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Auf den ersten Blick scheint Violet ein unbeschwertes Mädchen zu sein. Vor Kurzem hat sie ihre Heimatstadt verlassen, um in Maine zu studieren. Sie findet schnell Anschluss am College, und vor allem Aiden geht ihr bald nicht mehr aus dem Kopf. Der Junge mit Bad-Boy-Image hat etwas an sich, dass sie auf unsichtbare Weise anzieht. Doch er zeigt ihr die kalte Schulter, ist kühl und distanziert. Als sie dann aber durch eine Verkettung blöder Umstände in seiner Wohnung einzieht, kann sie sich gegen ihre Gefühle nicht mehr wehren, und die beiden kommen sich näher. Und dabei findet Violet nicht nur mehr über Aiden und sein Geheimnis heraus. Auch sie selbst wird von ihrer Vergangenheit eingeholt ...
ONE. Wir lieben Young Adult. Auch im eBook!
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Seitenzahl: 510
Auf den ersten Blick scheint Violet ein unbeschwertes Mädchen zu sein. Vor Kurzem hat sie ihre Heimatstadt verlassen, um in Maine zu studieren. Sie findet schnell Anschluss am College, und vor allem Aiden geht ihr bald nicht mehr aus dem Kopf. Der Junge mit Bad-Boy-Image hat etwas an sich, dass sie auf unsichtbare Weise anzieht. Doch er zeigt ihr die kalte Schulter, ist kühl und distanziert. Als sie dann aber durch eine Verkettung blöder Umstände in seiner Wohnung einzieht, kann sie sich gegen ihre Gefühle nicht mehr wehren, und die beiden kommen sich näher. Und dabei findet Violet nicht nur mehr über Aiden und sein Geheimnis heraus. Auch sie selbst wird von ihrer Vergangenheit eingeholt …
Isabell May, geboren 1985 in Österreich, studierte Germanistik, Bibliothekswesen und Journalismus, bevor sie sich 2014 als Autorin selbstständig machte. Sie lebt mit ihrem Mann, zwei Katzen und einem Hund in der Nähe von Aachen, wo sie sich ihrer großen Leidenschaft, dem Schreiben von Fantasy- und Liebesromanen, widmet.
The Chosen One - Ein Young-Adult-Fantasyroman voller Magie, Geheimnisse und großer Gefühle
Digitale Neuausgabe
ONE in der Bastei Lübbe AG
Copyright © 2018 by Bastei Lübbe AG, Schanzenstraße 6–20, 51063 Köln
Vervielfältigungen dieses Werkes für das Text- und Data-Mining bleiben vorbehalten.
Für diese Ausgabe:
Copyright © 2023 by
Bastei Lübbe AG, Schanzenstraße 6–20, 51063 Köln
Covergestaltung: Guter Punkt, München unter Verwendung von Motiven von © FinePic/shutterstock
eBook-Produktion: Dörlemann Satz, Lemförde
ISBN 978-3-7517-4869-8
one-verlag.de
lesejury.de
Für Basse, der mich immer unterstützt
Dreizehn.
So viele Sommersprossen zierten seine Haut, die ansonsten makellos und ebenmäßig wie Marmor war.
Ich wusste das so genau, weil ich seit einer ganzen Weile nichts anderes tat, als ihn anzusehen. Das könnte man vielleicht als gruselig bezeichnen, aber ich hatte eine ganze Reihe von Argumenten zu meiner Verteidigung vorzubringen.
Genau genommen drei.
Erstens gab es nichts, was ich sonst tun konnte. Ich saß seit Stunden im Zug, mein Hintern tat allmählich weh, und mein Buch war unpraktischerweise in meinem vollgestopften Koffer, den ich nicht zu öffnen wagte, weil er vermutlich seinen gesamten Inhalt explosionsartig im Zug verteilt hätte.
Zweitens starrte ich ihn zumindest nicht direkt an, sondern beobachtete völlig diskret und unauffällig sein Spiegelbild im Fenster.
Und drittens sah er einfach zu gut aus, um den Blick abzuwenden. Er war wie ein Gemälde in einem Museum, vor dem man die Zeit vergaß, bis einen der Museumswärter darauf aufmerksam machte, dass das Gebäude gleich schließen würde.
Fasziniert betrachtete ich die feingeschnittenen Gesichtszüge mit den hohen Wangenknochen, die geradezu aristokratisch wirkten. Das schwarze halblange Haar fiel ihm in die Stirn, und gelegentlich strich er es gedankenverloren beiseite. Sein schwarzes Shirt hatte kurze Ärmel, sodass ich seine durchtrainierten Oberarme sah.
Er bewegte sich und legte eine Hand auf den kleinen schwarzen Koffer, der auf dem Sitz neben ihm lag. Der Ärmel seines Shirts verrutschte und entblößte den Ansatz eines Tattoos. Meine Augen weiteten sich. Halleluja, dieses Sahnestück war sogar tätowiert!
Wenn ich bei Männern einen bestimmten Typ hätte, entspräche dieser Kerl meinem Idealbild ziemlich genau.
Wenn ich auf der Suche nach einer Beziehung, einer Affäre oder zumindest einem Date wäre, wäre der hier ein heißer Favorit.
Tja, war ich nicht. Aber ich war nicht blind, und mein selbstgewähltes Zölibat hinderte mich nicht daran, ihn zu fixieren wie eine Verdurstende eine Flasche Cola.
»Was starrst du mich so an?«
Ich zuckte zusammen. So viel zum Thema ›diskret und unauffällig‹. Schuldbewusst senkte ich den Blick und blinzelte den Kerl dann vorsichtig an. Ich hoffte, er würde die Sache mit Humor nehmen und seine harschen Worte mit einem Lächeln entschärfen. Stattdessen funkelten mich seine Augen zornig an.
Obwohl sich mein Magen verkrampfte, entging mir nicht, wie schön sie waren: stechend grün und von dichten schwarzen Wimpern umgeben. Weniger schön war die Wut, die mir aus ihnen entgegenblitzte.
»Sorry«, murmelte ich nur. Meine Wangen brannten vor Scham. Eigentlich konnte ich ihm nicht verübeln, dass er sauer war.
Einen Moment lang musterte er mich noch misstrauisch, dann vertiefte er sich wieder in sein Buch. Damit schien die Sache für ihn gegessen zu sein, aber mit meiner Ruhe war es vorbei. Ich rutschte nervös hin und her und wusste gar nicht, wohin ich schauen sollte, vor lauter Angst, mein Blick könnte ihn aus Versehen noch einmal streifen. Schließlich lehnte ich den Kopf gegen die kühle, sanft vibrierende Fensterscheibe, hinter der es längst dunkel geworden war, und schloss die Augen. Die Nacht hatte die schier endlosen Kiefernwälder Maines in ein schwarzes Tuch eingehüllt.
Das gleichmäßige, beruhigende Geräusch, mit dem der Zug über die Gleise ratterte, lullte mich ein. Jeder Meter, den die Bahn zurücklegte, brachte mich weiter von zu Hause weg. Die feuchte Hitze Floridas rückte in weite Ferne. Bisher hatte ich es vermieden, darüber nachzudenken, aber nun machten sich meine Gedanken selbstständig.
Zu Hause … von wegen. Unwillkürlich schnaubte ich. Innerlich hatte ich mich von diesem Ort schon lange verabschiedet und die Tage bis zu meinem Umzug gezählt.
Noch immer hatte ich die klagende Stimme meiner Mutter im Ohr: »Schätzchen, du bist doch intelligent und hast gute Noten. Es gibt so viele gute, renommierte Colleges, die infrage kommen.«
Colleges in Florida, die näher an meiner Heimatstadt Tampa lagen, meinte sie. Dass die Entfernung der Hauptgrund war, warum ich nach Maine wollte, verstand sie nicht. Kein bisschen. Ebenso wenig kapierte sie, warum ich sie und Dad nicht bei meinem Umzug dabeihaben wollte. Sie hatten sich wohl vorgestellt, wir würden händchenhaltend den Campus erreichen und uns tränenreich voneinander verabschieden. Stattdessen war ich allein ins Flugzeug gestiegen, hatte unzählige Meilen auf eigene Faust zurückgelegt und fuhr nun das letzte Stück mit dem Zug. Bewaffnet war ich nur mit meinem Riesenkoffer, in dem sich alles befand, was mir wichtig war; abgesehen von meinem besten Freund Jackson, der mir das Allerwichtigste war, der aber beim besten Willen nicht in den Koffer gepasst hätte. Ich war auf mich allein gestellt, und das war gut so. Ich hatte nicht vor, in nächster Zeit wieder mit meinen Eltern oder sonst irgendjemandem von dort zu sprechen.
Ich war so in meine Grübeleien versunken, dass ich nichts um mich herum wahrnahm. Erst als der Zug schon stand, merkte ich, dass ich mein Ziel erreicht hatte. Hastig sprang ich auf und zerrte meinen Monsterkoffer durch den schmalen Mittelgang zur Tür. Leise fluchte ich, als ich mir einen Fingernagel abbrach, und dann noch einmal lauter, als der Koffer sich in der engen Tür verkeilte. Ich biss die Zähne zusammen und rüttelte wild an meinem Gepäckstück. Leute hetzten draußen am Bahnsteig vorbei und stiegen ein – natürlich nicht durch meine Tür, denn die blockierte ich ausgesprochen erfolgreich. Wenn ich es nicht bald hinausschaffte, würde der Zug mit mir weiterfahren.
Plötzlich bemerkte ich, dass jemand direkt hinter mir stand.
Viel zu nah.
Alles schien zu verblassen – der Zug, mein Kampf mit Koffer und Tür, die Menschen am Bahnsteig. Alles, was ich wahrnahm, war dieser Fremde, der sich mir unbemerkt genähert hatte. Mein Herz begann zu rasen, so schnell, dass mir schwindlig wurde. Mein Atem ging stoßweise. Verzweifelt versuchte ich, ruhig und langsam zu atmen, so wie die Psychologin es mir gezeigt hatte, bei der ich ein paarmal wegen meiner Panikattacken gewesen war.
Ein und aus.
Ganz ruhig.
Nichts Schlimmes würde passieren.
Doch es war aussichtslos: Das Gefühl der Bedrohung war übermächtig. Die Angst rollte über mich wie eine Naturgewalt und riss jeden klaren Gedanken mit sich fort. Ich konnte mich nicht bewegen, mein Körper schien sich in brüchiges Eis verwandelt zu haben.
Obwohl alles gerade mal eine Sekunde dauerte, kam es mir wie eine Ewigkeit vor. Ich spürte die Nähe des Fremden, seinen Blick, seinen Atem.
Und dann war es plötzlich vorbei. Er schob sich ungeduldig an mir vorbei, und ich sah, dass es nur Mr Unfreundlich war. Sobald mir klar wurde, dass keine unbekannte Gefahr hinter mir lauerte, beruhigten sich meine Atemzüge. Die Angststarre fiel von mir ab. Verlegen räusperte ich mich und wischte die schweißnassen Handflächen an meiner Jeans ab, wobei ich den Koffer losließ.
Diesen kurzen Moment nutzte der Schwarzhaarige. Kommentarlos griff er danach. Er hob ihn mit einer Leichtigkeit, als wäre es eine winzige Clutch, und das obwohl er in der anderen Hand seinen merkwürdigen Minikoffer trug und sich eine große Reisetasche über die Schulter geworfen hatte. Mit meinem Gepäck in der Hand stieg er die paar Stufen hinab auf den Bahnsteig. Ich riss den Mund auf und wollte protestieren, aber er hatte nicht vor, mich zu bestehlen. Ohne zu mir zurückzuschauen, ließ er den Koffer einfach stehen und verschwand mit großen Schritten in die Nacht.
Verdattert blickte ich ihm hinterher und vergaß fast auszusteigen. Als die Türen sich zu schließen begannen und mich einzuquetschen drohten, sprang ich rasch ins Freie. Tief atmete ich die kühle Nachtluft ein. Roch es hier anders als in der Heimat, die ich hinter mir gelassen hatte? Mit geschlossenen Augen ließ ich den Duft auf mich wirken, suchte vergeblich nach den feinen Noten von heißem Sand und sonnenbeschienenem Asphalt, sog genussvoll den frischen, waldigen Geruch ein. Vor Aufregung prickelte es in meinem Bauch.
Einen Moment lang stand ich einfach nur da und konnte kaum glauben, dass ich in Maine war. Dann straffte ich die Schultern und verließ den Bahnsteig.
∞
Nachdem ich aus dem Taxi gestiegen war, stand ich einen Moment lang unschlüssig am Gehweg und schaute das Hochhaus skeptisch an. Mein neues Zuhause war ein unförmiger Klotz, der sich wie ein hässliches Tier zwischen seine noch größeren Nachbarn zu ducken schien. Die flackernde Straßenbeleuchtung täuschte nicht darüber hinweg, dass es dringend mal wieder eine Fassadenreinigung vertragen könnte. Andererseits passte es mit seiner schmutzigen grauen Farbe perfekt in seine Umgebung – wäre es schön und sauber gewesen, hätte es herausgeragt wie ein Schloss aus einer Müllhalde.
Zauberhaft.
Maine hatte mit Sicherheit wunderschöne Ecken, aber diese hier gehörte eindeutig nicht dazu. Ein paarmal schaute ich auf mein Smartphone und verglich die Adresse darauf mit jener am Straßenschild, in der leisen Hoffnung, ich hätte mich geirrt. Doch es bestand kein Zweifel: Hier war ich richtig.
Ich schüttelte den Kopf über mich selbst. Was hatte ich denn erwartet? Sicherlich keine Luxusvilla mit Pool und Springbrunnen. Obwohl ich während der Highschool gejobbt und einiges gespart hatte, konnte ich mir nicht mehr leisten als das hier: ein Zimmer zur Untermiete im vermutlich schäbigsten Viertel der Stadt.
Aber das spielte keine Rolle. Es war nahe am Campus, und das war momentan das Wichtigste. Es war nur so … anders, als ich es gewohnt war. Meine Eltern waren zwar nicht übermäßig reich, aber sie hatten ein hübsches Haus mit Garten in einer netten Wohngegend: weißer Gartenzaun, gemähter Rasen, aalglatte Fassade.
Ich streckte den Rücken durch und atmete tief ein und aus. Lieber ließe ich mich von Ratten fressen, als noch einen Tag in meinem ach so gepflegten Elternhaus zu verbringen. Entschlossen drückte ich die Klingel.
Wenige Minuten später und acht Stockwerke höher schaute Ms Andrews mir so säuerlich entgegen, als sei ich eine Staubsaugervertreterin und nicht ihre neue Untermieterin. Sie trug einen karierten Pyjama und darüber einen fadenscheinigen Morgenmantel aus grauem Flanell, dessen Gürtel sie nun enger um ihre Taille schnürte, während sie mich schweigend anschaute.
»Guten Abend, ich bin Violet Darcy«, stellte ich mich vor und versuchte mir nicht anhören zu lassen, wie eingeschüchtert ich war. Als sie schwieg, fügte ich unsicher hinzu: »Wir haben … telefoniert?« Mein Satz verkam zu einer nervösen Frage. Sie blickte mich so unverwandt an, dass ich mich fragte, ob nicht doch eine Verwechslung vorlag und ich an der falschen Adresse war.
»Kommen Sie herein«, sagte sie endlich und trat einen Schritt beiseite.
Die Wohnung war in etwa so, wie ich sie mir vorgestellt hatte: karg und spartanisch eingerichtet. Ein muffiger Geruch hing in der Luft. Eine unsäglich scheußliche Lilientapete bedeckte die Wände. Man konnte fast von Glück reden, dass sie so verblasst war, dass man das Muster kaum mehr erkennen konnte.
Die Dielen knarrten unter meinen Schritten, als ich Ms Andrews durch die Räume folgte. Viel gab es nicht zu sehen: ein Wohnzimmer, in dem ein kleiner Röhrenfernseher vor einem blumengemusterten Sofa stand. Alle Möbel sahen so aus, als seien sie zu Zeiten meiner Uroma schon alt gewesen.
Die Küche war so eng, dass man sich darin kaum umdrehen konnte. Trotzdem fragte ich hoffnungsvoll: »Die darf ich zum Backen nutzen, nicht wahr?« So hatten wir es telefonisch vereinbart.
Ihr Gesichtsausdruck wurde noch verkniffener, und ich begann ernsthaft darüber nachzudenken, ob sie die ganze Zeit auf einer Zitronenscheibe herumkaute.
»Ja«, sagte sie nur knapp und zeigte mir dann mein Zimmer.
Ich dankte ihr, als sie mir den Schlüssel gab. Ihre schmalen Lippen verzogen sich zu etwas, das wohl ein Lächeln sein sollte und ebenso schnell erlosch, wie es aufgetaucht war.
»Mein Zimmer ist tabu. Die Tür da drüben. Ich bin oft weg, bei meiner Schwester und ihrer Familie. Aber wenn ich hier bin, will ich, dass alles sauber und ordentlich ist.« Ich war mir sicher, für sie war das eine ziemlich lange Rede.
»Okay. Danke«, murmelte ich noch einmal. »Ach ja, ich muss den Mietvertrag noch unterschreiben.«
Sie schenkte mir ein weiteres dünnes Lächeln. »Ich schlage vor, du bleibst erst mal ein paar Wochen zur Probe hier. Wenn du dich als zuverlässig erweist, nehmen wir uns die Formalitäten vor.«
Ich zuckte mit den Schultern. Wenn es ihr so lieber war, wollte ich mich nicht querstellen. Ich hatte nicht vor, ihr einen Anlass zur Beschwerde zu geben. Wir würden schon irgendwie miteinander klarkommen. Also nickte ich zustimmend und war froh, als ich in meinem Zimmer verschwinden und die Tür hinter mir schließen konnte.
So. Hier war ich also. In einem Raum, der nach Mottenkugeln roch und in dem eine gruselige Porzellanpuppe auf der kitschigen Kommode saß.
Und das war verdammt nochmal großartig. Es war mein Mottenkugelzimmer, das ich selbst gemietet hatte, von meinem eigenen Geld. Ich war weit weg von zu Hause. Ganz egal, wie die Wohnung aussah: Das hier war ein Neuanfang, und das war genau das, was ich wollte. Ich ließ mich aufs schmale Bett fallen, schaute hoch zu den Wasserflecken an der Zimmerdecke und lächelte versonnen. Das war mein Zuhause. Vorerst zumindest.
Ich sprang wieder auf, packte die Puppe mit spitzen Fingern und versenkte sie in einer Kommodenschublade. Dann widmete ich mich meinem Koffer. Die Kleidung hatte ich schnell ausgepackt, ich hatte nur das Nötigste dabei. Sah so aus, als stünde eine ausgedehnte Shoppingtour an. Dafür musste ich zwar an meine Ersparnisse, aber mehr hatte einfach nicht in den Koffer gepasst. Natürlich könnte ich meine Eltern anrufen und bitten, mir mehr Sachen hinterherzuschicken, aber das kam gar nicht infrage. Wenn hier jemand jemanden um etwas bat, dann sie mich – und zwar um Verzeihung.
Ich schüttelte den Gedanken ab, er vermieste mir nur meinen ersten Tag in Freiheit. Stattdessen wandte ich mich wieder meinem Koffer zu. Als Nächstes war mein Backzubehör an der Reihe. Behutsam holte ich Tortenformen, Keksausstecher, Glitzerstreusel und meine heißgeliebte mintfarbene Küchenmaschine aus den Tiefen des Koffers und stellte sie auf die Kommode. Sofort fühlte ich mich etwas heimischer.
Ein paar Bücher und mein Laptop wanderten auf den kleinen Schreibtisch in der Ecke.
Nun war nur noch eine Sache im Koffer: eine Schachtel, die ich anstarrte, als seien Giftschlangen darin. Doch der wahre Inhalt war für mich noch viel schlimmer, und ich hätte ihn mit Freuden gegen eine Kobra oder Klapperschlange eingetauscht.
Nervös überlegte ich einen Moment, dann packte ich den Karton und schob ihn schnell unter das Bett.
Ich schnappte nach Luft, als sei ich einen Marathon gelaufen. Erschöpft legte ich mich wieder aufs Bett. Die Schachtel anzusehen und anzufassen, hatte mich so angestrengt, als hätte ich einen Felsbrocken geschleppt.
Mein Handy piepste, aber ich machte mir nicht die Mühe, danach zu greifen. Jackson konnte es nicht sein; ich wusste, dass er auf einer Familienfeier war. Blieben nur meine Eltern, und ich hatte jetzt keine Kraft, mich mit ihnen auseinanderzusetzen.
Ich verschränkte die Arme im Nacken und ging in Gedanken alle Informationen durch, die ich übers College hatte. Nur noch zwei Tage, dann ging es los. Ich wusste nicht, ob ich mich freute oder Angst hatte – ein bisschen von beidem vermutlich. Ich versuchte es als Abenteuer zu betrachten und nicht bloß als Flucht.
Man könnte meinen, es sei einfach, aus dem Auto zu steigen und auf der Suche nach dem richtigen Gebäude über den Campus zu laufen. Aber mal ehrlich: Wer so etwas sagt, hat seinen ersten Tag am College entweder verdrängt oder niemals erlebt. Ich fand es jedenfalls so beängstigend, dass ich seit einer geschlagenen Viertelstunde auf dem College-Parkplatz in meinem neuen Auto saß und das Lenkrad umklammerte.
Den klapprigen Ford hatte ich gestern bei einem Gebrauchtwagenhändler gekauft. Es war das günstigste Auto, das er gehabt hatte, und ich konnte nur hoffen, dass es nicht eines Tages während der Fahrt in seine rostigen Einzelteile zerbröseln würde.
Heute Morgen war ich extra früh losgefahren, um pünktlich zum ersten Seminar hier zu sein. Aber wenn ich noch länger hier saß und nervös mit den Fingernägeln am Lenkrad herumtrommelte, kam ich dennoch zu spät.
Ich atmete noch einmal tief durch, dann schwang ich die Beine aus dem Auto. Meine Umhängetasche umklammerte ich wie einen Schild, während ich mit gesenktem Kopf, als kämpfte ich gegen einen Sturm an, losstapfte.
Zum Glück hatte ich mir den Gebäudeplan bereits im Netz angesehen und sogar ausgedruckt – andernfalls wäre ich auf dem weitläufigen Campus wahrscheinlich aufgeschmissen gewesen. Aber so verlief ich mich für meine Verhältnisse ziemlich selten und erreichte bald mein Ziel. Ich schaute an der Backsteinfassade des schönen alten Gebäudes hoch. Da drin begann also gleich der Ernst des Lebens – zumindest, wenn ich mich irgendwann dazu überwinden konnte, hineinzugehen. Ich nahm meinen Mut zusammen, stieß die Tür auf und trat ein.
Das Geschichtsseminar, das ich als Wahlfach ausgesucht hatte, fand im zweiten Stock statt. Ich hastete durch die Gänge auf der Suche nach einer Treppe. Die Sohlen meiner Vans quietschten über den Linoleumboden.
Plötzlich schwang direkt neben mir eine Tür auf, und eine Gruppe von Studenten strömte heraus. Eine große Gruppe. Ehe ich michs versah, befand ich mich mitten unter Menschen. Sie waren überall um mich herum, fröhlich plappernd und lachend.
Das war genau das, was ich befürchtet hatte. Der Hauptgrund, warum ich im Auto verharrt und mich nicht ins Gebäude getraut hatte.
Augenblicklich brach mir kalter Angstschweiß aus. Ich schnappte nach Luft und bekam doch keinen Sauerstoff in meine Lunge. Die Leute waren überall um mich herum. Ich war zwischen breiten Schultern eingekeilt, irgendjemand streifte meinen Rücken. Ich machte mich ganz steif und zog die Schultern hoch.
Unruhig peitschte mein Blick hin und her. Sobald ich eine Lücke entdeckte, drängte ich mich hemmungslos hindurch – bloß raus aus der Gruppe! Die Tasche umklammerte ich vor meiner Brust, so fest, dass meine Fingerknöchel weiß hervortraten.
»Hey, Rambo«, rief jemand lachend. Dann hatte ich es geschafft, ich konnte wieder frei atmen. Zitternd lehnte ich mich an die kühle Wand und schaute der Menschenmenge hinterher, die bei genauerer Betrachtung nur aus etwa dreißig Leuten bestand und gerade das Gebäude verließ. Ich zwang mich, ruhig ein- und auszuatmen und mir darüber klarzuwerden, was gerade geschehen war. Ein Kurs war zu Ende gegangen, und die Studenten hatten ihren Hörsaal verlassen, alle auf einmal. Niemand wollte mir etwas tun, alle waren bloß unterwegs nach draußen. Ich war weit weg von zu Hause, nichts konnte mir passieren. Ganz langsam beruhigte sich mein Puls wieder.
Ich durfte nicht jedes Mal so in Panik geraten, wenn mir Leute zu nahe kamen. Solche Situationen ließen sich einfach nicht vermeiden, wenn man studierte und sich nicht den ganzen Tag in seinem Zimmer einschloss. Ich musste das unter Kontrolle bekommen. Aber dass ich das wusste, machte es kein Stück einfacher.
Nachdem die Gruppe das Gebäude verlassen hatte, war es mit einem Mal so still, dass man eine Stecknadel fallen hören könnte.
So still, dass ich das leise Ticken meiner Armbanduhr hörte, das mich daran erinnerte, warum ich hier war.
Verdammt. Mein Seminar. Ich schaute auf die Uhr: noch ziemlich genau eine Minute, bis mein Kurs losging.
Ich stieß einen unterdrückten Fluch aus und rannte los.
Schnaufend hetzte ich die Treppe hinauf und den Gang entlang. Vielleicht hätte ich es noch pünktlich geschafft, ziemlich sicher sogar. Doch plötzlich kam etwas um die Ecke gerast, ein kleiner Blitz mit rotem Haar. Wir knallten so heftig gegeneinander, dass mir die Wucht des Aufpralls den Atem raubte. Es ging so schnell, dass mich die plötzliche Nähe gar nicht in Panik versetzen konnte. Eine Wolke aus kupferfarbenem Haar peitschte in mein Gesicht, und gemeinsam gingen wir zu Boden.
»Was zur … wow! Du hast ein ganz schönes Tempo drauf, weißt du das?«, stieß mein Gegenüber hervor. Für so ein zierliches Mädchen hatte sie eine ziemlich laute Stimme.
»Das sagt genau die Richtige«, gab ich zurück und japste nach Luft. »Mein Gott, bist du The Flash oder so was?«
Sie grinste mich an. »Oder so was, denke ich.« Dann weiteten sich ihre bernsteinfarbenen Augen. »Ach, verdammt. Sieh dir nur an, was für ein Massaker ich angerichtet habe. Ich bin wohl doch eher Hulk als The Flash.«
Ihre riesige Tasche, die bestimmt schwerer war als sie selbst, war aufgesprungen und hatte ihren Inhalt über den Boden verteilt. Unzählige Blei- und Buntstifte, Aquarellfarben, Pinsel und Copic-Marker lagen um uns herum. Eilig begann sie, sie einzusammeln und willkürlich in die Tasche zu stopfen. Insgeheim wunderte ich mich, ob sie dafür nicht irgendein Ordnungssystem hatte, kniete mich dann aber neben sie und half ihr.
»Bist du Malerin oder so was?«, fragte ich.
»Oder so was«, sagte sie wieder und lachte. Sie verstaute die letzten Stifte in der Tasche, rappelte sich auf und klopfte den Staub aus ihrem schwarzen Trägerkleid. »Wohin wolltest du eigentlich so eilig?«
Ach, Mist. Ich verzog das Gesicht. Das war es wohl mit der pünktlichen Ankunft. »Geschichtsseminar.«
»Ich auch.« Sie griff nach dem Eulenanhänger ihrer Halskette und bohrte ihren Fingernagel in seine Seite. Als das Medaillon aufschnappte, sah ich, dass eine Uhr darin war. »Oh.« Ihr Tonfall verriet, dass wir nicht gut in der Zeit lagen.
Wir warfen uns noch einen Blick zu, dann rannten wir los. Und während wir Seite an Seite auf die geschlossene Tür zu sprinteten, als wäre der Teufel hinter uns her, hatte ich plötzlich das Gefühl, ich hätte hier schon eine Gleichgesinnte gefunden. Wer hätte das gedacht? Ich bestimmt nicht.
Wir kamen ein paar Minuten zu spät in den Hörsaal. The Flash schien das nichts auszumachen, unbefangen stolzierte sie in den Raum und sah sich nach einem Sitzplatz um. Obwohl sie mindestens einen halben Kopf kleiner war als ich, wirkte sie durch ihre selbstbewusste Haltung größer. Ich murmelte eine Entschuldigung und schlich hinterher. Der Dozent musterte uns mit hochgezogener Augenbraue, kommentierte unser Zuspätkommen aber nicht.
Ganz hinten waren noch zwei Plätze nebeneinander frei, die wir ansteuerten. So leise wie möglich setzte ich mich und stellte meine Tasche ab.
»Ich bin übrigens Chloe.« Sie gab sich keine Mühe, leise zu sprechen.
»Pst, sonst wird das für uns ein sehr kurzer Aufenthalt in diesem Kurs«, zischte ich und musste ein Kichern unterdrücken. »Ich bin Violet.«
Der Dozent verteilte Literaturlisten und ging die Inhalte des Seminars durch. Die ganze Zeit über betrachtete ich ihn fasziniert. Er entsprach so überhaupt nicht meiner Vorstellung von einem Geschichtsprofessor.
»Witzig, was für Klischees man so im Kopf hat, oder?«, merkte Chloe in dem Moment fasziniert an und deutete auf Professor Moore. Wenn ich an Gott geglaubt hätte, hätte ich ihm jetzt dafür gedankt, dass sie endlich leiser sprach.
»Ich vermisse irgendwie das schüttere Haar, die Hornbrille und das schlechtsitzende karierte Sakko«, stimmte ich zu und wunderte mich über die Schubladen in meinem Kopf.
»Und die Lederpatches an den Ellenbogen!«
»Und den verrückt gemusterten Schal.«
Kichernd betrachteten wir den jungen Anzugträger mit Gelfrisur, der gerade auf die unermessliche Wichtigkeit seiner Literaturliste hinwies.
Jetzt erst fiel mir auf, dass Chloe begonnen hatte, auf ihrer Literaturliste herumzukritzeln. Ich verrenkte mir den Hals, um hinter ihren Berg aus Büchern und Notizblöcken zu spähen.
»Wow, du bist echt gut«, stellte ich anerkennend fest.
»Ja«, sagte sie ohne jede Bescheidenheit und lächelte.
Aus ein paar Buntstiftstrichen war ein Bild entstanden: Eine weibliche Ausgabe von The Flash und ein Mädchen mit violettem Haar und Veilchen als Haarschmuck rannten mit den Köpfen gegeneinander. Obwohl der Stil comichaft war, erkannte ich eindeutig unsere Gesichtszüge wieder.
»An Selbstbewusstsein mangelt es dir nicht, was?«, sprach ich das Offensichtliche aus.
»Süße, es gibt nur zwei Dinge, die dich im Leben weiterbringen: Ignoranz und Selbstvertrauen«, verkündete sie fröhlich und zitierte damit ziemlich frei Mark Twain.
Ein erboster Blick des Professors traf uns, und während der restlichen Stunde lauschten wir andächtig seinen ausschweifenden Ausführungen über die Geschichte Amerikas.
∞
»Oh Gott, wenn er noch zehn Minuten länger geredet hätte, wäre ich einfach eingeschlafen und hätte auf den Tisch gesabbert«, stöhnte Chloe, als wir hinausgingen. »Selten so eine monotone, einschläfernde Stimme gehört.«
Ich blinzelte ins helle Sonnenlicht. »Ach was, so schlimm war es gar nicht«, versuchte ich es mit Optimismus. »Was er da über den Unabhängigkeitskrieg gesagt hat, war sogar ziemlich interessant.«
»Als die Briten Boston räumten …«, ahmte sie sein Näseln gekonnt nach und verdrehte die Augen.
Ich musste lachen. »Okay, okay, es war schlimm. Zufrieden?«
»Ziemlich. So, und was jetzt? Ich habe eine Stunde Pause.«
»Ebenso. Und mein Koffeinpegel ist bedrohlich niedrig.«
»Da haben wir was gemeinsam. Die Cafeteria ist gleich um die Ecke.«
Gemeinsam schlenderten wir über den Campus. Nun da ich es nicht mehr so eilig hatte, bemerkte ich, wie hübsch es hier war. Gepflegte Grünanlagen umgaben die alten Gebäude. Die Sonne brannte vom Himmel, und es war windstill, aber die großen alten Bäume auf den Wiesen und entlang der Wege spendeten angenehmen Schatten. Als wir durch eine Kiefernallee spazierten, sog ich genussvoll den Duft der Bäume ein.
Überall standen oder saßen Grüppchen von Studenten, warteten auf ihre nächsten Kurse und genossen den schönen Tag. Während ich mir die Sonne aufs Gesicht scheinen ließ, glaubte ich fest daran, dass hier alles besser werden würde.
In der Cafeteria holte ich mir einen eisgekühlten Latte Macchiato mit viel Haselnusssirup. Chloe, die mein Gebräu skeptisch musterte, bestellte einen doppelten Espresso, und mit unseren beiden Pappbechern suchten wir uns draußen eine Bank.
»Lass uns mal unsere Stundenpläne vergleichen«, schlug ich vor. Bereitwillig zog sie ihren Plan aus der Tasche, der über und über bemalt war, sodass man die Schrift kaum entziffern konnte. Hier waren es keine Comicfiguren, die Chloe gezeichnet hatte, sondern interessante geometrische Muster in zarten Pastellfarben, an denen ich immer mehr Details entdeckte, je länger ich hinsah.
Wir stellten fest, dass wir fast alle Kurse und Seminare gemeinsam hatten. Ich war froh, dass ich nicht ganz allein war. In den letzten Jahren war ich zwar zu einer Einzelgängerin geworden, aber zu Hause hatte ich zumindest meinen besten Freund Jackson gehabt. Ohne ihn fühlte ich mich schutzlos und unsicher. Wenn ich jemanden an meiner Seite hatte, fühlte ich mich Menschenmassen nicht so hilflos ausgesetzt, als wenn ich auf mich allein gestellt war. Jackson war mein Schutzschild gewesen. Plötzlich vermisste ich ihn so sehr, dass sich ein Kloß in meiner Kehle bildete.
»Wohnst du eigentlich auch in einem der Wohnheime am Campus?« Chloe riss mich aus meinen Gedanken.
Ich schauderte bei der bloßen Vorstellung und schüttelte heftig den Kopf. »Das ist nichts für mich. Ich wohne in der Stadt, aber ganz in der Nähe. Fünf oder höchstens zehn Minuten mit dem Auto. Die Wohnung gehört einer alten Dame … Seit ihr Sohn ausgezogen ist, hat sie ein freies Zimmer, das sie vermietet. Sie ist ein bisschen gruselig, aber ganz okay, denke ich.«
Überrascht riss Chloe die Augen auf. Mit der Antwort hatte sie nicht gerechnet, es war wohl eine rein rhetorische Frage gewesen. »Nicht im Wohnheim? Aber warum denn nicht?«, fragte sie ungläubig. »Das ist doch der halbe Spaß.«
Ich betrachtete meinen erdbeerroten Nagellack, als sei irgendetwas daran unglaublich interessant. »Für mich ist das nichts«, sagte ich und verzog den Mund. »Mit so vielen anderen Menschen zusammengepfercht sein … ich habe lieber ein bisschen Privatsphäre. Ein Zimmer für mich allein.«
»Und eine gruselige alte Oma nebenan«, kommentierte sie trocken.
»Vielleicht war sie vorgestern nur etwas … Au! Chloe, was zur … Au!«
Hektisch rammte sie mir ihren spitzen Ellenbogen immer wieder in die Rippen. »Pst, verhalte dich ganz natürlich!«, zischte sie aufgeregt. »Tu so, als würden wir miteinander reden. Und egal, was du tust, schau bloß nicht hin!«
»Ähm, Chloe? Ich hab mich natürlich verhalten, bis du begonnen hast, total auszuflippen!«, schnaufte ich. »Dein nervöses Gezappel gewinnt jedenfalls keinen Unauffälligkeitspreis.« Neugierig reckte ich den Hals und versuchte festzustellen, was sie gerade so aus dem Konzept gebracht hatte.
Sie packte einfach mein Gesicht und drehte es in ihre Richtung. »Nicht hinschauen!« Ihre Stimme überschlug sich fast. »So, jetzt ganz unauffällig aus den Augenwinkeln. Er geht gerade vorbei. Blau-weiß gestreiftes Shirt, braune Haare, breite Schultern. Verdammt süßes Lächeln.«
Ich sah gleich, wen sie meinte. Ein paar Jungs gingen vorbei, und einer von ihnen stach eindeutig heraus. ›Breite Schultern‹ war enorm untertrieben, er sah aus wie ein Athlet und bewegte sich mit der selbstbewussten Lässigkeit eines solchen. Die Ärmel seines Shirts spannten sich über die ausgeprägten Oberarmmuskeln. Als er lächelte, blitzten seine weißen Zähne auf.
»So, du stehst also auf Sportler?«, stellte ich fest.
»Kein bisschen.« Sie seufzte. »Aber Scott Martin bringt meine Grundsätze ins Wanken.«
»Na, dann geh doch zu ihm und sprich ihn an«, schlug ich vor.
Sie starrte mich an, als hätte ich sie aufgefordert, eine frittierte Vogelspinne zu essen. »Bist du wahnsinnig?«
Ich runzelte die Stirn. »Du bist schüchtern? Ernsthaft? Was ist aus Ignoranz und Selbstvertrauen geworden?«
»Gerade für bessere Zeiten auf die hohe Kante gelegt«, murmelte sie in ihren Kaffeebecher.
Scott und seine Gruppe waren um die nächste Ecke verschwunden, und Chloe entspannte sich wieder. Sie legte sich die Haare nach vorne über die Schulter. Die kupferfarbenen Wellen fielen ihr bis zur Hüfte und glänzten so schön, dass man neidisch werden könnte. Gedankenverloren begann sie sie zu einem Fischgrätenzopf einzuflechten.
»Ach, ich weiß auch nicht«, sagte sie. »Dieser Kerl bringt mich ganz durcheinander. Eigentlich ist er nichts für mich, das weiß ich. Er ist eben so ein … na ja, ein Sportler eben. Hinter diesen Typen sind doch alle Mädchen her. Ausgerechnet Rugby! Da geht’s doch nur um rohe Gewalt.« Es klang nach einer Ausrede, die sie sich gerade mühsam zurechtgelegt hatte.
»Du willst ihn nicht ansprechen, weil dir seine Sportart nicht gefällt? Ernsthaft?«
Sie sank in sich zusammen. »Entweder das, oder weil ich ein Feigling bin«, sagte sie kläglich.
»Woher kennst du ihn eigentlich?« Irgendwie war ich davon ausgegangen, sie sei hier ebenso neu wie ich.
»Ach, ich kenne hier schon einige Leute.« Sie wedelte unbestimmt mit der Hand. »Ein paar Studienanfänger haben sich über Facebook zusammengerottet und sich vor ein paar Tagen schon mal getroffen. Ich dachte, es wäre ganz nett, schon eine Handvoll anderer Studenten zu kennen, wenn ich hierherkomme. Hey, heute ist eine Party in einem der Verbindungshäuser. Komm doch auch!«
Der Gedanke war so abwegig, dass ich losprustete. Chloe schaute mich seltsam an.
»Danke, aber nein. Partys sind so gar nicht mein Ding. Also, überhaupt nicht. Kein bisschen.« Ich schüttelte mich, als mir ein Schauer über den Rücken lief.
»Okay, okay, ich hab’s geschnallt. Partys sind dein persönlicher Erzfeind.«
»Oh ja, Partys und ich, wir hassen uns bis in den Tod.« Ich trank einen großen Schluck von meinem zuckersüßen Latte Macchiato, der eiskalt meine Kehle hinabrann, und hoffte, dass ich zu dem Thema nichts mehr sagen musste. Ich sah Chloe an, dass sie noch etwas fragen wollte, aber bevor sie dazu kam, erstarrte ich plötzlich zur Salzsäule.
Er war da, keine zehn Meter entfernt.
Der Typ aus dem Zug, mit den dreizehn Sommersprossen, die ich von hier aus nicht erkennen konnte, und den grünen Katzenaugen, die dagegen wohl auch aus hundert Metern Entfernung auffallen würden.
Nun war plötzlich ich es, die Chloe den Ellenbogen in die Seite rammte. »Verdammt, verdammt, schau bloß nicht hin«, quietschte ich panisch.
Aufgeregt hüpfte sie auf und ab wie ein hyperaktiver Gummiball und scannte die Umgebung mit ihrem Blick ab. »Wer, wie, was, wo? Welcher ist es?«
Schnell schüttelte ich den Kopf. »Es ist nicht so, wie du denkst.«
Sie grinste. »Wenn Leute das sagen, ist es meist exakt so, wie man denkt.«
Ich verdrehte die Augen. »Okay, aber sieh unauffällig hin. Es ist der Kerl da drüben. Schwarze Jeans, schwarzes Shirt, schwarze Haare. Schwarze Seele, darauf würde ich wetten. Er war mit mir im Zug, als ich angekommen bin, und ich bin froh, dass ich diese Fahrt überlebt habe. Glaub mir, der war alles andere als freundlich. Genau genommen ist er unfreundlich, unhöflich und absolut unmöglich.«
Sie starrte ihn unverhohlen an, und ich unterdrückte ein resigniertes Seufzen. Das war ja klar. Blieb nur zu hoffen, dass er diesmal nicht so wütend reagieren würde wie im Zug.
»Auch nicht gerade unsexy«, kommentierte sie schließlich, »auf düstere Weise. So, du stehst also eher auf den Gothic-Vampirgrafen-Look?«
»Was? Nein!« Ich schnappte nach Luft. »Hast du mir nicht zugehört? Er ist fies. Er hat mich angeschnauzt und mich angeschaut, als wollte er mich auffressen. Ich wusste nicht, dass er auch hier studiert, und ich habe definitiv nicht vor, ihm noch mal über den Weg zu laufen.«
Chloe zog vielsagend die Augenbrauen hoch. »Als wollte er dich auffressen? Ich wette, von dem würde sich so manches Mädchen gerne … auffressen lassen.«
Ich widerstand einem verzweifelten Facepalm-Impuls. »Dann bitte du ihn doch um ein Date, und nimm doch gleich Messer und Gabel mit. Ich würde ihm zutrauen, dass er das mit dem Auffressen wörtlich nimmt.«
Natürlich hatte Chloe recht, er sah gut aus. Unfassbar gut sogar – das war mir ja bei unserer ersten unerfreulichen Begegnung schon aufgefallen.
Aber ich hatte kein Interesse an Dates und Beziehungen, und wenn ich welches hätte, dann wäre er ganz sicher meine letzte Wahl. Attraktivität hin oder her, er schüchterte mich einfach nur ein, seit er mich so grob angefahren hatte. Daran änderte auch die nette Geste nichts, als er mir mit dem Koffer geholfen hatte. Vermutlich war er einfach nur genervt davon gewesen, dass ich so lange die Tür blockiert hatte.
Aber obwohl ich ihm nicht über den Weg laufen wollte, konnte ich nicht anders, als ihn anzusehen. Er stach aus der Menge heraus, und das lag nicht nur an seinen ausdrucksstarken Gesichtszügen oder dem schlanken, durchtrainierten Körper. Vielleicht waren es die geschmeidigen Bewegungen, die mich plötzlich vage an die einer Raubkatze erinnerten? Oder diese leuchtenden Katzenaugen?
Gott, was waren das nur für bescheuerte Gedanken?
Ich betrachtete ihn verstohlen, und als fühlte er meinen Blick, sah er mich plötzlich direkt an. Vor Schreck verschluckte ich mich an meinem Kaffee und hustete keuchend. Fürsorglich klopfte Chloe mir auf den Rücken.
Als ich wieder atmen konnte und nicht mehr das Gefühl hatte, an massenhaft Sirup zu ersticken, hatte er den Blick schon wieder abgewandt. Es sah nicht so aus, als hätte er mich wiedererkannt. Umso besser.
»Dafür, dass du ihn nicht magst, bist du gerade aber ganz schön ausgerastet«, merkte Chloe listig an.
Ich verdrehte die Augen. »Ich bin ausgerastet? Und was war dann das, was du getan hast, als Scott Muskelmann vorbeigegangen ist?«
Sie kicherte. »Ich leugne es zumindest nicht.«
Da saßen wir, beide alt genug fürs College, und plapperten über Jungs wie zwei Highschoolmädchen. Ich hatte ganz vergessen, wie viel Spaß das machte, auch wenn es albern war. In den letzten Jahren hatte ich mich so sehr zurückgezogen, dass ich schließlich gar keine Freunde mehr gehabt hatte. Bis auf Jackson natürlich, aber der war nicht gerade der ideale Ansprechpartner, was solchen Mädchenkram betraf.
»Was das wohl für ein seltsamer schwarzer Minikoffer war, den er bei sich hatte?«, grübelte Chloe. »Irgendwas Faszinierendes, Romantisches mit Sicherheit. Vielleicht unzählige Liebesbriefe von seiner verstorbenen ersten Liebe.«
»Oder ihr abgetrennter Kopf«, schlug ich hilfsbereit vor.
Chloe sah mich strafend an. Dann öffnete sie ihr Medaillon und warf einen Blick auf die Uhr. »Ich würde ja liebend gern weiter mit dir über deinen hinreißenden Pseudo-Vampir philosophieren, aber wenn wir nicht bald losgehen, kommen wir schon wieder zu spät.« Sie packte ihre Riesentasche und rannte los.
Ich schüttelte die leichte Benommenheit ab, die der Blick seiner faszinierenden Augen in mir ausgelöst hatte, und lief ihr hinterher.
∞
Als ich in die Wohnung zurückkam, war Ms Andrews nicht da. Trotzdem schlich ich unwillkürlich auf Zehenspitzen durch die Räume und hatte das unangenehme Gefühl, mich verbotenerweise in einem fremden Zuhause aufzuhalten. Im Wohnzimmer hielt mich nichts – weder der winzige Röhrenfernseher noch das abgenutzte Sofa wirkten reizvoll. Also ging ich direkt in mein Zimmer, wo ich es mir mit der Portion Bami Goreng, die ich unterwegs geholt hatte, auf dem Bett gemütlich machte. Noch während ich mir die erste Gabel in den Mund schob, griff ich nach meinem Handy. Drei verpasste Anrufe: einer von meinen Eltern, zwei von Jackson. Keine Frage, wen ich zurückrufen würde und wen nicht.
Jackson meldete sich sofort. »Violet! Na endlich.« Er klang erleichtert. »Ich habe mir schon Sorgen gemacht.«
»Sorry, das wollte ich nicht«, nuschelte ich zwischen zwei Bissen. »Es war ein langer Tag, bin gerade erst nach Hause gekommen.«
Er stieß die Luft zwischen den Zähnen aus, das hörte ich selbst durch den Hörer. »Macht ja nichts. Dann erzähl mal, du frisch gebackenes Collegegirl. Explodiert dein Kopf schon vor lauter Wissen?«
»Oh ja, mein Kopf explodiert. Aber daran sind eher die ganzen neuen Eindrücke schuld.«
»Okay, dann ganz spontan, ohne nachzudenken: Was ist das Erste, was dir einfällt?«
Das machten wir immer so: Wenn wir einander etwas erzählten, begannen wir mit dem ersten Gedanken, der uns durch den Kopf schoss.
»Ich bin einem Vampir begegnet«, sagte ich wie aus der Pistole geschossen.
»Was zur …?«
»Zumindest hat Chloe ihn so bezeichnet. So ein Kerl, dem ich im Zug begegnet bin und den ich am Campus gesehen habe. Er war … na ja, er hat etwas Düsteres an sich, deswegen nennt Chloe ihn so. Dunkle Kleidung, dunkle Haare und eine ebenso dunkle Ausstrahlung.«
»Miss Violet Darcy«, sagte er in seinem besten britischen Fake-Akzent. »Muss ich dich daran erinnern, dass du in der Ferne verweilst, um zu studieren? Nicht, um dich mit Männern herumzutreiben.« Obwohl ich ihn durch das Handy nicht sehen konnte, wusste ich ganz genau, wie er gerade aussah: Die Stirn war gerunzelt, die blonden Augenbrauen streng zusammengezogen, doch in den grauen Augen lag ein amüsiertes Funkeln.
Ich lachte. »Da besteht keine Gefahr.«
»Das hat schon so manches naive Mädchen gesagt, bevor es sein Studium für einen Jungen vernachlässigt hat.« Ich wusste, dass er schmunzelte. »Und wer ist überhaupt Chloe?«
Ich kuschelte mich tiefer in die Kissen und erzählte ihm von Chloe, meinem Zimmer, dem neuen Auto und den Seminaren. Er stellte viele Fragen, wollte alles genau wissen, aber ich hörte ihm an, dass er dabei immer stiller und trauriger wurde.
»Was ist denn los?«, fragte ich schließlich besorgt.
»Nichts, was soll los sein?«
»Du konntest mir schon im Kindergarten nichts vormachen«, erinnerte ich ihn. »Also, versuch’s gar nicht erst.«
Er schwieg kurz. »Ich will nicht, dass du denkst, ich würde dir das alles nicht gönnen.«
»Denke ich nicht, versprochen. Also raus mit der Sprache.«
Er atmete tief ein und aus, bevor er endlich auspackte. »Du bist so weit weg, erlebst so viel. Bis vor Kurzem haben wir alles zusammen gemacht. Wir waren unzertrennlich! Jetzt bist du allein umgezogen, hast dir allein ein Auto gekauft, lernst neue Leute kennen … Irgendwie dachte ich immer, wenn es so weit ist, würde ich dich dabei unterstützen, ein Auto und eine Wohnung auszusuchen. Dir helfen, Umzugskartons zu schleppen, und den ganzen Kram eben. Ich dachte, wir würden auch in Zukunft alles gemeinsam angehen. War wohl ziemlich naiv, was?« Wieder ein tiefes Durchatmen. »Okay, vergiss, was ich gesagt habe. Sorry, das war Quatsch. Ich vermisse dich einfach.«
Ich schloss die Augen und presste das Handy fester an mein Ohr. Am liebsten wollte ich mich zu ihm beamen.
»Du fehlst mir auch«, sagte ich leise. »Es ist so ungewohnt, alles ohne dich zu machen.« Zu Hause hatten wir uns fast jeden Tag gesehen.
Er seufzte. »Ich verstehe einfach nicht, warum du so weit wegziehen musstest. Hier ist doch ganz in der Nähe ein gutes College. Wir könnten uns jedes Wochenende sehen, sogar manchmal unter der Woche nach meiner Arbeit und deinen Seminaren. Wozu der ganze Aufwand?«
Ich biss mir auf die Unterlippe und zählte innerlich bis zehn, um ruhig zu bleiben. Er verstand es ebenso wenig wie meine Eltern. Dabei hatte ich mir anfangs noch so große Mühe gegeben, ihm klarzumachen, wie viel Angst ich hatte. Im Gegensatz zu meinen Eltern hatte er zumindest versucht, auf mich einzugehen, aber wirklich kapiert hatte er es auch nicht. Deshalb hatte ich aufgehört, ihm davon zu erzählen.
»Ich brauchte einfach einen Tapetenwechsel«, sagte ich nur.
»Wenn du meinst«, erwiderte er skeptisch.
Bevor er noch weiter darauf herumreiten konnte, wechselte ich das Thema. »Und was gibt es bei dir?«
Er lachte kurz und freudlos auf. »Na, was schon. Ich habe den ganzen Tag in Dads Werkstatt gearbeitet. So wie gestern auch, und vorgestern, und an so ziemlich jedem Tag in den letzten Jahren. Und wie ich es in zehn Jahren immer noch tun werde.«
»Es gibt schlimmere Jobs. Schließlich ist nichts so sexy wie ein Kerl in ölverschmierter Arbeitskleidung«, scherzte ich, um ihn aufzumuntern. »Frag Suzanne.«
Suzanne war ein Mädchen aus unserer Straße, das immer schon ziemlich offensichtlich in Jackson verschossen gewesen war.
Diesmal klang sein Lachen echter. »Du wirst es nicht glauben, aber Suzie hat mir heute nach der Arbeit aufgelauert und wollte mich überreden, mit ihr ins Autokino zu gehen.«
»Was?«, rief ich aus. »Und damit rückst du jetzt erst raus? Und wann ist sie von Suzanne zu Suzie mutiert? Ich will alle Details.«
Wir unterhielten uns, bis mein Bami Goreng kalt war. Dann musste Jackson aufhören, weil er morgen früh rausmusste.
Nachdem seine Stimme verklungen war, war es beinahe unnatürlich still im Zimmer. Die Einsamkeit schnürte mir die Kehle zu. Mit ihm zu reden war schön gewesen, aber es hatte mich auch traurig gemacht. Solange ich mich erinnern konnte, war er immer nur einen Block von mir entfernt gewesen. Jetzt war ich in einem anderen Bundesstaat, einen Flug und eine Zugfahrt von ihm entfernt, und es fühlte sich an, als sei er in einer anderen Welt. Unglücklich blickte ich auf mein Handy hinab und hätte Jackson am liebsten sofort wieder angerufen.
Aber ich war hier nicht allein, rief ich mir ins Gedächtnis. Ich hatte immerhin das Glück gehabt, über Chloe zu stolpern. Obwohl wir uns gerade erst getroffen hatten, hatte ich irgendwie das Gefühl, wir würden uns schon viel länger kennen. Morgen früh wollten wir uns am Campus treffen und zusammen ins Seminar gehen. Der Gedanke munterte mich etwas auf. Ich seufzte und aß die kalten Nudeln.
Bevor ich schlafen ging, zwang mich irgendein irrationaler Impuls dazu, noch einmal unter das Bett zu schauen und zu kontrollieren, ob mein Karton noch da war. Ich wusste nicht, wieso ich das machte. Vielleicht befürchtete ein verrückter Teil von mir, das verfluchte Ding könnte zum Leben erwachen und seinen schrecklichen Inhalt freigeben. Oder aber, es könnte nach mir schnappen und hässliche spitze Zähne in mein Fleisch bohren.
Mein dummes Herz begann wieder zu rasen, obwohl ich wusste, dass es nur eine normale Schachtel war, die mir nichts tun konnte.
Nicht wirklich.
Ich kniete mich aufs Bett und beugte mich dann ganz langsam vor. Meine Haarspitzen berührten schon den Boden. Ich hielt den Atem an, beugte mich noch etwas tiefer und sah den kleinen Karton. Harmlos und unschuldig stand er da. Nichts ließ darauf schließen, wie furchtbar sein Inhalt war. Pfeifend ließ ich meinen Atem entweichen und kuschelte mich rasch unter die Bettdecke.
Noch einmal schaute ich auf mein Handy. Allmählich plagte mich das schlechte Gewissen meinen Eltern gegenüber. Ich wollte nicht mit ihnen reden, aber bestimmt machten sie sich so langsam wirklich Sorgen. Schnell schrieb ich ihnen eine Nachricht, dass ich gut angekommen und alles okay war. Dann rollte ich mich im Bett zusammen und dachte aufgeregt und ein wenig nervös an morgen.
In meinem Traum hetzte ich wie von Dämonen gejagt durch einen Dschungel. Die Bäume ragten bis zum Himmel auf. Wenn ich nach oben schaute, sah ich kein Stück Blau, sondern nur die dichten, verworrenen Baumkronen, so weit das Auge reichte. Immer wieder verfing ich mich in Lianen, die nach mir zu greifen schienen, und stolperte über riesige knorrige Wurzeln. Aber ich wusste, dass ich weitermusste, so schnell ich nur konnte.
Ich fühlte Blicke auf meiner Haut, und es lief mir kalt den Rücken herunter. Irgendjemand war da, ich wusste genau, dass er mich ansah. Ich hatte keine Ahnung, wer oder wo er war – irgendwo im Unterholz vielleicht, oder hoch oben auf einem Baum. Doch irgendwo lauerte er, beobachtete jede meiner Bewegungen.
Und er kam näher.
Mir war bewusst, dass es nur ein Traum war, doch trotzdem fühlte sich die Bedrohung real an. Ich konnte mich nicht zum Aufwachen zwingen, sosehr ich es auch versuchte.
Mein Fuß trat in eine schlammige Pfütze, und ich merkte, dass es zu regnen begonnen hatte. Doch das Wasser kam nicht vom Himmel, es tropfte aus Ästen und Blättern und quoll sogar aus dem Boden. Beängstigend schnell stieg es an, immer höher meinen Körper hinauf. Erst schwappte es mir eiskalt um die Knöchel, dann reichte es mir schon bis zu den Oberschenkeln. Das Laufen fiel mir schwerer und schwerer, ich musste immer mehr gegen den Wasserwiderstand ankämpfen. Ich hörte ein Rauschen, das sich zu einem Dröhnen steigerte, und wusste nicht, woher das Geräusch kam. Vielleicht aus mir selbst – womöglich war es das Rauschen meines Blutes, das ich in meinen Ohren hörte.
Ich stolperte, und als ich wieder hochschaute, war ich nicht mehr im Urwald, sondern in meiner Highschool. Die Gänge standen hüfthoch unter Wasser, grau und ölig tropfte es aus den Spinden, quoll aus den Wänden und stieg immer höher. Überall um mich herum waren andere Schüler, aber sie wirkten unecht und leblos wie Schaufensterpuppen. Ihre Gesichter waren starr, sie zuckten mit keiner Wimper, kein Muskel bewegte sich. Versteckte sich mein Beobachter unter ihnen? War eine der vermeintlichen Puppen ein Mensch, der mich anstarrte? Mein Verfolger? Irgendwo war er, ich konnte ihn spüren. Mein Blick zuckte von einem toten Puppengesicht zum nächsten, und immer rechnete ich damit, eine von ihnen würde meinen Blick erwidern. Doch sie alle glotzten stumpf ins Leere.
Aus irgendeinem Grund wusste ich genau, dass das Wasser meinen Verfolger nicht beeinträchtigte – es verschaffte ihm einen Vorteil. Während ich immer langsamer wurde, kam er näher. Jeden Moment erwartete ich, seine Hand auf meiner Schulter zu spüren. Immer wieder warf ich panische Blicke zurück, aber alles, was ich sah, waren die Schaufensterpuppen, die immer näher zu kommen schienen, und das immer weiter steigende Wasser. Selbst als es meinen Hals erreicht hatte, floh ich noch weiter. Doch dann schwappte es über meinem Kopf zusammen, und ich wusste, dass ich verloren war.
Mit weit aufgerissenen Augen schreckte ich hoch. Meine Kehle war rau von dem lauten Schrei, mit dem ich mich selbst aus dem Schlaf gerissen hatte. Ich starrte in die Dunkelheit und wartete, bis mein Puls sich normalisierte und meine Atemzüge ruhiger wurden.
Ich war verschwitzt, aber nicht nur deshalb war meine Haut nass. Ich berührte mein Gesicht, und es dauerte einen Moment, bis ich realisierte, was passiert war: Ich hatte vergessen, das Fenster neben meinem Bett zu schließen, und der Wind hatte einen feinen Nieselregen hereingetragen, der meine Haut benetzte.
Das Geräusch, das ich im Traum gehört hatte, war mir in die Realität gefolgt. Laut prasselte der Regen draußen auf den Asphalt. Schnell machte ich das Fenster zu, und sofort wurde das Prasseln zu einem leisen, dezenten Rauschen.
Draußen war es noch dunkel, bis auf die bleichen Lichtkreise, die die Straßenbeleuchtung auf den nassen Boden warf. Ich tastete nach meinem Handy und stöhnte zweimal auf: einmal, weil das Licht des Displays mich blendete, und einmal, weil ich sah, dass in etwa einer Stunde schon mein Wecker klingeln würde. An Schlaf war nicht mehr zu denken.
Ächzend quälte ich mich aus dem Bett und schnappte mir meinen iPod, ein Buch und die Lampe, die auf dem kleinen Schreibtisch stand. Damit setzte ich mich aufs Fensterbrett und zog eine Wolldecke über meine Beine. Die Lampe positionierte ich so, dass ihr schmaler gelblicher Lichtkegel auf die Seiten meines Stephen-King-Romans fiel. Ich vertiefte mich in das Buch, die Stirn gegen die kalte Fensterscheibe gelehnt, und lauschte dabei den melancholischen Songs von Morrissey und den Smiths aus meinen Kopfhörern. Als Morrissey in Everyday Is Like Sunday gerade vom Armageddon sang, wurde es langsam Tag – auch wenn es nicht danach aussah, weil die Sonne sich hinter dunklen Regenwolken verbarg.
Ich blickte hinaus in den grauen, dichten Regenschleier, der die Welt einhüllte, und fröstelte. In diesem Moment vermisste ich Florida. Nicht umsonst bezeichnete man meine Heimat auch als Sunshine State.
Dann wies ich mich selbst zurecht: Mein Zuhause war nun hier.
Um mich aufzuwärmen, duschte ich extra heiß, bis der Spiegel im Bad so beschlagen war, dass ich mich selbst nur verschwommen und blass wie ein Gespenst sah. Mit der Handfläche wischte ich über die glatte Oberfläche, und das bleiche Gespenstergesicht verwandelte sich zurück in mein eigenes.
Meine braunen Augen, die im Vergleich zu den blonden Haaren auffallend dunkel waren, blickten mich nachdenklich an. An manchen Tagen war ich wütend über die Angst, die seit Jahren nie ganz aus ihnen verschwand und immer leicht zu erkennen war, wenn man genau hinsah. An den meisten Tagen nahm ich sie resigniert hin und hoffte, dass sie irgendwann vergehen würde. Dass ich irgendwann wie durch ein Wunder einfach keine Angst mehr haben würde.
Ich schlüpfte in ein kuscheliges Sweatshirt und Röhrenjeans, nahm meine Tasche und stürzte mich todesmutig ins Weltuntergangswetter. Die Kapuze zog ich mir über den Kopf und rannte, so schnell ich konnte, zum Auto. Trotzdem hatte ich mehr als genug Regen abbekommen. Ich verzog das Gesicht und setzte einen Regenschirm ganz oben auf meine imaginäre Shoppingliste.
Als ich den Campus erreichte, gönnte sich der Regen zum Glück gerade eine Pause. Chloe wartete mit zwei XL-Kaffeebechern vor dem Gebäude auf mich.
»Ich dachte, das können wir an so einem Tag sicher gut gebrauchen«, sagte sie und überreichte mir einen der Pappbecher. »Bitte schön, mit einer geradezu perversen Menge an Sirup.«
Das heiße, süße Getränk war genau das Richtige bei so einem Wetter. Es tat so gut, dass ich mich zusammenreißen musste, um nicht zu schnurren. »Der Tag ist gerade um ein Vielfaches besser geworden.«
»Und gleich wird er noch besser.« Sie sprang die Treppenstufen hoch und schaute ungeduldig, bis ich ihr folgte.
»Du freust dich auch aufs Literaturseminar?« Das Seminar über die Literatur der Britischen Romantik war das Highlight meines Stundenplans.
»Aber so was von!«, rief sie mit ehrlicher Begeisterung und zappelte aufgeregt herum, bis ich ihr endlich folgte.
Wir waren früh dran und suchten uns einen gemütlichen Platz an der Wand, aber Chloe hielt es nicht lange da. Während ich mich im Schneidersitz auf meinen Stuhl setzte und mich mit dem Rücken gegen die Wand lehnte, beide Hände um den Kaffeebecher geschlossen, sprang sie sofort wieder auf, als sie Leute entdeckte, die sie kannte.
»Bin gleich wieder da«, kündigte sie an und flitzte zu einer Gruppe von Mädchen.
Sie war eindeutig sozialer als ich. In etwa hundertmal. Ich blieb sitzen, nippte am Kaffee und holte mein Schreibzeug aus der Tasche. Trotzdem bekam ich mit, worüber die Mädchen sich unterhielten: Sie gehörten offenbar zu denen, die Chloe schon vor dem Studium kennengelernt hatte, und die meisten von ihnen waren auf der Party gewesen, die ich gestern verpasst hatte.
»Hey, Violet!«, rief Chloe in dem Moment. »Am Samstag ist wieder eine Party im Verbindungshaus. Diesmal kommst du auch, okay? Sag, dass du diesmal kommst. Bitte!«
Meine Mundwinkel sanken hinab. Schon wenn sie dieses Wort aussprach, fühlte ich mich unwohl. »Eher nicht, danke«, murmelte ich.
»Jenna sagt, es ist kein Problem, wenn ich dich mitbringe. Stimmt’s, Jenna? Violet, das ist Jenna Morrison.«
Das angesprochene Mädchen drehte sich zu mir um und lächelte. Als sie den Kopf bewegte, glänzten ihre dunklen Locken im Licht. »Klar, je mehr Leute, desto besser.« Sie war eines dieser Mädchen, die so hübsch waren, dass die meisten anderen all ihre Besitztümer eintauschen würden, um auch so auszusehen. Sie hatte ein Gesicht wie eine Porzellanpuppe, mit makellosem Teint und rosig schimmernden Wangen. Ihre Augen waren tiefblau und die Wimpern so dunkel und lang, dass ich mich fragte, ob sie echt waren.
Um ehrlich zu sein, war Miss Universe ein weiterer Grund, nicht dorthin zu gehen. Partys waren ohnehin schlimm genug für mich, selbst ohne übernatürlich hübsche Mädchen, neben denen man sich minderwertig fühlte.
»Sorry, ich muss wirklich dringend ein paar Sachen erledigen«, redete ich mich heraus.
»Schade. Aber wenn du es dir anders überlegst, bist du jederzeit willkommen«, sagte Jenna freundlich.
Die Tür ging auf, und der Dozent kam herein. Ich war froh, dass das Partythema damit beendet war, aber ich hatte nicht mit Chloes Erbarmungslosigkeit gerechnet. Ihr Dackelblick war wirklich mitleiderregend. Während Professor Brand seine Unterlagen auspackte, schaute sie mich traurig an.
»Ich weiß, Partys und du, ihr seid nicht die besten Freunde. Aber weißt du, jeder Superheld muss sich seinem Erzfeind irgendwann stellen. Hast du denn gar nichts aus Comics und Filmen gelernt?«
»Ähm … also, um ehrlich zu sein, habe ich mich nie als Superheldin betrachtet. Habe ich auch in Zukunft nicht vor.«
»Stell dir vor, Batman hätte gesagt: ›Ach, dieser Joker ist mir unsympathisch, ich bleib lieber zu Hause und nehme ein langes Schaumbad.‹ Oder Spiderman hätte den Rasen gemäht, statt sich dem Grünen Kobold zu stellen«, fuhr sie ungerührt fort.
»Chloe …«
»Oder Captain America hätte vor Red Skull den Schwanz eingezogen.«
»Chloe!«
»Du erkennst das Prinzip? Held stellt sich Nemesis. Held besiegt seine Feinde, überwindet seine Schwächen und rettet die Welt«, verkündete sie triumphierend.
Ich massierte meine pochende Stirn. »Okay. Ignorieren wir mal kurz die Tatsache, dass ich deiner Meinung nach offenbar die Welt rette, wenn ich zu dieser Party gehe. Warum zur Hölle kümmert es dich, ob ich meine Abneigung überwinde oder nicht?«
»Weil es nie gut ist, vor seinen Problemen davonzulaufen«, sagte sie altklug. »Und weil …«
»Und weil?«
Ihr Blick wurde noch flehender. »Realistisch betrachtet würdest du vielleicht nicht die Welt retten. Aber mich! Ich brauch dich dort, ehrlich.«
»Was? Aber warum denn?«, fragte ich ungläubig.
»Scott wird da sein«, wisperte sie und blickte sich verstohlen um, als hätte sie gerade ein riesiges Geheimnis ausgeplaudert. »Und ich kann ihm definitiv nicht allein gegenübertreten. Ich brauche seelische Unterstützung.«
»Ich bezweifle, dass du dort allein sein wirst.« Ich deutete auf die Gruppe von Mädchen um Jenna.
»Das ist nicht das Gleiche. Du verstehst, dass Scott mich in Angst und Schrecken versetzt. Für Mädchen wie Jenna ist das alles total einfach.«
Der Professor begann zu sprechen, stellte sich vor und ging den Seminarstoff durch. Chloe verstummte und blickte auf ihre verschränkten Hände hinab.
Ich atmete tief durch und versuchte, vernünftig zu sein und meinen Grundsätzen treu zu bleiben. Aber im Grunde genommen hatte ich meine Entscheidung bereits getroffen.
Ich kannte das Gefühl nur zu gut, wenn einen etwas in Angst und Schrecken versetzt. Scott anzusprechen war für Chloe wohl ähnlich furchteinflößend, wie es sich für mich anfühlte, die Pappschachtel unter meinem Bett zu öffnen.
»Ja, okay«, grummelte ich finster.
Sie riss die Augen auf. »Was? Wirklich? Warum?« Mit der Antwort hatte sie nicht gerechnet.
»Weil Scott deine Pappschachtel ist.«
»Ähm …«
»Weil du eine Nervensäge bist. Aber ich komme nur ganz kurz mit. Ich gebe dir Rückendeckung, wenn du dich heroisch auf Scott stürzt, und dann haue ich ab.«
»Du bist die Beste«, quietschte sie so laut, dass Professor Brand irritiert zusammenzuckte und dem Raum nach dem Störenfried abscannte. Aber bevor er Chloe mit einem strengen Blick zurechtweisen konnte, schwang die Tür erneut auf.
»Ver …« Mir fiel kein Wort ein, das schlimm genug war. Und wenn doch, würde ich es bestimmt nicht aussprechen.
»Dein Gothicherzchen«, wisperte Chloe entzückt.
Ich verzichtete darauf, sie darauf hinzuweisen, dass jedes einzelne Wort an ihrer Bemerkung falsch war, und starrte stattdessen entsetzt zur Tür, durch die gerade meine Zugbekanntschaft den Raum betrat. Als sein Blick meinem begegnete, schaute ich rasch hinab auf meinen Notizblock und hielt den Atem an.
Aus den Augenwinkeln sah ich, dass er gelassen durch die Reihen schlenderte, auf den einzigen Platz zu, der noch frei war – und der unglücklicherweise an Chloes anderer Seite war, also keinen Meter von mir entfernt.
Professor Brand räusperte sich. »Wenn nun alle Studenten anwesend sind, können wir ja fortfahren. Wie bereits erwähnt, werden wir uns unter anderem mit dem faszinierenden Leben des George Gordon Byron, besser bekannt als Lord Byron, befassen.«
Ich konnte mich überhaupt nicht mehr auf seine Worte konzentrieren, was eine verdammte Schande war, weil ich Lord Byron ausgesprochen interessant fand. Die Stimme des Dozenten verkam zu einem dumpfen Hintergrundrauschen.
Stocksteif saß ich da. Ich meinte, seinen Blick auf meinem Gesicht zu spüren. Vermutlich schaute er mich in Wirklichkeit gar nicht an, ganz bestimmt nicht. Wahrscheinlich blickte er auf seine Unterlagen, den Dozenten oder meinetwegen aus dem Fenster, aber es war verrückt – irgendwie war sich ein Teil von mir trotzdem absolut sicher, dass er mich ansah.
Davon überzeugen konnte ich mich nicht, weil ich mich nicht traute, zu ihm hinüberzublicken. Ich drehte mich so weit wie möglich von ihm weg und zur Wand, bis ich völlig verdreht dasaß und kaum mehr schreiben konnte. Jetzt konnte er höchstens noch meinen Rücken anstarren, aber wirklich besser fühlte ich mich dadurch nicht. Ein feines Kribbeln zog sich über meinen Rücken, hoch bis zu meinem Nacken. Ich wusste nicht, warum er mich so nervös machte, aber er tat es definitiv. Die restliche Stunde zog wie ein seltsamer Traum an mir vorbei, während ich kaum wagte, mich zu bewegen oder auch nur zu atmen.
Schließlich hielt ich es nicht mehr aus. Ich musste wissen, ob er mich anstarrte oder ob ich einfach nur verrückt geworden war. Ich nahm meinen Mut zusammen, setzte mich wieder richtig hin und linste vorsichtig durch den Vorhang meiner Haare hindurch zu ihm.
Er beachtete mich gar nicht, sondern kritzelte in seinen Block und schaute zwischendurch immer wieder gelangweilt hoch zur Decke. Das war einerseits beruhigend, andererseits machte ich mir nun ernsthafte Sorgen um meine offenbar halluzinierende Psyche.
Ich entspannte mich ein wenig. So beängstigend sah er bei näherer Betrachtung auch gar nicht aus. Gedankenverloren spielte er mit seinem Kugelschreiber, drehte ihn auf dem Tisch im Kreis und tippte dann damit gegen seine Unterlippe. Und Himmel, was für sexy Lippen er hatte: voll, aber nicht so sehr, dass es feminin gewirkt hätte, und perfekt geschwungen. Sie sahen weich aus, und ganz so, als könnten sie gut küssen.
Nicht dass mich das interessiert hätte.
Er strich sich die halblangen Haare hinters Ohr, und wieder fielen mir die hohen, scharfgeschnittenen Wangenknochen auf. Mit diesem Gesicht könnte er modeln, und das, was ich von seinem Körper bisher gesehen hatte, stünde einer Modelkarriere ganz bestimmt nicht im Wege.
Seine Lederjacke hing über seiner Stuhllehne. Das T-Shirt, das er heute trug, hatte kürzere Ärmel als das, das er im Zug angehabt hatte. Also sah ich diesmal mehr von seinem Tattoo, zumindest ein paar Zentimeter. Verstohlen betrachtete ich es und versuchte zu erkennen, was es darstellte. Es könnte eine Kette sein, die um irgendetwas geschlungen war, aber mit Sicherheit sagen konnte ich das nicht. Auch an seinem Hals offenbarte das Shirt ein Stück Tattoo. Ich fragte mich, ob es zwei einzelne Bilder waren oder eine große Tätowierung, die sich von seiner Schulter bis zum Hals und womöglich noch weiter über den Oberkörper erstreckte. Als er den Arm bewegte, bewegten sich die geschmeidigen Muskeln unter seiner tätowierten Haut, und mein Mund wurde trocken.