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Bis jetzt stand Maggie auf der Schattenseite des Lebens. Aber als wichtigste Zeugin des smarten Anwalts James Carlson erlebt sie Macht, Glamour und Luxus in Washington und sinnliche Nächte in seinem Bett! Verführt er sie im Namen der Gerechtigkeit?
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Seitenzahl: 188
Sarah M. Anderson
Dunkle Schatten der Leidenschaft
IMPRESSUM
COLLECTION BACCARA erscheint in der Harlequin Enterprises GmbH
© 2012 by Sarah M. Anderson Originaltitel: „A Man of Privilege“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto in der Reihe: DESIRE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe COLLECTION BACCARABand 340 - 2014 by Harlequin Enterprises GmbH, Hamburg Übersetzung: Beatrice Norden
Abbildungen: Harlequin Books S.A., alle Rechte vorbehalten
Veröffentlicht im ePub Format in 04/2014 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783733722821
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
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„Mr Carlson, Tom Yellow Bird ist eingetroffen. Er hat Ms Touchette mitgebracht.“ Die Stimme der Sekretärin klang professionell und neutral. Sie ließ nicht erkennen, welchen Eindruck sie von der Frau gewonnen hatte, die von dem Fahnder hergebracht worden war.
„Vielen Dank.“ James Carlson ließ die Hand nachdenklich auf der Sprechanlage liegen. Er sprach nicht gern durch solche Geräte mit Agnes. Das erinnerte ihn zu sehr daran, wie sein Vater Anweisungen hinter den verschlossenen Türen seines Büros gebrüllt hatte.
Glücklicherweise war sein Vater weit weg. Außerdem würden seine Eltern bestimmt nicht vorbeikommen, um ihn hier im „Wilden Westen“ zu besuchen. Der Anblick seines schäbigen Büros im Justizgebäude von Pierre, der Hauptstadt von South Dakota, würde seine Mutter zweifellos in affektierte Hysterie versetzen.
Nach ihrer Ansicht war sein Job als Sonderermittler des Justizministeriums so gar nicht der kürzeste Weg vom Familiensitz ins Weiße Haus. Die Dynastie der Carlsons wurde in den Medien im gleichen Atemzug mit den Kennedys und den Bushs genannt. Solange er zurückdenken konnte, war er darauf vorbereitet worden, eines Tages für die Präsidentschaft zu kandidieren. Seine Eltern erwarteten, dass er alles Erdenkliche für den Erfolg tat. Sie konnten nicht verstehen, warum er einen solch steilen Pfad gewählt hatte, statt sich von ihnen alle Türen öffnen zu lassen.
James nahm die Akte von Ms Touchette vom Schreibtisch. Auf dem alten Fahndungsfoto war eine am Boden zerstörte Frau zu sehen. Sie versuchte, trotzig dreinzublicken, doch es gelang ihr nicht. In ihrer Akte war von Verdacht auf Drogenhandel, Prostitution und Diebstahl die Rede. Die letzte Festnahme war vor etwa zehn Jahren erfolgt, als James gerade als Jahrgangsbester sein Examen an der Georgetown-Universität abgeschlossen und siebenstellige Angebote von den Topfirmen des Landes bekommen hatte.
Stattdessen hatte er beschlossen, mit einem niedrigen Einstiegsgehalt im Justizministerium anzufangen und sich dort Schritt für Schritt emporzuarbeiten. Er wurde zu einem der besten Staatsanwälte im Land, aber nicht, weil seine Mutter reich oder sein Vater einflussreich war, sondern weil er hart arbeitete und sich an die Regeln hielt.
Ms Touchette hatte Letzteres wohl nicht getan. Allerdings verlor sich ihre Spur vor etwa neun Jahren. Vielleicht hatte sie eine neue Identität angenommen und ihre Vergangenheit hinter sich gelassen – oder sie hatte gelernt, der Polizei zu entwischen. Beides würde erklären, warum Tom Yellow Bird Monate gebraucht hatte, um sie aufzuspüren. Fest stand, dass Ms Touchette ihm als Kriminelle nichts nützen würde. Er brauchte sie als Rückversicherung im Kampf gegen Korruption im Gerichtssaal.
Wäre nicht Yellow Bird dabei gewesen, hätte James die Frau eine Weile warten lassen. Nervöse Menschen waren leichter zu manipulieren als gelassene. Doch James stand auf, zog sein Jackett an und strich die Krawatte glatt. „Dann schicken Sie die beiden bitte herein“, bat er Agnes.
Yellow Bird trat ein und bedeutete der Frau mit einer Geste, ihm zu folgen. James war stehen geblieben. Sogar Kriminelle hatten seiner Meinung nach Anspruch auf elementare Höflichkeit. Als Ms Touchette sein Büro betrat, traute James allerdings seinen Augen nicht. Sie entsprach ganz und gar nicht seiner Vorstellung von einer heruntergekommenen Kleinkriminellen.
Die Frau vor ihm trug ihr schwarzes Haar lang. Es fiel ihr locker über die Schultern, und ein paar Locken waren ihr seitlich ins Gesicht gerutscht. Ihre Haut war makellos. Sie trug einen knöchellangen braunen Rock und ein pinkfarbenes Trägerhemd, und sie hielt einen braunen Lederbeutel umfasst. Sie schien vollkommen nüchtern zu sein, mit leuchtenden Augen und wachem Blick. Sie würde sich gut machen im Zeugenstand.
Noch besser würde sie im Bett aussehen.
Woher war denn der Gedanke gekommen? James hatte schon lange nicht mehr eine so instinktive Reaktion auf eine Frau verspürt. Er vertrieb die unangebrachte Vorstellung aus seinem Kopf. Sie kam nicht infrage. Da sie eine mögliche Zeugin war, durfte er sich nicht von ihrer Attraktivität verleiten lassen. Das wäre unangebracht, unethisch und könnte ihn sogar die Zulassung kosten … Ganz abgesehen davon, dass genau solches Verhalten von seinem Vater zu erwarten war. Außerdem spielte es keine Rolle, wie schön sie war oder wie sehr sie sich verändert hatte.
James kamen Zweifel, dass dies überhaupt das frühere Straßenmädchen war, das Yellow Bird hatte ausfindig machen sollen. Er blickte noch einmal auf das Fahndungsfoto. Er konnte nicht die geringste Ähnlichkeit entdecken. Yellow Bird hatte sich noch nie geirrt, aber es gab für alles ein erstes Mal. „Ich bin Sonderermittler James Carlson. Vielen Dank, dass Sie gekommen sind, Ms Touchette.“
„Ich bin nicht Touchette.“ In ihrer Stimme lag keine Spur von Verunsicherung. Ihr Blick war auf einen Punkt hinter James’ Schulter gerichtet. „Ich heiße Eagle Heart.“
Verwirrt sah James zu Yellow Bird hinüber. Also doch ein Missverständnis? Sein Partner hatte sich zurückgezogen, soweit es in diesem kleinen Büro möglich war, und stand an einen Aktenschrank gelehnt da.
„Zeig es ihm“, sagte Yellow Bird leise.
Die Frau rührte sich nicht. „Maggie.“ Yellow Birds Tonfall wurde schärfer, und sein Akzent trat mehr hervor. Das genügte schon, um ihn bedrohlich klingen zu lassen. „Zeig es ihm.“
Die Frau warf einen Blick auf das Fahndungsfoto auf James’ Schreibtisch. „Ich heiße jetzt Maggie Eagle Heart“, erklärte sie dann und schob sich die Locken aus dem Gesicht. Ein feines Netz verblassten Narbengewebes kam zum Vorschein. Es begann unter dem Haaransatz und zog sich fast bis zur Augenbraue herab. Genau an dieser Stelle hatte das Gesicht auf dem Fahndungsfoto eine übel aussehende Wunde. Die Verletzung war offenbar gut verheilt, aber die Narbe war immer noch sichtbar.
„Und …“, drängte Yellow Bird weiter.
Maggie Eagle Heart wandte sich um und schob einen Träger ihres Hemdes von der Schulter. Eine große Fläche nackter Haut wurde sichtbar. Unwillkürlich ließ James seinen Blick von ihren Schultern hinab tiefer gleiten. Das Hemd schmiegte sich eng an ihre Kurven. Wie mochten wohl die Beine unter dem langen Rock aussehen? Was für ein verrückter Gedanke!
Sie schob ihr langes Haar über die Schulter nach vorn und entblößte eine Tätowierung auf dem Schulterblatt. Es waren stilisierte Flammen, und darin konnte James die Buchstaben „LLD“ erkennen. Margaret Touchette und Maggie Eagle Heart waren tatsächlich ein und dieselbe Frau. Aber welch eine Verwandlung!
Sie stand aufrecht mit hoch erhobenem Kopf vor ihm. Unter keinen Umständen konnte James es sich leisten, ihren Auftritt erotisch zu finden. Doch wie sinnlich sie sich den Träger über die Schulter gestreift hatte … Wie sich das Material ihres Hemdes an ihre Haut schmiegte … Er räusperte sich, um seine Verlegenheit zu überspielen, und setzte sich hinter seinen Schreibtisch, da ihm peinlich war, was sich unterhalb seines Gürtels tat. Dann blätterte er angestrengt in seinen Unterlagen, bis er das Foto ihres Tattoos fand.
Verflixt, was war nur in ihn gefahren? Noch nie hatte er sich durch eine Zeugin von seiner Arbeit ablenken lassen. Jetzt war er mehr als abgelenkt. Was war nur an dieser Frau, das ihn so aus der Fassung brachte? Wenn er schon bei ihrem ersten Gespräch die Beherrschung verlor, wie sollte es erst werden, wenn sie länger zusammenarbeiten mussten?
„Vielen Dank, das genügt.“ Er wünschte, sie würde den dünnen Träger nicht wieder zurückschieben, doch es musste sein. Je eher, desto besser.
Sie wandte sich wieder zu ihm um, und erneut blieb ihr Blick starr auf einen Punkt hinter seinem Rücken gerichtet. James bedeutete ihr mit einer Geste, Platz zu nehmen. „Vielen Dank, Yellow Bird“, sagte er dann. „Ich kann das jetzt übernehmen.“
„Ich möchte, dass Tommy bleibt.“ Wieder war keine Unsicherheit in ihrer Stimme zu bemerken. James war beeindruckt.
„Ich kann Ihnen versichern, Ms Eagle Heart, dass dies nur eine erste Befragung ist. Was wir besprechen, wird streng vertraulich behandelt.“
Kaum merklich runzelte sie die Stirn. Davon abgesehen blieb ihre Miene ausdruckslos. „Leicht gesagt, schwer zu beweisen. Kann er nun bleiben?“
In ihrem Tonfall war eine deutliche Herausforderung zu hören. Damit hatte James nicht gerechnet. Die Menschen, mit denen er es zu tun bekam, hatten gewöhnlich etwas zu verbergen. Sie schwiegen entweder eisern, erfanden die abenteuerlichsten Ausreden oder versuchten, mit der Strafverfolgung zu handeln. Auf jeden Fall waren sie nervös und standen sichtbar unter Druck. Aber diese Frau? Sie verhielt sich völlig anders. Als er Yellow Bird den Auftrag gegeben hatte, Margaret Touchette zu finden, hatte der nur gesagt, dass es ein wenig dauern könne. Er hatte nicht erwähnt, dass er sie kannte.
James sah Yellow Bird fragend an. Der neigte nur zustimmend den Kopf. „Also gut. Fangen wir an.“ Er deutete auf den Stuhl vor seinem Schreibtisch und schaltete das Aufnahmegerät ein. „Fürs Protokoll: Nennen Sie Ihren vollen Namen, alle Pseudonyme und Ihren Beruf.“
Sie zögerte einen Moment, ehe sie sich setzte. Ihre Tasche hielt sie dabei wie einen Schild vor sich und wickelte den Trageriemen um ihre Finger. Das war das einzige äußere Zeichen von Nervosität. „Mein Name ist Maggie Eagle Heart. Früher hieß ich Margaret Mary Touchette, aber das bin ich nicht mehr. Ich stelle Kleidung und Schmuck her und verkaufe die Sachen über das Internet.“
James machte sich Notizen. „Wann haben Sie geheiratet?“
„Ich bin nicht verheiratet.“
Er blickte auf und versuchte, sich seine Überraschung nicht anmerken zu lassen. Sie wäre also zu haben. Das sollte keine Rolle spielen, aber die Information freute ihn dennoch. Maggie Eagle Heart schaute jetzt zu den Akten auf seinem Tisch hin, nicht mehr auf die Wand hinter ihm. Ihn sah sie jedoch noch immer nicht an.
„Ich verstehe.“ Er musste schlucken, aber natürlich nicht, weil er plötzlich nervös geworden wäre. James Carlson, der persönlich vom Generalstaatsanwalt eingesetzte Sonderermittler, wurde nicht nervös. Seine Familie ging mütterlicherseits bis auf die Mayflower zurück. Sein Urgroßvater war der achte Milliardär in Amerika gewesen, und das hatte er nicht geschafft, weil er sich von berauschend schönen Frauen aus der Ruhe bringen ließ. Nerven zu zeigen, war nicht zulässig. Nicht im Gerichtssaal, schon gar nicht während einer einfachen Befragung. „Woher kennen Sie Tom Yellow Bird?“
Sie schwieg eine ganze Weile. „Vor langer Zeit einmal …“, antwortete sie schließlich, „… hat ein Junge namens Tom versucht, ein Mädchen namens Maggie zu retten. Aber es gelang ihm nicht. Niemand konnte das.“
„Leben Sie jetzt in einer Beziehung?“
Yellow Bird hob erstaunt den Kopf, und Maggie Eagle Heart sah James zum ersten Mal direkt ins Gesicht. Seine völlig unangebrachte Frage hing schwer im Raum. Er schluckte erneut. Er hätte diese Frage nicht stellen dürfen … aber er wollte es wissen.
Der Blick aus ihren braunen Augen war mehr als nur ein wenig argwöhnisch. Sie neigte den Kopf zur Seite, während sie die Bedeutung seiner Frage abzuwägen schien. James fühlte sich, als habe er plötzlich die Kontrolle an sie abgegeben. In seinem Nacken spürte er erste Schweißperlen.
„Ich bin mit niemandem zusammen. Was soll das überhaupt?“
Nicht verheiratet. Keine Beziehung. „Wann haben Sie Ihren gegenwärtigen Namen angenommen?“ Er musste dringend wieder in die Spur finden. Er war es, der hier die Fragen stellte.
Sie blickte wieder gelangweilt an die Wand. „Vor neun Jahren.“
Direkt nach ihrer letzten Verhaftung. Er musterte sie erneut. Diesmal allerdings nicht, weil sie eine schöne Frau war. Er versuchte lediglich einzuschätzen, ob sie zur Zusammenarbeit bereit sein würde. „Wie lang war das nach Ihrem letzten Verhandlungstermin?“
In ihrem Blick flackerte es auf, doch ihr Kopf blieb hoch erhoben. „Brauche ich einen Anwalt?“
James sah noch einmal auf das Fahndungsfoto. Das sollte wirklich die Frau vor ihm sein?
„Nein, brauchen Sie nicht. Wenn Sie es aber möchten, kann ich Ihnen eine der besten Anwältinnen im Staat South Dakota empfehlen.“ Er kramte in der Schreibtischschublade, bis er eine von Rosebud Armstrongs Karten fand. Er schob sie zu Maggie Eagle Heart hinüber. „Yellow Bird kann sich persönlich für sie verbürgen.“
Natürlich kannte James Rosebud selbst sehr gut. Doch nur wenige wussten, dass der Sohn des früheren Verteidigungsministers Alex Carlson, der seit seiner Geburt auf ein öffentliches Amt vorbereitet worden war, während seiner gesamten Studienzeit ein Verhältnis mit einer Lakota-Indianerin gehabt hatte. Wenn die Medien davon erfahren würden, wäre seine politische Karriere vermutlich beendet, bevor sie noch begonnen hatte.
Ohne den Blick zu heben, schloss Maggie Eagle Heart die Hand um die Karte. Ihre Finger waren schmal und lang, die Nägel sauber, kurz geschnitten, aber nicht lackiert. An einigen Stellen war die Haut rissig, wie nach harter Arbeit. Dies waren nicht die Hände einer verwöhnten Frau. Nicht wie die von Pauline Walker, die seine Mutter als künftige Ehefrau für ihn ausgesucht hatte. James richtete sich in seinem Stuhl auf. Zurück zur Sache!
„Ms Eagle Heart, ich habe Sie heute zu diesem Gespräch gebeten, weil ich glaube, dass Sie Kenntnis von einem Verbrechen haben. Ich möchte gern Ihre Sicht der fraglichen Ereignisse hören.“
Die Farbe wich aus ihrem Gesicht. „Ich weiß nichts von irgendwelchen Verbrechen. Ich bin unschuldig. Ich bin auch nie verurteilt worden.“
„Ja, obwohl man Sie sieben Mal verhaftet hat. Das ist mir bekannt. Mir ist auch bekannt, dass allen Ihren Verhandlungen derselbe Richter vorgesessen hat. Ein gewisser Royce T. Maynard.“
James’ Puls begann sich zu beschleunigen. Jetzt befand er sich wieder in sicherem Fahrwasser. Maynard war der korrupteste Richter, der jemals dieses Amt bekleidet hatte. Einen Kriminellen wie Maynard aus dem Verkehr zu ziehen, wäre die beste Empfehlung für höhere Weihen. Wenn dieser Fall gewonnen war, konnte er seinen Vertrag mit dem Justizministerium kündigen und sich ernsthaft seiner politischen Karriere widmen. Dann würde ihm der Ruf eines Mannes vorauseilen, dem man zutrauen konnte, auch in der Regierung aufzuräumen. Zuerst würde er sich um das Amt des Generalstaatsanwaltes bewerben, dann um den Gouverneursposten, und dann war es ins Oval Office nicht mehr weit.
Anfangs hatte James nicht verstanden, warum seine Eltern ihn unbedingt eines Tages als Präsidenten des Landes sehen wollten. Auch als Anwalt konnte er viel Gutes tun. Anwälte kämpften für die Wahrheit und für die Gerechtigkeit. So jedenfalls war es ihm vorgekommen, wenn er als Kind den Erwachsenen bei den Cocktailpartys seiner Eltern lauschte. Anwälte konnten sich mit großartigen Siegen rühmen. Politiker beklagten sich ständig über die Widrigkeiten ihres Amtes und über die Ungewissheiten des nächsten Wahlkampfes. Anwälte waren Sieger. Auf Politiker schlug alle Welt ein.
Später dann, als er erwachsen war, hatte James begriffen, dass Anwälte ebenso verlieren wie gewinnen konnten. Es waren die Politiker, die die Macht hatten, die Welt zu verändern. Wenn es so weit kam, wollte James dieses Land genauso führen, wie er seine Fälle verfolgte: effizient, sauber und mit Gerechtigkeit für das Volk. Aber um das bewirken zu können, brauchte er einen makellosen Hintergrund. Keine Skandale, keine Leichen im Keller, keine fragwürdigen Beziehungen mit fragwürdigen Frauen. Frauen wie Maggie Eagle Heart.
Doch eins nach dem anderen. Zuerst musste er Maynards Schuld beweisen. Dazu brauchte er die Aussage von Maggie Eagle Heart.
„Ich frage mich, wie eine Frau, die sich, sagen wir mal, mit den falschen Leuten eingelassen hat, sieben Mal ungeschoren davonkommt. Beim ersten oder zweiten Mal vielleicht, aber immer wieder?“
„Ich weiß nicht, wovon Sie reden.“ Zum ersten Mal wirkte sie verunsichert.
Jetzt hatte er sie. „Ich denke doch, Ms Eagle Heart. Ich glaube, Sie wissen genau, warum Sie heute hier sind, und Sie wissen auch, was ich von Ihnen will.“ Das hätte er nicht sagen sollen. Denn plötzlich sah sie ihn an, zugleich verstehend und herausfordernd. Sie schien ihn durchschaut zu haben. Sie würde es ihm nicht leicht machen.
„Das Justizministerium ist davon überzeugt, dass Royce T. Maynard regelmäßig die Macht seines Amtes missbraucht hat“, fuhr James fort. „Er hat Zeugen bestochen und sich selbst von Angeklagten bestechen lassen. Er hat Geld angenommen, um Urteilssprüche in anderen Gerichtssälen zu beeinflussen und …“, James zögerte, dies laut zu sagen, „… und er hat weibliche Angeklagte zu gewissen Dienstleistungen für Urteilssprüche zu ihren Gunsten genötigt.“
Maggie Eagle Heart wurde noch blasser. „Beschuldigen Sie mich eines Verbrechens?“
„Nicht direkt. Wir glauben nur, dass auch Sie sich von Maynard zu solchen Leistungen haben bewegen lassen, damit er Sie freispricht.“ Er schob die Aussage eines früheren Gerichtsdieners über den Tisch. Der hatte beschworen, dass Maynard regelmäßig seine Verhandlungen unterbrochen hatte, um weibliche Angeklagte ohne deren Anwälte in seinem Büro zu befragen.
Maggie blieb unbewegt. James war sich nicht sicher, ob sie überhaupt atmete. Hatte er einen Fehler gemacht? Er hatte keine Ahnung, was diese Frau im vergangenen Jahrzehnt gemacht hatte, doch es war ganz offensichtlich, dass sie ihr Leben komplett geändert hatte. Doch seine Zweifel währten nur kurz. Er war nicht der jüngste Sonderermittler in der Geschichte des Justizministeriums geworden, weil er sich den Kopf über die Gefühle seiner Zeugen zerbrochen hatte.
„Dies hier ist von einem früheren Strafverteidiger“, fuhr James fort und schob eine weitere Zeugenaussage über den Tisch. Der Mann beschrieb darin, wie der Richter seine der Prostitution bezichtigten Klientinnen – darunter eine gewisse Margaret Touchette – aufforderte, allein mit ihm in sein Büro zu gehen. Der Zeuge bekräftigte, dass die Frauen dabei zu sexuellen Handlungen genötigt wurden und im Gegenzug von allen Vorwürfen freigesprochen wurden. „Sie erinnern sich vielleicht an diesen Verteidiger.“
Maggie Eagle Heart griff nach dem Aktendeckel und las den Namen. Dann schob sie die Akte langsam wieder zu James zurück und holte tief Luft. Das lange Haar hing ihr auf der Seite mit der Narbe ins Gesicht. Ohne dieses Erkennungszeichen konnte James nichts an ihr entdecken, was auf ihre Vergangenheit hinwies. Maggie Eagle Heart war eine selbstbewusste, schöne Frau. Er bewunderte ihre Selbstbeherrschung, aber er musste sich eingestehen, dass es noch etwas anderes an ihr gab, das ihn zu ihr hinzog. Schade, dass er sich nicht die Zeit nehmen konnte, um herauszufinden, was genau das war.
„Warum bin ich hier?“ Alle Unsicherheit war aus ihrer Stimme verschwunden. In ihren Augen blitzte es wütend auf. „Sie haben die Zeugenaussage von zwei Personen. Mich brauchen Sie doch gar nicht mehr.“
„Da irren Sie sich. Die Aussagen dieser beiden beruhen auf Hörensagen. Sie waren nicht selbst dabei, als die Taten begangen wurden. Denn darum geht es, Ms Eagle Heart. Verbrechen. Es ist Angehörigen der Jurisprudenz verboten, Gefälligkeiten von Angeklagten entgegenzunehmen, ganz besonders sexuelle Gefälligkeiten. Ich arbeite daran, solche Kriminellen aus unserem Rechtssystem zu entfernen. Dann können Menschen wie Margaret Touchette eine faire Gerichtsverhandlung bekommen. Damit das gelingt, brauche ich die Aussage einer Betroffenen. Ich möchte, dass Sie genau beschreiben, wie Maynard Sie angesprochen und was er als Gegenleistung für Ihre Freisprüche gefordert hat.“
„Nein.“
James lächelte. „Ms Eagle Heart, bis jetzt sind Sie keines Verbrechens bezichtigt worden. Das könnte sich aber ändern.“
Sie begegnete seinem Blick mit eiserner Entschlossenheit. „Wenn ich Sie richtig verstehe, haben Sie gerade eine Gefälligkeit von mir verlangt als Gegenleistung für einen Freispruch. Was für eine Heuchelei! Aber ich habe gelernt, von euch Anwälten nichts anderes zu erwarten.“ Sie stand auf.
„Was immer Sie Margaret Touchette vorwerfen wollen, ist verjährt. Sie können mich nicht mehr belangen. Sie können mich auch nicht festhalten. Wenn Sie das nächste Mal mit mir sprechen wollen, schicken Sie nicht Ihren Hund nach mir.“ Sie wandte sich zu Yellow Bird um. „Ich will jetzt nach Hause.“ Damit öffnete sie die Tür und verschwand, aufrecht und würdevoll.
Sie war nicht darauf hereingefallen. Sie hatte seinen Bluff durchschaut. James stieß einen leisen Pfiff der Bewunderung aus, was ihm einen erstaunten Blick von Yellow Bird einbrachte. Kurz darauf hörte James die äußere Bürotür ins Schloss fallen.
Na gut. Das war nicht ganz nach Plan verlaufen, aber die Frau hatte ihn beeindruckt. Die meisten Menschen in ihrer Lage wären unter dem Druck eingeknickt. Sie hatte ein ganzes Regal von Leichen im Keller, aber sie ließ sich nicht beirren. James musste sie einfach bewundern. Er wollte mehr von dieser Frau erfahren. Er wog seine Möglichkeiten ab. Er konnte Maggie Eagle Heart nicht vom Haken lassen. Er brauchte ihre Zeugenaussage auf jeden Fall. Wenn er Yellow Bird noch einmal zu ihr schickte, würde sie wahrscheinlich vollends verstummen und jede Aussage verweigern. Ihm blieb nur eine Möglichkeit.
Agnes betrat mit dem Terminkalender in der Hand sein Büro. „Soll ich die junge Dame für einen weiteren Termin vorsehen?“
„Beschaffen Sie mir ihre Adresse.“ Solange er einen legitimen Grund hatte, sich mit ihr zu treffen, handelte er nicht unethisch. Wenn er versuchte, sie zu einer Aussage zu bewegen, brachte das nicht seine Karriere in Gefahr. Solange er sich daran hielt, war alles in Ordnung. Er brauchte sie als Zeugin, und das hieß, dass er sie wiedersehen musste.
Die schwarze Limousine glitt aus der Parklücke, bog scharf nach links und beschleunigte so stark, dass Maggie das Gefühl hatte, sie würden nur noch auf zwei Rädern fahren. Yellow Bird raste wie der Teufel. Er überholte links und rechts und ignorierte gelbe Ampeln an den Kreuzungen. Sein Tempo war eher einer Verfolgungsjagd angemessen als einer Fahrt nach Hause. Eines war ganz klar: Tommy war wütend auf sie.
Ein fast schon vergessenes Gefühl von Angst schnürte ihr den Magen ein. Irgendetwas hatte sie falsch gemacht. Sie hatte früh gelernt, dass schlimme Dinge passierten, wenn Menschen wütend auf sie waren. Als kleines Kind hatte sie sich unter dem Bett versteckt, bis das der erste Ort war, an dem ihr Onkel nach ihr suchte. Später verkroch sie sich, wo immer man sie nicht hinauswarf, nur um nicht nach Hause zu müssen. Zuletzt hatten ihr Drogen die Angst genommen … leider auch alles andere.