 Etappen

Etappe 1 – Achtsames Wahrnehmen

Tagebuch Franzi

Mit allen Sinnen

Achtsames Wahrnehmen – wie geht das?

Achtsamkeit und ihre Bedeutung bei chronischen Schmerzen

Kann man Achtsamkeit üben? Ja!

Etappe 2 – Akzeptieren

Tagebuch Franzi

Zwischen Wahrnehmung und Akzeptanz

Erste Veränderungen entdecken

Das Schmerzgedächtnis überschreiben

Aktiv statt passiv – endlich in Bewegung kommen

Energieräuber und Energiequellen

Etappe 3 – Sammeln

Tagebuch Franzi

Allgemeine Informationen zur Selbsthilfe

Hydrotherapie

Bewegung und Körperwahrnehmung

Entspannung

Ernährung

Seelische Belastungen

Beziehungen – soziale Kontakte – Netzwerke

Genießen

Etappe 4 – Üben

Tagebuch Franzi

Üben – auf die innere Haltung kommt es an

Selbsthilfe – mehr als Wärme und Wickel

Übungs- und Trainingsaufbau am Beispiel „Bewegung“

Tagebuch Franzi

Etappe 5 – Loslassen

Tagebuch Franzi

Über das Loslassen und das Festhalten…

Vom Festhalten zum Loslassen

Tagebuch Franzi

Etappe 6 – Vertrauen

Tagebuch Franzi

Vertrauen – wagen

Vertrauen zum Körper aufbauen heißt …

Vertrauen ins Leben heißt …

Tagebuch Franzi

Etappe 7 – Leben

Tagebuch Franzi

Leben – mit all seinen Facetten!

Das Leben selbstbestimmt gestalten

Tagebuch Franzi

Lebensrad

4 Selbsthilfe-Anwendungen zur Schmerzlinderung

Anwendungen aus der Wassertherapie

Warme Wickel, Auflagen und Bäder

Kühlende Wickel und Auflagen

Güsse

Phytotherapie (pflanzliche Mittel)

Hagebuttenpulver bei Arthrose

Bewegung

Empfehlungen für den Anfang

Ausdauer

Kraft

Koordination

Flexibilität

Entspannung, Körperwahrnehmung und Achtsamkeit

Progressive Muskelrelaxation nach Jacobson

Bodyscan

Etappenatmung

„Rosinenübung“ (Achtsamkeitstraining)

Schlaf

Yoga

Anhang

Literatur

Über die Autorinnen

Hinweise zu Zusatzmaterialien

Sachwortverzeichnis

|9|Einleitung

Vielleicht gehören auch Sie zu den etwa 16 Millionen Menschen in Deutschland (ca. jede*r Vierte), die unter chronischen Schmerzen leiden?

Viele Betroffene erleben eine schier unendliche Odyssee auf der Suche nach Schmerzfreiheit. Sie pilgern von Arzt zu Ärztin, von Untersuchung zu Untersuchung und von Therapeut*in zu Therapeut*in. Übrig bleibt häufig das enttäuschende Gefühl, nicht richtig wahrgenommen zu werden. Die Betroffenen fühlen sich mit dem Schmerz alleingelassen. Für sie haben wir dieses Buch geschrieben. Wir verbinden unsere persönlichen Erfahrungen und unser Fachwissen in diesem Ratgeber – für einen neuen Umgang mit chronischen Schmerzen.

Genauso beschreibt auch Franziska Wanger, Autorin und chronische Schmerzpatientin, ihren Weg. Unsicher, an manchen Tagen regelrecht verzweifelt, kämpfte sie mit sich, bis sie sich zu einer Schmerztherapie durchringen konnte. Sie hatte nur ein Ziel: ohne Schmerz zurück in ihr altes Leben. Franziska wagte eine spannende Reise. Eine ihrer Wegbegleiterinnen aus dem therapeutischen Team war Renate Döbrich, Expertin für Schmerzbewältigung und Fachreferentin für Gesundheitstraining. Sie leitete die Patientengruppe. Nach fünf Wochen mit allen durchlebten Tiefen und Höhen erreichte Franziska ihr Therapieziel. Sie ließ sich von gelegentlich auftretenden Schmerzen nicht mehr so leicht aus der Bahn werfen. Sie hatte gelernt, was sie in diesen Situationen für sich tun konnte. Neue Erkenntnisse halfen ihr, ihre bisherigen „ungünstigen“ Denk- und Verhaltensweisen zu verändern. Sie spürte wieder Glücksgefühle, war neugierig auf das Leben und |10|hatte Lust „zum Bäume ausreißen“. Während der Therapie schrieb sie konsequent Tagebuch.

Nach der Therapie begannen Renate Döbrich und Franziska Wanger, einen gemeinsamen Ratgeber zu schreiben. So entstand eine Art „Wanderführer“. Sie verstehen sich als Wegbegleiterinnen. In sieben überschaubaren Etappen zeigen sie Ihnen einen Weg zu neuer Lebensqualität und -freude. Man könnte auch sagen: zum Glück!

Sie als Leser*in bestimmen selbst das Tempo und die Pausen. Achten Sie während der Wanderung auf Ihre Bedürfnisse, überblättern Sie auch mal eine Etappe. Gehen Sie dort weiter, wo Sie sich gerade angesprochen fühlen. Renate Döbrich beschreibt im ersten Teil des Buches, im sogenannten „Basislager“, in verständlichen Worten den Unterschied zwischen akutem und chronischem Schmerz. Dazu gehören auch all die weitreichenden Veränderungen – körperlich, psychisch und im Sozialen. Darauf aufbauend zeigt sie viele Möglichkeiten zur langfristigen Selbsthilfe, Selbsthilfetechniken beim Aufflackern der Schmerzen, Entspannungsmöglichkeiten für Körper, Seele und Geist. Sie gibt Anregungen für einen neuen, lösungsorientierten Umgang mit Schmerz- und Stresssituationen. Denn: Chronischer Schmerz ist chronischer Stress und verändert den ganzen Menschen.

Sind Sie neugierig geworden? Lassen Sie sich dazu motivieren, das Leben wieder aktiv in die Hand zu nehmen und bunter zu gestalten. Machen Sie sich auf diesen neuen, abwechslungsreichen, aber auch beglückenden Weg, selbst wenn es manchmal etwas anstrengend scheint. Entdecken Sie, dass der chronische Schmerz in den Hintergrund treten kann, wenn Sie Ihr Leben wieder aktiv und mit Freude gestalten.

|11|1  Franzis Vorgeschichte

Wir beginnen die Reise mit Auszügen aus dem Tagebuch von Franziska Wanger.

3. September 2019

Woher kommen die Schmerzen?

Manchmal scheint das Leben mit meinen Schmerzen sehr komplex. Wie herrlich unkompliziert ist es doch an schmerzfreien oder -armen Tagen. Wenn ich keine Schmerzen habe, mir nicht den Kopf zerbreche, woher der Schmerz kommt und wann er wieder geht.

Gedanken(k)reise

Und dann beginnen sich meine Gedanken förmlich im berühmten Kreis zu drehen. Wieder und wieder rolle ich den gleichen Gedanken auf und begreife nicht, dass die Lösung längst in mir liegt: im Abschalten können. Doch ich fühle mich wie ein Fernseher mit einer defekten Fernbedienung. Einschalten war noch möglich, aber umschalten und abschalten funktionieren nicht mehr.

Es macht mich traurig.

Schuldgefühle

Lange habe ich versucht herauszufinden, woran es liegt, dass ich ständig Schmerzen habe. Habe ich selbst Schuld daran? Kann ich mich umtrainieren? Hilft es, an etwas Anderes zu denken oder umzudenken? Soll ich sie annehmen oder ignorieren, sie ein|12|fach da sein lassen und lernen, damit umzugehen? Ich habe das Gefühl, „alles schon“ versucht zu haben. Wenn ich darüber nachdenke, warum das eigentlich alles nicht hilft, komme ich zu dem Schluss: es liegt an mir, nicht alles lange genug „durchgezogen“ zu haben.

Verzweiflung

Und dann bin ich verzweifelt. Womit soll ich erneut anfangen? Wobei soll ich bleiben? Ich habe oft verschiedene Anwendungen gleichzeitig ausprobiert und manchmal auch vorübergehende Besserungen verspürt. Aber in Summe empfand ich alles als zu anstrengend. Zeitlich war auch vieles nicht umsetzbar, wenn man berufstätig ist, Mutter und Ehefrau! Ich weiß, ich jammere auf hohem Niveau. Aber es muss einfach raus…

Suche nach dem Anfang

Also, wo fange ich an? Entspannung? Bewegung? Gespräche? Wenn ja, wie? Oder mit wem? Mit mir selbst? Mit meinem Mann? Will und darf ich ihn damit belasten? An wen wende ich mich? Dann wieder mein Glaubenssatz: „Ich muss das doch auch ohne fremde Hilfe schaffen!“ Aber wie schnell? Und wie erfolgreich?

Wie finde ich wieder die Balance zwischen Arbeit, Familie und mir selbst?

Renate Döbrich:

Franziska erinnert sich an ihre früheren Erfahrungen, an ihre ganze Krankengeschichte. Alle Lebensbereiche, die damals betroffen waren, sind es auch jetzt. Alle Gedanken kreisen um den Schmerz. Angst und Verzweiflung machen sich breit. Sie verstärken den Schmerz. Bei genauem Lesen fällt auf: Eine konkrete Beschreibung der Schmerzen und der betroffenen Stelle(n) fehlt.

15. September 2019

Erneutes Schmerzaufkommen

Nach Jahren der Freude über meine vielen schmerzfreien Phasen wurde ich zum dritten Mal schwanger. Während die Schwangerschaft einigermaßen schmerzarm verlief, tauchten nach der Geburt unserer dritten Tochter wieder sämtliche Schmerzbaustellen auf. Abermals tauchte ich in die gleiche Situation ein, die ich be|13|reits vor acht und vor sechs Jahren erlebt hatte. Die gleichen Prüfungen stellten sich mir erneut in den Weg und boten mir die Chance, zu lernen.

Viele Lösungsversuche

Füße, Fersen, Waden, Achillessehnen, Kreuzbein, Steißbein, rechte Hüfte, rechte Leiste, Fingergelenke, Zehengelenke. All das bereitete mir Schmerzen. Zwischenzeitlich hatte ich diverse Lösungsversuche gestartet, darunter Medikamente, lokale Einspritzungen im Schmerzbereich, Akupunktur, elektrische Nervenstimulation, Krankengymnastik, Sport, Massagen, Chiropraktik, Osteopathie, Dorntherapie und so weiter. Alles davon half mir vorübergehend, schenkte mir Momente zum Aufatmen. Doch kurz darauf, nach ein bis zwei Tagen, stellten sich die Schmerzen wieder ein. Meine erneute Odyssee von Arzt zu Arzt, von Orthopäden zu Chirurgen, von Frauenarzt zu Heilpraktiker, vom Röntgen zum MRT – nichts und niemand brachte mir dauerhafte Lösungen.

Diagnosen

Es gab diverse Verdachtsäußerungen, was genau meine Schmerzen ausgelöst haben könnte. Doch selbst wenn diese vermeintlichen Übeltäter von Experten benannt wurden, so gab es in meinem Fall keine Lösungen. Hüftdysplasie stand plötzlich als Verdacht im Raum – „Da kann man erstmal nichts machen“, so die Meinung des Arztes. Rheumatest – negativ. Achillodynie vermutete jemand – „Da müssen Sie sich eben schonen und abwarten. Das dauert“, war die Aussage. EBV (Epstein-Barr-Virus) nach Pfeifferschem Drüsenfieber – „Das ist eine langwierige Sache. Dagegen gibt es kein Medikament“, entmutigende Worte eines anderen Arztes. Borreliose – „Könnte sein. Das müssen wir immer wieder mal bei Ihnen testen. Gegenmittel gibt es nicht.“

Lebenseinschränkung durch Schmerzen

Meine Schmerzen wurden chronisch, besonders heftig waren sie morgens und abends. Mein erster und mein letzter Gedanke am Tag war: Schmerz. Alles drehte sich nur noch um die Schmerzen. Ich konnte nichts mehr genießen, kein Essen, keine Zweisamkeit mit meinem Mann, keine Spielzeit mit meinen Kindern, keine Unternehmungen mit Freunden. Schlimmer wurden meine Schmerzen beim Gehen, beim Sitzen, beim Laufen, bei Stress und Ärger sowie beim Bedienen und Heben ganz normaler Alltagsgegenstände, z. B. |14|Staubsauger, Einkäufe usw. Vieles verschlechterte sich: Einschlafen, Schlaf, soziale Aktivitäten, Lebenslust. Meine Stimmung wurde immer gedrückter, die Schmerzen machten mich wütend. Fühlte mich niedergeschlagen, hilflos und ausgeliefert.

Anspannung – Ungeduld – Konzentrationsschwäche

Je mehr sich meine Schmerzsituation zuspitzte, desto angespannter und verkrampfter wurde ich. Ungeduld machte sich in mir breit. Ich empfand alles als anstrengend, nervig und unzufriedenstellend. Tätigkeiten, bei denen ich mich konzentrieren sollte, bereiteten mir immer mehr Mühe. Selbst sogar die Bettdecke tat mir nachts weh, wenn sie auf meinen Füßen lag.

Versagens- und Verlustängste

Der gesamte Zustand machte mir so schwer zu schaffen, dass ich mehr und mehr Versagens- und Verlustängste bekam. Die Angst, nie mehr wieder das tun zu können, was mir Spaß macht, wuchs und wuchs. Ein Teufelskreis. Sah mich nicht mehr in der Lage, mir selbst helfen zu können. Auch war ich nicht mehr in der Lage, aus meinem Familien- und Freundeskreis Hilfe einzufordern. Die Ärzte hatten mich ohnehin bereits abgeschrieben.

Entscheidung für die Schmerztagesklinik

Also meldete ich mich erneut in der Schmerztagesklinik – wie schon vor einigen Jahren. War stolz auf mich, dass ich selbst noch auf die Idee gekommen bin. Was mich selbst zu dieser Zeit wunderte: Ich war nicht in der Lage, auf das, was ich fünf Jahre zuvor bereits gelernt hatte, zurückzugreifen. Aus heutiger Sicht kann ich mir das lediglich dadurch erklären, dass ich wieder zu lange gewartet hatte, die Schmerzen aktiv anzunehmen. Dadurch schlitterte ich offenbar in eine Taubheit hinein, die jeglichen nachhaltigen Impuls zur Lösung des Problems unmöglich machte.

6. November 2019, Assessment-Tag

Jetzt ist es so weit: Bin tatsächlich wieder auf dem Weg zur Schmerztagesklinik. Sitze nun in der Patientenaufnahme, warte und warte. Überlege gerade, was alles gut ist: Gut ist, dass ich es heute geschafft habe, hierher zu |15|kommen – obwohl der Zug Verspätung hatte, und dadurch den Bus verpasst habe und infolgedessen eine halbe Stunde zu Fuß zur Klinik gehen musste, trotz starker Fuß- und Hüftschmerzen. Kurz vor der Klinik war mir vor Schmerzen zum Heulen zumute. Beherrschte mich jedoch.

Am Ende des Assessment-Tages notiert: An diesem „Kennenlern-Tag“ hatte ich über sieben Stunden hinweg Gespräche mit verschiedenen Personen: mit einer Ärztin, einer Psychologin: und einer Gesundheitspädagogin. Außerdem bekam ich eine Behandlung nach Traditioneller Chinesischer Medizin und von einer Physiotherapeutin.

Im Begrüßungsraum der Schmerztagesklinik las ich auf einem Schild:

„Frage den Kranken erst, ob er bereit ist, alles aufzugeben, was ihn krank macht. Erst dann darfst Du ihm helfen.“ Sokrates

Dieser Tag erinnerte mich an das, was ich hier bereits vor fünf Jahren gelernt hatte: Warmes, abgekochtes Wasser trinken – das wärmt nach chinesischer Medizin die Mitte und löst dumpfe Schmerzen. Genauso wie warme, lang gekochte Suppen. Mir Zeit für mich nehmen. Bewusste Selbstfürsorge ausleben, Fußbäder nehmen. Durch die Gespräche mit den Therapeuten angestoßen, stellte ich mir Fragen, z. B.:

„Gönne ich mir ausreichend Zeit?“

„Was kann ich loslassen bzw. abgeben?“

„Was macht mich krank?“

„Bin ich bereit, das, was mich krank macht, loszulassen oder zu verändern?“

Viele Fragen, auf die es keine spontanen Antworten gibt. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich gehofft, dass es sich bei meinen Beschwerden um eine vorübergehende Störung handelt. Musste mir eingestehen, dass ich unter einer chronischen Schmerzerkrankung leide, oder – wie es in der Fachsprache heißt – unter einem chronischen Schmerzsyndrom. Gleichzeitig wuchs meine Hoffnung, dass es einen Weg gibt, der mich aus der Situation herausbringen |16|wird. Aber wusste auch, dass dieser Kraft kosten wird. Und dass mir Achtsamkeit dabei helfen kann.

Achtsamkeit, so erläuterte es mir die Gesundheitspädagogin, im Sinne von:

gegenwärtig – im Hier und Jetzt leben

gesammelt – mich fokussieren (statt verstreuen)

gleichmütig – gelassen bleiben (mich nicht so leicht aus der Ruhe bringen lassen)

Puh, ganz schön viel Input. Den musste ich erst einmal verarbeiten. Mein Unmut hatte viele Dimensionen: Sollte ich nie wieder gesund werden? Hatte ich mein Leben bereits gelebt? Würde ich nie wieder schmerzfrei leben können? Würde ich für immer die bleiben, die ich heute war – hilflos und krank? NEIN, auf keinen Fall! Meine Wut über diese Vorstellungen löste in mir einen Turboantrieb aus. Fest entschlossen, aus mir auf keinen Fall einen ausgewiesenen Krankheitsfall zu machen, stemmte ich mich dagegen. Gegen die Schmerzen, gegen die Möglichkeit, mein Leben nie wieder in vollen Zügen genießen zu können. Ich wollte nicht krank sein, ich wollte gesund sein. Mein Wille, wieder ins Leben zurückzukehren, war plötzlich ungebremst. Ich hüpfte förmlich heraus aus meiner Lethargie, die stets besagt hatte, dass „man da sowieso nichts machen kann“. Immer wieder hatte es in den Monaten zuvor geheißen „Damit müssen Sie leben lernen!“ NEIN, das wollte ich nicht. Wollte einfach nicht akzeptieren, dass ich für den Rest meines jungen Lebens mit Schmerzen leben sollte.

Nach dem Assessment-Tag stand mein Entschluss fest, wieder leben zu wollen. Ich erstellte eine Liste mit all den Dingen, die mich in meinen Augen krank machten, die mich nervten. Zusätzlich notierte ich, ob ich bereit war, diese Krankmacher loszulassen. Darunter waren Punkte wie die Putzpflicht, der Aufräumstress, Kleidung aus meinem vollen Kleiderschrank, Besitztümer, meine Selbstzweifel, der Leistungsdruck, meine eigenen Erwartungen, die potenziellen Erwartungen anderer, Müdigkeit, Hilflosigkeit etc.

Unmittelbar nachdem ich diese Liste geschrieben hatte, fragte ich mich: „Was ist zu tun, wenn ich nicht mehr krank bin?“

Feiern, Tanzen, Singen, Jubeln, Räder schlagen, zum Sport gehen, Liebe verteilen, glücklich sein, die Kinder umarmen, die ganze Welt umarmen, mit meiner Familie Ausflüge machen, auf den Berg gehen, mit Freude putzen, joggen, lachen, schlafen, eben einfach leben.

|17|Renate Döbrich:

Die Schilderung von Franziska zeigt, dass chronische Schmerzen nicht nur ein rein körperliches Symptom sind und begleitende Beeinträchtigungen mit sich bringen, zum Beispiel Bewegungseinschränkungen. Auch die Seele und das soziale Umfeld sind mit betroffen. Dieser Untersuchungstag hilft dem Therapeutenteam den Patienten/die Patientin als Ganzes wahrzunehmen und zu verstehen. Neben der medizinischen und physiotherapeutischen Untersuchung ist deshalb auch das psychologische Gespräch zur Diagnostik seelischer und sozialer Aspekte notwendig. Für eine tagesstationäre Therapie ist dieser Assessment-Tag Voraussetzung. Vorteile für die Patient*innen: Neben den verschiedenen Untersuchungen und Gesprächen lernen sie an diesem Tag sowohl die Einrichtung als auch ihre zukünftigen Therapeut*innen schon vorab kennen. Vorteile für die Therapeut*innen: durch das Zusammentragen der verschiedenen Informationen zu dem Patienten/der Patientin entsteht ein Gesamtbild. Daraus kann das Team ein individuelles, multimodales und interdisziplinäres Therapiekonzept entwickeln. Das hilft beiden Seiten auch bei der Entscheidung für oder gegen diese Therapie. Es braucht nämlich die aktive Mitarbeit der betroffenen Person zur Verbesserung der Gesundheit. Wenn die Therapie erfolgreich sein soll, ist es notwendig, sich auf alle Therapieelemente einzulassen. Das heißt auch, sich ganz einzubringen, unabhängig davon, ob dieser oder jener Therapiebaustein der Favorit ist oder einem widerstrebt. Alles baut aufeinander auf.

Aber, auch wenn Sie erst einmal unabhängig von einer therapeutischen Einrichtung einen neuen Umgang mit Ihren chronischen Schmerzen ausprobieren wollen, ist es sinnvoll, sich mit Ihrer Krankheits- und Lebensgeschichte auseinanderzusetzen. Dazu gehören zum Beispiel auch Fragen wie:

„Wie bin ich bisher mit meinen Schmerzen umgegangen?“

„Was konnte ich bisher selbst zur Schmerzlinderung beitragen?“

„Habe ich die Schmerzen oft ignoriert oder bagatellisiert?“

„Erlebe ich die Schmerzen jedes Mal als Katastrophe?“

Machen Sie sich dann bewusst, wie die Schmerzen inzwischen Ihren Alltag, Ihr Leben, Ihre Grundstimmung und Ihr Verhalten beeinflussen und verändern.

Wenn Sie Lust haben, begleiten Sie erst einmal Franzi bei ihren ersten Schritten zu ihrem eigenen Schmerzmanagement.

|18|8. Januar 2020, zwei Tage vor Beginn der Schmerztagesklinik

Schmerz als Spiegel unserer Gesellschaft

Schmerz ist für mich ein Spiegel unserer Gesellschaft. Leistungsdruck übt Druck aus. Druck auf Körper und Geist. Druck auf meine Muskulatur durch Anspannung. Wie kann ich diesem „Höher, schneller, weiter“-Gehabe unserer Gesellschaft entkommen? Wie kann ich mich – meinen Körper, meinen Geist, meine Seele – vor den hohen Anforderungen unserer Zeit schützen?

Angst, den Schmerz zu verabschieden

Habe Angst davor, meinen Schmerz zu verabschieden. Was mache ich, wenn er wirklich geht? Wer bin ich dann? Entsteht eine Lücke? Werde ich traurig sein, wenn er weg ist? Fehlt er mir, als Ausrede für Tätigkeiten, die mir unangenehm sind? Habe ich den Mut, schmerzfrei zu sein? Jetzt, da sich die Möglichkeit anbahnt, ihn loszuwerden, macht es mich nervös und traurig, ihn vielleicht loszulassen.

Meine Abschiedsrede an den Schmerz

Ich sage dem Schmerz: „Ich brauch‘ Dich nicht mehr! Danke, dass Du da warst. Jetzt geh‘ bitte, denn ich komme ohne Dich zurecht.“

Ich darf weinen, auch ohne Schmerzen.

Ich erlaube mir, traurig zu sein, auch ohne Schmerzen.

Ich lasse die Schmerzen und Probleme anderer bei ihnen selbst.

Ich erlaube mir, nein zu sagen – auch, wenn ich keine Schmerzen mehr habe.

Ich erlaube mir, glücklich und gesund zu sein.

Ich bin stolz auf mich.

Ich bin dankbar dafür, dass es mich gibt.

Ich bin dankbar für mein Leben.

9. Januar 2020, ein Tag vor Beginn der Schmerztagesklinik

Tränenausbruch bei der Physiotherapeutin

Am Tag vor dem Beginn der Schmerztherapie stand noch eine Behandlung bei meiner bisherigen Physiotherapeutin an – sie ist zugleich eine Freundin von mir. In ihrem Behandlungsraum, fühlte ich mich ziemlich gut und freute mich, dass ich am darauffolgenden Tag mit der Therapie in ein neues Leben starten würde – bis sie mich fragte: „Wie geht es dir denn heute?“ Auf ihre Frage hin überrollte mich ein unerwarteter Tränen-Tsunami. Es schüttelte mich förmlich. Sie ließ mich erstmal alle meine angesammelten Tränen |19|weinen. Offenbar hatte ich sie in letzter Zeit unterdrückt. Nachdem ich mich wieder etwas beruhigt hatte, interessierte sie sich, was mich denn so beschäftigt. Meine Begründung war: „Ich habe Angst davor, den Schmerz loszulassen. Ich habe Angst vor der Veränderung. Habe Angst davor, und dann eine Leere in mir empfinden könnte und nicht weiß, was ich dann machen soll, wenn der Schmerz weg ist. Und außerdem kann ich dann nicht mehr zu dir in die Behandlung kommen. Dann sehen wir uns nicht mehr so oft.“

Meine Freundin fand in dem Moment genau die richtigen Worte, um mich auf einen zuversichtlichen Weg zu führen: „Schau, Franzi, du hast dann die Chance, die Energie umzuverteilen, so wie es in der Traditionellen Chinesischen Medizin gelehrt wird. Dort, wo zu viel Energie ist, gibt es einen Überschuss. Dieser Energieüberschuss kann Stauungen verursachen und somit Unwohlsein oder Schmerzen auslösen. Die Stauungen können gelöst werden und die Energie kann auch wieder in Bereiche fließen, die unterversorgt sind. Es kommt alles wieder in Fluss. Dort, wo Leere ist, kann wieder Energie hinfließen. Du kannst diese Lücken in dir wieder füllen mit dem, was du brauchst und was dir guttut.“

Ihre Worte beruhigten mich sehr. Sie machten mich zuversichtlich und optimistisch. Bis sie meine Brustwirbelsäule in einem bestimmten Bereich behandelte. Ein erneuter Tränenausbruch überkam mich. Unter Tränen fragte ich mit zittriger Stimme: „Ist das der Emotionen-Rauslass-Punkt?“ Sie bestätigte meine Vermutung: „Ja genau. In der Brustwirbelsäule verzweigt sich der Sympathikus, der auch auf Gefühle reagiert. Wenn sie unterdrückt und zurückgehalten werden, kann sich das auch in Verspannungen der Brustwirbelsäule zeigen. Wenn man also die Brustwirbelsäule zum Beispiel physiotherapeutisch mobilisiert, löst man damit eventuell auch die Emotionen aus. Schmerzen in diesem Bereich können sich zudem im ganzen Körper auswirken: in Schulter-, Herz-, Atem- und Verdauungsbeschwerden, Müdigkeit, übermäßigem Schwitzen und Hautproblemen.“

10. Januar 2020, Schmerztagesklinik, Tag 1, 8:30 Uhr, Start

Im Gruppenraum stand ein Flipchart mit einem gezeichneten Weg darauf. Ich ahnte schon, dass der Weg die Metapher für das war, was wir als Schmerzpatienten vor uns hatten: eine sich schlängelnde Strecke mit Höhen und Tiefen. Wir – die anderen sieben Schmerzgeplagten und ich – saßen schweigend im Stuhlkreis und warteten. Uns war allen nicht nach Smalltalk oder Scherzen zumute – wir alle hatten Schmerzen.

|20|Die Gesundheitstrainerin erzählte uns nach der Begrüßung die Geschichte von Beppo, dem Straßenkehrer, einer Figur aus dem Buch „Momo“. Beppo erklärte in dieser Passage seiner Freundin Momo, dass er jeden Tag immer nur Besenstrich für Besenstrich tat. Schritt für Schritt machte er sich ans Werk, ohne dabei auf die ganze, lange Straße zu blicken, die noch vor ihm lag. „Wenn man die ganze Straße anschaut, denkt man: Oh je, ich hab‘ noch so viel vor mir. Wenn man aber Besenstrich für Besenstrich vorgeht, merkt man gar nicht, wieviel man noch vor sich hat. Und plötzlich ist man fertig.“ Die Gesundheitstrainerin übersetzte die Geschichte für unsere Situation. „Schauen Sie nicht auf das Ende der Therapiezeit, sondern auf das Heute, auf das Hier und Jetzt.“ Und sie hatte noch ein weiteres Sinnbild für uns, um uns zu ermutigen: „Heute können Sie noch nicht die Früchte ernten. Zuerst werden Sie den Boden vorbereiten. In den darauffolgenden Tagen können Sie dann die Samen setzen und das Pflänzchen gießen. Erst nach dem Reifen können Sie die Früchte ernten.“ Im weiteren Verlauf lud sie uns ein, gut für uns zu sorgen. „Achten Sie auf sich und spüren Sie, was Sie brauchen. Sitzen, Liegen, Stehen, einen Liegestuhl, eine Gymnastikmatte … holen Sie sich aus den Schränken die Hilfsmittel, die Sie brauchen. Wir haben – fast – alles für Sie da. Selbstfürsorge ist für jeden wichtig. Manche von uns Zuhörenden waren noch etwas irritiert: In den Liegestuhl legen? Sich auf eine Gymnastikmatte auf den Boden setzen oder legen? Wir ließen es erstmal sacken.

Vorstellungsrunde

Im Therapieraum lernten wir uns in einer Vorstellungsrunde kennen. In Zweiergrüppchen teilten wir uns jeweils die Namen, die Herkunft und den Beruf mit. In der kompletten Runde berichteten wir über unsere Gesprächspartner. Durch diese Erzählungen kamen wir auch auf unsere Schmerzen zu sprechen. Viele von uns halten die Schmerzen „einfach“ aus und „funktionieren“ nur noch. Arbeiten mit Schmerzen – macht das einen Sinn? Ich tu es ja auch. Die Gesundheitstrainerin holte uns auf den Weg zurück: „Sie werden hier in unserer gemeinsamen Zeit verschiedene Dinge anpacken. Sie werden Ihre Muskulatur stärken, Ihre Gelenkigkeit erhöhen und auch Ihre Konzentrationsfähigkeit und geistige Elastizität/Beweglichkeit wieder verbessern. Während der Schmerztherapie-Wochen werden wir Ihnen viele Möglichkeiten der Schmerzbewältigung aufzeigen. Sie wer|21|den Neues hören, ausprobieren und lernen können. Für manche Teilnehmer*innen fühlt es sich vermutlich an, als würden sie in einem komplett neuen Job beginnen. Anfangs überall nur „Bahnhof“. Vermutlich werden Sie abends erschöpft sein und nur noch ihre Ruhe haben wollen. Bitten Sie deshalb ihre Angehörigen um Hilfe und Verständnis. Teilen Sie ihre Bedürfnisse mit.“

Immer noch 10. Januar 2020

Heute kam mir der Gedanke, weniger Schmerzen oder sogar Schmerzfreiheit könnte möglich sein, wenn wir uns ausgewogen ernähren, moderat und regelmäßig bewegen, auf uns achten, Selbstfürsorge betreiben, die schönen Momente wahrnehmen, uns keinen Stress machen, uns weniger vornehmen, wohltuende Anwendungen – selbst oder durch andere ausgeführt – zulassen, im Hier und Jetzt leben, die Energie in Fluss bringen, ins Gespräch kommen, und unseren Vorlieben nachkommen … puh, ist das viel!

Jede Idee und Handlungsmöglichkeit für sich klingt machbar. Doch wie machbar ist es, all das in den Alltag zu integrieren? Es gibt Aufgaben, die ich nicht gänzlich freiwillig mache – oder zumindest Aufgaben, die ich weniger mag als andere Tätigkeiten. Es gibt auch noch das Unvorhergesehene und das Spontane. Allein das Zusammentreffen von zwei Menschen kann manchmal schon herausfordernd sein. Verschiedene Meinungen und Ansichten laden förmlich dazu ein, dass Reibung entstehen kann. Auch, wenn Reibung per se nichts Schlechtes ist. Nur wenn es zu viel wird, dann kann es „brandgefährlich“ werden. Warum ist mein Alltag so voll? So vielschichtig, so verwoben? Liegt es wirklich nur an diesem verzwickten Alltagsgewirre, dass meine Schmerzen einen fruchtbaren Boden vorfinden? Gieße ich die Schmerzpflanze durch mein Verhalten, meine Erwartungen und meine Unachtsamkeit tatsächlich jeden Tag selbst? Oder sind es die anderen, die an der Gießkanne sitzen? Oder ist es eine Mischung aus beidem? Liegt es womöglich nur in meiner Hand, Grenzen zu setzen? Mir selbst, den anderen und damit auch dem Schmerz? Und wenn ja, wo fange ich an?

Renate Döbrich:

Franziska steckt im Dilemma: Einerseits erkennt sie, dass sie selbst einiges zur Schmerzlinderung beitragen kann, andererseits stellt sie sich vor, alles gleichzeitig tun und verändern zu müssen. Dann wären die Tage mit lauter Maßnahmen |22|gegen den Schmerz ausgefüllt. Wo bleibt da noch Zeit für den Familien- und Berufsalltag? Alles dreht sich um den Schmerz. Er soll einfach verschwinden. Ganz nach dem Motto: „Denk nicht an den rosaroten Elefanten“ kreisen die Gedanken ausschließlich um den Schmerz. (Bei Etappe 1 „Achtsames Wahrnehmen“ gehen wir darauf genauer ein.) Haben Sie‘s auch erkannt? Franziska will den Schmerz loswerden und hält ihn in Gedanken regelrecht fest.

Was ich aus dem heutigen Tag mitnehme

Wie war das noch mit Beppo, dem Straßenkehrer? Besenstrich für Besenstrich. Einfach machen und im Hier und Jetzt sein, statt mich darüber zu ärgern, wieviel noch vor mir liegt. Also gut, ich wage das Experiment. Mal sehen, ob mir das „Schritt für Schritt“ gelingt.

Abwechslung zwischen Sitzen, Bewegen, Gehen, Ruhen, Konzentration und Entspannung tut mir in jedem Fall gut.

13. Januar 2020, Schmerztagesklinik, Tag 2

TODAY is a PERFECT DAY for a PERFECT DAY

Heute ist offenbar der Tag der Sprüche, die ich an verschiedenen Wänden entdecke. Auch dieser ist mir aufgefallen:

Halte ein, wenn es Zeit ist, einzuhalten. Handle, wenn es Zeit ist, zu handeln.

Theorie-Einheit mit der Gesundheitstrainerin, Thema „Körperwahrnehmung“

Wir machen eine Achtsamkeits-Fuß-Übung: Während wir auf unseren Stühlen sitzen, lassen wir die Füße im Raupengang vorwärts- und rückwärts gehen. Erst beide gleichzeitig vorwärts, dann gleichzeitig rückwärts. Danach im Wechsel der eine vor, während sich der andere zurückschiebt.

Lustig, ich muss so viel lachen, weil das unglaublich schwierig ist. Ich spüre meine Zehen- und Fußmuskeln. Wann habe ich die zum letzten Mal wahrgenommen? Habe ich sie mir jemals schon so bewusst gemacht? Meine armen Füße! Offensichtlich habe ich sie vollkommen übersehen. Ganz ehrlich, wann kümmert man sich schon mal um seine Füße? Am Ende schließt die Gesund|23|heitstrainerin mit einer Körperwahrnehmungsübung ab. Sie beginnt diese mit einem Spruch von Karl Valentin:

„Heute besuch‘ ich mich mal. Mal schauen, ob ich zuhause bin.“

Diesen Spruch will ich mir merken.

Sag‘ ich doch, heute ist der Tag der Sprüche.

Nach einer Verschnaufpause erklärt sie uns die Bedeutung dieser Übung: „Stellen Sie sich Ihr Gehirn wie einen Computer vor. Sie haben viele Dateien geöffnet. Wie viele davon können Sie gleichzeitig bearbeiten? Eine!“