COLD KILLS - Alex Shaw - E-Book

COLD KILLS E-Book

Alex Shaw

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Beschreibung

"Aidan Snow – ein eiskalter Agent in brandheißen Abenteuern." - Stephen Leather, Autor von THE FOREIGNER (verfilmt mit Pierce Brosnan und Jackie Chan) COLD KILLS vereint sechs spannende, actionreiche Episoden aus der Vergangenheit von Ex-SAS-Soldat und MI6-Agent Aidan Snow. Schnell, hart, und kompromisslos. Eine Undercover-Mission in Spanien, korrupte Polizisten und Politiker in Kiew, Waffenhändler in London und ein Einsatz im Nordirlandkonflikt, in dem Aiden Snow das erste Mal gezwungen ist, zu töten ... "Shaws Stil knistert von Seite zu Seite wie die Flamme an einer kurzen Lunte unmittelbar vor der Detonation. Fans von Clancy, McNab, Ryan und Leather werden Aidan Snow lieben." - Matt Hilton, Autor der "Joe Hunter"-Erfolgsthriller "Die perfekte Mixtur aus Spionageroman und Politikthriller." - Matt Lynn, Bestseller-Autor der "Death-Force"-Thriller

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COLD KILLS

Aidan Snow Kurzgeschichten

ALEX SHAW

Copyright © 2015 by Alex Shaw

All rights reserved. No part of this book may be used, reproduced or transmitted in any form or by any means, electronic or mechanical, including photocopying, recording, or by any information storage or retrieval system, without the written permission of the publisher, except where permitted by law, or in the case of brief quotations embodied in critical articles and reviews.

Impressum

überarbeitete Ausgabe Originaltitel: COLD KILLS Copyright Gesamtausgabe © 2024 LUZIFER-Verlag Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Cover: Michael Schubert Übersetzung: Tina Lohse

Dieses Buch wurde nach Dudenempfehlung (Stand 2024) lektoriert.

ISBN E-Book: 978-3-95835-471-5

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Inhaltsverzeichnis

COLD KILLS
Impressum
HARD KILL
Der Agent
DONEZK RUFT
KIEWER REGELN
HACKED
FASTBALL
Über den Autor

HARD KILL

County Armagh, Nordirland, November 1994

Als Aidan Snow und Paddy Fox Bandit County betraten, tastete Snow zur Beruhigung nach seiner SIG Sauer. Er gab sich keinen Illusionen hin. IRA-Waffenstillstand hin oder her, falls die ansässige Einheit ihn in die Finger bekam, würde es unangenehm werden.

Im Verlauf des Nordirlandkonflikts hatte sich die South Armagh Brigade zu den Toden von mehr als einhundertsechzig britischen Sicherheitskräften und fünfundsiebzig Zivilisten bekannt. Ihr Aktionsradius war so groß, dass es laut der Führungsriege für das britische Militär das Sicherste war, South Armagh in Chinook-Hubschraubern zu durchqueren. Snow reiste in einem gebrauchten Opel Vectra.

Zwei weitere SAS-Männer, Dave Napp und Steve Gord, folgten ihnen im Abstand von einer halben Meile in einem ramponiert aussehenden Ford Sierra. Die alternden Rostlauben waren in Wirklichkeit Bond-Autos. Von außen sahen sie ganz normal aus, aber sie hatten einige Überraschungen unter der Haube. Das beinhaltete Kevlar-Platten unter den Karosserieblechen, stärkere Motoren und bessere Aufhängung, um das größere Gewicht zu kompensieren. Beide Wagen bargen Geheimfächer mit Sturmgewehren und Splitter- und Blendgranaten. Die beeindruckendste Modifikation enthielt jedoch der Vectra. Er trug einen Verteiler für Blendgranaten unter dem Chassis, der auf Knopfdruck mehrere Geschosse in diverse Richtungen schleuderte. Dies war als allerletzte Gegenmaßnahme im äußersten Notfall gedacht, um Hinterhalten zu entgehen. Snow hoffte, dass es nicht so weit kommen würde, aber es juckte ihm doch gehörig in den Fingern, diesen Knopf zu drücken.

Snow war noch keine zwei Wochen in Nordirland, seit er als Ersatz für ein verletztes Mitglied der motorisierten Einheit zur geheimnisvollen 14 Intelligence Company, der sogenannten Vierzehnten, versetzt worden war. Snows Partner, Paddy Fox, war schon seit zehn Jahren bei der SAS. Eine Glasgower Mutter und ein Vater aus Armagh hatten dazu geführt, dass Fox einen Großteil seiner Jugend in dieser Gegend verbracht hatte. Er konnte von seinem starken Glasgower Dialekt in null Komma nichts zur örtlichen Mundart wechseln. Für die Vierzehnte war er genau der Richtige.

An diesem Abend hatten sie den Auftrag, dem Hinweis eines Informanten zu folgen und ein vermutetes Waffenlager in einem Farmhaus auszukundschaften. Das Gebäude gehörte Jimmy McCracken und Marin Grew, zwei großen Nummern in der South Armagh Brigade. Aufgebracht darüber, dass Sinn Féin in Verhandlungen mit Westminster getreten waren, hatte das Duo eine Splittergruppe gegründet, fest entschlossen, den zweimonatigen Waffenstillstand zu beenden und dem Friedensprozess den Garaus zu machen. Ursprünglich nur zur Überwachung und Informationsbeschaffung gedacht, umfasste der inzwischen erweiterte, inoffizielle Aufgabenbereich der Vierzehnten gelegentliche operative Tätigkeiten. Kurzum, es war ihre Pflicht, McCrackens Fraktion das Handwerk zu legen.

»Bist du verheiratet?«, fragte Fox.

»Zu jung.«

»Ich hab zu jung geheiratet und sie hatte nicht mal ‘nen Braten in der Röhre. Ich dummer Hund bin der Armee beigetreten, um sie zu beeindrucken.«

»Und hat’s gewirkt?«

»Mein Vorgesetzter hat sie beeindruckt. Unsere Ehe hat sechs Jahre gehalten.«

»Sorry, Mann.«

»Warum? Du warst nicht derjenige, der sie gevögelt hat.«

Schweigend fuhren sie noch einige Kilometer, bis Snow sprach. »Du bist hier in der Gegend aufgewachsen, stimmt’s?«

»Zum Teil, als Kind, Sommerferien und so. Hätte auch auf der anderen Seite landen können, wenn ich nicht rausgekommen wäre, weißte? Und du?«

»Überall und nirgends.«

Fox nickte. »Militärkind?«

»Botschafterkind, Moskau hauptsächlich.«

»Piekfeiner Bengel, hm? Du solltest Rupert heißen.«

»Kannst vor mir salutieren, wenn du willst.«

»Halt’s Maul.«

Sie verfielen wieder in Schweigen. Im schwindenden Licht ließ die irische Landschaft nichts Gutes ahnen, dunkle winterliche Bäume ragten über schwarzen Hecken empor und kratzten an ihnen. Als sie eine Hügelkuppe erreichten, erschien plötzlich eine Limousine hinter den Hecken einige hundert Meter vor ihnen und kam mitten auf der Straße zum Stehen. Der Fahrer stieg aus und eilte auf der anderen Seite in Deckung.

»Scheiße.« Fox stieg auf die Bremse und betätigte sein Funkgerät. »Möglicher Hinterhalt. Over.«

»Verstanden. Wird gecheckt. Out«, erwiderte Napp aus dem Sierra, während er vom Gas ging, um zurückzufallen und die Straße hinter ihnen im Auge zu behalten. Im tatsächlichen Falle eines Hinterhalts würde ein zweiter Wagen ihnen nun den Rückweg abschneiden, wahrscheinlich mittels einiger bewaffneter Männer mit lockeren Fingern am Abzug.

Snow stieg schnell aus dem stehenden Vectra und nahm auf dem Rücksitz auf der Fahrerseite hinter Fox wieder Platz. Er holte ein HK Sturmgewehr mit kurzem Schaft aus einem Versteck.

Das Training für einen möglichen Hinterhalt war so oft wiederholt worden, bis es ihnen in Fleisch und Blut übergegangen war. Sie würden sich der Straßensperre langsam nähern, Waffen im Anschlag. Sollte ein X-Ray, ein Unbekannter, auftauchen, würde Fox aus dem offenen Seitenfenster schießen. Sofort darauf würde Snow aus dem Auto springen, sich die Leiche schnappen und in den Wagen zerren, bevor sie davonrasten. Bei Bedarf konnte Fox die Blendgranaten einsetzen, aber gegen eine Bombe würde das nicht viel nützen. Snow spürte sein Herz schneller schlagen, ihr gepanzertes Bond-Auto wäre gegen eine USBV nicht gewappnet.

Hinter ihnen meldete sich Napp zu Wort. »Nichts zu sehen.«

»Verstanden. Wir gehen auf möglichen Kontakt.«

Fox legte den ersten Gang ein, fuhr langsam an und schaltete in den zweiten. Der Opel rückte näher an das stehende Fahrzeug, während sich beide Männer für den bevorstehenden Einsatz bereitmachten. Unerwartet tauchte der Fahrer des Wagens wieder auf; er sah beiläufig auf und winkte, bevor er in sein Auto stieg und davonfuhr.

»Was sollte das denn?«, fragte Fox.

Sie kamen zu der Stelle, an der der Wagen angehalten hatte. Snow blickte nach links und rechts, als sie vorbeifuhren. Er sah Viehgitter und den Zugang zu Weideflächen. »Das war ein Farmer, er hat nur das Gatter geschlossen.«

Fox gab einen Seufzer der Erleichterung von sich. »Dann geht uns das nichts an.«

Snow lächelte im Licht der Abenddämmerung. Fox hielt den Wagen an, damit Snow wieder vorn einsteigen konnte. Während der nächsten halben Stunde drangen sie tiefer in South Armagh ein und Snow wurde nachdenklich. Er scherte sich nicht um die Politik, die den Konflikt ausgelöst hatte. Was ihm weitaus wichtiger war als Religion oder Nationalität, war der Schutz der nordirischen Bevölkerung auf beiden Seiten, wie der Farmer, der nichts weiter wollte, als in Ruhe und Frieden sein Leben zu führen. Die Tatsache, dass bewaffnete Extremisten diese Leute aufs Korn nahmen, machte ihm zu schaffen.

Snows Aufmerksamkeit schwankte zwischen der Straße vor ihnen und den dichten Hecken, die sie auf beiden Seiten der Straße begleiteten. Es war ein kalter Novemberabend, und nun, da die Sonne verschwunden war, sank die Temperatur unter den Gefrierpunkt. Sie trugen billige, dunkle Jeans und abgetragene Parkas – nur ein paar Jungs, die von ihrer Vergnügungstour zurückkamen. Beide Männer hatten jedoch auch schwarze Sturmhauben und Handschuhe in den Taschen verstaut.

Dank der Fotos des Beamtenteams, welches das Gehöft überwachte, waren Snow und Fox mit der Lage ihres Ziels bestens vertraut. Der Beobachtungsposten lag an der Baumgrenze auf einem Hügel, eine halbe Meile entfernt. Das Bauernhaus befand sich am Rande eines Dorfes, angeschlossen durch eine kleine Straße auf östlicher Seite. Sonst wurde das Anwesen auf drei Seiten von Feldern umsäumt, wovon das südliche bis zum Hügel reichte. Eine Scheune stand hinter dem Haus am Ende des betonierten Hofs mit Einfahrt. Das Waffenversteck wurde unter einer Plane in eben dieser Scheune vermutet. Der Bauernhof hatte ursprünglich Milch produziert, aber die Produktion stand nun schon seit Jahren still. Der derzeitige Bewohner, McCracken, der Härteste der Harten in South Armagh, hatte kein Interesse an Milchwirtschaft. Trotz des ständigen Kommens und Gehens hatte das Beobachtungsteam vier IRA-Mitglieder identifiziert, die sich derzeit im Haus aufhielten.

»Bist du bereit, Kleiner?«, fragte Fox sarkastisch.

»Bin bereit wie noch nie«, antwortete Snow trocken.

Fox grinste. »Also zum allerersten Mal?«

Snow schüttelte langsam den Kopf und ignorierte die Stichelei. Fox drückte einen Knopf, der die Bremslichter deaktivierte, bevor er abbremste und den Vectra auf einem Parkplatz abstellte. Eine Baumreihe schirmte sie von der Straße ab. Dahinter war die dunkelgrüne Familienkutsche so gut wie unsichtbar. Eine Minute später fuhr der Sierra mit gleichmäßiger Geschwindigkeit vorbei. Er war auf dem Weg zu seiner eigenen Position auf der anderen Seite des Dorfes, um nach Schmierestehern und möglichem Ärger Ausschau zu halten.

Bei ausgeschaltetem Motor und heruntergekurbelten Fenstern warteten sie schweigend einige Minuten, um sich an die Stille der Nacht zu gewöhnen. Sie waren auf dem gleichen Hügel wie der Beobachtungsposten, aber auf der anderen Seite des Waldes, es war also nur ein kurzer Spaziergang bis zu ihrem Ziel. Bevor sie loszogen, schraubte Snow einen Schalldämpfer an seine SIG Sauer – eine Verletzung des Waffenstillstands sollte besser nicht gehört werden. Dann überprüfte er den Inhalt seiner Taschen, eine kleine Maglite mit schwarzem Klebeband über der Linse, um den Lichtstrahl zu schmälern, und eine Wegwerf-Kamera mit Infrarotfilm.

Snow nickte Fox kurz zu, bevor er geräuschlos aus dem Auto schlüpfte. Er setzte die Sturmhaube auf, hochgerollt wie eine Wollmütze, und machte sich auf den Weg.

Snow wartete, bis das Auto nicht mehr zu sehen war, bevor er sein Kehlkopfmikrofon aktivierte. »Funkcheck.«

»Check.« Fox’ Stimme klang laut in Snows Ohr. Snow hörte dann die Bestätigungen der anderen.

Fox blieb im Auto. So konnte er schnell reagieren, falls Snow, das Team im Sierra oder der Beobachtungsposten ihm das Signal gaben.

Die Kälte brannte auf Snows entblößtem Gesicht, als er um eine Kurve kam. Statt der Hecken umgaben nun niedrige Steinmauern das Gelände, die immerhin eine Kugel aufhalten konnten, falls alles den Bach runterging und eine Schießerei losging. Snow konnte inzwischen das Bauernhaus sehen. Die Lichter waren aus und in der Stille der Nacht war kein Laut zu hören. Anstelle der normalen Taktik, das Ziel aus Richtung der Felder anzusteuern, hatte Fox vorgeschlagen, Snow solle sich wie ein Ansässiger verhalten. Mit den Händen in den Hosentaschen hielt Snow auf das Haus zu. Ihm gefiel die Idee nicht, aber er würdigte Fox’ größere Erfahrung. Falls Snow konfrontiert würde, bevor er das Ziel erreichte, war die Operation vorbei. Er spürte das Gewicht seiner schallgedämpften SIG, während er lief. Die Einsatzregeln erlaubten ihm zurückzuschießen, falls man auf ihn feuerte, aber die Politiker beider Seiten würden in dem Fall hochgehen wie Raketen …

Snow war völlig ungeschützt; in diesem Moment konnte eine einzelne, wohlplatzierte Kugel allem ein Ende setzen, bevor ihn irgendjemand warnen konnte. Nur noch ein paar Schritte und er hätte Deckung. Er spürte, wie sein Herz pochte und seine Hände anfingen zu schwitzen. Snow stand dem Bauernhaus nun gegenüber im durch Schatten verursachten toten Winkel. Der Vollmond leuchtete über ihm, ohne Straßenlaternen die einzige Lichtquelle. Nicht ein Laut war zu hören, kein Licht zu sehen. Snow kontrollierte mühsam seine Atmung; das Geräusch verstärkt in der Stille der irischen Nacht. In den Schatten überquerte er die Zufahrt und schwang sich über die Steinmauer. Wenige Augenblicke später stand er mit dem Rücken an der Hauswand und hielt den Atem an. Er war vom Beobachtungsposten aus nicht zu sehen, aber sein Team hatte ein Auge auf den Hof.

»Sauber«, sagte die Stimme in seinem Ohr.

Snow zog die Sturmhaube über sein Gesicht und wartete eine weitere Minute. Stille. Kein Licht, keine Hunde, keine Rufe, keine Schüsse. Vorsichtig schlich er an der Wand entlang, bis er um die Ecke spähen konnte. Er schloss seine Hand um den Griff seiner SIG und zog sie aus der Tasche. Snow holte mehrmals tief Luft, füllte seine Lunge mit Sauerstoff und überquerte geräuschlos den Hof. An der Scheune angelangt drückte er gegen die Tür. Sie öffnete sich ein Stückchen und er trat hinein. Die Beobachter hätten ihn informiert, wenn jemand in der Scheune gewesen wäre, aber Snow ging kein Risiko ein. Mit beiden Händen schwang er seine SIG von links nach rechts, während seine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnten. Er konnte Umrisse erkennen, ein paar Heuballen lagen quer über den Boden verstreut und an der Rückwand der Scheune.

Dann wurde es plötzlich laut. In seinem Ohr erklang eine Warnung, als zwei Paar Füße auf dem Beton trappelten. Snow hatte lediglich Sekunden, um zu reagieren. Er stürzte hinter einen Heuballen und machte sich auf dem Boden lang. Seine SIG war in seiner rechten Hand, die linke auf den Boden gestützt, um sich wegrollen zu können.

»Kelly! Kelly! Würd’st du mal zurückkommen?«

Die Scheunentür ging auf und eine Gestalt stand an der Schwelle. Eine zweite Person erschien daneben und sprach mit schwerer Zunge. »Ich fand’s nur fair, weißt du, Kelly. Ich mein’, wenn rauskommt, was wir hier aufbewahren. Unser Ruf wär’ total im Eimer!«

»Wir sollten diese SAS-Schweine einfach in ‘ne Falle locken.«

Kellys Atem war laut und unregelmäßig. »Ich will nur nochmal nachsehen.«

»Würd’st du mal aufhören, wegen des Plans rumzupiensen? Die Eisen sind sicher, die laufen schon nicht weg. Komm zurück ins Haus, trink noch einen.«

Die Tür ging wieder zu und beide Männer stolperten davon. Snow wartete bewegungslos. Etwas zischte in seinem Ohr: »Sauber.«

Snow rappelte sich auf und ging in die Hocke. Er wartete und lauschte, bevor er die Scheune weiter durchsuchte. Er steckte seine SIG weg, zog die Maglite hervor und leuchtete in der Dunkelheit umher. Das Klebeband über der Linse sorgte für einen schmalen, konzentrierten Lichtstrahl. Plötzlich erspähte er die Reflexion der glänzenden Plane. Mit Schweiß in den Augen suchte er die Umgebung sorgfältig nach Stolperdrähten und anderen Fallen ab. Nach kurzer Vergewisserung hob er die Abdeckung und sah drei Pakete, zwei lange und ein ziegelsteingroßes, jedes davon in schweres Tuch gewickelt. Der unverwechselbare Geruch von Waffenöl lag in der Luft. Langsam wickelte er ein Päckchen aus, bis er sich sicher war, dass es sich um ein AK-47 Sturmgewehr handelte. Snow fotografierte die Waffe, bevor er sie wieder einwickelte, und wiederholte die Prozedur mit dem zweiten Päckchen. Es hatte den gleichen Inhalt. Als er das dritte Päckchen öffnete, attackierte der verräterische marzipanähnliche Geruch von Semtex seine Nase.

Minuten später waren alle drei Pakete wieder unter der Plane und sahen aus, als wären sie nie berührt worden. Snow fotografierte den Rest der Scheune, um die Position der Plane zu dokumentieren, bevor er seine Sendetaste dreimal betätigte.

»Alles frei zum Abzug«, antwortete eine Stimme.

Snow drückte die Taste einmal als Antwort und ging denselben Weg zurück und aus der Scheune heraus. Nun konnte er ein schwaches Licht aus dem tiefen Inneren des Hauses erkennen, das unter einem Fensterrollo in der Küche hervordrang.

Mit Blick auf die Hintertür ergriff er seine SIG und überquerte den Hof. Er erreichte die Schatten an der Hauswand, blieb kurz stehen, um seine Sturmhaube abzunehmen, und schwang sich wieder über die Mauer. Zurück auf dem Zufahrtsweg begab er sich bergauf zum Auto. Er fühlte sich ungeschützt wie eine leuchtende Zielscheibe, aber es passierte nichts. Der Wind nahm langsam zu, und als er die Hügelkuppe erreichte, hatte es angefangen zu nieseln. Er hörte einen Pfiff und sah nach rechts, wo Paddy Fox zwischen den Bäumen am Straßenrand hervortrat.

»Ein Kinderspiel, Junge. Babyleicht.«

Palace Kaserne, Holywood, Nordirland

Das Besprechungszimmer der Vierzehnten beinhaltete mehrere Stuhlreihen, die vor einem Whiteboard angeordnet waren. Snow und Fox saßen vorn, Gord und Napp, die beiden Männer aus dem Sierra, eine Reihe dahinter. Snow nippte an seinem Kaffee aus dem Automaten. Er war lauwarm und schmeckte ganz leicht nach Rinderbrühe.

Der Raum erinnerte ihn an ein Klassenzimmer, aber anstelle eines Lehrers sahen sie sich Mary O’Connor gegenüber, einer Offizierin des Vierzehnten, und eines SAS-Captains namens Lancing. Er war prinzipiell ihr Vorgesetzter, aber O’Connor hatte klargestellt, dass sie das Sagen hatte, solange sie für ihre geheime Spezialeinheit arbeiteten. Man hatte O’Connor den Spitznamen »Maggie« verpasst, in Anlehnung an dir frühere Premierministerin und aufgrund ihrer fehlenden Sozialkompetenzen.

An diesem Morgen jedoch konnte ihre eiserne Maske nicht die roten Augen und den blassen Teint verbergen. Unter dem Eindruck, dass etwas nicht in Ordnung war, blieb das Team ungewöhnlich ruhig und wartete darauf, dass sie sprach.

»Unsere Operation letzte Nacht hat ein Resultat erzielt. Wir konnten die Existenz des Waffenlagers bestehend aus zwei AK-47 und Semtex bestätigen und vermuten eine lybische Herkunft.« Sie griff nach einem Glas Wasser. Es zitterte leicht in ihrer Hand, als sie daraus trank. »Als die RUC zwecks Durchsuchung und Festnahmen anrückte, war alles verschwunden.«

»Na toll!« Fox rollte mit den Augen.

»Paddy, nicht jetzt«, sagte Lancing mit fester Stimme. »Bitte fahren Sie fort, Lieutenant.«

O’Connor räusperte sich. »Die RUC wurde beschossen und das Feuer wurde erwidert. Ein Verdächtiger wurde verwundet, zwei weitere sind entkommen. Schlimmer war jedoch, was man in der Scheune gefunden hat.« Sie hielt inne und nahm einen weiteren Schluck. »Statt der Kalaschnikows war eine Leiche unter der Plane. Er war einer unserer Informanten. Sein Name war Sean Fannon. Ich war sein Führungsoffizier. Es waren Seans Informationen gewesen, die zur Entdeckung der Waffen geführt haben. Er war unser hochrangigster Informant in der South Armagh Brigade und unser Spitzel in McCrackens Gruppe.« O’Connor senkte den Blick und füllte zitternd ihr Glas auf.

Es herrschte respektvolle Stille, die Lancing schließlich durchbrach. »Fannon war einer der vier im Haus, neben McCracken, Grew und dem verwundeten Verdächtigen – Kelly Dermott.«

»Die gesamte Operation war von vornherein gefährdet. Wir hätten einfach die Waffen und den Sprengstoff einsacken und selbst einliefern sollen«, stellte Gord mit seinem cornischen Akzent fest.

»Seh’ ich auch so.« Fox war unverblümt. »Hat Dermott schon gesungen?«

O’Connor schüttelte den Kopf.

»Lass mich fünf Minuten mit ihm allein.«

»Paddy!«, ermahnte Lancing. »So nicht. Abgesehen davon wird er noch operiert.«

Fox ignorierte Lancings Ton. »Was hat Fannon verraten? Wo ist die undichte Stelle?«

»Wir wissen nicht, ob es eine gibt.« O’Connor hatte ihre Fassung zurückerlangt. »Es könnte alles Mögliche sein. Wir haben allerdings neue Informationen. Ein Anruf zu einer Nummer, die überwacht wurde, bestätigte, dass McCrackens Gruppe die Waffen in einem Mordversuch an Liam Taylor benutzen wollte.«

»Fantastisch.« Napp schloss die Augen und seufzte.

»Wer?«, fragte Snow ahnungslos.

»Taylor ist ein Aktivist der Loyalisten. Er hat die IRA herausgefordert, um etwas zu beweisen.«

»Danke.« Snow nickte dem Lieutenant zu.

O’Connor fuhr fort. »Taylor ist sich der Situation nicht bewusst und dabei wollen wir es belassen. Angesichts seiner Position würde er an die Öffentlichkeit gehen. Wir alle wissen, dass die zusätzliche Medienberichterstattung beiden Seiten nur mehr Freiwillige einbrächte.«

»Wir sollten an Taylors Frau und Kinder denken und nicht an die verdammten Medien«, knurrte Fox.

»Wissen wir, wo und wann sie es auf Taylor abgesehen haben?«, fragte Snow.

»Nein. Dermott hält dicht, aber wir wissen, dass der Angriff kurz bevorsteht. Wir können nur darauf warten, dass McCracken wieder Kontakt aufnimmt. Die Nummer, die er angerufen hat, steht in Verbindung mit Pat Dolan, dem ehemaligen Sinn-Féin-Mitglied. Dolan finanziert McCrackens Gruppe von jenseits der Grenze.«

»Das wird ja immer schöner.« Napps Sarkasmus war deutlich. »Kennen wir Taylors Pläne?«

»Wir wissen, dass er morgen irgendwann nach sechs ein Radiointerview in seinem Haus geben soll.«

»Großartig.«

»Ein Interview worüber?«, wollte Gord wissen.

»Wissen wir nicht. Hätten wir den Radiosender befragt, wäre aufgefallen, dass wir an Taylor interessiert sind.«

»Wie sieht also der Plan aus?« Snow wollte nicht noch mehr Zeit verschwenden.

Falls O’Connor erleichtert war, dass die Zahnfühlung vorüber war, ließ sie sich nichts anmerken. »Snow und Fox, ihr geht auf verdeckten Beobachtungsposten vor Taylors Haus. Gord und Napp, ihr behaltet die Zufahrtsstraße im Auge. Fannon wusste, dass diese Splittergruppe noch mehr Mitglieder hat, aber nicht wer oder wo sie waren. Unser Plan ist, abzuwarten, wer auftaucht, und denjenigen festzunehmen. Die RUC übernimmt dann von da aus.«

»Vergiss die RUC, wir sollten sie einfach ausschalten. Dafür sind wir schließlich da, oder nicht? Um den Waffenstillstand um jeden Preis aufrechtzuerhalten.«

O’Connor war schockiert. »Nein, Napp, die Vierzehnte ist kein Killerkommando. Sean … Fannons Tod ist sehr bedauerlich, aber wir müssen der RUC freie Hand lassen.«

»Freie Hand? Was, wenn die Provos freie Hand mit den Kalaschnikows haben? Wenn sie eine Bombe zünden?«, fügte Napp hinzu.

Lancing hob seine Hände zu einer beruhigenden Geste. »Es gibt nichts, was ich mir mehr wünsche, als ihnen das Handwerk zu legen. Ich will, dass sie dafür bezahlen, was mit Fannon passiert ist, aber das hier ist größer als nur ein Mann – egal, wer er auch sei. Wenn die RUC jemanden festnehmen kann, werden wir herausfinden, wer sonst noch involviert ist.«

Napp und Gord tauschten Blicke aus, sie wirkten nicht überzeugt. Fox starrte nur O’Connor an, während Snow seinen Kaffee trank.

»Es geht heute Abend los. Fragen?«, sagte O’Connor.

»Sind wir fertig?«

O’Connor holte tief Luft. »Ja, Paddy, das sind wir.«

»Gut. Suchen wir uns was zu beißen.« Fox stand auf und öffnete die Tür.

Die vier Soldaten machten sich auf den Weg zur Kantine. Sobald ihre Teller vollgeschaufelt waren, setzten sich sie an einen Tisch nahe der Wand. Das restliche Personal wusste, wer die SAS-Jungs waren, und machte einen weiten Bogen um sie.

Snow sah Fox über den Tisch hinweg an. »Hast du was gegen sie?«

»Wen?«

»Mary O’Connor.«

»Ich mag sie einfach nicht, das ist alles.« Fox nahm einen großen Schluck Tee. »Sie ist zu politisch. Wenn ich Politiker werden wollte, würde ich ‘nen Affenanzug mit ‘ner großen Rosette tragen.«

»Und was würde da draufstehen? Bester Zuchthengst?«, fragte Napp mit vollem Mund.

»Halt’s Maul«, erwiderte Fox.

»Stand sie Fannon nahe?«

»Sie hat ihm gezeigt, wo’s langgeht, wenn du weißt, was ich meine.« Gord hob vielsagend die Augenbrauen.

»Sie ist ‘ne Nutte.« Fox stand unvermittelt auf und ging zurück zur Theke.

Gord beugte sich vor. »Ignorier’ Paddy; er ist ein bisschen empfindlich, wo doch seine Frau jemand anderen gevögelt hat und so.«

»Aha.« Snow nahm einen Bissen von seinem Hühnchen.

»Wie lang ist das her? Fünf Jahre?«, fragte Gord.

»Sieben«, antwortete Napp.

»Er kann nachtragend sein«, meinte Gord.

»Ein Gedächtnis wie ein Elefant«, bestätigte Napp. »Passt zu seinen Ohren.«

Fox kam zusammen mit Lancing zurück, der das Team ansprach. »Auf die Beine, Männer. Ich habe gerade eine Nachricht erhalten. Wir haben einen Anruf von Dolan an einen seiner alten Stellvertreter abgefangen. Die Aktion steigt heute Nacht.«

Keady, South Armagh, Nordirland

Heftiger Regen hatte eingesetzt, als das Bond-Auto durch Keady fuhr. Taylor wohnte in einem großen, weißen freistehenden Haus gleich an der Crossmore Road. Dies war die noble Gegend des Dorfes. Weitere ansehnliche Gebäude, alle in beträchtlichem Abstand zueinander, sprenkelten die sonst offene Landschaft.

Taylors Haus hatte seiner Mutter gehört. Sie war Katholikin gewesen, eine hoch angesehene Persönlichkeit der lokalen Gemeinde. Auch wenn viele Anwohner seine Ansichten ablehnten, wurde er daher geduldet. Nur nicht von der IRA, doch zu seinem Glück hatte die South Armagh Brigade andere Probleme, nämlich die Britische Armee, die immer noch die Gegend patrouillierte und einen permanenten Checkpoint in der Nähe betrieb.

Napp steuerte den Wagen am Haus vorbei und bog bergauf nach links ab. Die Kabinenbeleuchtung war ausgeschaltet. Er legte einen extra angebrachten Schalter um, der die Bremslichter deaktivierte, bevor er am Straßenrand anhielt. Ein zufälliger Beobachter hätte nicht bemerkt, dass der Wagen stehengeblieben war, damit zwei Agenten aussteigen und sich durch die Hecken in das dahinterliegende Feld schlagen konnten.

Fox und Snow lagen regungslos auf der nassen Erde im Gebüsch am Rand des Feldes, als das Auto wegfuhr. Ihre Nachtsichtgeräte verwandelten die Nacht um sie herum in eine grüne, befremdliche Welt. Sie rührten sich nicht vom Fleck, bis ihre Ohren sich an die Umgebungsgeräusche gewöhnt hatten. Als sie sicher waren, allein zu sein, machten sie sich in geduckter Haltung auf den Weg, während der Wind zunahm und Regen in ihre Gesichter trieb.

Wie auf Stichwort hörten sie das entfernte Dröhnen von zwei Chinook-Hubschraubern auf dem Weg nach Norden. Die Helis waren zur Ablenkung bestellt worden, während das Team anrückte.

Fannons Tod hatte O’Connor derart aufgebracht, dass sie Luftunterstützung angefordert hatte, in Form einer Army Air Corps Gazelle mit Fledermaus-Technologie. Der Hubschrauber war mit FLIR-Infrarotkameras ausgestattet, die es ermöglichten, Verdächtigen zu folgen, ohne auf dem Boden gesehen oder gehört zu werden. Bis jetzt hatte die Fledermaus noch keine Bewegung ausmachen können.

Der Beobachtungsposten war ein leerstehendes Haus. Es stand nach dem Tod des ursprünglichen Besitzers schon seit über einem Jahr zum Verkauf und lieferte eine gute Aussicht auf Taylors Grundstück und die einzige Zufahrtsstraße. Napp sollte einmal um den Hügel fahren und seinen Wagen außer Sichtweite, aber nahe der Straße abstellen und zu Gord stoßen, der bereits durchnässt unter einer Hecke auf der anderen Seite des Feldes saß.

Fox hielt plötzlich inne und Snow machte es ihm eine Millisekunde später nach. Fox wies Snow an, dortzubleiben, während er weiterkroch; er hatte etwas bemerkt und wollte nachsehen.

Fox kam zurück. Er näherte sich Snow und flüsterte in dessen Ohr. »Ist das zu glauben? Es war ein verfluchter Fuchs.«

Snow lächelte und bereute es sofort, als noch mehr Schlamm seinen Mund benetzte.

»Okay. Luft ist rein. Das Haus liegt direkt vor uns und ist leer. In Taylors Bude brennt Licht im hinteren Schlafzimmer.«

Sie zogen weiter, etwas schneller als vorher, während der Regen noch heftiger wurde. Als sie den Hügel hinaufkrochen, ragte das Haus über ihnen empor. Sie rannten darauf zu und drückten sich gegen eine Hauswand. Von beiden Männern unbemerkt drehte der Heli eine Runde über dem Haus und konnte keine Bewegung oder Wärmesignatur feststellen, aber die Männer auf dem Boden wollten sich nicht allein auf FLIR-Kameras verlassen.

Sie zogen ihre SIGs, gingen an der Hintertür in Position und stellten ihre NSGs auf Aufhellmodus, um den Mangel an Umgebungslicht im Gebäude auszugleichen. Snow nickte und Fox preschte voran. Mit beiden Händen an der SIG übernahm er die rechte Flanke, Snow ging nach links.

»Sauber.« Fox’ Stimme war leise, aber nicht flüsternd.

Sie gingen durch die leergeräumte Küche bis in den Flur. Leer. Türen zu Wohn- und Esszimmer säumten den Gang, der an der Eingangstür und der Treppe in den ersten Stock endete.

Systematisch schlichen sie aus verschiedenen Winkeln ins Wohnzimmer, um sich zu vergewissern, dass es leer war. Nach der Überprüfung des Esszimmers war die Treppe dran. Immer zwei Stufen auf einmal nehmend und immer schön am Rand, in der Hoffnung, dass die Stufen sich nicht knarzend beschwerten, rückten sie vor. Dies war die potenziell gefährlichste Stelle.

Im ersten Stock gab es drei Schlafzimmer und ein Bad zu überprüfen. Vom Elternschlafzimmer aus, in dem sie ihren Posten errichten wollten, sah man direkt auf Taylors Haus hinunter. Fox ging nach links und drehte sich direkt ins erste Schlafzimmer, während Snow ihm von Treppenabsatz aus Deckung gab. Alles sauber. Sie wiederholten die Prozedur mit dem nächsten zwei Räumen, bis beide Männer schließlich das Elternschlafzimmer betraten … sauber. Fox lehnte sich gegen eine Wand, schwitzend vor Konzentration, und seufzte erleichtert. Snow ging näher ans Fenster in den Schatten, von außen nicht zu sehen.

»Wir sind in Position«, sprach Fox in sein Kehlkopfmikrofon.

»Verstanden«, erwiderte Napp.

Snow nahm eine Wasserflasche aus seinem Gepäck und spülte sich den Mund aus, bevor er auf den Boden spuckte.

»Hast du keine Manieren? Bist du im Stall aufgewachsen?«

»Nein, im Zirkus.« Snow trank weiter.

»Ah, ich seh’ schon. Und deine Mutter war die bärtige Lady?«

Snow musste unfreiwillig lachen und verschluckte sich fast.

»Im Ernst, wir sollen keine Spuren hinterlassen.«

»Scheiße.« Snow wurde sein Fehler jetzt bewusst.

Fox lachte in sich hinein. »Glaubst du, die finden deine Spucke und übersehen unsere dicken, fetten Schlammspuren? Ich zieh’ dich nur auf, Muttersöhnchen.«

Snow entpackte seinen Rucksack und baute den Beobachtungsposten auf.

Durch IR-Spektive behielt das Paar nun ein Auge auf dem Zielbereich, während die Minuten dahinstrichen und zu Stunden wurden. Der Regen nahm weiter zu, Blitze zuckten in der Ferne und ein Sturm zog auf. Das Haus schien um sie herum zu schrumpfen und zu wackeln.

»Kacke. Wenn das Wetter so bleibt, bringt die Fledermaus gar nichts«, knurrte Fox.

Im Dunkeln nickte Snow ungesehen. »Dann sollten wir besser mit dem Angriff rechnen.«

»Glaub’ ich auch.«

Sie warteten eine weitere Viertelstunde. Der Sturm verschlimmerte sich, bis wie auf ein Signal hin O’Connors vertraute Stimme erklang. »Fledermaus zurück zur Basis.«

Fox las Snows Gedanken. »Wer auch sonst sollte es sich mit dem Piloten da oben gemütlich machen?«

Zehn weitere Minuten vergingen, während der Regen gegen die Fenster schlug, bis sich Gord über Funk meldete. »Bewegung. Übers Feld. Vier X-Rays.«

Snow schwenkte sein Spektiv und sah in Richtung von Napps und Gords Position. Eine Lücke in der Hecke beherbergte ein Gartentor. Er konnte Gestalten ausmachen, die von der Rückseite auf Taylors Haus zuhielten. Sie hielten die Köpfe gesenkt, um sich vor dem Regen zu schützen, aber irgendetwas war faul. Snow kniff die Augen zusammen. Sie schienen nicht bewaffnet zu sein. Sie blieben stehen, wandten sich dem Beobachtungsposten zu und sahen hinauf. Einer von ihnen winkte.

»Was zum …?«

»Die frechen Schweine. Die verarschen uns.« Fox fing an zu lachen.

Snow sprach in sein Mikrofon. »X-Rays wissen Bescheid. Wiederhole. X-Rays wissen Bescheid.«

»Verstanden. Bestätige«, gab Gord zurück.

Snow beobachtete die Gruppe weiterhin, die nun umkehrte und den gleichen Weg zurücklief.

»Abbrechen, ich wiederhole, abbrechen«, wies Fox an. Da O’Connor zurück auf dem Hubschrauberlandeplatz war, hatte er das Kommando.

»Das war’s also?«

Fox stand auf und streckte sich. »Richtig, Kleiner. An den vier Typen wird nichts dran sein. Werden sich als ansässige Sympathisanten rausstellen.« Fox betätigte die Sendetaste. »Brauch’ ein Taxi.«

»Verstanden«, sagte Napp, eine Spur von Humor in seiner Stimme. »Schicke die RUC-Limo.«

Fox und Snow sammelten ihre Ausrüstung ein und verließen das Haus. Snow warf einen letzten Blick aus dem Fenster und sah das Blaulicht der beiden RUC-Fahrzeuge am Gartentor. Der Regen hatte inzwischen nachgelassen und er konnte die vier Männer ausmachen, die mit erhoben Händen dastanden. Das Agenten-Duo ging denselben Weg zurück, den sie gekommen waren, über das matschige Feld bis zu ihrem Startpunkt.

Snow erreichte die Hecke zuerst. Er duckte sich und kroch hindurch. Auf der anderen Seite stand er plötzlich Auge in Auge mit Jimmy McCracken und Marin Grew. Sie standen vor einem dunklen Kleintransporter und hielten Kalaschnikows.

»Rühr’ dich und du bist tot!«, fauchte McCracken, seine AK-47 unmissverständlich auf Snows Kopf gerichtet.

Eine Sekunde später erschien Fox. »Das SAS-Schwein gehört mir.« Er sprach plötzlich im reinsten Armagh-Dialekt.

»Und wer zum Geier bist du?«

Fox behielt seinen Blick auf McCracken, sprach aber zu Grew. »’S schon lange her, Marty-Boy.«

Grew wirkte erstaunt. »Ist das Paddy Fox höchstpersönlich?«

»Du kennst den?«, fragte McCracken ungläubig.

»Früher mal.«

»Ich bin dein Maulwurf, McCracken«, ließ Fox ihn wissen. »Ruf Dolan an, der weiß das.«