Commissaire Cluzet und der Mann aus Stein - Alexandre Dupont - E-Book
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Commissaire Cluzet und der Mann aus Stein E-Book

Alexandre Dupont

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Beschreibung

Endlich Sommerurlaub in den malerischen Weiten der Normandie! Der Pariser Ex-Kommissar Urbain Cluzet sucht Ruhe und Erholung in Auciel Haute, dem beschaulichen Ort seiner Kindheit. Doch als seine Enkelin Nathalie Opfer eines Bankbetrugs wird und der verantwortliche Banker vom neu erbauten Burgturm zu Tode stürzt, erwacht Cluzets Ermittlerinstinkt.

Der örtliche Polizeichef, Vincent Melki, sieht jedoch die Idylle des Ortes gestört und möchte keine Schatten auf das bevorstehende Nationalfeiertagsfest werfen. Denn dort soll der Burgturm eingeweiht werden, um den Chevalier de Cotillon zu würdigen, einen Ritter, der einst die Normandie gegen die Engländer verteidigte. Doch um das ehrgeizige Projekt scheinen sich Intrigen zu ranken ...

Über die Serie:

Urbain Cluzet ist Commissaire de Police in Paris. Besser gesagt, er war es. Denn nach dem Tod seiner geliebten Frau und seiner Pensionierung zieht er sich in seinen Geburtsort, das beschauliche Auciel Haute in der Normandie, zurück. Doch das Ermitteln kann er nicht lassen. Zumal Sandrine Saidi, die begabteste Polizistin des Ortes, von ihrem inkompetenten Chef, dem Major de Police Melki, ausgebremst wird.

Dennoch - oder gerade deswegen - genießt Cluzet das gemütliche Leben in Auciel Haute, wo er im kleinen Gartenhäuschen der Pension seiner Wahl-Enkelin Nathalie Bosc wohnt und sich regelmäßig mit seinem besten Freund, dem Apfelbauern und Schwarzbrenner Bruno, auf einen Calvados trifft.

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Über diese Folge

Endlich Sommerurlaub in den malerischen Weiten der Normandie! Der Pariser Ex-Kommissar Urbain Cluzet sucht Ruhe und Erholung in Auciel Haute, dem beschaulichen Ort seiner Kindheit. Doch als seine Enkelin Nathalie Opfer eines Bankbetrugs wird und der verantwortliche Banker vom frisch rekonstruierten Burgturm zu Tode stürzt, erwacht Cluzets Ermittlerinstinkt.

Der örtliche Polizeichef, Vincent Melki, sieht jedoch die Idylle des Ortes gestört und möchte keine Schatten auf das bevorstehende Nationalfeiertagsfest werfen. Denn dort soll der Burgturm eingeweiht werden, um dem Chevalier de Cotillon zu würdigen, einem Ritter, der einst die Normandie gegen die Engländer verteidigte. Doch um das ehrgeizige Projekt scheinen sich Intrigen zu ranken …

Commissaire Cluzet – Die Serie

Urbain Cluzet ist Commissaire de Police in Paris. Besser gesagt, er war es. Denn nach dem Tod seiner geliebten Frau und seiner Pensionierung zieht er sich in seinen Geburtsort, das beschauliche Auciel Haute in der Normandie, zurück. Doch das Ermitteln kann er nicht lassen. Zumal Sandrine Saidi, die begabteste Polizistin des Ortes, von ihrem inkompetenten Chef, dem Major de Police Melki, ausgebremst wird.

Dennoch – oder gerade deswegen – genießt Cluzet das gemütliche Leben in Auciel Haute, wo er im kleinen Gartenhäuschen der Pension seiner Wahl-Enkeln Nathalie Bosc wohnt, und sich regelmäßig mit seinem besten Freund, dem Apfelbauern und Schwarzbrenner Bruno, auf einen Calvados trifft.

ALEXANDRE DUPONT

Commissaire Cluzet

und der Mann aus Stein

1

Wäre irgendwo in diesem steinernen Klumpen ein Herz gewesen, so blieb es verschlossen. Wie auch Augen und Ohren verschlossen blieben.

Teilnahmslos ließ er sich seinen Platz zuweisen. Ließ sich bestaunen. Ein letztes Mal streicheln und mit einem Lappen herausputzen.

Genauso teilnahmslos blieb er, als es im Raum laut wurde. Als Vorwürfe erschallten. Bekenntnisse und Geständnisse. Auch über seinen Verrat. Als geschrien wurde.

Auch als ein letzter Schrei immer leiser und er hochgehoben wurde, noch bevor der Schrei verstummte. Auch als der Chevalier umhergetragen wurde und plötzlich schier endlos in die Tiefe fiel, blieb er ungerührt.

Ebenso, als sein freier Fall abrupt stoppte und neben ihm nur noch ein Röcheln zu hören war, das schließlich einfach aufhörte.

Nichts, absolut nichts hätte ihn aus seiner Teilnahmslosigkeit holen können. Denn er war im wahrsten Sinne des Wortes aus Stein.

Eine kleine, kaum vierzig Zentimeter hohe Steinfigur.

2

Es fühlte sich nicht richtig an.

Urbain Cluzet saß am Fenster und scrollte auf dem Tablet durch die ersten Nachrichten des Tages. Die schweren, grünen Vorhänge vor den hohen Fenstern waren bis auf einen Schlitz gegen die Morgensonne geschlossen. Tiefschwarzer, zuckerreicher Kaffee dampfte auf dem kleinen runden Tisch mit der Messingplatte, in die das Hoheitszeichen Frankreichs geprägt war. Die Tasse vibrierte gefährlich, als ein Bus an dem Pariser Stadthaus vorbeifuhr.

In der Luft hing noch der Geruch der warmen Zimtröllchen, die Cluzet sich jeden Morgen gönnte. Trotzdem fühlte er sich heute unwohl in seinem grünledernen Ohrensessel. Die Lokalzeitung berichtete auf Seite drei, dass der »Knurrer« die Kriminalpolizei in den Ruhestand verlassen hatte. Verbunden mit der Frage, wer all die großen und kleinen Verbrecher jetzt in Schach halten sollte.

Als »Knurrer« hatte Cluzet es zu einiger Prominenz gebracht. Über zwei Jahrzehnte hatte er als Garant dafür gegolten, dass im 1. Pariser Arrondissement, rund um die Île de la Cité, dem Palais du Louvre und dem Tuileriengarten kaum ein Verbrechen ungesühnt blieb. Nicht immer war er dabei ganz kritiklos davongekommen. Insbesondere, wenn die Journaille geglaubt hatte, dass mal wieder ein paar Taschendiebe viel zu milde davongekommen waren. Weil Cluzet den meist minderjährigen Tätern vor Gericht trotz allem eine gute Allgemeinprognose ausgestellt hatte. Dass er die Not der Jugendlichen erkannt und sie in einem Projekt untergebracht hatte, in dem sie eine fundierte Ausbildung erhielten, hatte Cluzet dabei nie an die große Glocke gehängt. Dafür feierte ihn die Presse, als er einige Schwerverbrecher geschnappt hatte.

Cluzet hatte mit dieser Art von Prominenz nichts anfangen können. Anfragen zu Interviews hatte er grundsätzlich abgelehnt. Und die wenigen Male, bei denen ihm auf den Treppen des Justizpalastes ein Mikrofon ins Gesicht gehalten worden war, hatte er nur Unverständliches geknurrt.

Was ihm seinen Spitznamen eingebracht hatte.

Der Knurrer.

Der jetzt in den Ruhestand gegangen war.

Cluzet nahm die Aufmerksamkeit der Presse mit leichtem Erstaunen zur Kenntnis. Erst vor drei Jahren war er vom Ersten Hauptkommissar zum Polizeirat befördert worden und hatte seither den Titel des »Commissaire de Police« getragen. Damit verbunden war der Wechsel herunter von der Straße, hinein in die Organisation und Koordination von Einsätzen. Es war, zumindest in der Öffentlichkeit, ruhiger um ihn geworden. Er hatte gedacht, dass man seiner Pensionierung wenig Aufmerksamkeit schenken würde.

Cluzet schloss die Apps auf dem Tablet und trug es zur neoklassizistischen Anrichte aus Nussbaumholz, die Ende des 19. Jahrhunderts den Weg in die Familie seiner Frau gefunden hatte. Wie auch die übrige Einrichtung des Wohnzimmers. Eine mehrmals neu aufgepolsterte, samtbezogene Sitzgruppe, bestehend aus Couch und zwei Sesseln sowie einem Chaiselongue. Gemälde mit Motiven aus der Seefahrt in schweren, dunklen Rahmen. Nur die Satintapete mit royalem Lilienmuster war über die Zeit mehrfach erneuert worden.

Cluzet hatte dabei sogar selbst mit Hand angelegt. Und die Kritik an den zwei Falten mitten auf der Wand zur Küche einfach weggeknurrt.

Die verglaste Tür der Anrichte knarrte, als Cluzet sie öffnete und wieder schloss, nachdem er das Tablet im Halter neben der Erstausgabe von Jean-Jacques Rousseaus »Die Kunst zu leben« platziert hatte. Das letzte Buch, das seine Frau ihm geschenkt hatte.

Sein graues Haar spiegelte sich wirr in der Glasscheibe. Er strich die widerspenstigen Strähnen glatt. Dann zog er den Gürtel seines braunen Morgenmantels enger um den ausladenden Bauch. Im Flur steckte er die Füße in graue Filzpantoffeln und verließ die Wohnung.

Als er im Treppenhaus im Erdgeschoss den Briefkasten öffnete, fielen ihm lediglich ein paar Prospekte entgegen. Die meisten priesen Reisen in ferne Länder an, die Cluzet nur ein amüsiertes Schnauben entlockten. Er wusste doch längst, wo er seinen Sommerurlaub verbringen würde. Wie jedes Jahr in Auciel Haute, seinem Geburtsort in der Normandie. Kein anderer Ort auf der Welt konnte ihm auch nur annähernd bieten, was …

Ein Klopfen an der Glasscheibe der Eingangstür riss Cluzet aus seinen Gedanken.

Eine attraktive Frau Anfang dreißig winkte ihm zu und deutete auf die Türklinke. Sie hatte langes, gewelltes, blondes Haar. Im Fensterausschnitt konnte Cluzet das dunkelblaue Kostümjäckchen über einer weißen Bluse sehen. Beides spannte am Körper.

Cluzet ging die paar Schritte zur Tür und öffnete sie.

»Ja, bitte?«

»Bonjour! Ich habe schon ein paarmal bei Monsieur Cluzet geläutet. Kennen Sie ihn zufällig?« Die Frau sah ihn konzentriert an. Was immer sie auch von ihm wollte, gut vorbereitet war sie nicht. Sein Konterfei war mehrmals in diversen Zeitungen und im Internet erschienen. Wie bei einer lokalen Berühmtheit.

»Kann schon sein«, antwortete Cluzet. »Warum?«

Die Frau lächelte professionell. »Das würde ich ihm dann selbst erklären. Können Sie mich hereinlassen? Dann versuche ich es bei ihm an der Wohnung.«

»Bedaure.« Cluzet lächelte ebenso professionell zurück und ließ die Klinke los.

Die Tür krachte zurück in den Rahmen.

Cluzet ließ die Prospekte auf den wackeligen, kniehohen Stapel Altpapier neben der Wohnungstür fallen, der daraufhin prompt umfiel.

»Mist!«, knurrte Cluzet und schob alles notdürftig mit dem Fuß zusammen. Dann holte er seine Tasse und sein Smartphone aus dem Wohnzimmer und ging in die Küche. Clement hatte ihm eine Nachricht geschickt. Auch einer der jungen Taschendiebe, die er von der Straße geholt hatte. Inzwischen betrieb er einen Limousinenservice mit Werkstatt und kutschierte Cluzet zum Dank meist kostenlos durch die Gegend. Für heute jedoch musste er Cluzet absagen. Alle Limousinen waren vermietet. Cluzet würde sich ein Taxi nehmen müssen. Eine dieser vor Dreck stehenden Kutschen, in denen noch der Geruch der letzten zwanzig Fahrgäste hing.

Cluzet schüttete den kalten Kaffee in den Ausguss und schenkte sich neuen ein. Er verbrannte sich die Zunge beim ersten Schluck und knurrte erneut: »Mist!«

Anschließend nahm er die Dose mit dem Vogelfutter aus dem sonst fast leeren Kühlschrank und ging damit ins Schlafzimmer.

Über Nacht musste er seinen Arm ins weiße Kopfkissen seiner Frau gedrückt haben. Oder hatte er im Schlaf sogar versucht, ihr näher zu kommen? Die Decke war ebenfalls verrutscht.

Cluzet stellte die Dose auf ihr Nachttischchen, direkt neben ihr trauerbeflortes Foto, strich das Kissen glatt und richtete die gefaltete Decke wieder. Bérénice hatte immer großen Wert darauf gelegt, dass sie zu beiden Seiten den gleichen Abstand zum Matratzenrand hatte. Genau drei Finger mussten jeweils rechts und links vom Laken zu sehen sein.

Es hatte sich in den fünf Jahren seit ihrem Tod als die schwerste Übung herausgestellt. Immer wieder hatte Cluzet die Decke aufgeschlagen, gefaltet und fein säuberlich ausgerichtet. Doch es war ihm lange nicht gelungen, ihre Ordnung beizubehalten. Bis er herausgefunden hatte, dass er zum Schluss nur etwas Luft aus der Decke streichen musste, damit alles passgenau war.

So auch diesmal.

Bérénice würde zufrieden sein.

Cluzet nahm ihr Foto und das Vogelfutter und trug beides ins Wohnzimmer. Er zog die schweren Vorhänge auf, öffnete die viersprossigen Fensterflügel und verteilte etwas Futter auf den Fenstersimsen. Dann stellte er Bérénices Foto auf die Fensterbank, sah zum Himmel und lächelte.

»Der kleine Michel aus dem zweiten Stock übernimmt das«, erklärte Cluzet. Obwohl Bérénice sicher längst wusste, dass er die Versorgung der Tauben während seiner zwei Urlaubswochen gesichert hatte.

Bérénice hatte ein Jahr vor ihrem Tod damit begonnen, die Tauben zu füttern. Am Tag nach ihrer Krebsdiagnose. Sie hatte ihm nie verraten, warum. Aber es hatte sie glücklich gemacht, ihnen zuzusehen, wie sie nach dem Picken mit den Flügeln schlugen und unterm Himmel dahinglitten. Und wenn sie ihn jetzt sehen könnte, wäre sie glücklich, dass er damit fortfuhr.

Der dunkle Türgong im Flur ging.

Cluzet knurrte etwas vor sich hin. Er hatte keine Lust zu reagieren. Er wusste ja, wer da zu ihm wollte. Die zielorientierte Frau vom Hauseingang. Als es aber auch noch an der Wohnungstür klopfte, blieb Cluzet wohl keine andere Wahl.

»Sie?« Die Frau sah Cluzet mit großen Augen an.

Sie hatte gerade noch an ihrer Aktentasche herumgenestelt, als Cluzet die Tür geöffnet hatte. Erst als sie zu ihm aufgesehen hatte, war ihr das Gesicht heruntergefallen.

»Wie es aussieht …«, antwortete Cluzet. Er nahm eine süßliche Parfümnote wahr, die ihm am Hauseingang entgangen war. Als sie sich wieder gefasst hatte, stellte sie sich als Fabienne Beringer vor. Inzwischen hatte sie auch ihr Kostümjäckchen und die obersten Knöpfe ihrer weißen Bluse geöffnet. Vermutlich, um zu verbergen, dass die Sachen spannten. Oder aber es sollte die Wirkung des berühmten Trinkgeldknopfes erzielen.

Unter Cluzets kritischem Blick schloss Fabienne einen Knopf wieder und setzte ein künstliches Lächeln auf. »Dann haben Sie mich ja vorhin ganz schön auflaufen lassen.«

»Oder aber …«, Cluzet strich sich über den Mund und rieb sich die Nase, um ein Niesen zu unterdrücken, »ich habe nur einfach keine Zeit für Sie.«

Fabienne Beringer sah an seinem Morgenmantel hinab, als wollte sie sagen: Ah, ja! Stattdessen aber zog sie eine Visitenkarte aus der Tasche und überreichte sie Cluzet. Sie wies Beringer als Immobilienmaklerin aus, die für Réalisations Immobilières Paris arbeitete. Ein renommierter Makler einige Straßen weiter. Der Gründer, Enzo Durand, hatte Cluzet einmal versprochen, sich um den Verkauf seiner Wohnung zu kümmern, sollte Cluzet sich jemals verändern wollen. Durand wollte sogar auf seine Provision verzichten, weil Cluzet einen Einbruchsdiebstahl in Durands Haus aufgeklärt und ihm wertvolle Familienerbstücke zurückgebracht hatte.

»Monsieur Durand schickt mich«, sagte Fabienne Beringer. »Er hat von Ihrer Pensionierung erfahren und dachte, Sie könnten seine Dienste brauchen.«

»Dachte er«, wiederholte Cluzet.

»Er nimmt wohl an, Sie wollen Paris verlassen. Wenn ich ihn richtig verstanden habe.«

Tatsächlich hatte Cluzet etwas Ähnliches geäußert, als Durand sein Angebot gemacht hatte. Cluzet hatte nach Bérénices Tod mit diesem Gedanken gespielt, sobald er beruflich nicht mehr hier gebunden wäre. Weil jedes Zimmer mit schmerzhaften Erinnerungen an sie verbunden gewesen war. Mit der Zeit aber waren sie von liebevollen und tröstlichen Gedanken abgelöst worden. Mittlerweile würde die Wohnung aufzugeben bedeuten, das Gedenken an Bérénice aufzugeben.

Was sie vermutlich vollkommen anders gesehen hätte.

Durand hatte sich in einer damals schon altmodischen Rotationskartei eine Notiz gemacht, dass Cluzet sich melden würde, sollte er seine Meinung ändern, und die Kartei in seiner privaten Schreibtischschublade verschwinden lassen.

»Wie geht es Monsieur Durand?«, fragte Cluzet.

»Sehr gut! Er ist erst letzte Woche mit seiner Frau verreist. Hochzeitstag.«

»Und Sie hüten solange seinen Schreibtisch?«

»Sozusagen. Er hat mir die Leitung der Firma übertragen.«

Cluzet reagierte nicht. Eine Taktik, die er in vielen Verhören angewandt hatte, wenn er ahnte, dass ihm nicht die Wahrheit gesagt wurde. Die offensichtlich auch jetzt funktionierte.

Fabienne Beringer straffte die Schultern. Dann erklärte sie ihm, dass sie Durand rundum zufriedenstellen und die Makleragentur in bestmöglichem Zustand wieder übergeben wollte. Aus diesem Grund wollte sie die Agentur auch wieder in Erinnerung bringen, bevor Cluzet sich an jemand anderen wandte.

Während sie ihm die Vorzüge der Réalisations Immobilières Paris und deren exklusiver Kundschaft erklärte, musterte Cluzet sie von Kopf bis Fuß. Die Haarspitzen waren längere Zeit nicht geschnitten worden. Auf der Schulter erkannte er den Schatten von handtellergroßen Flecken. Die Ärmel spannten leicht um den Bizeps. Sie trug keinen Ehering. Aus der Aktentasche lugten zwei Schlüsselanhänger mit den Namen Mila und Liya.

»Sie sind alleinerziehend?«, unterbrach Cluzet Beringers Ausführungen.

»Wie bitte?« Beringer zuckte regelrecht zusammen.

»Kein Ehering. Die Flecken.« Cluzet zeigte auf ihre Schulter. »Und ich weiß, dass Durand seine Firma grundsätzlich schließt, wenn er Urlaub macht.«

Beringers Augen flackerten kurz. Dann straffte sie erneut die Schultern. »Ich habe alle nötigen Vollmachten von Monsieur Durand erhalten …«

»Auch die, seine persönlichen Sachen zu durchwühlen?«, unterbrach Cluzet sie.

Fabienne Beringer stockte, und Cluzet konnte sehen, dass hinter dem hübschen Gesicht einiges geschah.

»Sie sind befreundet?«, fragte sie folgerichtig.

»Das nun nicht gerade.« Cluzet blieb vage und war gespannt, was Fabienne Beringer daraus machte.

Sie atmete aus und ließ die Schultern sinken. Dann atmete sie wieder tief ein. Sie setzte anscheinend zu einer Entschuldigung an.

»Warum?«, fragte Cluzet, bevor sie sie aussprechen konnte.

»Warum was?«, fragte Beringer nach einigem Zögern.

»Warum kommen Sie zu mir? Oder klappern Sie auch noch andere ab? Ihnen muss doch klar sein, dass Durand davon erfährt.« Cluzet machte eine kurze Pause, damit Beringer sich sortieren konnte. Oder eine Ausrede einfallen lassen. Als sie nickte und dazu ansetzte, wagte Cluzet einen Schuss ins Blaue: »Die Kinder, richtig? Sie machen das wegen der Kinder. Mila und Liya.«

Volltreffer! Auf Fabienne Beringers Lidern sammelte sich sofort ein nasser Rand und ihre Augenbrauen hoben sich.

Cluzet schob die Tür weit auf und machte einen Schritt zurück. »Wie wäre es mit einem Kaffee? Sie erzählen, was los ist, und Durand muss ja nicht alles erfahren.«

»Das kann ich nicht.«

»Doch, das können Sie!« Cluzet streckte einen Arm aus und winkte sie herein. »Sie wollten doch sowieso die Wohnung sehen.«

Fabienne Beringer nestelte plötzlich hektisch an der Jackentasche herum und zog ihre Autoschlüssel heraus. »Ich glaube, mein Parkschein läuft ab.«

Es war eine Ausrede. Natürlich. Aber sie erinnerte Cluzet an etwas. »Ach, Sie sind mit dem Auto da?«

3

Cluzet öffnete den Hemdkragen und zwei weitere Knöpfe, als der Bus am frühen Nachmittag an der Ampel in der Rue des Merles in Auciel Haute hielt. Der feuchte, weiße Stoff klebte ihm auf der Haut. Schweißperlen rannen Cluzet vom Hals ins graue Brusthaar. Seine Reisetasche aus schwarzem Segeltuch war unter den Vordersitz gerutscht. Als Cluzet sich danach bückte, fühlte es sich an, als wäre sein Rücken bereits mit dem grauen Kunstleder der Lehne verschmolzen gewesen.

Auf der Nationalstraße durch die Apfelbaumplantagen hatte der Busfahrer die Tür vorn aufgelassen, und ein angenehmer Wind war durch die leeren Sitzreihen geweht. Seit sie aber die ersten Häuser des kleinen Auciel Hautes hinter sich gelassen hatten, kam davon kaum noch etwas auf den hinteren Plätzen an. Die Sonne heizte den Bus auf wie eine Sauna.

Er hatte sich von Fabienne Beringer zum Bahnhof Saint-Lazare fahren lassen. Nachdem sie ihm in der Küche gestanden hatte, dass sie im Grunde nur eine Schreibkraft in Durands Firma war. Seit Monaten blieben die Unterhaltszahlungen für ihre Töchter aus. Sie hatte nur eine Gelegenheit gesucht, einen guten Eindruck bei Durand zu hinterlassen. Vielleicht verbunden mit einem Aufstieg. Einer kleinen Provision. Einem kleinen Gehaltsplus. Cluzet hatte verstanden, dass der Antrieb für ihre Scharade pure Not gewesen war.

Sie hatte sich furchtbar geschämt und auf irgendeine Wiedergutmachung bestanden. Was Cluzet gerade recht gekommen war.

Vom Bahnhof Saint-Lazare aus war er mit dem Zug nach Rouen gefahren, dort in den Bus umgestiegen, und der junge Fahrer hatte ihn grinsend begrüßt mit: »Heute gibt’s keine Klimaanlage.«

Dafür hatte er Charles Trenets uralten Chanson »La Mer« aus den Lautsprechern schnarren lassen. Als hätte er die Unannehmlichkeit mit der Vorfreude auf Strand und Meer ausgleichen wollen. Cluzet war kein ausgesprochener Chanson-Liebhaber, trotzdem hatte es funktioniert. In Cluzets Mundwinkeln hatte sich ein feines Lächeln festgesetzt, und er hatte die Melodie immer wieder vor sich hin gesummt.

Außerdem war er von Paris Schlimmeres gewöhnt. Im Hochsommer war die gesamte Stadt ein Backofen, was ihm mit zweiundsechzig langsam zusetzte. Hier dagegen ging immer eine leichte Brise vom nahen Atlantik her ins Land. Nicht selten musste man auch an heißen Tagen abends eine leichte Jacke griffbereit halten.

Cluzet hielt die Reisetasche auf dem Sitz neben sich fest und sah nach draußen zu den Ahornbäumen, die die Allee zum Hôtel de Ville säumten. Das Rathaus war der einzige klassizistische Bau in der Innenstadt, die ansonsten geprägt war von typisch normannischen Fachwerkhäusern. Die meisten zeugten mit krummen und schiefen Wänden davon, was sie in all den Zeiten erlebt hatten.

Die Ahornblätter gingen leicht im Wind. Ebenso die blau-weiß-roten Girlanden, die bereits für den Nationalfeiertag über die Allee gespannt worden waren. Cluzet wünschte sich, ein Fenster öffnen zu können. Er zog ein Taschentuch aus der Hosentasche, schloss die Augen, wischte sich von der Stirn übers Gesicht und den Hals.

Ein intensiver Geruch nach Käse kroch ihm in die Nase. Unverkennbar ein Pont-L’Évêque. Ein sehr vertrauter Geruch aus Cluzets Kindheit.

Cluzet atmete tief ein und öffnete die Augen wieder. Eine alte Frau in ausgeblichenem, blauem Kleid und Gummistiefeln war zugestiegen. In der einen Hand trug sie einen dunkelbraunen Weidenkorb, der sich an den Ecken und Kanten bereits auflöste. Mit der anderen Hand hatte sie sich auf eine gestenreiche Diskussion mit dem Fahrer eingelassen. Als sie sich kurz im Bus umsah, erkannte Cluzet sie wieder. Es handelte sich um Madame Talbot. Auch mit Anfang achtzig waren ihre Augen unter dem Kopftuch noch immer hellwach.

Cluzet lehnte sich vor, um sie und den Fahrer besser verstehen zu können. Er legte die Arme über die Sitzlehne vor sich.

»Wieso soll ich dann nicht einsteigen können?«, fragte Madame Talbot. »Die Tür steht doch offen!«

»Weil das keine Haltestelle ist. Da darf ich weder jemanden ein- noch aussteigen lassen. Aus Sicherheitsgründen«, antwortete der Busfahrer.

»Da haben wir ja Glück gehabt, dass mir nichts passiert ist, richtig?«

Der Fahrer sah Madame Talbot mit offenem Mund an. Mit einer Hand hatte er wohl auf irgendetwas zeigen wollen. Aber sie stand nur in der Luft.

Madame Talbot zuckte mit den Schultern. »Und jetzt?«

»Ich darf Sie nicht zusteigen lassen«, wiederholte der Fahrer.

»Soll ich wieder aussteigen?«

»Das macht es doch nicht besser!«

»Warum fahren Sie dann nicht endlich los?« Madame Talbot wies auf die Ampel. »Grüner wird’s bestimmt nicht.«

»Zeigen Sie mir wenigstens Ihr Billet.« Der Fahrer forderte es zusätzlich mit einer Handbewegung ein.

»Mein was?«

»Wie weit wollen Sie denn mitfahren?«, fragte der Fahrer resigniert und tippte auf einem kleinen Bildschirm neben dem Lenkrad herum.

»Nur die Straße runter bis zum Marktplatz.«

»Ich halte nicht am Markt. Erst am Busbahnhof.«

»Dann machen Sie eben eine Ausnahme, und ich springe einfach raus.«

Der Fahrer sah sie fassungslos an und schüttelte den Kopf.

Cluzet ahnte, worauf das hinauslief. Er zog sich an der Vorderlehne aus dem Sitz und ging nach vorn.

»Madame Talbot«, grüßte er die alte Dame und sah in den Weidenkorb. Der Inhalt war mit einem Tuch abgedeckt. Aber der Pont-L’Évêque dominierte jetzt alles. Selbst den Geruch, den der durchgeschwitzte Busfahrer absonderte. Offensichtlich betrieb Madame Talbot noch immer den kleinen Hof neben Cluzets früherem Elternhaus und produzierte ihren eigenen Käse.

Madame Talbot nickte zurück. »Monsieur le Commissaire.«

Der Fahrer sah zu Cluzet auf. »Sie sind von der Polizei? Gut, dass Sie da sind.«

»Ich war Polizist. Das ist vorbei«, klärte Cluzet auf.

»Ach!« Madame Talbot stand das Erstaunen ins Gesicht geschrieben.

Cluzet schob sich in die Sitzreihe hinter dem Fahrer und winkte Madame Talbot durch. »Möchten Sie sich nicht setzen?«

Kaum war sie an ihm vorbeigegangen, beugte Cluzet sich zum Fahrer hinab und fragte leise: »Sie sind noch nicht lange auf dieser Linie?«

»Ich bin nur eingesprungen.«

Cluzet nickte wissend. »Normalerweise sitzt Madame Talbots Neffe hinterm Steuer.«

Der Fahrer verdrehte die Augen. »Verstehe!«

»Nein, tun Sie nicht«, lachte Cluzet, ließ sich den Fahrpreis ansagen und zahlte passend. Anschließend ging er zurück zu seinem Platz und setzte sich wieder neben seine Reisetasche.

Madame Talbot hielt in der Sitzreihe daneben ihren Korb auf dem Schoß fest. Sie mochte alt geworden sein, aber sie saß noch immer so aufrecht wie damals, als sie hin und wieder das Kindermädchen für Cluzet gespielt hatte. Ihre Erscheinung war einfach, ihr Auftreten mochte barsch wirken, aber in ihr steckte noch immer die Grazie und Vornehmheit, die sie schon damals ausgestrahlt hatte.

Cluzet räusperte sich und hüstelte dann, als Madame Talbot nicht reagierte.

Sie drehte den Kopf nur leicht in seine Richtung. Dann schlug sie die Augen auf und sah Cluzet mit hochgezogenen Augenbrauen an. »Ja?«

Es rührte sich etwas in Cluzet. Dieses mulmige und gleichzeitig gespannte Gefühl, das er als Junge gehabt hatte, wenn Madame Talbot ihn bei den Hausaufgaben am Küchentisch beaufsichtigt hatte. Sie hatte ihn mit strengen Blicken im Zaum gehalten. Aber in ihren Augenwinkeln hatte er immer auch noch einen leichten Schalk entdeckt.

»Ist heute Markttag?«, fragte Cluzet mit Blick auf den Weidenkorb.

Madame Talbot nickte mit geschlossenen Lidern. »Und du? Machst wieder Urlaub?«

»Ja«, seufzte Cluzet unwillkürlich, und der Schuljunge in ihm erwartete, dass Madame Talbot lachte.

Aber sie schüttelte nur den Kopf. Dazu murmelte sie etwas, das nach »L’urbain« klang. In dem gleichen abschätzigen Ton, mit dem sie ihn auch am Küchentisch abgekanzelt hatte, wenn er von seinen Träumen erzählt hatte, mal ein wichtiger Mann in einer großen Stadt zu werden. Der simple Artikel vor seinem Vornamen, Urbain, machte aus ihm den »Städter«. Eine alles andere als wohlgemeinte Bezeichnung insbesondere für Hauptstädter, denen die Bodenständigkeit verloren gegangen war.

»Was?«, hakte Cluzet nach und erntete dafür erneutes Kopfschütteln. Diesmal mit geschlossenen Augen. »Entschuldigung! Wie bitte?«

Madame Talbot nickte anerkennend. »Das kann nur Städtern einfallen, dass sie Urlaub vom Ruhestand brauchen.«

»Nicht davon. Sondern von …« Cluzet stockte. Ja, wovon eigentlich? Die erste Antwort, die ihm einfiel, nämlich Paris, schluckte er lieber herunter.

Trotzdem sah Madame Talbot ihn an, als hätte sie seine Gedanken gelesen. »Du bist doch jetzt fertig in der großen Stadt. Warst ein wichtiger Mann. Jetzt kannst du heimkommen.«

»Aber Paris ist mein Zuhause.«

»Dein Zuhause ist hier! Paris war Bérénices Welt.«

Cluzet lachte nur leise. Es mochte so sein. Aber Bérénice war Cluzets Welt gewesen. Das schloss Paris mit ein. Cluzet war sich nicht sicher, ob er das Madame Talbot wirklich verständlich machen konnte. Also wechselte er stattdessen das Thema.

Zurück zu der Ahnung, die er gehabt hatte, als Madame Talbot mit dem Busfahrer diskutiert hatte.