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Viele Jahrtausende vor unserer Zeitrechnung bildeten Europa, Asien und Afrika noch eine zusammenhängende Landmasse: den hyborischen Kontinent.
Es ist die Welt und die Zeit von Conan, dem Abenteurer aus dem düsteren nördlichen Grenzland Cimmerien, der die Steppen und Dschungel, die Gebirge und Ebenen auf der Jagd nach Beute durchstreift.
Sein Weg führt ihn in märchenhafte und sagenumwobene Länder, in prächtige Städte und an glanzvolle Höfe, an denen Könige oder mächtige Zauberer herrschen.
Immer wieder versucht man ihn, den einfältigen Barbaren, zu übertölpeln und zu versklaven. Doch mit seinen gewaltigen Körperkräften und der unglaublichen Schnelligkeit seiner Waffen sprengt er alle Ketten und lehrt seine Gegner das Fürchten...
Das Halsband, das Conan bei einem Hehler erwarb, sollte seine Geliebte Yvanna erfreuen. Doch niemand ahnte, welch ein Fluch auf dem Schmuckstück lag. Es gehörte der einzigen Tochter des Königs von Brythunia – und die wurde nur wenige Tage zuvor grausam ermordet. Nun heften sich die Häscher an Conans Spuren, und will er nicht der Axt des Henkers zum Opfer fallen, so muss er den wahren Mörder überführen.
Der mächtige Cimmerier verfügt über enorme Körperkräfte, die Instinkte eines Raubtiers - und über viel Glück. Aber dieses Mal erfleht selbst er den Beistand der Götter, um Kopf und Kragen zu retten.
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SEAN A. MOORE
Conan, der Jäger
Roman
Apex-Verlag
Inhaltsverzeichnis
Das Buch
CONAN, DER JÄGER
Prolog
Erstes Kapitel: Der Schwertknauf
Zweites Kapitel: Brythunisches Blut
Drittes Kapitel: Der Heiler und der Jäger
Viertes Kapitel: König Eldran
Fünftes Kapitel: Das Ungeheuer in der Tiefe
Sechstes Kapitel: Verrat und Gift
Siebtes Kapitel: Die Vision im Teich
Achtes Kapitel: Ratten in der Falle
Neuntes Kapitel: Nachkomme des Xuoquelos
Zehntes Kapitel: Schatten und Steine
Elftes Kapitel: Der karmesinrote Korridor
Zwölftes Kapitel: Shan-e-Sorkh
Dreizehntes Kapitel: Targol
Vierzehntes Kapitel: Auf dem Weg in den Süden
Fünfzehntes Kapitel: Innasfaln
Sechzehntes Kapitel: Abschied
Siebzehntes Kapitel: Der Pfad der Schlange
Achtzehntes Kapitel: Der Schläfer im Sand
Neunzehntes Kapitel: Marathon
Zwanzigstes Kapitel: Untergang
Einundzwanzigstes Kapitel: Getrennte Wege
Viele Jahrtausende vor unserer Zeitrechnung bildeten Europa, Asien und Afrika noch eine zusammenhängende Landmasse: den hyborischen Kontinent.
Es ist die Welt und die Zeit von Conan, dem Abenteurer aus dem düsteren nördlichen Grenzland Cimmerien, der die Steppen und Dschungel, die Gebirge und Ebenen auf der Jagd nach Beute durchstreift.
Sein Weg führt ihn in märchenhafte und sagenumwobene Länder, in prächtige Städte und an glanzvolle Höfe, an denen Könige oder mächtige Zauberer herrschen.
Immer wieder versucht man ihn, den einfältigen Barbaren, zu übertölpeln und zu versklaven. Doch mit seinen gewaltigen Körperkräften und der unglaublichen Schnelligkeit seiner Waffen sprengt er alle Ketten und lehrt seine Gegner das Fürchten...
Das Halsband, das Conan bei einem Hehler erwarb, sollte seine Geliebte Yvanna erfreuen. Doch niemand ahnte, welch ein Fluch auf dem Schmuckstück lag. Es gehörte der einzigen Tochter des Königs von Brythunia – und die wurde nur wenige Tage zuvor grausam ermordet. Nun heften sich die Häscher an Conans Spuren, und will er nicht der Axt des Henkers zum Opfer fallen, so muss er den wahren Mörder überführen.
Der mächtige Cimmerier verfügt über enorme Körperkräfte, die Instinkte eines Raubtiers - und über viel Glück. Aber dieses Mal erfleht selbst er den Beistand der Götter, um Kopf und Kragen zu retten.
Für Raven,
Herz und Seele
Gespenstische Stille erfüllte den düsteren Raum, wie dichter Nebel in einer dunklen, mondlosen Nacht. Flackernde Kerzen warfen ihr Licht auf einen Altar, der so schwarz wie Ebenholz war und der den Raum beherrschte. Vor dem Altar kniete eine Frau auf dem Boden. Ihre blasse, alabasterfarbene Haut bildete einen starken Gegensatz zum rabenschwarzen Haar und dem leuchtend karmesinroten Gewand. Ihre Augen leuchteten so rot wie Glut in einem Kohlebecken, aber die Pupillen waren schwarz und glänzend wie bei einer Schlange. Mit schlanken Fingern, deren Nägel schwarz lackiert waren, schob sie die Kapuze zurück, so dass man ihr Gesicht sah. Es war zugleich faszinierend und unvorstellbar böse. Es war das Gesicht einer Frau von exotischer Schönheit, gepaart mit überwältigender Macht und kaltblütiger Entschlossenheit.
Auf dem Altar waren unheimliche Flecken zu sehen, die am stärksten auf dem flachen, runden Oberteil waren. Von einem Fleck waren dünne Rinnsale über den Altar auf den Boden geflossen und hatten Pfützen gebildet. Der gesamte Raum roch nach Tod.
Eine große Bronzetür stand offen. Dahinter befand sich ein dunkler Korridor, auf dem ein dicker Teppich lag. In der Tür stand ein hochgewachsener, schlanker Mann.
Abgesehen von einem kaum sichtbaren, kümmerlichen weißen Bart hatte er keine Haare. Seine helle Haut war von Runzeln überzogen. In der linken Hand hielt er einen Schlüsselbund, seine rechte war um den kunstvoll geschnitzten hölzernen Türgriff gelegt. Gleich darauf kniete er auf der Schwelle nieder und senkte den Kopf.
Er sprach mit sehr heller Stimme, die weicher klang als seine blassblauen Seidengewänder waren.
»Azora, anbetungswürdigste Priesterin, du hast mich rufen lassen. Hier bin ich.«
Die Priesterin erhob sich langsam und blickte den Mann in der Tür mit schlecht verhohlener Verachtung an.
»Ah, Lamici, lange wird es nicht mehr dauern, bis die endgültigen Riten stattgefunden haben. Du wirst gut entlohnt werden, Eunuch.«
Das letzte Wort sprach sie mit besonderem Nachdruck aus, als wolle sie ihn an seine Stellung erinnern. Azoras Stimme war voll und tief und ihre Worte hallten in dem Raum nach. Sie wies mit dem Kopf zum Altar.
»Du kannst diesen Kadaver fortschaffen.«
»Sofort, Prinzessin.
Er verschwand kurz auf dem Gang. Als er wiederkam, trug er einen großen Ledersack. Angewidert warf er einen Blick auf den Altar. Azora betrachtete ihn amüsiert. Was für ein schwacher, feiger Narr, dachte sie. Als würde er ihre Gedanken lesen, trat der Eunuch entschlossenen Schritts zum Altar.
Von der Decke hing eine einst sehr schöne junge Frau herab. Sie war nackt. Verrostete, eiserne Fußfesseln umschlossen ihre Knöchel und schwere Ketten, die durch Eisenringe in der Decke gezogen waren, hielten sie in der Luft. Ihr langes blondes Haar fiel beinahe bis auf die mit Blut verschmierte Altarplatte. An ihren schlanken Handgelenken glänzten mit Juwelen besetzte Silberarmreifen. Sie trug eine wunderschöne Silberkette um den Hals. Trotz der zahlreichen Blutlachen auf dem Altar war ihr Körper unversehrt, doch ihre Haut war gespenstisch bleich. Augen und Mund hatte sie in ihrem Entsetzen weit aufgerissen.
Lamici schob vorsichtig den Sack über den Leichnam und zog die Schnur dicht unter den schlanken Fesseln zu. Dann schloss er die Fußschellen auf. Erstaunlich kraftvoll schwang er den Sack über die Schulter und trug ihn auf den Gang. Die schwere Bronzetür zog er hinter sich ins Schloss.
Azora wendete ihre Aufmerksamkeit wieder dem Altar zu. Mit geschlossenen Augen und ausgestreckten Armen stimmte sie einen langsamen, rhythmischen Gesang an. Ihre Lippen formten Worte in einer Sprache, die schon uralt gewesen war, als Atlantis im Meer versank. Die Kerzen loderten hoch und verbreiteten einen scharlachroten Feuerschein. Blut strömte auf sie zu, und sie hielt es mit ihren Händen auf. Ihr Gesang endete abrupt, als kein Blut mehr floss. Die Kerzen verbreiteten wieder das gewohnte gelbliche Licht.
Azora öffnete die Augen und trat vom Altar zurück. Sie spürte, wie die Energie durch ihren Körper brauste. Kein menschliches Wesen kam ihr an Schnelligkeit der Gedanken und Bewegungen gleich. Bald würde sie genügend Energie haben, um den uralten Zauber heraufzubeschwören. Mit dem nächsten zunehmenden Mond würde sie das Ritual beenden. Seit frühester Jugend hatte sie die uralten Schriften der Hohen Priester der thurischen Schlangenmenschen gelesen. Diese Schriften waren angeblich längst zerstört oder verloren gegangen. Sie enthielten eine mächtige Magie, mit deren Hilfe man das Leben verlängern und alle Sterblichen - Männer und Frauen - absolut beherrschen konnte.
Azora hungerte nach Macht - nach der Macht, auch die mächtigsten Könige dieser Welt zu beherrschen. Schon bald würden alle Mächtigen wie geprügelte Hunde zu ihren Füßen liegen. Das war ihre Bestimmung als Hohepriesterin der alten thurischen Religion. Sie war nämlich eine Mutare: ein übermenschliches Wesen. Sie lächelte boshaft und enthüllte dabei rasiermesserscharfe, schwarze Zähne.
In der von einer hohen Mauer eingeschlossenen Stadt Pirogia herrschte das übliche brythunische Nachtleben. Die Brythunier, hellhäutig und blond, bevölkerten die Straßen und Plazas, teils um ihren Geschäften nachzugehen, teils zum Vergnügen. Lachend taumelten einige Kezanker, die aus den Bergen in die Stadt gekommen waren, aus den Schenken der gewundenen Gassen. Die Stadtwache beäugte diese Trunkenbolde mit strengen Blicken und machte einen weiten Bogen um sie. Ihr König, Eldran, entstammte einem kezankischen Geschlecht und würde es übel vermerken, wenn die Wachen seine Landsleute hart angefasst hätten.
Das Gewirr der mit Kopfstein gepflasterten Gassen war spärlich beleuchtet. Überall lag Abfall umher und stank. Bettler und Betrunkene schoben sich durch diese dunklen, lauten, von Ratten befallenen Gassen und lallten mit heiserer Stimme vor sich hin. Später würde der billige, saure Wein, den sie getrunken hatten, seinen Zoll verlangen, und sie würden irgendwo auf diesen Gassen zusammenbrechen und dort die Nacht verbringen. Manche von ihnen würden niemals mehr erwachen. Doch musste man der Stadtwache zubilligen, dass die verkommenen Gassen Pirogias sicherer waren als die Prachtstraßen vieler großer Städte. Ein kluger Mann jedoch hielt dennoch stets eine Hand am Schwertgriff und eine auf seiner Geldbörse, wenn er sich allein hinauswagte.
Am Ende einer dieser Gassen, die seltsamerweise menschenleer war, schlenderte ein nicht sehr großer dunkelhäutiger Mann dahin. Sein schulterlanges Haar war pechschwarz und seine Augen noch schwärzer. Auf dem schmalen, grausamen Gesicht lag ein Lächeln. Er bewegte sich mit katzenartiger Geschmeidigkeit durch die dunkle Gasse. Mühelos schritt er über einen schnarchenden Bettler hinweg und blieb dann vor einer schweren Eichentür eines aus Ziegeln erbauten Hauses stehen. Ein riesiges, beidhändiges Schwert steckte über der Tür so zwischen den Ziegeln, dass nur das Heft herausragte.
Der Mann zückte seinen Dolch und schlug damit kräftig gegen die Tür. Eine gedämpfte Stimme rief in gebrochenem Brythunisch heraus: »Dreckiger Bettler! Nimm deine stinkenden, von Maden zerfressenen Pfoten von meiner Tür! Von mir bekommst du keinen Schluck Wein, bis du mir die Farbe deiner Münze zeigst!«
Der dunkeläugige Fremde grinste und antwortete mit tiefer Stimme in klarem Zamorisch: »Immanus, alter Hund! Ich bin's, Hassem. Beweg' deinen Hintern zur Tür und mach sofort auf!«
Der schwere Riegel wurde zurückgeschoben und Immanus zog die Tür nach innen auf.
Hassem steckte den Dolch in die Scheide, ohne hinzuschauen. Offensichtlich hatte er diese Bewegung bereits unzählige Male ausgeführt. Er warf einen Blick ins Innere.
Die Schenke, bekannt als der Schwertknauf, war kaum besser erleuchtet als die Gasse. Dicker, öliger Rauch stieg von den wenigen Lampen auf, die in den Ecken standen, und machte den Raum noch düsterer. Zahlreiche, von Flecken übersäte Tische und Bänke standen umher. Am Ende des Raums befand sich die Theke. Daneben führte eine alte gemauerte Treppe nach oben.
An den Tischen saß wahrlich eine Galerie aller möglichen Schurken und Halsabschneider. Ein berüchtigter nemedischer Sklavenhändler prostete mit einem riesigen Tonkrug seinen Schergen zu. Braunes Ale floss auf seine bereits fleckige Tunika, aber er scherte sich nicht darum, sondern brüllte nach Nachschub.
Neben ihm saßen zwei Kother mit verschlagenen Augen und besprachen leise irgendwelche finsteren Pläne, dabei nippten sie an ihren Weingläsern. In der Mitte des Raums begrapschte ein Haufen kezanischer Gesetzloser die Huren und sang ein ordinäres Lied. Ein paar Tische weiter kicherte eine spärlich bekleidete, üppige brythunische Schöne über etwas, das ihr junger, blonder Begleiter ihr ins Ohr geflüstert hatte. Er war gut gekleidet - vielleicht der Sohn eines Adligen, der sich eine Nacht mit einer billigen Kurtisane gönnte. Er strich über ihre nackte Hüfte und flüsterte ihr wieder etwas zu.
Neben der Tür stand der tiefgebräunte Hüne Immanus. Er trug eine braune Lederweste und Hosen und ein riesiger Goldreif baumelte an seinem linken Ohr. Sein kahler Schädel glänzte im düsteren Schein der Lampen. Die breite Brust war von Narben übersät. An seinem breiten schwarzen Ledergürtel hing ein drei Fuß langer Säbel. Er winkte Hassem einzutreten und schloss die schwere Tür mit einer Hand. Er war wahrlich ein Muskelberg. Die einzig sichtbare weiche Stelle war sein großer runder Bauch. Immanus beugte sich zu Hassem und fragte den Zamorer leise: »Ist dir jemand gefolgt?«
»Wenn ja, müsste ich jetzt meinen Dolch reinigen«, antwortete Hassem beleidigt. Immanus schenkte dem jedoch keine Beachtung, sondern tippte sich mit dem fleischigen Zeigefinger auf den kahlen Schädel.
»Das ist mein alter Freund, Hassem Solange ich auf ihn höre, bleibt er bei mir. Wenn ich ihn missachte...« Er fuhr sich mit der Handkante über die Kehle und lachte über den schwarzen Scherz.
Hassem zog ein finsteres Gesicht und fand die Bemerkung offenbar keineswegs lustig. Er griff nach einem kleinen, in ein Tuch eingewickelten Gegenstand, der sicher in seinem Gürtel verstaut war. »Ist der Barbar da? Ich habe das Treffen gestern Abend ausgemacht, doch der ohnehin schwache Verstand des Barbaren war so von Wein umnebelt, dass ich nicht sicher bin, ob er sich an unser Stelldichein erinnert.«
»He, kein vorschnelles Urteil! Er mag ein Barbar sein, aber ich habe schon so einige Cimmerier kennengelernt. Das ist ein zähes und verschlagenes Volk, mit seltsamen Sitten und Gebräuchen, doch lassen sie nicht mit sich spaßen. Viele Narren sind in den Tod gegangen, nachdem sie mich herausgefordert hatten, aber bei einem Kampf mit einem Cimmerier wäre ich mir wegen des Ausgangs nicht so sicher.«
Immanus blickte Hassem gespannt an, als warte er auf Einspruch. Gleich darauf schlug er dem Zamorer lachend auf den Rücken. Jeder weniger kräftige Mann wäre bei diesem Schlag in die Knie gegangen, doch nicht Hassem. Er steckte dem Hünen einen kleinen Beutel zu, in dem es leise klingelte, als Immanus ihn in seiner Weste verstaute.
»Du findest ihn oben. Er hat gerade die erste Karaffe Wein geleert und scheint Glück beim Würfeln zu haben. Allerdings habe ich das Gefühl, als würde sich sein Glück bald ändern.«
Hassem bahnte sich einen Weg durch die Gäste bis zur Theke. Dort ließ er sich ein Glas billigen Wein geben. Er nahm einen Schluck, spülte sich damit den Mund und spuckte alles auf den Steinboden. Ekelhaftes Zeug, dachte er. Diese brythunischen Ziegenhirten könnten eine oder zwei Lektionen über die Herstellung guter Weine lernen. Doch er würde diesen Schweinestall Pirogia heute Nacht noch verlassen und nach Zamora zurückkehren. Sein letztes Stück würde er jetzt diesem Barbaren verkaufen. Er hatte es besonders eilig, dieses Stück loszuwerden; deshalb hatte er nur zum Schein über den Preis gefeilscht.
Er stellte das Glas auf die Theke und befingerte den silbernen, mit Juwelen besetzten Armreif, der sich im Gürtel befand. Die Belohnung dafür, dass er die Stadtwache dann zu diesem Schmuckstück führte, betrug das Hundertfache von dem, was er diesem schwachsinnigen Barbaren abnehmen würde. Ganz gleich, wie listig der Cimmerier auch sein mochte, mit Sicherheit konnte er nicht der Axt des Henkers entgehen. Hassem hob noch einmal das Glas und lächelte bei diesem Gedanken. Dann stieg er die Steinstufen hinauf.
Das obere Stockwerk des Schwertknaufs war kleiner als das Erdgeschoss, doch besser beleuchtet. Hier standen nur wenige rohe Holztische und Bänke. Den größten Raum nahm ein riesiger Würfeltisch ein. Ellbogen an Ellbogen drängten sich die Spieler darum Laute Rufe begleiteten jeden Wurf. Danach folgte, je nachdem, das Stöhnen der Verlierer oder der Jubelschrei der Gewinner. Das Stimmengewirr und die Flüche in allen möglichen Sprachen verliehen dem Raum eine eigene Atmosphäre. Man fühlte sich eher wie auf einem Basar als in einer Schenke.
Hassem nahm gerade die letzte Stufe, als ein auffällig großer und muskulöser Spieler vom Würfeltisch zurücktrat. In der Faust hielt er Münzen. Er ging zum nächsten Tisch und stopfte die Münzen in einen Beutel, der am Gürtel hing. Seine rabenschwarze Mähne umrahmte ein bronzefarbenes Gesicht, das jugendlich und erfahren zugleich wirkte. Selbst bei diesem schwachen Licht sah man seine strahlenden Augen, aus denen ein eisblaues Feuer leuchtete. Die muskelbepackten Arme waren von vielen schmalen, langen Narben bedeckt. Eine schwarze Lederweste verhüllte die mächtige breite Brust nur teilweise. Er trug einen breiten Gürtel und dunkelblaue Beinkleider, dazu kräftige, doch abgetragene Sandalen. Am Gürtel hing ein Breitschwert, dessen scharfe, silberblaue Klinge blank im Lampenlicht schimmerte. Er war eindeutig ein Krieger und schien zwischen den Schurken in dieser Schenke so fehl am Platz zu sein wie ein Wolf inmitten von Ratten.
In der Tat war Conan der Cimmerier hier fehl am Platz. Geboren auf einem Schlachtfeld und aufgewachsen in den eisigen, einsamen Gefilden im Norden, in Cimmerien, hatte er wenig Erfahrung mit den Gepflogenheiten sogenannter zivilisierter Menschen in ihren von dicken Mauern aus Stein oder Holz umgebenen Städten. Bereits nach seiner ersten Begegnung mit ihnen hatte man ihn in Ketten gelegt. Hyperborier hatten ihn als Sklaven gefangen genommen. Bei der Erinnerung an jene Gefangenschaft und die Flucht aus der Sklaverei - vor weniger als einem Jahrzehnt - stieg jetzt noch die kalte Wut in ihm auf.
Der Cimmerier hatte wenig Bedenken, diesen Kerlen hier ihren zu Unrecht erworbenen Reichtum abzuknöpfen. Aus Erfahrung wusste er, dass in Zamora viel zu holen war, und hatte daher beschlossen, dorthin zurückzukehren. In der zamorischen Stadt Shadizar würde er sich den Reichtum verschaffen, um das Leben mit schönen Frauen und exotischen Weinen zu genießen. Eigentlich brauche ich nicht viel, dachte er. Er verfügte über sämtliche Voraussetzungen zum Erfolg: Von seinem Vater, einem Hufschmied, hatte er eine eisenharte, kräftige Statur geerbt. Sein Verstand arbeitete schnell und scharf, sein Breitschwert noch schärfer. Mit diesem Handwerkszeug und seinen Kenntnissen als Dieb, würde er seine Börse ganz sicher füllen können.
Eine Schankmaid stellte eine Karaffe mit Wein vor ihn hin. Er goss sich ein Glas ein und tat einen tiefen Zug. Dann warf er eine Silbermünze auf den Tisch. Es war ihm nicht entgangen, dass Hassem eingetreten war. Ruhig blickte er dem Zamorer entgegen. Von diesem Wiesel hatte er schon viel gelernt. Ihm war bewusst geworden, dass er Hassem nicht trauen durfte, aber er wusste auch, dass er bei dem Handel zwischen ihnen weitaus besser als der andere abgeschnitten hatte. Er hätte auch das Dreifache des verlangten Preises bezahlt.
Als Hassem ihm das mit Juwelen besetzte Armband gezeigt hatte, war er sicher gewesen, dass es gestohlen war. Doch es scherte ihn wenig, wem man es gestohlen hatte. Es war ein ideales Geschenk für Yvanna, die brythunische Schöne, bei der er während seines Aufenthalts in Pirogia wohnte. Die Würfel waren ihm heute Abend gewogen gewesen, so dass er das Schmuckstück bezahlen konnte, ohne seine Börse zu leeren. Yvanna war ein Vollweib. Der Gedanke an ihre üppigen Körperrundungen und das duftende blonde Haar - zusammen mit dem Wein, den er getrunken hatte - weckten seine Wollust. Morgen - nach einer weiteren leidenschaftlichen Nacht - würde er ihr den Armreif schenken und dann nach Shadizar weiterreiten.
Hassem setzte sich Conan gegenüber an den Tisch und holte das sorgfältig eingewickelte Päckchen aus dem Gürtel. Er strich sich fahrig über den spärlichen Schnurrbart und musterte den jungen Riesen mit der Bronzehaut und der blauschwarzen Mähne.
»Nun, Conan, Glück im Spiel heute Abend?«
»Ist nicht übel gelaufen.« Der Cimmerier deutete zum Würfeltisch. »Besser als bei vielen dort drüben.« Er sprach Zamorisch mit hartem Akzent. Obgleich er die Sprache erst vor kurzem erlernt hatte, konnte er sich fließend unterhalten.
»Dann ist die Bezahlung ja kein Problem. Vierzig Silbernobel oder zwei Goldkronen, wie abgesprochen.«
»Einverstanden, Hassem Doch zuvor möchte ich die Ware sehen.«
Conan schirmte das Päckchen mit der Hand gegen neugierige Blicke ab, entfernte das Tuch und untersuchte den Armreif sorgfältig, um sich zu vergewissern, dass der diebische Zamorer ihm nicht eine wertlose Kopie andrehte. Er kratzte einige Juwelen mit dem Daumennagel an, um sicher zu sein, dass sie nicht bunte Paste waren.
Hassem fühlte sich von Conans Prüfung beleidigt. »Es ist echt, das schwöre ich. Mein guter Ruf würde leiden, würde ich meine Kunden betrügen. Außerdem würde ein Krieger von deiner Statur mit mir kurzen Prozess machen. Hassem hat keine Lust, für den Rest des Lebens ängstlich über die Schulter zu blicken.«
»Du würdest deine Mutter an nemedische Sklavenhändler verkaufen, wenn der Preis stimmt. Ich kenne die Art zamorischer Diebe. Hier ist dein Geld.«
Hassem war über die hochmütige Bemerkung des Barbaren empört. Wie konnte dieser Wilde es wagen, so mit ihm zu sprechen! Du bekommst gleich deinen gerechten Lohn, du Hund aus dem Norden, dachte er. Er stand auf, verbeugte sich spöttisch, ging zum Würfeltisch und überließ es Conan, die Karaffe Wein allein zu leeren.
Conan dachte an Yvanna und lächelte, als er den Armreif in der Innentasche der Weste verstaute. Wo in Croms Namen war das Weib? Sie sollte ihn hier ein paar Stunden nach Sonnenuntergang treffen, nachdem sie den letzten Tanz in der Schenke zum Goldenen Löwen beendet hätte. Er leerte das Glas schnell und schenkte sich nochmals ein. Er war zu sehr in Gedanken verloren, um zu bemerken, dass Hassem den Raum schnell verließ.
Nach einer halben Stunde schenkte der Cimmerier den Rest der Karaffe ins Glas. Er war nicht betrunken, aber der Wein zeigte deutlich Wirkung. Yvanna war noch nicht aufgetaucht. Er verlor langsam die Geduld. Vielleicht sollte er noch ein bisschen würfeln, ehe er sie ganz aufgab. Während er darüber nachdachte, entstand unten Lärm. Er hörte Holz splittern, dann das vertraute Klirren, wenn Schwerter aufeinander trafen. Sein Kopf war sofort klar, als seine Instinkte ihn blitzschnell vor einer möglichen Gefahr warnten. Seine Rechte glitt zum Schwertknauf. Die anderen Gäste, die betrunkener waren als er, überhörten den Lärm. Offensichtlich waren im Schwertknauf Schlägereien und plötzliche Zweikämpfe im Laufe eines Abends nicht ungewöhnlich. Conan entspannte sich etwas, blieb jedoch auf der Hut.
Gleich darauf hörte er schwere Stiefel die Treppe heraufstampfen. Eine Abteilung der Stadtwache erschien, unter der Führung eines Offiziers. Der Mann unterschied sich von den verweichlichten Typen, die Conan bisher auf den höheren Posten gesehen hatte. Sein gemeißeltes Gesicht wurde durch kurzgeschnittenes pechschwarzes Haar und einen gepflegten Bart betont. Offensichtlich war der Mann kein Brythunier. Er war fast so groß wie der Cimmerier, hatte noch breitere Schultern als er und einen kräftigen, gestählt wirkenden Körper. Er trug ein Kettenhemd und hielt in der Rechten ein Krummschwert.
Seine dunkelbraunen Augen musterten den Raum. Offenbar suchte er mit seinen Männern nach jemandem.
Jetzt brach die Hölle los. Zweifellos glaubte die Hälfte der Gäste, sie würden gleich festgenommen. Einige versuchten vergeblich, ihre Gesichter zu verbergen. Andere musterten unruhig das große schmutzverkrustete Fenster, das zur Straße hin lag. Wieder andere krochen in ihrer Verzweiflung unter den Tisch in der Ecke, um den scharfen Augen des schwarzbärtigen Riesen zu entgehen.
Von unten drang ein lauter Wutschrei herauf. Der kahlköpfige Immanus stürmte die Treppe herauf und schob drei Soldaten wie Strohhalme aus dem Weg. Dann stand er Nase an Nase vor dem Offizier im Kettenhemd, eine Hand am Griff des Säbels, die andere zu einer mächtigen Faust geballt. Sein dunkles Gesicht war tiefrot, entweder von der Anstrengung, die Treppe hinaufgelaufen zu sein, oder aus Wut über das plötzliche Eindringen der Stadtwache.
»Was soll das heißen, Salvorus? Wir haben unsere Abgaben entrichtet, um keine Probleme mit der Wache zu haben. Du als Hauptmann solltest gescheiter sein, als Ärger mit deinen Vorgesetzten zu riskieren.«
»Wenn du den General bestochen hast, hat er mir bestimmt nichts davon erzählt, Immanus. Wie auch immer - ich schulde dir keinen Gefallen. Mich kümmert diese Jauchegrube nicht, die du fälschlicherweise als Schenke bezeichnest, auch nicht der Abschaum, der darauf schwimmt. Am wenigsten kümmerst du mich. Ich bin hier in einer Angelegenheit des Königs und suche nur nach einem einzigen Mann. Tritt beiseite, es sei denn, du wärst so töricht und wolltest es mit mir und meinen Männern aufnehmen. Was sagst du?«
Immanus verzog das Gesicht, entrollte die Faust und stieß den Zeigefinger gegen Salvorus' Kettenhemd. »Du wagst es, mich zu beleidigen? Der Schwertknauf ist zwar mitnichten ein königlicher Palast, aber Unfälle sind in diesen Seitengassen an der Tagesordnung. Verlass sofort meine Schenke, sonst - bei Ishtar - ist der einzige Dienst, den du deinem König noch erweisen wirst, der, dass du seine Ratten mit deinem verwesenden Körper fütterst.«
Salvorus Züge verhärteten sich. Vorsichtig, doch kraftvoll, sprang er mit einer für einen so großen Mann erstaunlichen Geschwindigkeit einen Schritt vor, schlang den linken Arm um Immanus' Kehle und drückte ihn gegen die Wand. Immanus würgte, stieß jedoch Salvorus mit beiden Händen zurück. Dann zückte er den Säbel. Die geschwungene Klinge glänzte bösartig im Licht der Öllampen. Alle im Raum verstummten und blickten wie gebannt auf die beiden Männer, die sich auf einen Zweikampf vorbereiteten, dessen Ausgang mehr als ungewiss war. Die Burschen am Würfeltisch schlossen flüsternd einige Wetten ab.
Salvorus trat zurück, hob seine Klinge und schlug so gegen den Säbel, dass blaue Funken aufstoben. Immanus parierte den Hieb und stieß zu. Doch seine Klinge prallte am Kettenhemd des Gegners ab. Ehe Immanus sich wieder gefasst hatte, schoss Salvorus vor und führte einen kräftigen Schlag nach unten. Immanus' Säbel fiel klirrend zu Boden, mitsamt einigen seiner Finger. Salvorus holte aus und versetzte Immanus mit der Linken einen Faustschlag gegen das Kinn. Das grässliche Knacken und Knirschen des gebrochenen Kinns war beinahe so laut wie der Schmerzensschrei. Immanus sank zu Boden und umklammerte die blutende verstümmelte rechte Hand. Am Würfeltisch wechselten Münzen den Besitzer, während die Spieler Salvorus anstarrten. Sie waren über den Schaden, den er angerichtet hatte, sprachlos und verblüfft.
Conans Augen hatten sich verengt, während er den Kampf beobachtete. Sein erster Eindruck hatte sich bestätigt: Der Hauptmann war kein Lackaffe mit Titel, sondern ein erfahrener Kämpe. Da der Cimmerier jedoch keinerlei Verbrechen begangen hatte, konnte der Hauptmann nicht ihn suchen. Vielleicht hatte das Wiesel Hassem, der Zamorer, etwas getan, was dem König missfiel. Conan blickte zum Würfeltisch, Hassem war verschwunden. Zweifellos hatte sich der feige Dieb während des Kampfes davongestohlen.
Salvorus wischte die Klinge an der Hose des am Boden liegenden Gegners ab und ging entschlossenen Schritts auf den Cimmerier zu. Conans linker Arm lag auf dem Tisch, die Rechte ruhte auf dem Schwertknauf. Salvorus atmete noch schwer nach dem Kampf, als er den Barbaren ansprach: »Du bist Conan aus Cimmerien?«, fragte er, obgleich er die Antwort kannte.
»Ich habe nichts verbrochen. Was willst du von mir?«
»Du kommst mit mir in den Palast, wo man dich verhören wird. Wenn du nichts Unrechtes getan hast - wie du behauptest -, wird man dich laufen lassen.«
»Warum sucht ihr nach mir? Ich bin weniger als eine Woche in Pirogia, und nur auf der Durchreise. Lass mich in Ruhe!«
»Meine Geduld ist beinahe erschöpft, Cimmerier. Wenn du nicht friedlich mitkommst, werde ich dich zwingen. Du hast gesehen, wie es Immanus ergangen ist. Ich möchte dir nicht weh tun, sondern nur einige Fragen stellen.«
In Conan stieg langsam Wut auf. In seiner Heimat hätte er diesen Fremden auf der Stelle getötet, der ihn ohne Grund so behandelte. Doch er hatte gelernt, dass die zivilisierten Menschen seltsame Sitten und Gebräuche hatten; deshalb würde er den Mann nicht angreifen, wenn er ihn nicht weiterhin provozierte. Er verspürte keine Lust, monatelang - oder vielleicht jahrelang - in einem stinkenden brythunischen Verlies zu verbringen.
»Sage mir, welchen Verbrechens du mich beschuldigst. Dann werde ich entscheiden, ob ich mitkomme oder nicht.«
»Ich habe dieses Spiel satt, du Hund! In deinem Gürtel steckt ein Armreif, den du gestohlen hast. Es ist mit Juwelen besetzt und gehörte der Tochter des Königs, die du gestern Abend so schurkisch ermordet hast. Welch Teufel bist du, Barbar, dass du ihren Körper zu grausig verstümmelt hast? Wäre es mir gestattet, ließe ich auf der Stelle deinem Leib Gerechtigkeit zukommen.«
Conan war entsetzt. Er hätte wissen müssen, dass Hassems Preis zu niedrig war. Der schleimige zamorische Schurke hatte ihn an die Stadtwache verraten, vielleicht aus Bosheit, vielleicht um eine Belohnung zu kassieren. Doch es spielte jetzt keine Rolle, welcher Grund ausschlaggebend gewesen war. Niemand würde dem Wort eines herumziehenden Cimmeriers Glauben schenken. Ihm blieb keine Wahl. Er musste den Hauptmann kampfunfähig machen und aus der Stadt fliehen.
Salvorus nützte die Überraschung Conans aus und packte das kräftige rechte Handgelenk des Cimmeriers. Sein Griff glich einem Schraubstock. Conan versuchte ihn abzuschütteln, doch unter Salvorus' Fingern gab der Knochen nach und brach mit hässlichem Knacken.
Jetzt schäumte Conan vor Wut. Er packte die leere Karaffe mit der Linken, schlug sie Salvorus ins Gesicht und brach dem Hauptmann die Nase. Blut spritzte wie eine Fontäne aus den Nasenlöchern. Er ließ Conans Arm los. Der Cimmerier schwang die Karaffe wie eine Keule und schlug sie dem Gegner gegen die Schläfe. Das Glas zersprang. Splitter übersäten den Boden. Aus Salvorus' Schläfe schoss ein Blutstrom.
Das Gesicht des Hauptmanns war eine Maske aus Blut und Wut. Brüllend und fluchend schüttelte er den Kopf, um klar sehen zu können, und führte einen tödlichen Streich gegen Conans Hals. Der Cimmerier wich dem Hieb aus und rollte von der Bank. Er schnitt sich an den Glasscherben, zückte jedoch mit dem unversehrten Arm das Breitschwert. Er parierte Salvorus' Schlag, sprang auf und schlug erbarmungslos auf den ungeschützten Kopf des Gegners ein. Der verwundete Salvorus wehrte etwas zu spät ab. Der nächste Schlag Conans traf ihn mit der flachen Klinge direkt auf dem Schädel. Besinnungslos stürzte er zu Boden.
Conan sprang über ihn und rannte zur Treppe. Die Wachen erschraken so über diese anstürmende Kampfmaschine, dass sie ihm eilends Platz machten. Der Cimmerier stieß einige beiseite und nahm die Steinstufen mit großen Sätzen. Die schwere Eichentür der Schenke war von Salvorus und seinen Männern aus den Angeln gebrochen worden. Conan rannte an den verblüfften Gästen vorbei hinaus auf die dunkle Gasse - und prallte um ein Haar mit Yvanna zusammen. Obgleich er verblüfft war, sie zu sehen, und er es eilig hatte, wanderten seine Augen von oben bis unten über ihren üppigen Körper.
Das Mondlicht hüllte Yvannas schlanke Taille und die vollen Brüste in silbrigen Schein. Ihre Lippen, so rot wie Burgunder, waren leicht geöffnet. Das blonde Haar fiel ihr wie eine Kaskade auf die schlanken Schultern. Sie trug ein seidenes Gewand, das der Phantasie nur wenig Raum ließ. Am goldenen Gürtel hing ein Stilett in einer Scheide. Ein weiterer Dolch ragte aus dem rechten hohen Stiefelschaft.
»Crom! Wo hast du gesteckt, Weib? Ich habe stundenlang auf dich gewartet!«
Yvannas Augen waren bei Conans Anblick groß geworden. Er war von oben bis unten mit Blut bespritzt. Glassplitter ragten aus den immer noch blutenden Wunden an Armen und Gesicht. Seine breite Klinge war gerötet. Er hielt sie fest in der Linken. Das gebrochene rechte Handgelenk schwoll ständig an. Ein hässlicher Bluterguss umgab den unnatürlich abgewinkelten Arm Jeder schwächere Mann hätte längst das Bewusstsein verloren, doch Conan schenkte den Verwundungen und den grauenvollen Schmerzen keinerlei Beachtung.
»Conan... dein Handgelenk! Was ist geschehen? Mit wem hast du gekämpft?«
»Ich hatte eine Meinungsverschiedenheit mit einem Hauptmann der Wache. Er beschuldigte mich einer Schurkerei, mit der ich nichts zu tun habe. Ich habe versucht ihm zu erklären, dass Hassem es gewesen sein musste, der die Tochter des Königs ermordet und ihren Körper verstümmelt hat. Doch Hauptmann Salvorus wollte mir nicht zuhören, sondern mich mit Gewalt abführen. Ich muss sofort von hier weg, ehe seine Schergen Hilfe herbeirufen. Wenn ich die Lage richtig sehe, wird die gesamte Wache mich sehr bald wie ein Rudel Bluthunde verfolgen.«
»Aber... dein Handgelenk! Wie willst du damit fliehen? Ich werde dich verstecken, bis es verheilt ist. Ich kenne einen Ort, den die Wachen nie durchsuchen werden. Ich hole einen Heiler. Er wird sich um den Bruch kümmern. In ein paar Tagen werden sie die Suche abbrechen. Dann kannst du unbemerkt fliehen.«
Conan schüttelte den Kopf. »Nein, jeder in der Stadt sieht sofort, dass ich Cimmerier bin, und davon gibt es nicht viele. Keine Tarnung kann meine Größe und meinen Körperbau verändern. Ich muss diese Schlange Hassem finden und die Wahrheit aus ihm herausprügeln und ihn eigenhändig zur Wache bringen. Ansonsten habe ich keine Ruhe. Männer meines Volks gehen keinem Ärger aus dem Weg. Wir verstecken uns nicht feige. Außerdem muss ich Hassem das noch heimzahlen!«
Er hob den verletzten Arm Seine Augen glühten vor Wut. Er blickte sich auf der Gasse um Wenige Schritte neben dem Eingang zur Schenke lag ein Bettler mit dem Gesicht nach unten und schlief. Schnell entriss er ihm den schmutzigen und stinkenden Umhang und warf ihn sich über die Schultern.
»Das reicht fürs erste. Wir gehen jetzt wie ein vom Wein trunkenes Paar, das auf dem Weg zu einem Liebesnest ist.«
Yvanna rümpfte die Nase, weil der Umhang nach Erbrochenem roch. »Du stinkst so, dass keiner deine Nähe suchen wird.«
Conan legte den linken Arm um sie, und die beiden marschierten los. Vorsichtig liefen sie durch das Labyrinth der Gassen zur westlichen Stadtmauer Pirogias, wo Yvanna wohnte. Unterwegs dachte Conan über seine schlimme Lage nach. Er hätte es wissen müssen, dass sein Glück am Würfeltisch nicht von Dauer sein würde. Doch pflegte der Cimmerier nicht in Selbstmitleid zu baden. Er stellte sich auf die neue Situation ein und wendete seine Energie für die Lösung des Problems auf, vor dem er stand. Augenscheinlich hatte ihn sein Glück doch noch nicht ganz verlassen. Keine Wache hielt sie auf. So erreichten sie sicher Yvannas Wohnung.
Sie lebte in einem großen, aus Lehmziegeln errichteten Gebäude, mit einem Dach aus Rundbalken, die mit Pech verschmiert waren. Mehrere Familien wohnten darin. Yvanna vergewisserte sich, dass niemand am Eingang war, ehe sie Conan das Zeichen gab, hereinzukommen. Yvannas Wohnung bestand aus zwei Zimmern, mit wenigen Möbeln aus Holz. Alles war sehr sauber. Mit dem Tanzen im Goldenen Löwen verdiente Yvanna recht gut. Sie liebte ihre Arbeit. Es bereitete ihr Genugtuung, dass die Gäste dort ihre Kunst zu schätzen wussten. Als Conan vor wenigen Tagen dort aufgetaucht war, hatten seine eisblauen Augen sie in ihren Bann geschlagen. Er war nicht wie die anderen Männer, für die sie tanzte. Er war jünger, zugleich jedoch ernster, aber auch naiver als die anderen. Nach dem Tanz konnte sie sehen, dass ihr Körper und ihre aufreizenden Bewegungen in ihm Leidenschaft erweckt hatten. Er hatte sie ruhig und aufmerksam beobachtet und nicht so wie die anderen sie lachend angefeuert.
Später hatte sie sich mit ihm im Schankraum des Goldenen Löwen getroffen, weil sie mehr über diesen stillen Riesen erfahren wollte. Nach der ersten Flasche Wein hatten sie beschlossen, einen Abend gemeinsam das Nachtleben der Stadt zu genießen. Danach waren sie bei Yvanna gelandet. Conans tierhafte Stärke und Leidenschaft hatten sie erstaunt. Kein Mann hatte sie je so gereizt und zugleich befriedigt wie dieser seltsame Cimmerier.
Sie entfernte vorsichtig die Glasscherben aus seinen Wunden, während er ihr die Ereignisse des Abends schilderte. Nachdem sie das Blut abgewaschen hatte, betrachtete sie besorgt die blaurote Schwellung an seinem gebrochenen Handgelenk. Wenn sie keinen Heiler holte, bestand die Gefahr, dass er die Rechte nie wieder benutzen konnte. Wieder war sie tief beeindruckt von seiner tapferen Haltung angesichts der Schmerzen, die unerträglich sein mussten. Nicht ein einziges Mal hatte er gestöhnt. Jetzt war Conan mit seinem Bericht am Ende und schwieg. Seine Gedanken behielt er für sich.
Als Yvanna fertig war, nahm Conan sein Schwert und legte es zu sich auf die weichen Pelze, die ihr als Bett dienten. Er verfiel in einen leichten Schlaf - doch ruhte die linke Hand stets am Schwertgriff. Yvanna wusste, dass er nicht tief schlief. Doch gelang es ihr, mit der lautlosen Anmut einer Tänzerin die Wohnung zu verlassen, ohne ihn zu wecken, und sich auf die Suche nach dem Heiler zu machen.
»Narr!«
In einem prachtvoll ausgestatteten Vorzimmer im Palast stand General Valtresca mit hochrotem Gesicht vor dem niedergeschlagenen Hauptmann Salvorus. Der General der brythunischen Armee war nur geringfügig kleiner als Salvorus, aber viel schmaler gebaut. In seinen Bart und das dünne blonde Haar mischten sich graue und weiße Strähnen. Obgleich er dadurch wie ein Mann mit fünfzig aussah, wirkten seine Gesichtszüge viel jugendlicher.
Der General trug einen maßgerecht sitzenden stählernen Brustharnisch, dessen Platte kunstvoll verziert war. Die Oberarme bedeckten Dreiecke aus Stahlringen, die mit der Brustplatte verbunden waren. Daran war ein wadenlanger Umhang aus tiefrotem Wolltuch befestigt. Seine Panzerhandschuhe waren herrlichste Schmiedearbeit und seine hohen Lederstiefel waren mit Metallplättchen verstärkt. Sie endeten knapp unterm Knie. Enge Beinkleider aus bestem rotschwarzem Leder umschlossen die muskulösen Beine. An seiner Hüfte hing ein langes, dünnes Schwert mit prächtig verziertem Heft. Die Scheide war mit Gold- und Silberintarsien verziert. Der General war eine eindrucksvolle, um Achtung heischende Gestalt - und er war sich dessen nur allzu sehr bewusst. Seine Art war daher barsch, herablassend und angeberisch.
Salvorus wirkte in diesem Augenblick keineswegs so eindrucksvoll wie der General. Sein misshandeltes Gesicht lief abwechselnd blau und rot an. Die Schläfenwunde war noch nicht versorgt und das gestockte Blut glänzte und verklebte das schwarze Haar. Zwar stand er aufrecht da und ließ die Beschimpfungen des Generals stumm über sich ergehen, doch die schweißgetränkte Braue verriet, dass er innerlich keineswegs so ruhig war, wie er sich gab, sondern vor Nervosität bebte.
Valtresca hatte sich derartig in Wut geredet, dass die Adern an seinen Schläfen hervortraten. »Deine Ungeschicklichkeit hat die Wachen zur Zielscheibe des Spotts der gesamten Stadt gemacht! Du hattest den Barbaren im Griff und hast ihn entwischen lassen! Hättest du deinen Kopf anstelle des Schwertarms benutzt, läge der Schänder von Eldrans geliebter Tochter jetzt in Ketten im Verlies und könnte hören, wie der Henker sein Beil für die Hinrichtung schärft. Doch stattdessen kehrst du mit leeren Händen und einer erbärmlichen Entschuldigung zurück! Du hattest sechs Soldaten bei dir. Kein Mann kann euch alle allein überwältigen! Das ist doch lächerlich! Besonders nicht, wenn es stimmt, dass du ihm das Handgelenk gebrochen hast! Das ist einfach unfassbar! Ein einarmiger Barbar entkommt einem halben Dutzend gut ausgebildeter Soldaten, die geführt werden von Salvorus, dem Helden der Grenzkriege!«
Salvorus hörte sich die Beschimpfungen des Generals seit über einer Viertelstunde an, und langsam verlor er die Geduld. »General, mit Verlaub, das waren keine gut ausgebildeten Soldaten. Laut Augenzeugenberichten hat sich der feige Abschaum fast gegenseitig totgetrampelt, nur um dem Cimmerier freie Bahn für die Flucht zu schaffen. Ich habe Ratten auf Hinterhöfen gesehen, die weitaus mehr Mut bewiesen als diese Stadtwachen. Sie mögen fähig sein, Schlägereien auf den Straßen abzubrechen und aufsässige Trunkenbolde über den Schädel zu schlagen, aber sie haben weder den Mut noch die Fähigkeit, es mit einem Feind wie diesem Cimmerier aufzunehmen. Wenn ich ein paar meiner Männer dabei gehabt hätte, die Erfahrungen in den Kämpfen an der nemedischen Grenze gesammelt haben, hätte das Verlies heute Abend einen neuen Insassen, das schwöre ich. Bei Mitra! Ich habe noch nie einen so starken und so schnellen Mann gesehen! Und das nach zwei Karaffen Wein, wie mir die Schankmaid verriet. Wie du selbst immer sagst, General, ein erfolgreicher Befehlshaber darf niemals den Feind unterschätzen.«
»Wie schade, dass dir das nicht eingefallen ist, ehe du dich diesem Cimmerier genähert hast«, unterbrach ihn Valtresca spöttisch. »Ich vertraue darauf, dass du diesen Fehler nicht wiederholst, Salvorus. Ich war ein guter Freund deines Vaters. Mitra schütze seine Seele! Als ich von deinen Taten in den Grenzkriegen hörte, habe ich dir eine Stellung von nicht zu unterschätzender Bedeutung verschafft und dich in diese Stadt geholt. Und jetzt enttäuschst du mich bereits im ersten Monat auf deinem neuen Posten. Aus Respekt vor deinem Vater sollst du noch eine Bewährungsprobe ablegen können. Finde den Barbaren! Wir können sicher sein, dass er schuldig ist. Seine Reaktion auf deine Anschuldigung lässt keinen Zweifel zu. Schaff ihn herbei! Lebendig oder tot! Der König wird zumindest geringen Trost empfinden, wenn er weiß, dass der Unhold, der für die unfassbare Schandtat verantwortlich ist, zur Rechenschaft gezogen wurde. Wenn es dir hilft, lass deine Burschen von der Grenze herkommen. Bedien dich aller nur erdenklichen Mittel! Dieser Schurke darf nicht ungestraft davonkommen.«
»Jawohl, General!« Salvorus salutierte, machte auf dem Absatz kehrt und verließ schnell den Raum Er war erleichtert, endlich Valtrescas beißendem Spott und den Beleidigungen entronnen zu sein. Es stimmte, was man sagte: Die Zunge des Generals konnte einen Mann schlimmer verwunden als sein Schwert.
Als der Hauptmann durch die steinernen Korridore des Palasts schritt, dachte er nochmals an die letzten Ereignisse. Erst vor etwas über einem Monat hatte er erfolgreich die Invasion eines nemedischen Barons vereitelt, der sich das große Stück brythunischen Landes zwischen der Gabelung des Gelben Flusses unter den Nagel hatte reißen wollen. Damals war Salvorus nur Leutnant gewesen. Sein Hauptmann war bei der ersten Attacke der Nemedier gefallen und überließ ihm den Befehl über die fünfhundert Grenzsoldaten. Obgleich Salvorus es mit der dreifachen Übermacht zu tun hatte, hatte er die Ufer des Flusses eine Woche lang gehalten, bis endlich die Verstärkung eintraf. Er hatte eigenhändig über vierzig Nemedier mit dem Schwert getötet und selbst nur wenige leichte Wunden davongetragen.
Die Grenztruppe hatte sich um ihn geschart und war von seinen Taten ermutigt worden. Während dieser erbitterten Kämpfe war er zu sehr mit Überleben und Taktik beschäftigt, um sich Gedanken über seine Zukunft zu machen. Als später der Herrscher Nemediens frech behauptete, er hätte mit dem Überfall nichts zu tun, und eine Karawane mit Geschenken als Friedensangebot schickte, wurde Salvorus eine Art Held. Der König hatte ihm persönlich gedankt und ihm zu Ehren ein Bankett gegeben.
Dann hatte Valtresca ihm die Spitzenposition als Hauptmann der Stadtwache angeboten, und er hatte bereitwillig angenommen. Jetzt bereute er die übereilte Entscheidung. Seine besten Fähigkeiten zeigten sich in der Schlacht - wie er glaubte. Angesichts der Gefahr und der Herausforderungen, welche die Kämpfe an der Grenze täglich boten, war er aufgeblüht. Hier in der Stadt gab es andere Gefahren, die Schlachten auf den Straßen und in den Gassen erforderten eine ganz andere Taktik als die, welche er gelernt und erfolgreich eingesetzt hatte. Zugegeben, der Lohn war größer und die Gefahr etwas geringer; aber er war keineswegs sicher, dass diese Stellung ihm behagte. Ein Mann mit größerer Erfahrung in Politik und geringerer in der Kunst des Schwertführens wäre wahrscheinlich geeigneter für diesen Posten gewesen.
Dennoch war Salvorus keineswegs bereit aufzugeben. Valtresca hatte seine Karriere in derselben Grenzgarnison begonnen wie er und mit Sicherheit mit den gleichen Schwierigkeiten zu kämpfen gehabt. Salvorus würde beweisen, dass er fähig war. Er war überzeugt, eines Tages würde er Valtrescas Platz als General der brythunischen Armee einnehmen, auch wenn diese Armee im Vergleich zu jenen der großer Königreiche wie Aquilonien, Ophir oder Shem klein war. Der Titel brythunischer General bedeutete Ehre und blickte auf eine jahrhundertealte Tradition zurück.
Salvorus konnte sich später um seine Wunden kümmern. Er hatte bereits alle verfügbaren Soldaten ausgeschickt, um sämtliche Ausgänge der Stadt zu überwachen. Seine Leutnants versammelten sich jetzt in der Wachstube. Er hatte einen Plan entworfen, wie er den Cimmerier fangen würde, und wollte weder ruhen noch rasten, bis er ihn in die Wege geleitet hatte. Aufgrund seiner natürlichen Kampfkraft und seiner Körpergröße war Salvorus noch nie in einem Zweikampf unterlegen. Er rieb sich vorsichtig die blutverkrustete gebrochene Nase. Dieser Conan war wohl die größte Herausforderung, die ihm bis jetzt begegnet war.
Nachdem Salvorus den Raum verlassen hatte, lief Valtresca mit gesenktem Kopf, tief in Gedanken verloren, auf und ab und strich sich gelegentlich durch den Bart. Nach einiger Zeit blieb er stehen, richtete sich auf und ging zu einem polierten Eichentisch, der in einer Ecke stand. Auf dem Tisch stand ein kleiner Gong aus Bronze. Er nahm den Schlegel, der daneben lag, und schlug kraftvoll auf den Gong.
Minuten später klopfte jemand leise an die Tür. »Es ist nicht verschlossen, tritt ein!«, rief Valtresca ungeduldig.
Die Tür öffnete sich leise. Ein dürrer alter Mann mit heller Haut trat ein. Er trug ein Gewand aus blassblauer Seide. Nach einer Verbeugung schloss er die Tür hinter sich. »Es gibt da vielleicht eine Schwierigkeit, Lamici«, sagte Valtresca leise. »Ich habe dir strikte Anweisungen gegeben, die Leiche zu beseitigen. Wieso ist der Schmuck der Prinzessin bei diesem Mann aus dem Westen gelandet?«
»Ich habe die Angelegenheit mit äußerster Vorsicht und streng geheim behandelt, das kann ich dir versichern«, antwortete der Obereunuch mit hoher singender Stimme. »Du verdächtigst doch nicht etwa mich, den Leichnam geschändet zu haben, oder?«
»Nein, aber jemand hat es getan. Die Prinzessin hat die Kette und den Armreif bekommen, als sie noch sehr jung war. Später waren die Schmuckstücke dann so eng, dass man sie nicht mehr abnehmen konnte. Das ist Brauch bei den adligen Damen Brythuniens. Um sie zu entfernen, musste der Dieb die Hände und den Kopf abhacken. Kein Wunder, dass der Leichnam so entsetzlich zugerichtet war! Wäre ich doch nur gestern rechtzeitig in der Stadt gewesen, um die Sache zu vertuschen, ehe die gesamte Stadtwache alarmiert war! Nachdem man den König von der Schandtat unterrichtet hatte, wurde sogar eine Belohnung ausgesetzt, um den Schuldigen zu ergreifen!«
»Ich habe sofort einen Boten zu dir geschickt, als ich hörte, dass die Wachen den Leichnam entdeckt hatten. Ich bin überrascht, dass er dich so schnell erreicht hat.«
Valtresca fluchte. »Nicht schnell genug! Zum Glück glaubt der Einfaltspinsel Salvorus, dass dieser Barbar verantwortlich ist. Es gibt nur eine andere Person, die Bescheid wissen könnte. Laut Salvorus hat ihm ein gewisser Hassem - ein Zamorer - gesagt, wo und bei wem er den Armreif finden würde. Wie ein Hund, der sich bei seinem Herrn einschmeicheln will, ist unser treu ergebener Hauptmann sofort losmarschiert, um den Schuldigen zu verhaften. Wenn er doch nur diesen elenden Cimmerier getötet hätte!«
»Ah, General, ich habe von diesem Hassem gehört! Er ist ein Hehler aus Zamora, eine stinkende Kloakenratte, ohne Skrupel. Obgleich derartige Männer nützlich sein können, darf man ihnen jedoch niemals trauen. Hat er bereits die Belohnung für die Ergreifung des Verbrechers kassiert? Wenn ich mich recht erinnere, waren zweihundert Goldkronen ausgesetzt. Hassem wird dieses Gold gewiss wollen. Vielleicht könntest du Salvorus anweisen, ihn holen zu lassen, damit wir ihn bezahlen...«
»Selbstverständlich werde ich das tun. Überlass das nur mir, Eunuch. Ein Hehler, richtig? Hassem wird eine weit größere Belohnung erhalten, als er erwartet. Ich wüsste gern, welche Beweise es für die Schuld des Cimmeriers gibt.«
»Hmmm... ich wette, dieser Hassem weiß mehr, als er dem Hauptmann erzählt hat. Vielleicht könnte man ihn mit den geeigneten Mitteln überreden, dir alles zu sagen.«
Valtrescas Gesicht verhärtete sich. Seine Augen glänzten wie kalte, seelenlose Saphire. Er lächelte grausam und ballte die Faust im Panzerhandschuh. »Wenn er etwas weiß, wird er es mir sagen. Geh jetzt. Halte Augen und Ohren offen, falls es etwas Neues gibt. Ich muss alles erfahren, was man dem König mitteilt.« Er senkte die Stimme, bis er kaum hörbar flüsterte. »Weiß Azora von alledem?«
Der alte Eunuch schlug die Augen zu Boden. »Ich habe es ihr nicht persönlich erzählt. Ich habe seit... seit dem Ritual vor zwei Nächten nicht mit ihr gesprochen. Wie du wohl weißt, verfügt sie über die Fähigkeit, viel von dem zu wissen, was nicht gesagt wurde. Wäre sie besorgt, hätte sie mich zweifellos rufen lassen.«
»Wir müssen uns vergewissern, dass sie dich nicht wegen dieser Angelegenheit zu sich kommen lässt. Ich fürchte keinen Menschen, wohl aber ihre Zauberkunst. Ich möchte nicht, dass sie diese gegen mich verwendet. Ich kümmere mich um Hassem und teile dir das Ergebnis später mit.«