Commissario Mariani - Die Toten von Genua - Maria Masella - E-Book
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Commissario Mariani - Die Toten von Genua E-Book

Maria Masella

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Beschreibung

Ein erschreckender Fund: Der fesselnde Kriminalroman »Commissario Mariani – Die Toten von Genua« von Maria Masella jetzt als eBook bei dotbooks. Seit Monaten hält ein brutaler Serienmörder die Polizei von Genua in Atem. Als Commissario Antonio Mariani an den Tatort eines vermeintlichen Selbstmords gerufen wird, scheint es eine Verbindung zum Killer zu geben –ist der Tote ein weiteres Opfer? Doch es ist ein ganz anderes Rätsel, das dem Commissario einen Schock versetzt: In der Wohnung des Toten liegt ein Foto von Marianis Frau! Ist Francesca unwissentlich ins Fadenkreuz des Mörders geraten? Obwohl er weiß, dass es riskant ist, verschweigt Mariani dieses Detail und ermittelt umso fieberhafter, um alle Verbindungen aufzudecken und endlich den Mörder zu finden – bevor der seiner Familie gefährlich werden kann ... Jetzt als eBook kaufen und genießen: Der packende Italien-Krimi »Commissario Mariani – Die Toten von Genua« von Maria Masella ist der zweite Band ihrer Reihe um den Kommissar Antonio Mariani, der unabhängig vom ersten Band gelesen werden kann und Fans von Donna Leon, Andrea Camilleri und Pierre Martin begeistern wird Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Seitenzahl: 327

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Über dieses Buch:

Seit Monaten hält ein brutaler Serienmörder die Polizei von Genua in Atem. Als Commissario Antonio Mariani an den Tatort eines vermeintlichen Selbstmords gerufen wird, scheint es eine Verbindung zum Killer zu geben –ist der Tote ein weiteres Opfer? Doch es ist ein ganz anderes Rätsel, das dem Commissario einen Schock versetzt: In der Wohnung des Toten liegt ein Foto von Marianis Frau! Ist Francesca unwissentlich ins Fadenkreuz des Mörders geraten? Obwohl er weiß, dass es riskant ist, verschweigt Mariani dieses Detail und ermittelt umso fieberhafter, um alle Verbindungen aufzudecken und endlich den Mörder zu finden – bevor der seiner Familie gefährlich werden kann ...

Über die Autorin:

Maria Masella wurde 1948 geboren. Sie studierte Mathematik und war viele Jahre lang als Lehrerin in diesem Fach tätig, bevor sie sich ganz dem Schreiben widmete. Ihre Kurzgeschichten und Erzählungen wurden mehrfach ausgezeichnet, für ihr Werk gewann sie u. a. den italienischen Krimipreis der Stadt Cattolica. Mit ihrer Krimiserie um den Genueser Commissario Antonio Mariani gelang Maria Masella der Sprung auf die italienischen Bestsellerlisten und Kinoleinwände. Die Autorin lebt und arbeitet in Genua.

Maria Masella veröffentlichte bei dotbooks bereits »Commissario Mariani – Die Toten von Genua«.

Die Website der Autorin: http://mariamasella.it/

***

eBook-Neuausgabe Mai 2023

Die italienische Originalausgabe erschien erstmals 2005 unter dem Originaltitel »Il Dubbio« bei Fratelli Frilli Editori, Genua, Italien. Die deutsche Erstausgabe erschien 2009 unter dem Titel »Wer sich ein Bildnis macht« bei Goldmann

Copyright © der italienischen Originalausgabe 2005 by Fratelli Frilli Editori, Genua

Copyright © der deutschen Erstausgabe 2009 by Wilhelm Goldmann Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH

Copyright © der Neuausgabe 2023 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Kristin Pang, unter Verwendung eines Motivs von Simon Dannhauer / shutterstock.com

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (ae)

ISBN 978-3-98690-612-2

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blog.dotbooks.de/

Maria Masella

Commissario Mariani – Die Toten von Genua

Kriminalroman

Aus dem Italienischen von Birgitta Höpken

dotbooks.

KAPITEL 1

Montag

Dass Anselmi angeschossen wurde, davon hat man mir sofort berichtet, als ich in die Questura kam. Ausgerechnet Anselmi wird von einer Kugel erwischt, Anselmi, der doch nie leichtsinnig gewesen ist. Und dann war es noch so ein asozialer Dilettant, der in einem Supermarkt einen Coup landet und einfach losballert, als er geschnappt wird. So die Kommentare derer, die viele Jahre mit Anselmi zusammengearbeitet haben.

Er hat noch einmal Glück gehabt: Es war kaum mehr als ein Streifschuss.

Doch ausgerechnet er, der schon seit Jahren in keine Schießerei mehr verwickelt war, der mit seinem Ischias und seiner Geduld immer nur am Schreibtisch gesessen hat. Vor knapp einem Jahr hat er sich dann nach Cuneo versetzen lassen, um näher bei seiner jüngsten Tochter sein zu können, die jemanden von dort geheiratet hat.

Und da schießt ihn unversehens so ein Verrückter, der mit gezogener Pistole mitten in der Innenstadt aus einem Standa gerannt kommt, über den Haufen.

Ich kenne Cuneo eigentlich kaum, doch an die Via Roma mit ihren Arkaden kann ich mich gut erinnern.

Anselmi spielt den Helden und fängt sich eine Kugel ein.

Schicksal, heißt es.

Das sagt sich so einfach.

Die Frage, ob jeder von uns einem Schicksal ausgeliefert ist, plagt mich die ganze Nacht, die ich in meiner Wohnung, zwei Zimmer, Küche, Bad, verbringe.

Ich werde seine Frau anrufen.

Nein, ich werde mir einen Tag Urlaub nehmen, das habe ich schon seit Ewigkeiten nicht mehr getan, und ihn besuchen.

Auf der Ebene hinter Mondovi liegt unberührter Schnee, durchsetzt mit nackten Baumskeletten, die Straßen sind gesäumt von schmutzigen Schneehaufen. Ich hasse Schnee. Cuneo liegt grau und still in der weißen Landschaft.

Auch Anselmi in seinem Krankenhausbett wirkt grau unter dem weißen umgeschlagenen Laken. Er ist offenbar nicht erstaunt, mich zu sehen, ich aber staune darüber, es wirklich hierher geschafft zu haben.

Nachdem wir die üblichen Floskeln ausgetauscht haben, sagt er: »Wissen Sie, Commissario, eigentlich wollte ich Sie anrufen …«

Er stockt, was gar nicht zu ihm passt, vielleicht hat er durch die Verletzung einen Schock bekommen.

»Ende des Jahres ist etwas Seltsames passiert.«

Jetzt haben wir Anfang Februar, es ist also mehr als ein Monat vergangen, doch Anselmis innere Uhr hat schon immer langsamer getickt. Auch davon, dass er sich versetzen lassen wollte, hat er schon Jahre vorher gesprochen.

»Aber, wissen Sie, Commissario, ich habe versucht, mehr in Erfahrung zu bringen. Wissen Sie, ich wusste nicht, was ich davon halten sollte. Eine heikle Angelegenheit, wissen Sie, ich wollte nicht indiskret erscheinen oder etwas aufwühlen, was … na ja …«

Wenn er noch einmal »wissen Sie« sagt, dann kriege ich einen Schreianfall. Er soll endlich zur Sache kommen, dieses blöde Taktgefühl … Seit ich ihn kenne, hat ihn noch nie etwas aus dem Gleichgewicht gebracht.

»Es war kein Mord. Niemand hat auch nur den geringsten Zweifel gehabt. Wenn das kein Selbstmord war, dann weiß ich auch nicht …«

Ich sitze neben seinem Bett und warte darauf, dass er auf den Punkt kommt. Mord, das Wort allein, auch in negierter Form, reicht aus, dass ich mich anders fühle. Ich nicke, wenn ich auch nicht weiß, wozu.

»Wissen Sie, Commissario, die Haushaltshilfe hat ihn gefunden, zwischen Weihnachten und Neujahr. Es war Selbstmord, das hat niemand je in Zweifel gezogen.«

»Natürlich, Anselmi, das habe ich schon kapiert.«

»Splitternackt in der Badewanne, das Wasser war schon kalt, mit aufgeschnittenen Pulsadern.«

Ich habe zwar nichts verstanden, nicke aber trotzdem. Wie auch immer, ich kann mir die Szene vorstellen. Das vom Blut verfärbte Wasser und die kreischende Putzfrau.

Die Nachbarn. Die Polizei. Aber warum zum Teufel wollte Anselmi mich anrufen?

»Ich habe das ganze Material für die Ermittlungen gesichtet und geprüft.« Er hält inne und sieht mich an: spitze Nase und vorstehender Unterkiefer.

Meinen Scalfaro habe ich ihn genannt und mir gesagt: »Einen habe ich über mir und einen unter mir.« Jetzt habe ich keinen von beiden mehr. »Ja, Anselmi, ich weiß doch, wie gut Sie bei der Auswertung von Material sind.«

»Das Motiv dieser Verzweiflungstat blieb unklar, und deswegen war es wichtig zu versuchen, ihn besser zu verstehen. Da habe ich das Foto gefunden.«

Das scheint mir logisch. Aber was denn für ein Foto?

»Schluss jetzt, Schluss!« Ich drehe mich um. Die Schwester kommt mit energischen Schritten ins Zimmer gerauscht und klatscht wie eine Hühner scheuchende Bäuerin in die Hände. »Für heute ist es genug, Sie haben meinen Patienten schon viel zu sehr angestrengt. Jetzt braucht er Ruhe.«

»Die Signora, Commissario. Ein Foto von ihr.«

Die Schwester wird energisch: »Jetzt aber raus hier!«

Schon fast draußen kann ich gerade noch fragen: »War er denn verheiratet?«

»Nein, nein, Commissario. Ein Foto von Ihrer Frau, von der Signora Francesca.«

Da schiebt mich die Schwester auf den Flur und schließt die Tür hinter mir.

Wie ein Schlafwandler wanke ich zum Ausgang. In einer Nische zwei Plastikstühle, ein Automat mit Heißgetränken und einer mit Mineralwasser, ein überquellender Aschenbecher unter einem Rauchverbotsschild.

Ich suche nach Kleingeld und ziehe mir einen Espresso, stark und bitter. Der schale Geschmack im Mund kommt nicht von dieser Brühe, die hier als Kaffee ausgegeben wird, sondern ist meiner Frau Francesca geschuldet. Ein Bild von ihr im Besitz eines Selbstmörders. In einer anderen Stadt. Gewiss gibt es viele einleuchtende Erklärungen, doch ich habe jetzt nur den einen Gedanken: Sie muss in irgendeine üble Geschichte verwickelt sein.

Und Anselmi in seinem Krankenhauszimmer ist unerreichbar!

Wenn die Beziehung zu meiner Frau normal wäre, könnte ich sie einfach anrufen und fragen, ob sie den Toten kannte.

Den Toten.

Nicht einmal seinen Namen weiß ich.

Ich ziehe den Stadtplan von Cuneo hervor; vom Krankenhaus zur Questura scheint es nicht weit zu sein, doch ich weiß, wie tückisch manche Städte sind, die in der Ebene liegen, und nehme mir ein Taxi.

»Commissario Antonio Mariani, Questura von Genua.«

Ich will mich gerade ausweisen, da kommt ein Polizist vorbei und erkennt in mir einen ehemaligen Kollegen Anselmis. Er stellt sich als Torielli vor und erklärt: »Er hat so oft von Ihnen geredet, Commissario. Darüber, wie Sie Ihre Ermittlungen geführt haben.« Er hält inne, plappert dann aber weiter: »Dass man viel von Ihnen lernen könnte. Er und ich, wir arbeiten öfter zusammen.«

Ich nicke, weil ich nicht weiß, was ich sagen soll, und wir stehen einige endlose Augenblicke wie Idioten voreinander. Da erinnere ich mich an mein eigentliches Anliegen. »Anselmi hat mir von einer Ermittlung in einem Selbstmordfall erzählt. Ein ganz eindeutiger, abgeschlossener Fall …«

Der Mann fängt meinen Ball auf: »Der Selbstmörder in der Badewanne?«

Ich nicke.

»Ein Fall, der so klar war, dass man ihn eigentlich gar nicht als Fall bezeichnen konnte. Es ist wahrscheinlich auch bei Ihnen so, dass es in der Weihnachtszeit mehr Selbstmordfälle gibt, die Leute fühlen sich dann einsamer oder ihre Schmerzen sind schlimmer.«

»Ja, das ist auch bei uns so.« Ich schaue ihm in die Augen und spreche weiter: »Aber Anselmi wollte mir gerade etwas erzählen, was ihn neugierig gemacht hat, als die Schwester ins Zimmer kam und mich hinausgeworfen hat.«

»Schrecklich, ganz schrecklich, wenn sie einem so kommen, doch bei diesen sturen Bergbewohnern ist es die einzige Möglichkeit, Disziplin und Ordnung durchzusetzen.«

Disziplin und Ordnung. Er betont diese Worte so, als gälten ihnen seine ganzen Bemühungen. Meines ist es nicht, mir ist ein bisschen weniger Ordnung und etwas mehr Gerechtigkeit lieber. Und was die Disziplin angeht … Nun, ich weiß eigentlich selbst nicht recht, wie ich darüber denke.

Torielli redet inzwischen weiter: »Was hat Anselmi denn so neugierig gemacht? Mir hat er gar nichts erzählt.«

»Darüber sollten wir an einem weniger öffentlichen Ort reden.« Ich bin Kommissar, er nur ein einfacher Polizist, der Ton ist korrekt: höflich aber bestimmt.

»In Anselmis Büro vielleicht?«

»Sehr gute Idee.«

Dass es sich wirklich um Anselmis Büro handelt, erkenne ich an dem Regenmantel, der an einem Haken hinter der Tür hängt. Ich weiß, dass in der obersten Schublade eine Dose Lutschtabletten der Marke Pasticca del Re Sole und eine Schachtel Maalox liegen.

Lügen. Ich muss lügen, indem ich vage bleibe. »Vielleicht ist ihm, als er mich gesehen hat, wieder ein Fall in den Sinn gekommen, den wir zusammen bearbeitet haben, ein Fall, der irgendwie mit eurem Selbstmörder in Beziehung stehen könnte.«

Als wir uns setzen, wiederholt Torielli noch einmal, dass das ganz zweifelsfrei ein Selbstmord gewesen ist. »Wenn Sie meinen, dass es hilfreich ist, kann ich Ihnen gerne die Unterlagen holen. Auch ohne offizielle Anfrage. Anselmi hätte das sicher nicht für nötig gehalten.«

Ich nicke, und er geht hinaus. Als er wiederkommt, hat er eine ansehnliche Akte in der Hand.

Ich habe noch nie gerne Berichte gelesen, und außerdem suche ich ja eine Fotografie. Die Aufnahmen mit dem Toten. Ich fange zunächst mit den Übersichtsfotos an, so, als würde ich tatsächlich in das Badezimmer hineingehen. Dieses ist ein bisschen altmodisch, aber aufgeräumt. Wäre da nicht die Badewanne mit dem leblosen Körper und das eingetrocknete Blut, das offenbar an der Außenseite der Wanne heruntergelaufen ist und den Vorleger durchtränkt hat.

Nächstes Foto: Großaufnahme des Badewanneninhalts. Das Wasser ist vom Blut verfärbt, doch der Tote strahlt eine Heiterkeit aus, wie ich sie auch schon bei anderen Selbstmördern gesehen habe. Als hätte sich, kaum war der Entschluss unwiderruflich gefasst, alles wieder ins Lot gerückt.

Großaufnahme der Handgelenke. Er war sehr sorgfältig bei den Schnitten.

Nahaufnahme der Seifenschale: Neben einer fast neuen Seife liegt eine Rasierklinge, die keine offensichtlichen Blutspuren aufweist, auf der Seife ist ein dunkler Fingerabdruck.

Der Bericht der Spurensicherung belegt zweifelsfrei, dass die Klinge zwar abgespült wurde, sich jedoch noch Reste von Blut daran befanden, die mit der Blutgruppe des Toten übereinstimmten; der Fingerabdruck auf der Seife stammt ebenfalls von dem Toten.

Ich schaue zu Torielli auf. »Scheint ja alles eindeutig zu sein.«

»Absolut eindeutig. Dass es wirklich Selbstmord war, daran gibt es keinen Zweifel. In der Wohnung hat man nur seine Fingerabdrücke und die der Haushaltshilfe gefunden. Diese hat zum angenommenen Zeitpunkt des …« Er zögert, dann spricht er weiter: »… des Vorfalls bei einer anderen Familie gearbeitet, am entgegengesetzten Ende der Stadt, dort wo es nach Dronero geht. Es gibt Zeugen.«

»Ich kenne Cuneo leider nicht gut. Wo wurde der Tote denn gefunden?«

»Bei sich zu Hause natürlich.«

»Wo ist das genau? Der Straßenname hilft mir nicht weiter.«

Er antwortet mir, ohne in die Papiere zu schauen. Nennt den Namen der Straße und erläutert: »Nicht weit von der Piazza Galimberti, auf der besseren Seite, Richtung Corso Nizza. In einem Altbau.«

»Hat er allein gelebt?« Bei dieser Frage blättere ich die Akte durch, auf der Suche nach dem Foto, von dem mir Anselmi erzählt hat.

»Allein. Ganz allein. Er bekam nie Besuch, in seine Wohnung kam nur die Putzfrau.«

»Alter?«

»Das steht alles in der Akte, doch wenn ich mich richtig erinnere, vierzig oder ein bisschen drüber.«

Ich überprüfe das und sage: »Sie haben ja ein vorzügliches Gedächtnis, Torielli.«

Er wird rot und versucht, Haltung zu bewahren, indem er an der Akte herumzupft. »Das kommt daher, weil Anselmi mir beigebracht hat, der Büroarbeit mehr Aufmerksamkeit zu widmen, wie er das immer nennt.«

Ich nicke. Ich kenne das ja.

»Und so hilft er mir, die Sachen beisammenzuhalten, wenn ich einen Fall bearbeite. Vor ein paar Monaten habe ich nämlich eine Abmahnung bekommen, weil ich einen Bericht aus dem Labor verloren hatte …«

»Das heißt, es war Ihr Fall, nicht der von Anselmi …«

»Ich sehe, Sie haben es erfasst. Anselmi hat immer gesagt, dass Sie, Commissario, immer alles blitzschnell begreifen würden.« Pause. »Ja, es war mein Fall, aber bei der Dokumentation hat Anselmi mir geholfen.«

»Ein großartiger Mann.« Das Lob breitet sich in der Stille des Raums aus. Ich frage weiter: »Haben Sie eine Vorstellung, warum der Mann sich umgebracht hat?« Ich weiß, das ist eine unsinnige Frage, noch unsinniger, als nach den Gründen für einen Mord zu fragen.

»Nein, überhaupt keine. Kein Hinweis auf eine unheilbare Krankheit, er hatte sich kurz vorher sogar noch durchchecken lassen, das hat uns sein Hausarzt erzählt. Er war gesund wie ein Fisch im Wasser.«

Und in einer Badewanne voller Wasser hat er sich das Leben genommen. Unsere Redewendungen sind manchmal schon tragikomisch. »Finanzielle Probleme?«

»Professore Airoldi?«

Ich schaue zu ihm auf.

»Der Tote war Professore. Nein, nicht Medizin. Sein Fach war die klassische Philologie.«

»Lehrer?«

»Nein, er machte Übersetzungen, wissenschaftliche Artikel. Alles auf hohem Niveau.«

»Und davon hat er gelebt?«

»Er brauchte nicht zu arbeiten, um sich seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Seine Arbeit war für ihn Vergnügen und Zeitvertreib. Sein Vater war Anwalt gewesen, Avvocato Airoldi, einer der bekanntesten in Turin. Und seine Mutter Jole Maria Demarchi hatte Grundbesitz. Nein, nein, Professore Airoldi kann keine Geldsorgen gehabt haben.«

»Eine Beziehung?« Während ich das frage, spüre ich ein seltsames Kratzen im Hals, ich ziehe die Schublade auf, die Pastillen sind da. Ich muss mich zurückhalten, um keine zu nehmen.

»Keine Beziehung. Die Nachbarn haben ihn nie mit einer Frau gesehen, außer denen, mit denen er beruflich zu tun hatte.«

»Und was waren das für Frauen?«

»Professore Airoldi war ein richtiger Literat, für den gab es nur Papier und Stifte, sonst nichts. Manchmal kam eine ältere Frau zu ihm, um seine Artikel oder Übersetzungen abzutippen.«

»Also überhaupt keine Vorstellung von einem Motiv …«

»Manchmal gibt es einfach keins.« Torielli sieht aus wie einer, der noch nie wirkliches Leid erfahren hat. »Das sind Kurzschlusshandlungen, der Verstand ist umnachtet. Wenn die Leute wirklich nachdenken würden … dann würde sich niemand umbringen.« Er hüstelt. »Jetzt muss ich aber gehen …«

»Ich danke Ihnen, Torielli. Sie waren sehr zuvorkommend, und Ihre Erläuterungen waren sehr klar und verständlich. Ich werde Anselmi Mitteilung davon machen.« Ich stehe auf und drücke ihm die Hand. »Heute Abend fahre ich zurück. Ich wollte eigentlich gleich fahren, aber ich möchte doch noch einmal bei Anselmi vorbeischauen. Vielleicht zur offiziellen Besuchszeit.« Ich nehme die Akte in die Hand und setze eine zerstreute Miene auf. »Vielleicht könnte ich in der Zwischenzeit noch einmal hineinschauen … Dann verstehe ich vielleicht besser, was Anselmi meint, und es ist dann nicht so ermüdend für ihn.«

»Aber natürlich. Im Grunde sind wir ja Kollegen. Behalten Sie die Akte ruhig, wenn Sie sie noch brauchen, und bevor sie zurückfahren, bringen Sie sie ins Büro zurück«, er deutet hinter sich, »Sie wissen schon … Ich habe kein Formular ausgefüllt, um zu dokumentieren, dass ich die Akte mitgenommen habe. Das ist alles Unsinn. Schließlich sind wir doch Kollegen.«

Ich mache eine Geste des Einverständnisses. »Auch bei uns ist es so. Wenn wir wirklich den ganzen Papierkram so erledigen würden, wie es von uns verlangt wird, dann würden wir nicht einmal einen Hühnerdieb fassen.«

Und so trennen wir uns wie zwei Verschworene.

Jetzt kann ich mir die Akte in aller Ruhe anschauen, ohne dass mich jemand dabei beobachtet. Der Gedanke, dass ich eigentlich das Foto meiner Frau suchen muss, tritt in den Hintergrund.

Der Tote. Sein Gesicht. Die Art, wie er sich umgebracht hat.

Gualtiero Airoldi. Ich lese die Angaben zu seiner Person durch. Zweiundvierzig Jahre alt, ein ganz normaler Mann, nicht besonders gut aussehend, aber auch nicht hässlich. ‒ Wahrscheinlich sieht er für mich nur deswegen nicht gut aus, weil ich ihn nicht kenne. ‒ Nicht korpulent, eher im Gegenteil. In sein glattes Gesicht scheinen sich keine Dramen eingeschrieben zu haben.

Ein gewissenhafter Zeitgenosse hat einen Plan der Wohnung beigelegt.

Diele, Wohnzimmer, Salon, Esszimmer, Küche, Schlafzimmer des Toten, ein zweites, größeres Schlafzimmer, Arbeitszimmer, zweites Arbeitszimmer, zwei Bäder. Der Tote wurde im größeren der beiden gefunden.

Die Fotos bestehen im Wesentlichen aus Großaufnahmen der Badewanne und des Toten.

Die Siegel an der Wohnung sind entfernt worden, da es sich ganz zweifelsfrei um Selbstmord handelte (so steht es da), ein ganz Penibler, nicht Anselmi, es ist nicht seine Handschrift, vielleicht Torielli, der das auf Anselmis Rat hin aufgeschrieben hat. Eine Notiz, dass die Schlüssel der Wohnung Gerardo Airoldi, dem Bruder des Toten, ausgehändigt worden seien, wohnhaft in Genua (dann kommt die Adresse, ich kenne die Straße, sie liegt im Villenviertel von Quinto). Und dass die Portiersfrau einen Nachschlüssel habe wie schon seit Jahren.

Also kein Foto in den Unterlagen. Und vor heute Abend kann ich Anselmi nicht besuchen. Leere Stunden. Ich habe mir alles notiert, was mir nützlich erschien, und jetzt ist es Zeit, die Sachen zurückzugeben.

Das geht problemlos vonstatten, ich bin schließlich der Freund und Kollege Anselmis, das Helden der Stunde. »Sie können hier auf uns zählen.«

Ich verlasse die Questura. Die Kälte in der Luft ist eine andere als bei mir zu Hause, es ist eine Kälte, die von den Alpen herunter über die Ebene kommt und nach Bergen und Schnee riecht.

Weniger der Blick auf den Stadtplan als vielmehr der Instinkt eines durchgefrorenen Tieres führt mich schließlich in die Via Roma mit ihren Arkaden.

Der Geruch nach alten Mauern, Wein und süßem Gebäck. Anders als die Arkaden an der Via di Sottoripa in Genua, der Hafen für den Aufbruch ins Abenteuer, die den Duft des Meeres in die Stadt lassen, bilden diese hier nur eine Erweiterung der Häuser.

Ich lasse die Questura hinter mir und gehe durch die Bögen, die immer höher und deren Geschäfte immer eleganter werden, zur Piazza Galimberti hinauf. Empfinde ich es nur so, oder verändert sich der Geruch wirklich? Der Stalldunst lässt nach, die Autoabgase nehmen zu.

Auf dem Platz angekommen, suche ich mir die Straße auf dem Stadtplan. Torielli hatte Recht, es handelt sich um ein dezentes, solides Haus für Menschen, die nicht erst seit gestern vermögend sind.

An der Glasscheibe der Haustür hängt ein Schild »Wohnung zu vermieten«. Ich trete näher, »220 qm, oberste Etage, bitte sich an die Portiersfrau wenden«. Und wo ich schon einmal da bin, werfe ich auch noch einen Blick auf die Namen unter den Klingelknöpfen.

Kein Gualtiero Airoldi, doch auf einem blanken Messingschild prangt Avv. Gustavo Airoldi. Die Nummer der Wohnung ist eine der höheren Zahlen, wahrscheinlich also in einem oberen Stockwerk.

Zu gerne würde ich hinaufgehen und mich in der Wohnung umschauen, natürlich ohne etwas anzufassen oder gar bei der Kriminaltechnik weitere Untersuchungen anzuleiern, nein, mich einfach nur umschauen, um die Atmosphäre einzufangen. Airoldi hat sich das Leben genommen, mit nüchterner Entschlossenheit, ein Mann, der allem Anschein nach überhaupt keinen ersichtlichen Grund hatte, sich den Tod herbeizuwünschen.

Ein Mann, der die Fotografie einer Frau besaß, die möglicherweise meine Frau ist.

Zu vermieten. Die Versuchung ist zu groß. Ich trete ins Haus, der Eingangsbereich ist wie früher, mit viel glänzendem Holz, einer echten Pflanze in der Ecke und der Pförtnerloge mit dem Schiebefenster. Ich habe gerade einen Fuß auf den mit einem weißen Tuch geschützten Treppenläufer gesetzt, als eine Stimme mich aufhält: »Sie wünschen?« Eine Frau mittleren Alters in breitem, piemontesischem Tonfall.

Ich drehe mich um. Die Frau ist vielleicht ein bisschen älter, als ihre Stimme vermuten lässt, doch alles andere ist genau so, wie es sein soll: gehäkeltes Tuch und Wollstrümpfe. »Ich habe das Schild gesehen …« Ich lasse den Satz offen, um nicht zu lügen, zumindest formal betrachtet nicht.

»Sie sind nicht von hier, neh?«

»Stimmt, wie haben Sie das nur erkannt?«

Sie zuckt die Schultern. »Das spürt man, lah, das spürt man.« Dabei dehnt sie die Vokale. »Es wird möbliert vermietet. Gut möbliert, nicht wie sonst oft, nur Tisch, vier Stühle und ein Bett. Nein, nein, schöne, ausgesuchte Möbel. Die Bücher und die Bilder nicht, die holen sie die Tage ab. Aber jemand, der eine Wohnung mietet, was interessieren den die Bücher und Bilder von anderen, neh!?«

Ich nicke.

Die Portiersfrau kehrt in ihr Kabuff zurück und kommt mit einem Schlüsselbund wieder. »Ich sag nur schnell noch meinem Mann Bescheid, und dann bring ich Sie rauf.« Sie verschwindet für einen Augenblick hinter der Tür mit dem Schild Portiersfrau und ist nach dem Bruchteil einer Sekunde wieder bei mir. »Groß ist die, wissen Sie, für eine nette Familie. Zu wievielt sind Sie denn?« Sie drückt auf den Aufzugknopf. Es handelt sich um einen dieser Aufzüge, die im Treppenschacht eingeklemmt sind, mit immer staubigen schmiedeeisernen Gittern. Hier aber kann sich der Staub nur in den widerborstigsten Zwischenräumen halten.

»Meine Frau, meine Tochter und ich.«

»Der arme Professore hat allein gelebt.« Sie unterbricht sich und wird rot, macht dann einen Schritt zurück, um mir den Vortritt für den Aufzug zu lassen.

Ich halte ihr die Tür auf und bedeute ihr mit einer galanten Geste, dass sie vorgehen möge: »Nach Ihnen, Signora.«

Wie erwartet beeindruckt sie das so, dass sie den Moment des Unbehagens vergisst. »Früher einmal war das ein Haus von hohen Herrschaften, wissen Sie, richtige Herrschaften. Mit Dienstmädchen, die sie von ihren Ländereien kommen ließen …«

Sie sagt dies mit dem offensichtlichen Bedauern, dass die Zeiten, als die Dienerschaft noch von der Scholle kam, vorbei sind.

»Seit wann sind Sie schon in der Stadt?«, fragt sie und drückt energisch den Messingknopf für die vierte und letzte Etage.

Sie ist nicht dumm, sie weiß, dass es nicht einfach ist, eine Wohnung zu vermieten, in der eine Bluttat verübt wurde, und sie versucht herauszufinden, ob ich etwas weiß. Und das tut sie eben auf ihre Art.

»Ich bin gerade erst angekommen.« Warum lügen? »Ich bin heute Morgen angekommen und habe mich entschlossen, keine Zeit zu verlieren und mich gleich ein wenig umzuschauen. Dies hier ist eine so schöne Ecke und dabei ganz nah an der Piazza. Sehr schön und gediegen, wie aus einer anderen Zeit.« Erste Etage.

»Doch so weit weg, dass der Markt nicht stört. Das hat der Professore auch immer gesagt, und der war ein feiner und sensibler Mensch.«

»Der Markt?« Auch wenn ich eigentlich nach dem armen Professore fragen möchte. Aber nicht immer ist eine Gerade die kürzeste Verbindung zwischen zwei Punkten. Ich würde noch weiter gehen: nicht immer die einzig mögliche.

Zweite Etage.

»Der ist einmal in der Woche auf der ganzen Piazza und in den Seitenstraßen, doch er geht in die andere Richtung, Richtung Stura. Das heißt, er stört nicht und ist trotzdem fast vor der Haustür. Auch der arme Professore ist manchmal drübergegangen und hat sich die Stände angeguckt, um sich abzulenken. Wie früher, als er noch mit seiner armen Mama hingegangen ist.«

Armer Professore, arme Mama …

»Er hat ja so an seiner armen Mama gehangen.«

Dritte Etage.

Schweigen bis zur vierten Etage. Die Portiersfrau stößt erst die Holztür auf, dann die schmiedeeiserne und bemerkt: »Eine richtige Dame, so welche gibt es heutzutage nicht mehr. Schön und vornehm. Und der Sohn, wie er sie geliebt hat! Ihr Bild stand immer dort, in einem glänzenden Rahmen, so dass man ihn gut sehen konnte, und immer ein paar frische Blumen davor.«

Ich bezweifle, dass meine Mutter gerne frische Blumen vor ihrem Bild haben würde, sie würde das als Zurschaustellung empfinden. Doch meine Mutter ist kein Maßstab.

Auf dem Treppenabsatz befinden sich nur zwei Wohnungstüren, die Portiersfrau schließt eine davon auf und deutet auf die andere: »Auch die hat der Familie gehört, doch der arme Professore hat sie verkauft.«

»Wer wohnt denn dort? Ruhige Leute, hoffe ich.«

»Ein junges Paar ohne Kinder. Beide arbeiten, sie sind nur abends zu Hause und veranstalten nie irgendwelche Feste. Wissen Sie, die sind sehr religiös. Auch deswegen hatte der arme Professore keine Bedenken, ihnen die Wohnung zu verkaufen, er hat sie nämlich auf einer Pilgerfahrt kennen gelernt.«

Endlich ist sie in der Wohnung. »Warten Sie, ich mache die Fensterläden auf, dann kommt ein wenig Licht herein.«

Keine Überraschung: Es ist genau die Wohnung, die ich mir in einem solchen Haus und nach den Erzählungen der Portiersfrau vorgestellt habe. Weder die Bluttat noch der Besuch einer Polizeitruppe und auch nicht das Leerstehen seit einem Monat hat dem Glanz des Parketts und dem Jahrhundertwendemobiliar etwas anhaben können.

Viele dunkle, schwere Möbel.

Die Portiersfrau deutet darauf: »Schauen Sie nur, wie schön, neh! Und alles mit inbegriffen.« Sie sieht mich an, Misstrauen flackert in ihrem Blick auf. »Sie haben mich gar nicht gefragt, wie hoch die Miete sein soll.«

Stimmt! Ich habe völlig vergessen, dass ich ja ein potenzieller Mieter bin und dass die Frage nach dem Geld immer als erste gestellt werden muss. »Ich sehe schon, Signora, Sie haben eine gewisse Erfahrung in diesen Dingen. Doch in einer solchen Gegend, in einem solchen Haus, bei dieser Größe … Ich bin nicht von hier, doch in der Stadt, aus der ich komme, wäre die Miete beträchtlich. Ich weiß, was Bequemlichkeit und ein gewisser Standard wert sind. Ich kann es mir leisten.«

»Die Nippessachen holt der Antiquitätenhändler noch ab.«

»Natürlich.« Ich schaue mich um. »Es ist wohl wirklich eine schöne Wohnung, ich mag solche Wohnungen. Es ist so, dass ich mal hier, mal dort leben muss, und möblierte Wohnungen zur Miete sind meist so anonym …«

Die Portiersfrau tritt unschlüssig von einem Fuß auf den anderen. »Es ist so, ich müsste eigentlich wieder runtergehen. Meinem Mann geht es nicht so gut, eine Virusgrippe, und außerdem kann ich den Hauseingang nicht unbeaufsichtigt lassen.« Sie sieht mich an. »Leute gibt es heutzutage! Da wollen sie, dass man immer dort ist, und wenn man dann etwas sieht, was sie nicht wollen, dass man es sieht, dann heißt es gleich … Vor zwei Monaten hat jemand dem Verwalter erzählt, ich würde meinen Posten verlassen, um Besorgungen zu machen, und ich habe eine Verwarnung bekommen … Früher waren die Herrschaften nicht so.«

Natürlich nicht. »Nein, so etwas: Bei einer so freundlichen und hilfsbereiten Frau wie Sie es sind!« Was ich jetzt tue, ist erstens illegal und zweitens das Gegenteil von angemessenem Verhalten: Ich gebe ihr ein Trinkgeld. Ein beachtliches Trinkgeld. Doch die Vorstellung des Fotos von meiner Frau schlägt alle meine Bedenken nieder. »Wenn Sie … Ich würde mich gerne noch ein wenig umschauen.«

»Ich gehe runter, in einer halben Stunde komme ich wieder und schließe die Wohnung ab.«

Sie geht hinaus. Jetzt bin ich hier der Alleinherrscher. Das Foto. Schnell. Wenn Anselmi es gesehen hat, muss es sich an einem offensichtlichen Ort befinden, denn er ist kein guter Ermittler. Wo bewahrt man normalerweise Fotos auf?

Bei uns im Wohnzimmer in Fotoalben. Wir kleben die Fotos ein, und dann vergessen wir sie wieder. Wir gehören zu den Menschen, die so etwas ohne Liebe tun.

Im Esszimmer ist nichts, nur ein Tee- und ein Kaffeeservice und ähnliche Dinge.

Das Arbeitszimmer: welches von beiden? Es hieß, es gebe zwei Arbeitszimmer.

Ein größeres, mit schönem Blick aus dem Fenster und Bücherschränken mit Glastüren entlang der Wände, sieht wenig benutzt aus. Bei dem geräumigen Schlafzimmer mit Kniebank und Vorhängen muss ich an ein Heiligtum denken. Auch das große Arbeitszimmer vermittelt diesen Eindruck. Der Computer in der Zimmerecke, dessen Kabel lose auf dem Boden liegen, irritiert ein wenig. Hier wird nicht gearbeitet; das Arbeitszimmer bei uns zu Hause sieht da ganz anders aus. Bei uns. Es gibt kein »bei uns« mehr, seit meine Frau beschlossen hat, dass wir uns für eine Weile trennen müssen, und ich mir eine Zweizimmerwohnung mit Küche und Bad gesucht habe.

Das kleine Arbeitszimmer hingegen sieht wirklich nach Arbeit aus, auch hier gibt es Bücher, gebrauchte und zerlesene Bücher, und einen Schreibtisch mit gutem Licht.

Ich trete vor einen Bilderrahmen. Erleichterung: Es ist nur ein Hund. Ich verstehe nicht viel davon, aber ich glaube, es handelt sich um einen deutschen Schäferhund. Der Mann, der ihn am Halsband ‒ einem Kettenhalsband ‒ hält, ist Airoldi.

Auf einem Bord stehen schön aufgereiht ein paar billige Fotoalben, solche, wie man sie geschenkt bekommt, wenn man Fotos zum Entwickeln bringt.

Ich schlage eins auf: Fotos von Bergen. Ebenso dilettantische Fotos, wie ich sie auch mache. Einige Gruppenbilder, vielleicht mit Reisegefährten oder Freunden vom Ort. So wie sie da zusammenstehen, scheinen sie aber nicht sehr vertraut miteinander zu sein, und wenn Airoldi selbst auf den Bildern ist, steht er immer ein bisschen abseits.

Im ersten Album nichts, auch im zweiten nicht. Im dritten finde ich dann das Foto, auf dem meine Frau zu sehen ist. Sie ist es wirklich. Es gibt nur ein Bild von ihr, und sie ist allein darauf. Sie lacht.

Es genügt, sie zu sehen, und mein Magen beginnt zu rumoren. Ich sehe mir die Fotos noch einmal durch, sie ist die einzige Frau, der ein Foto ganz für sie allein gewidmet ist. Die wenigen anderen Frauen, entweder hässlich oder alt, sind immer gemeinsam mit anderen auf den Bildern zu sehen.

Sie nicht.

Sie lacht.

Ich habe meine Frau lachend erobert, und ich habe begriffen, dass sich die Dinge zum Schlechten entwickelt hatten, als sie aufgehört hat, mit mir zu lachen.

Anselmi hat es richtig erkannt: Ich hätte lieber nichts wissen wollen.

Ich will mehr darüber wissen.

Während ich das Album zurückstelle, fällt mein Blick auf die Bücher im obersten Regalfach. Alle mit wahnsinnigen deutschen Titeln. Hier muss die Goethe-Ecke sein. Das kann sogar ich erkennen.

Meine Frau kann kein Deutsch, nur ein paar technische Begriffe und ein paar Brocken für die Reise. Mitten unter den Goethe-Ausgaben schaut ein Brecht-Titel heraus, Das Leben des Galilei, kaum benutzt steht das Buch so, dass es einem auffallen muss. Einer der Lieblingstexte Francescas; sie hat darauf bestanden, dass auch ich ihn lese. Ob sie ihm das Buch wohl geschenkt hat?

Mir ist übel.

Ich gehe jetzt lieber.

Ich muss Gewissheit haben, ja oder nein, dieser Zustand dazwischen ist unerträglich. Ich bewege mich blind rückwärts, wanke, halte mich am Schreibtisch fest und stoße an etwas, das herunterfällt. Ich bücke mich, um es aufzuheben. Ein billiges Lesezeichen, auf dem ein Satz aufgedruckt ist.

Bello: Ma noi siamo come Intrappolati Dentro.

Ich drehe es um: ein Satz in Deutsch, vermutlich das Original der italienischen Übersetzung auf der anderen Seite.

Das ist schön. Doch wir sind so eingekapselt.

In jedem von uns steckt ein kleiner Dieb oder ein kleiner Mörder, ich nehme das Buchzeichen an mich, nur weil ein Satz darauf steht, vom dem ich meine, ihn schon einmal von meiner Frau gehört zu haben. Und in einer Ecke steht tatsächlich ihr Kürzel: FL. Francesca Lucas. Sie signiert die Geschenke an ihre Freunde immer so.

Ich flüchte vom Tatort. Diebstahl?

In die Küche. Das Fenster geht auf den Innenhof.

Die Übelkeit breitet sich in Wellen aus, Bitterkeit erfüllt mich, ich fröstle. Klarheit. Ich muss klar im Kopf sein und verstehen. Es ist mein Beruf, die Wahrheit aufzudecken. Lachhaft. Ruhig, ganz ruhig. Ermitteln. In einer Küche? Doch die Küche offenbart mehr als das Zimmer. Möbel, die vor zwanzig, dreißig Jahren modern waren. Ein Servierwagen in schwedischem Stil, eine Zuckerdose, nur aus Gewohnheit hebe ich den Deckel an. Rohrzucker. Eine weiße Porzellantasse, eine Dose mit Tee.

Nun, von Tee verstehe ich nichts, und außerdem mag ich auch keinen, vielleicht, weil mir meine Mutter nur welchen gegeben hat, wenn ich krank war. Auch Francesca mag keinen Tee.

Falsch: Sie mochte keinen Tee. Seit ein paar Monaten trinkt sie offenbar welchen, denn letztes Mal, als ich in die Wohnung gegangen bin, die einmal unsere gemeinsame war, um Manu abzuholen, stand dort genau so eine Schachtel wie diese hier.

Wäre es eine jener Marken, die man häufig in der Werbung sieht, Ati oder Lipton, dann wäre ja gar nichts dabei, doch diese Sorte hier habe ich vorher noch nie gesehen.

Ich notiere mir die Marke.

Dann höre ich die Wohnungstür aufgehen. Ich fühle mich schuldig, trete zurück, weg von diesem Servierwagen, und wäre fast über etwas gestolpert.

Eine Art Laufstall für Kinder. Erst der Gummiknochen und der zerbissene Ball bringen mich darauf, dass es sich um einen Hundekorb handeln muss.

Als ich ihn mir gerade genauer besehe, kommt die Portiersfrau herein.

»Ja, der arme Professore hatte einen Hund, das heißt eine Hündin. Lise, eine deutsche Schäferhündin.«

Das Foto auf dem Schreibtisch.

Die Frau redet schnell weiter: »Doch sie ist im Viale degli Angeli von einem Auto angefahren worden, dorthin ist er immer gegangen, um sie ein bisschen rennen zu lassen. Sie wissen doch, wo das ist, oder?«

Nein, aber ich nicke.

»Das war … warten Sie … Ja, Anfang Dezember, vor Mariä Empfängnis. Als er zurückgekommen ist, war er völlig durcheinander und ganz voller Blut. Oh ja, das ist ihm ziemlich an die Nieren gegangen, dem armen Professore! Dieser Hund war sein einziger Freund. Er hat ihn von seiner Mutter geschenkt bekommen, bevor sie gestorben ist. Ich glaube, dass ihn das so aus der Bahn geworfen hat.«

»Doch in der Wohnung hat der Hund wohl nichts kaputt gemacht.«

»Lise war gut erzogen. Anhänglich. Nur dass sie diese schlechte Angewohnheit hatte, hinter den Autos her zu rennen, deshalb musste der Professore sie immer an die Leine nehmen. Der neue Eigentümer, der Bruder des Professore hat dafür gesorgt, dass alles sauber gemacht wurde. Auch die andere …« Sie stockt.

Am besten tue ich so, als hätte ich nichts gehört. Jemand, der eigentlich nichts sagen will, dem aber unbedacht etwas herausgerutscht ist, versucht normalerweise, sich zu korrigieren, und verhaspelt sich dann umso mehr.

Sie will wissen, was ich weiß, insofern ich etwas weiß.

»Wissen Sie, als das … da musste hier saubergemacht werden. Das ganze Hin und Her … Der neue Eigentümer hat gesagt, ich soll aufräumen, ich soll es so machen, wie ich meine, dass es am besten wäre.«

»Hier ist doch alles wunderbar in Ordnung, man kann gar nicht glauben, dass es nicht schon immer so war.« Ich trete ganz beiläufig in den Korridor und gehe auf das Bad zu, als würde ich meinen Rundgang durch die Wohnung fortsetzen.

»Oh, wenn Sie wüssten! Als Adelina Piera angefangen hat zu schreien wie eine Verrückte, da bin ich hochgekommen. Mein Mann war weg, sonst wäre ich mit ihm zusammen hochgegangen, weil, wenn es jemand mit bösen Absichten gewesen wäre, ein Marokkaner vielleicht oder ein Albaner, dann hätte ein Mann ihm vielleicht Angst eingejagt.«

Sie platzt fast, denn eigentlich will sie mir diese so entscheidende Geschichte, deren Zeugin sie war, erzählen. Ich brauche nur zu warten, bis dieser Wunsch übermächtig wird. Es ist, als würdest du einer Frau immer wieder Blicke zuwerfen, hinschauen und wieder wegschauen, so lange, bis du spürst, wie ihre Lust größer wird, und dann machst du immer so weiter, weil du dir sicher bist, dass du bei ihr landest.

»Ich komme also hoch, und Adelina ist rot und weiß im Gesicht und schreit, dass sie so etwas noch nie gesehen hat. Da bin ich rein ins Bad. Das war wirklich nicht schön. Das Blut mit dem Wasser, von dem ein bisschen über den Rand gelaufen war und auf den Vorleger. Wissen Sie, einer von denen mit langem Flor, die so schnell schmutzig werden. Ich gehe also rein, allein, weil Piera Angst hat, noch mal das Bad zu betreten, und draußen geblieben ist. Ich gehe also rein, und da sehe ich ihn. Ein Unfall, habe ich gedacht. Ein Schlaganfall. Am Sonntagabend im Fernsehen gucke ich mir immer diese Medizinsendung an, dieser Arzt ist so kultiviert und so sympathisch, und deswegen weiß ich, dass man einfach so einen Schlag kriegen kann, auf einmal bist du tot, und ich sage immer zu meinem Mann, dass er vorsichtig sein soll. Doch dann sehe ich das ganze Blut. Ich habe noch nie gehört, dass man bei einem Schlag so viel Blut verliert. Er war ja keine Frau, die Blutungen hatte, ich darf ja offen reden, neh?«

So schwer es war, sie zum Reden zu bringen, so schwer ist es nun, sie zu stoppen. »Und was war passiert?«

»Oh, wenn Sie wüssten. Man kann es einfach nicht glauben. Selbstmord. Er hat sich die Pulsadern aufgeschnitten. Er hatte die ganze Wohnung von oben bis unten sauber gemacht, ich kenne sie ja wie meine Westentasche, das kann ich Ihnen versichern. Er hat sich einen Tee gemacht. Die Tasse stand gespült auf dem Abtropfgitter neben dem Spülbecken.«

Ich drehe mich um, damit sie mein Gesicht nicht sieht, es muss grün sein.

»Was ist denn? Macht Ihnen das etwa was aus? Ich sage immer: Es gibt kein Haus, in dem noch nie jemand gestorben ist. In einem alten Haus wie diesem hier. Man hat die Alten ja früher nicht ins Altenheim gesteckt oder ins Seniorenheim, wie es heute so schön heißt. Und wenn nichts mehr zu machen war, haben sie die Kranken zum Sterben einfach wieder nach Hause geschickt, das ist öfter vorgekommen, zumindest hört man das.«

»Selbstmord … Dann muss er ja irgendwelche Probleme gehabt haben.«

»Probleme? Der arme Professore? Ein Pascha war er. Ein bisschen einsam vielleicht. Er hat sich so viele Jahre ausschließlich um seine Mutter gekümmert, keine Freunde, keine eigene Familie.«