Conny Donavan - Remy Fridal - E-Book

Conny Donavan E-Book

Remy Fridal

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Beschreibung

Conny Donavan ist die Erbin eines riesigen Technik-Konzerns, dessen Hauptsitz die Burg Donavan Castle in Schottland ist. Angus, der engste Vertraute von Connys Eltern offerierte ihnen in der Burg ein großes Geheimnis. Es existiert ein Tor zu anderen Dimensionen in denen Connys Eltern nicht nur Handel trieben, sondern auch verschollen sind. Conny und ihre Freundinnen, Kiki, Dani, Lucy und Julie, wie auch deren Freunde Will, Jurek und Elric werden von Angus und dem Magier Merritt Vandori unterrichtet. Merritt lehrt sie das alte Wissen der Magier anzuwenden. In der Magierschule Mazi-Allmag lernen sie ihr Wissen zu vertiefen. Auf der Suche nach Connys Eltern in fremden Dimensionen, müssen sie feststellen, dass Drachen, Trolle, Gnome und andere magischen Wesen aus vielen Legenden tatsächlich existieren. Sie erleben haarsträubende und nicht ganz ungefährliche Abenteuer in diesen Dimensionen.

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Inhaltsverzeichnis

Was bisher geschah

Glaube ist nicht alles

Traumfrühstück

Professor Alazee

Demütigung

Die Neuen

Verschwunden

Finlay und Gabriella

FIODORA

Die Wächter

Die Augen der anderen

Der schwarze Spiegel

Die Captivi

Das Juli-Fest

Die Vorführungen

Flucht nach vorne

Das Wolfsreiten

In der Spelunke

Tödliche Magie

Ben

Schutzschild

Exsanguis

FERIEN

Das Dorf der Verdammten

Aufstand

Invasion der Robos

Die Hochebene von Moro

Die Schlacht der Magier

Aydas Vermächtnis

Was bisher geschah

Conny Donavan lebte seit 14 Jahren in der Obhut ihres Onkels Cornelius und ihrer Tante Fia in der Schweiz.

Mit ihrem 18. Geburtstag ist nicht nur das Ende ihrer Internatszeit gekommen, sondern gleichsam der Anfang eines wahnsinnigen Abenteuers, denn sie erfährt, dass ihre Eltern inzwischen als verschollen gelten und sie die Erbin eines riesigen Technik-Konzerns ist, dessen Hauptsitz die Burg ‚Donavan Castle‘ in Schottland ist.

Mit ihren Freundinnen, Kiki, Dani, Lucy und Julie, deren Eltern ebenfalls in den Konzern involviert sind, reist sie nach Schottland.

Angus, der engste Vertraute von Connys Eltern offeriert ihnen in der Burg ein großes Geheimnis: Es existiert ein Tor zu anderen Dimensionen in denen Connys Eltern nicht nur Handel trieben, sondern auch verschollen sind. Alle Versuche, sie zu finden, waren im Sande verlaufen.

Der Magier Merritt Vandori unterrichtete sie in seiner Dimension und lehrte sie das alte Wissen der Magier anzuwenden. Hier lernenten sie auch die Neffen des Magiers kennen, Elric und Jurek, in die sich Dani und Lucy verliebten.

Kiki und Julie kamen sich näher und verliebten sich ineinander. Aber auch Conny fand ihre große Liebe in dem ehemaligen Chauffeur von Donavan Castle, William Longbottom.

Durch die Aufzeichnungen ihres Vaters gelangte Conny an Daten von Dimensionen, die ihre Eltern besucht hatten. Mit Angus Hilfe erkundeten sie einige von ihnen und erlebten haarsträubende Abenteuer, konnten Connys Eltern aber nicht finden.

Glaube ist nicht alles

Conny sah an sich herunter, bemerkte ihre nackten Beine und Füße, und sie begann zu frieren, oder erschien ihr es nur so? Kühles, schmutziges Wasser quetschte sich bei jedem Schritt durch ihre Zehen und hinterließ ein ungutes Gefühl.

Ihre Gedanken waren wie verknotet; weder wusste sie, wo sie war, noch was sie hierhergeführt hatte.

Ja nicht einmal, wie sie hierhergekommen war, konnte sie ihren verschrobenen Gedanken entnehmen. Nur mit einem T-Shirt und einem Slip bekleidet streifte sie scheints ziellos durch die schwüle Nacht, oder gab es da doch ein Ziel?

Eine ihr fremde Macht schien sie magisch anzuziehen und sie setzte automatisch einen Fuß vor den anderen, einer inneren Eingebung folgend.

Conny sah sich um. Der Boden war morastig und dornige Ranken eines Brombeergestrüpps rissen ihre Haut wund, sobald sie sich bewegte, aber die innere Unruhe ließ sie nicht verweilen. Wieder und wieder setzte sie trotz aller Hindernisse ihren Weg Schritt für Schritt fort.

Nebelschwaden hingen wie zerrissene, schmutzige Stofffetzen in den Büschen um sie herum. Bis auf einige dunkle, scheints bleischwere Wolken, die sich langsam ihren Weg bahnten, war der Himmel sternenklar.

Die Unruhe in ihren Gedanken wurde kurz unterbrochen von unheimlichen Geräuschen aus dem nahen Wald. War das ein Wolf? Rief da ein Käuzchen, oder gar nur der Wind, der heulend stark aufgefrischt hatte?

Gar nichts erschien ihr real und dennoch, oder vielleicht gerade deswegen, kroch die morastige Kälte aus dem Boden an ihren Beinen hoch, über den Rücken und schien sich zwischen ihren Schulterblättern zu manifestieren.

‚Weiter, weiter – du musst weiter!‘, schrie es in ihren Gedanken und ihr Körper schien darauf zu reagieren, ohne dass sie etwas dagegen hätte unternehmen können.

Sie riss sich aus den Dornenranken frei, die wie die Arme einer großen Krake nach ihr griffen und stapfte danach über eine Wiese. Ihre blutigen Arme und Beine schmerzten nicht einmal. War der Gedanke des Fortkommens so immens, dass er alles andere unterdrückte?

Schatten auf der Wiese begannen sich zu bewegen. Sie krochen zuerst langsam auf und ab, dann wiederum sprunghaft schnell und mit den Augen kaum zu verfolgen. Sollte jetzt der Zeitpunkt gekommen sein, wo sie in Panik verfallen und weglaufen sollte? Der Gedanke verfiel so schnell, wie er gekommen war.

Ihr Ziel schien in Sicht zu sein, denn der Drang vorwärtszugehen hatte sich gelegt. In einiger Entfernung konnte sie die Silhouette einer alten Kapelle gegen ein Stückchen wolkenfreien Himmel erkennen, deren einstiger Turm wohl der Zeit zum Opfer gefallen war, denn die Reste des Turmes lagen verstreut neben der Kapelle.

Die stämmige Holztüre der Kapelle hing nur noch an ihrem oberen Scharnier. Aus diesem Grunde stand sie auch einen spaltbreit offen. Der aufkommende Wind spielte mit Connys Haaren und sie hatte das Gefühl, direkt in einen Föhn zu starren. Der Luftzug war heiß und feucht zugleich. Selbst die restlichen Nebelschwaden schienen vor dem Wind zu flüchten.

Durch den Spalt konnte sie zwar nicht in die Kapelle sehen, jedoch erstürmte sie da ein Gedanke ‚da drin muss jemand schweißen‘, denn sie konnte weißblaue Lichtblitze erkennen, wie sie eben beim Schweißen entstehen und sie es oft bei ihrem Onkel Cornelius in der Schweiz erlebt hatte.

Die feuchtschwangere Luft machte ihr sehr zu schaffen, aber da war er wieder, dieser innere Drang, den sie nicht beherrschen konnte, vorwärtszustreben, auf den Spalt zu. Langsam, aber dennoch beharrlich ging sie vorwärts, als ein greller Blitz, gefolgt von einem mächtigen Donnergetöse sie für einen Moment erstarren ließ.

Das Wetter schien umzuschwenken, denn auch der Wind hatte barsch zugelegt und fegte einige abgerissene Blätter vor sich her. Es schien ihr nichts auszumachen, obwohl sie in ihrem Innersten Angst vor Gewittern hatte; das wusste sie definitiv. Leise und vorsichtig schlüpfte sie durch den Türspalt und spähte in die Kapelle.

Die ehemaligen Bänke standen noch an ihren Plätzen, jedoch würde sich wohl niemand getrauen, darauf Platz zu nehmen, ohne befürchten zu müssen, dass sie unter ihrem Gewicht zusammenbrechen würden.

Rechts und links der Außenwände gab es breite Fensterbänke, auf denen schwarze Kugeln lagen, groß wie Bowlingkugeln, wobei jede einzelne von einer Art elektrischem Netz umgaben war.

Immer dann, wenn sich ein kleiner Blitz in diesem Netz entlud, spratzelte es leise, doch die Vielzahl dieser kleinen Entladungen hatten das Licht erzeugt, dass sie zu der Annahme verleitet hatte, hier würde jemand schweißen. Tatsache war jedoch, dass sie niemanden sehen konnte.

Da war kein menschliches Wesen. Der Wind hatte sich inzwischen zu einem echten Sturm erhoben und zerrte und rüttelte am Holzdach der kleinen Kapelle. Sie vernahm das Quietschen, Ächzen und Stöhnen der Holzplanken, die noch das Dach trugen, aber wie lange noch?

Draußen blitzte und donnerte es immer heftiger. Das Gewitter schien näher zu kommen. Plötzlich zuckte ein greller, blendender Blitz auf und Conny erstarrte vor Angst und Ehrfurcht, denn dieser Blitz war durch den alten Turm gefahren, direkt auf den zerfallenen Altar zu.

Innerhalb einer zehntel Sekunde hatte Sie sich auf den Donner vorbereitet, der unweigerlich erfolgen müsste. Sie hatte sich automatisch in die Hocke fallen lassen und ihre Schultern näher an den Körper gezogen, aber von einem Donner war nichts zu hören. Dafür erschien eine Gestalt am Altar, wo der Blitz eingeschlagen hatte.

Ein alter Mann richtete sich auf. Erschrocken sah Conny ihn an, denn er war vorher nicht dagewesen und musste mit dem Blitz gekommen sein. Der Mann hatte das Aussehen eines Zauberers – jedenfalls so, wie sich einen Zauberer als kleines Kind immer vorgestellt hatte.

Ein langer Umhang hing ihm von den Schultern bis zum Boden herunter. Seine hageren, nackten Füße lugten unter der Kutte hervor, die seinen schlanken Körper einhüllte und von einem glühenden Gürtel gehalten wurde. In der Hand hielt er einen Zauberstab und wedelte damit in der Luft herum. Auf dem Kopf trug er einen spitzen Hut. Sein Gesicht konnte sie nicht ausmachen, zumindest keine klaren Gesichtszüge erkennen - irgendwie verzerrt.

Vorsichtig richtete sich Conny jetzt auch wieder auf und starrte wie gebannt zu der Gestalt hinüber. Aus seinem Zauberstab fuhren Blitze, die sich über seinem Kopf zu einem kreisenden Ring zusammenschlossen.

Dieser Ring glitt nun nach unten über seinen Körper hinweg und radierten ihn aus. Ein letzter greller Blitz und das Wesen war verschwunden. An seiner statt lag jetzt eine sehr große, schwarze Kugel vor dem Altar. Genau wie die Kugeln auf den Fensterbänken, war auch sie von einem elektrischen Feld umgeben.

Bevor Conny sich einen Reim darauf machen konnte, schoss aus der Kugel ein feuriger, mächtig fauchender Blitz auf sie zu und traf sie völlig unvorbereitet. Sie fiel ins Bodenlose…

„Conny! Conny, um Himmels Willen – wach auf! Du träumst!“, rief ihr Freund Will, lauter als gewollt und rüttelte sie an den Schultern.

Er gab ihr einige sanfte Klapse auf die Wange, da Conny schweißgebadet neben ihm im Bett lag, aber nicht wach werden wollte.

„Was ist denn los?“, wollte Elric schlaftrunken wissen. „Hey, Dani, wach auf!“, rief er dann, ohne auf eine Antwort von Will zu warten, da auch seine Freundin Dani sich neben ihm wie wild hin und her wälzte.

Als Merritt, der Meistermagier und ihr erster Lehrer für Magie, sie an diese Schule gebracht hatte, war es ein Gefallen, den er von Melvin eingefordert hatte, dem Leiter dieser Schule.

Mazi-Allmag nannte sich diese Schule und war eine alte Abtei in einer Dimension, die sich die Magier des Zirkels selbst erschaffen hatten, indem sie einen Teil einer sehr alten Dimension kopierten.

Für den geregelten Ablauf in der Schule sorgten Mönche. Conny und ihren Freunden war Bruder Martin zugeteilt worden, der schnell zu ihrem Freund geworden war.

Da die Schule aber überbelegt war, blieb ihnen anfangs nichts anderes übrig, als alle zusammen in einem großen Raum zu wohnen und auch zu schlafen. Daran hatten sie sich inzwischen so sehr gewöhnt, dass sie es auch gar nicht anders haben wollten.

Conny hatte sich in Will verliebt, ihren ehemaligen Chauffeur. Ihre beiden Freundinnen Kiki und Julie waren sich bei einer Bootspartie nähergekommen und hatten sich unsterblich ineinander verliebt. Dani und Lucy hingegen hatten ihren Partner in Merritts Neffen, Elric und Jurek gefunden.

Inzwischen waren alle wachgeworden und versuchten herauszufinden, was denn eigentlich los sei, da in dieser Schule anscheinend nicht unmöglich war.

„Hey, klärt mich mal einer auf?“, rief Elric gereizt, da er gerne ungestört schlief, was aber bei diesem Durcheinander unmöglich war.

„Ich hatte einen Alptraum!“, hüstelte Conny noch vollkommen verschwitzt und durcheinander. „Ich stand plötzlich im Wald, mehr oder weniger im Morast, nur halb angezogen und ging in eine Kapelle, in der ich…!“

„Einen Zauberer und Kugeln vorfand!“ Dani vervollständigte ihren Satz und setzte sich auf.

„Du auch?“, riefen Kiki, Julie und Lucy fast gleichzeitig.

„Äh, ihr hattet alle den gleichen Traum?“, wagte Jurek zu fragen und sah sich irritiert in der Runde um.

„Nein, wohl mehr ‚denselben‘ Traum!“, krächzte Conny nervös und trank etwas Wasser, das Will ihr gereicht hatte.

„Träume sind Schäume, sagt ein Sprichwort, aber wenn fünf Menschen zur selben Zeit denselben Traum haben, kann da doch etwas nicht stimmen, oder?“, fragte Kiki ängstlich.

„Wie dem auch sei, lasst uns morgen beim Frühstück Angus fragen, was er davon hält, dann können wir weitersehen!“, murmelte Elric etwas ärgerlich, der um seinen Schlaf fürchtete.

„Ich glaube aber, dass es was zu bedeuten hat. Vielleicht hat uns jemand mit dem Traum etwas sagen wollen, also ich meine…, vielleicht wurde der Traum geschickt, äh, quasi gesendet…, oder so?“, fragte Kiki unverdrossen weiter.

„Ich sende dir gleich etwas!“, grinste Elric und warf mit einem Kissen nach Kiki.

„Es bringt alles nichts, wenn wir uns jetzt verrückt machen. Lasst uns mit Angus beraten, dann können wir vielleicht auch wieder klar denken!“, erklärte Will, denn wilde Diskussionen würden jetzt eh zu nichts führen.

Man einigte sich darauf und Jurek schaltete seine Nachttischlampe wieder aus. In dem Moment, wo es dunkel wurde, hörte man leises Flüstern, denn so richtig abschalten konnte keiner, bis auf Elric, der schon wieder selig entschlummert war.

Aber auch Conny fand keine Ruhe und dachte lange nach, was dieser ‚gemeinsame‘ Traum wohl bedeuten konnte, jedoch schlief sie dann in Wills Armen ein und fühlte sich dort geborgen.

„Na, Glaube allein ist eben nicht alles!“, flüsterte Will und gab Conny einen Kuss auf ihre immer noch heiße Stirn, bevor auch er einschlief.

Traumfrühstück

Als Conny und Will den Speisesaal betraten, saßen schon alle am Tisch beim Frühstück, einschließlich Angus und Gutarh, Magier, Lehrer und sehr guter Freund von Conny.

„Geh und setz dich zu ihnen, ich bringe dir das Frühstück mit!“, lächelte Will Conny an und gab ihr einen flüchtigen Kuss auf die Wange.

„Du bist ein wahrer Schatz!“, antwortete sie und strich ihm liebevoll eine Haarsträhne aus seinem Gesicht.

Guten Morgen, alle miteinander!“, grüßte Conny gut gelaunt und setzte sich neben Angus, da dort noch zwei Plätze frei waren. Aber ihren Gruß hatten wohl nur Angus und Gutarh gehört, weil alle anderen heftig die letzte Nacht diskutierten.

„Auch dir einen guten Morgen, Conny!“, wünschte Gutarh und lächelte, denn sicher hatte auch er schon von den Träumen gehört. Angus murmelte nur, weil er den Mund voll hatte. Essen ging Angus über alles, da konnte kommen, was wollte.

„Kannst du dich an unseren Unterricht erinnern, wo wir über Gedankenkontrolle sprachen?“, fragte Gutarh, wie beiläufig und tupfte sich die Lippen mit der Serviette ab.

„Ja, natürlich!“, antwortete Conny und rutschte etwas zur Seite, da Will in diesem Moment mit einem Tablett an den Tisch kam.

„Hey, vade retro!“, rief Will plötzlich und schaute Gutarh lachend an.

„Aha, er weiß es also auch noch!“, lachte Gutarh und verschluckte sich fast. „Du hast also bemerkt, dass ich mich in deine Gedanken eingeklinkt hatte und dich erfolgreich gewehrt, aber…!“

„Ja, ich sehe nur dumm aus, aber ansonsten…!“, unterbrach Will ihn lächelnd und teilte das Frühstück aus.

„Nun, letzte Nacht haben die Mädchen aber allesamt ‚dumm ausgesehen‘ und das müssen wir auf der Stelle ändern. Denkt immer daran, dass die Captivi immer noch hinter euch her sind!“ Gutarh war jetzt sehr ernst geworden.

„Was haben diese eingetopften Typen denn mit den Träumen zu tun?“, wollte Will wissen und schob sich einen Bissen in den Mund.

„Es sind zwar nur die Gehirne dieser Menschen, die in…, wie soll ich sagen? Apparaten eingeschlossen sind, doch haben sie ihre Helfer, die sie selbst außerhalb ihrer Dimension steuern können. Bislang konntet ihr diese Helfer immer an ihrer schwarzen Aura erkennen und euch dagegen wehren. Aber anscheinend versuchen sie es jetzt bei euch selbst, indem sie nachts, wenn ihr schlaft, in eure Gedanken kriechen!“

„Himmel, wenn ich daran denke, was sie da bei Kiki alles erfahren mussten, wundert es mich doch sehr!“ lachte Will.

„Wer hat was bei mir erfahren?“, hakte Kiki sich auch sofort in das Gespräch ein. Sie hatte ihre Ohren eben stets überall.

„Oh, nichts Besonderes…, hoffe ich jedenfalls!“, grinste Will und winkte mit einer Hand ab.

„Das hoffe ich auch sehr, denn anscheinend versuchen die Captivi jetzt auf diese Weise zu erfahren, was ihr vorhabt!“, gab Gutarh zu bedenken. „Gott sei es gedankt, habt ihr keine Schlafwandler unter euch, denn dann hätten sie leichtes Spiel. Stellt dir nur vor sie leiten dich zu einer Schlucht – du würdest, ohne nachzudenken, hinunterspringen!“

„Kann man sich denn nicht dagegen wehren? Wenn ich schlafe, bin ich doch nicht mehr Herr meiner Sinne, oder?“, wollte Conny wissen, denn Gutarhs Einlassung wollte ihr so gar nicht munden.

„Aus diesem Grunde versuchen sie es ja auch so!“, meldete sich Angus, der sein Frühstück beendet hatte.

„Ich werde euch gleich zum Unterricht Professor Alazee vorstellen. Dann habe ich auch die Möglichkeit, den anderen zu erklären, wie wir uns schützen können. Wartet bitte bis dahin ab!“

Professor Alazee

Conny und ihre Freunde standen noch auf dem Flur vor ihrem Klassenzimmer, als August von Hindenburg und seine Clique anrauschten. August war wohl so etwas, wie der Anführer seiner Klassenkameraden. Er selbst war voreingenommen, unbeherrscht und nicht gerade glücklich darüber, dass sie mit Conny und ihren Freunden in einer Klasse waren.

„Oh, der Supertrupp ist schon da!“, äffte er auch sofort los.

„Schön, dass du das jetzt endlich einsiehst!“, konnte Julie nicht an sich halten und grinste breit.

„Sei du nur still, du Lesbe!“, ging Margo, Augusts Freundin, sofort hoch.

„Meine Freundin behandelt mich jedenfalls nicht, wie den letzten Dreck!“, bellte Kiki da los und blitzte Margo heftig an. Sie konnte eh nicht verstehen, was Margo so an August faszinierte. Sie dackelte ihm nach, wie ein devotes Hündchen. August hingegen behandelte sie oft herablassend. Gerade in letzter Zeit hatte er sie immer wieder bloßgestellt und drangsaliert.

„Hey, hey, hey! Hebt euch das für den Unterricht auf!“, versuchte Angus die Streitereien zu beenden, denn er kam soeben um die Ecke des Flures und hatte die letzten Worte mitbekommen.

Direkt hinter ihm stand wohl Prof. Alazee; jedenfalls hatte Conny den Mann noch nie zuvor gesehen. Gekleidet war er wie Gutarh in einen Umhang, der bis zum Boden reichte. Darunter trug er eine verblichene Lederjacke, die sicher schon viel mitgemacht hatte, wovon die abgeschlissenen Stellen zeugten. Seine derbe Lederhose und die Stiefel passten ebenfalls zu dem Bild. Wahrscheinlich war auch er so ein ruheloser Geist, wie Gutarh, der durch die Dimensionen reiste und seine Künste anbot.

Angus drängte sie nun in den Klassenraum und bat um Ruhe. „Ich möchte euch Prof. Alazee vorstellen, der euch in den magischen Künsten der Selbstverteidigung unterrichten wird!“

Prof. Alazee trat einen Schritt nach vorne und verbeugte sich vor der Klasse, was August wieder mal zum Anlass nahm, sich lustig zu machen.

„Was? Dieser Zwerg will uns in Selbstverteidigung unterrichten?“, raunte er seinen Klassenkameraden zu.

Conny hatte das mitbekommen und wollte ihn schon zurechtweisen, als sie das verschmitzte Leuchten in Prof. Alazees vom Leben gegerbtem Gesicht sah. Er hatte ein freundliches, offenes Gesicht, zwar durch Entbehrungen gezeichnet, aber dennoch sehr sympathisch und anziehend.

Sie schluckte die Worte der Zurechtweisung einfach hinunter und wartete ab, was passieren würde.

Angus erklärte nun der Klasse, was passiert war und dass es jeden treffen konnte. Sie hörten ihm aufmerksam zu, selbst August und seine Schergen.

„Die Captivi sind eine Bedrohung für alle Dimensionen und dagegen müssen wir uns schützen. Ich werde euch, ähnlich wie bei der Hypnose, ein Rettungsanker in euer Unterbewusstsein pflanzen. Sollte euch einmal ein Traum verfolgen, der nicht durch euer Unterbewusstsein gesteuert wird, werdet ihr sofort wach und könnt euch durch ‚vade retro‘ wehren!“

Angus murmelte einige unverständliche Worte und fuchtelte dabei mit den Händen wild durch die Luft. Naja, ein guter Schauspieler war Angus nie, erinnerte sich Conny und musste etwas lächeln, doch dann verspürte sie plötzlich einen kurzen Kopfschmerz, nicht einmal eine Sekunde lang.

„Das war alles?“, fragte August und schüttelte den Kopf, denn auch er schien diesen kurzen Schmerz verspürt zu haben.

„Ja, das war es!“, grinste Angus. „Ich werde euch jetzt Prof. Alazee überlassen und bitte - verkneift euch eure üblichen Scherze!“

Angus stapfte zur Tür, drehte sich noch einmal um und sagte zum Professor: „Sie gehören nun dir!“

Prof. Alazee hatte seinen Umhang abgelegt und war vor die Klasse getreten. Auch wenn August ihn einen Zwerg genannt hatte, so konnte Conny nun feststellen, dass der Professor eine stattliche Erscheinung war. Keine künstlich aufgepumpten Muskeln, die man wahrscheinlich bei einem Lehrer für Selbstverteidigung erwarten würde, aber dennoch bewegte er sich geschmeidig, wie eine Katze auf der Jagd.

„Ich möchte jetzt jemanden von euch bitten, mich anzugreifen, also nicht mit Magie, sondern ganz persönlich und gewöhnlich mit seinen Fäusten – meinetwegen auch mit einer Waffe. Er sollte der stärkste aus eurer Klasse sein!“, bat der Professor und sah sich suchend um.

Schon wollte Will sich melden, als Conny seinen halb erhobenen Arm wieder herunterdrückte. Will sah sie mit fragendem Blick an.

„Warte ab, ich denke, wir bekommen gleich eine gute Vorstellung geboten!“, flüsterte Conny ihm zu.

„August, August!“, riefen da auch schon einige und August fühlte sich so sehr geschmeichelt, dass er aufstand und auf Prof. Alazee zuging.

„Darf ich auch diesen Stock verwenden?“, grinste er breit und ergriff einen wahren Prachtknüppel, der neben der Garderobe stand und wog ihn prüfend in der Hand. Das Ding hätte einem glatt den Schädel spalten können.

„Natürlich!“, antwortete der Professor nur tonlos. „Greife mich nun an!“

August hob den Knüppel hoch, wirbelte ihn, mit schauspielerischer Bestnote, geschickt um seinen Kopf und schlug dann unvermittelt zu.

Ein Aufschrei ging durch die Klasse, denn sie alle sahen den Professor schon zu Boden gehen, doch der stand völlig ungerührt da und wartete ab.

Augusts Schlag war hart und unbarmherzig. Man konnte das Pfeifen der Luft hören, als der Knüppelt niedersauste. Nur wenige Zentimeter vor Prof. Alazees Schulter wurde der Schlag abrupt aufgehalten und der Holzknüppel prallte zurück gegen August und entglitt seinen Händen.

„Oooooh!“, raunten fast alle gleichzeitig, denn so etwas hatten sie noch nie gesehen.

„Das, liebe Leute, funktioniert allerdings nur, wenn wir genügend Zeit haben, uns auf eine solche Situation vorzubereiten!“, unterbrach der Professor das allgemeine Gemurmel. „Es bedarf langer Übung und sehr guter Konzentration, wie auch eines magischen Wortes, das in Gedanken ausgesprochen werden kann!“

Lucy, die sich sehr im Boxsport ausgelebt hatte, fragte deshalb auch nach: „Aber lernen kann das jeder?“

„Im Prinzip schon“, antwortete Prof. Alazee, „aber, wie gesagt, gehört viel Übung dazu und eine sehr gute Konzentrationsfähigkeit, denn dieser Schutzwall besteht nur so lange, wie ihr euch auf ihn konzentrieren könnt. Doch in den meisten Fällen reicht auch schon eine Sekunde, um zum Beispiel einen Schlag, oder Messerstich abzuwehren!“

„Und wie heißt das Wort?“ Lucy war jetzt Feuer und Flamme und nicht mehr zu bremsen.

„Vallus!“

„Großartig, das kann sogar ich mir merken!“, gackerte Kiki und August holte tief Luft, um sicher wieder einen dummen Kommentar dazu abzugeben.

„Sag jetzt nichts Falsches!“, kam Lucy ihm zuvor und starrte ihn an.

„Also, versuchen wir es jetzt alle. Immer zwei zusammen im Wechsel. Conny und Will, kommt ihr beiden bitte nach vorne?“

Prof. Alazee hatte zwei Stühle gegeneinandergestellt, so dass Conny und Will sich gegenübersaßen.

„Du Conny gibst in Gedanken das magische Wort aus und stellst dir sofort vor, dass sich eine unsichtbare, stahlharte zweite Haut etwa zehn Zentimeter vor deinem Körper aufbaut!“

Er stellte sich hinter Conny und sah Will an. „Sobald Conny sich konzentriert und nickt, streckst du deine Hände aus und versuchst diesen Wall zu berühren. Damit es anfänglich etwas leichter wird sich zu konzentrieren, schließe bitte die Augen, Conny und dann los!“

Um sich konzentrieren zu können, musste Conny zuerst einmal all die Gedanken, die ihrem Hirn herumschwirrten, vertreiben, was gar nicht so einfach war. Dann sprach sie in Gedanken das Wort ‚vallus‘ aus und stellte sich den Schutzwall vor. Gleichzeitig nickte sie. Spürte aber kurz darauf Wills Hände an ihren Schultern und öffnete die Augen.

„Mist, das war nichts, ich versuche es noch einmal!“

Es dauerte drei weitere Versuche, bis Will sich meldete und lachte. „Ich kann sie nicht berühren. Das fühlt sich komisch an; nicht warm und auch nicht kalt, aber verdammt hart!“

„Tauscht jetzt die Rollen und der Partner versucht es, bis es funktioniert. Denkt immer daran, dass der Schutzwall oft nur eure einzige Überlebenschance ist! Wenn wir üben, ist es nur eine tastende Hand, aber in einer Gefahrensituation vielleicht ein Messer, Pfeil, oder Speer!“

Auch Will benötigte einige Anläufe, bevor er so einen Wall aufbauen konnte. Sie wechselten immer wieder und versuchten es schließlich sogar mit offenen Augen.

‚Hihihi, ich bin da kitzelig‘, oder ‚Nimm deine Finger da weg‘ zeugten von vielen Fehlversuchen bei den anderen, aber sie übten so lange, bis es funktionierte. Ja, sie verpassten sogar ihre Pausen.

Demütigung

Nach dem Mittagessen ging es weiter und der Professor stand schon im Klassenraum mit einigen Holzstangen und grinste breit, als er die erstaunten Gesichter seiner Schüler sah.

„Wollen sie uns etwa pfählen?“, lachte August ebenfalls.

„Nein, denn das werdet ihr selbst erledigen. Jede Gruppe bekommt einen Stab, damit es nicht bei Streicheleinheiten bleibt, wie heute Morgen. Ich werde auch die Gruppen anders zusammenstellen, denn wer möchte schon gerne seine Freundin, oder Freund schlagen, nicht wahr?“, wieder lachte er schelmisch.

Professor Alazee mischte die Partner, wobei er sich wohl absichtlich Conny und August bis zum Schluss aufgehoben hatte.

„Ich erwarte jetzt kein Schlachtfeld, aber ihr dürft ruhig so fest zuschlagen, dass euer Partner es spüren wird, wenn er sich nicht genug konzentriert. Ihr hebt den Stock an, wartet eine Sekunde und schlag dann zu. Alles klar?“

Alle nickten nur, denn sie spürten insgeheim schon die Schläge auf ihren Körpern.

Innerlich musste Conny lachen, denn kaum jemand traute sich zu beginnen. Jeder wartete darauf, dass eine andere Gruppe anfing.

„Habt ihr wirklich so wenig Vertrauen in euch? Also los jetzt!“, stachelte der Professor sie an.

‚Klatsch – Autsch‘, hörte Conny und sah, wie Will so richtig eine gezimmert bekam, wie er sich manchmal ausdrückte. Hatte er auch das Pech, ausgerechnet mit Margo, Augusts Freundin, eine Partnerschaft eingehen zu müssen.

Genau in diesem Moment verspürte sie einen stechenden Schmerz, denn durch Will abgelenkt, hatte auch sie nicht aufgepasst und August ihr einen Schlag gegen die Schulter versetzt.

„Na gut, du hast mich kalt erwischt!“, zischte Conny lächelnd trotz ihrer Schmerzen, denn August hatte sehr derbe zugeschlagen.

„Eins zu Null für den Champion!“, rief er laut.

„Gib her, jetzt bin ich an der Reihe!“ Conny erhob den Stab, wartete eine Sekunde und ließ den Stab dann auf seine Seite prallen. Jedoch war August darauf vorbereitet und wehrte den Schlag gekonnt ab.

Sie übergab den Stab wieder an August. Dieses Mal wollte sie vorbereitet sein. Also wartete sie darauf, dass er den Stab erhob, um zuzuschlagen, doch August dachte gar nicht daran, sich an die Regeln zu halten, den Stab zu erheben und eine Sekunde zu warten, sondern schlug direkt zu – von unten nach oben. Und dieses Mal noch heftiger als zuvor.

Prof. Alazee hatte das wohl bemerkt, denn er schien sowieso ganz besonders Conny und auch Will zu beobachten. Gerade wollte er etwas sagen, als Conny ihm zuvorkam.

„Aha! Du möchtest also ohne Regeln spielen? Das kannst du haben!“ Conny war echt sauer. Dennoch blieb sie äußerlich gelassen und völlig ruhig, ja sie rang sich sogar ein kleines Lächeln ab.

So eine Niedertracht hatte sie August eigentlich nicht zugetraut. Er musste einen Hass gegen sie entwickelt haben, den Conny nicht nachvollziehen konnte. Fühlte er sich vielleicht in seiner Position als Klassenkönig bedroht? Sie wusste es nicht, aber sie wollte das auch nicht auf sich sitzen lassen.

Wie gewohnt wehrte August ihren Schlag wieder ab und griff sofort nach dem Stab. Und soeben wollte er einen Schlag landen, ohne sie vorzuwarnen, doch Conny hatte sich an die ersten Unterrichtsstunden von Angus erinnert. Sie konnte Moleküle mit Hilfe ihrer puren Konzentration bewegen. Also auch Dinge ‚weich‘ machen.

Sie konzentrierte sich auf die Stelle des Stabes, auf die August seine Hände gelegt hatte. Die Moleküle des Stabes kamen in Bewegung und August griff förmlich ins Leere. Der Stab polterte zu Boden. Selbst als er sich bemühte, ihn aufzuheben, versagte er, da der Stab anscheinend, wie aus Pudding bestand und ihm immer wieder zwischen Fingern entrann.

Inzwischen waren die anderen auch aufmerksam geworden, denn August fluchte lauthals los: „Was ist das denn für ein Mist?“

Conny ließ ihn jetzt gewähren. Er konnte den Stab greifen, erhob ihn und wollte soeben zuschlagen, als Conny leise sagte: „Supernatet!“

Der Stab entglitt Augusts Händen und schwebte langsam nach oben. Alle starrten sie jetzt zu Conny und August, der verzweifelt versuchte nach dem Stab zu greifen, doch immer dann, wenn er ihn fast erreicht hatte, glitt er noch ein Stückchen weiter nach oben und August griff daneben.

Endlich hatte er ihn zu fassen bekommen, erhob ihn über seinen Kopf und wollte zuschlagen.

„Ruptis“, flüsterte Conny da schnell und der Stab platzte in seinen Händen – er löste sich annähernd in Staub auf. Da August aber schon zum Schlag bereit war, schlug er mit leeren Händen zu. Es sah einfach zu komisch aus, zumal August nach diesem Leerschlag entgeistert auf seine leeren Händen starrte.

Schallendes Gelächter brach aus und Prof. Alazee musste eingreifen, um wieder Ruhe in seine Klasse zu bekommen.

„Conny, kann ich dich einen Augenblick sprechen?“ Der Professor nahm sie beiseite, um mit ihr allein reden zu können.

„Habe ich etwas falsch gemacht?“, fragte sie sogleich, wobei ihr schon klar war, was der Professor ihr sagen wollte.

„Ich habe mit Angus gesprochen und weiß, dass August kein einfacher Mensch ist, wenn ich es einmal so ausdrücken darf. Du hast dir aber jetzt einen Feind geschaffen, da du ihn vor der ganzen Klasse gedemütigt hast. Ich habe sehr wohl bemerkt, dass August dich unfair behandelt hat. Aber manchmal ist es besser, so etwas auf sich beruhen zu lassen!“

„Ich weiß es und werde versuchen, es wieder zu kitten!“

„Na, ich glaube kaum, dass sich so etwas kitten lässt. Dennoch bin ich stolz auf dich, denn du hast mir bewiesen, was Angus so angepriesen hat. Du bist es wert. Du hast allen gezeigt, dass es auch andere Methoden gibt, um sich zur Wehr zu setzen, doch wäre es mir lieber gewesen, wenn es nicht gerade dieser August…!“

„Aber haben sie uns nicht deshalb zu vorrübergehenden Partnern gemacht? Um zu sehen, was passiert?“

„Schon, doch sollte es nicht so eskalieren, aber wie dem auch sei, wir müssen uns erst einmal damit abfinden!“

„Conny, was wollte er von dir?“ Will hatte sich auf dem Flur zu ihr gesellt. „Hast du einen Rüffel bekommen?“

„Nein, im Gegenteil, aber der Professor hat mir klar gemacht, dass wir beide unfair gehandelt haben. Er will auch noch mit August reden!“

„Was schert uns dieser August?“, fragte Will etwas ärgerlich, denn er hatte ja von Augusts Freundin auch eine Lektion verpasst bekommen, die ihn in seiner Ehre gekränkt hatte.

„Ich werde mich bei ihm entschuldigen! Nicht, weil ich vor ihm Angst hätte, aber er würde keine Ruhe geben und der Unterricht damit gelaufen!“

Nach der Pause wollte der Professor die Gruppen wieder ändern, doch Conny unterbrach ihn: „Ich hätte zuvor noch etwas zu sagen, wenn ich darf?“ Conny stand auf.

„Aber sicher!“

„Also – es fällt mir auch nicht leicht, aber ich möchte mich bei August entschuldigen!“

Die plötzlich Stille war schon besorgniserregend. Auch Conny fühlte sich irritiert und von allen beobachtet, aber jetzt konnte sie nicht zurück.

„Ich habe mich verletzt und angegriffen gefühlt, August, als du mich mit deinen Schlägen überrascht hattest. Wäre ich etwas aufmerksamer gewesen, wäre es wahrscheinlich gar nicht so weit gekommen. Aber ich habe mich hinreißen lassen und aus billiger Rache geantwortet. Das tut mir ehrlich leid und ich hoffe sehr, du verstehst es und wir können es noch einmal versuchen, indem wir uns nur auf den Unterricht konzentrieren?“

Immer noch herrschte absolute Ruhe im Raum. Selbst Prof. Alazee stand mit offenem Mund da. Damit hatte er wohl nicht gerechnet.

„Äh, ich…, ich nehme deine Entschuldigung an!“, quetschte August raus, traute sich aber nicht aufzustehen. Ja, er sah sogar Prof. Alazee hilfesuchend an.

„Ich danke dir Conny. Möchtest du denn deinen Partner wechseln?“, fragte der Professor lächelnd.

„Nein, ist schon in Ordnung, wir werden uns jetzt zusammenraufen und fair miteinander umgehen, nicht wahr, August?“

„Na, klar!“, kam es wie aus der Pistole geschossen, denn so hatte August sein Gesicht wahren können.

Sie übten den ganzen Nachmittag und August hielt sich an sein Zugeständnis. Gegen Ende des Unterrichts klopfte es heftig an der Tür und Bruder Martin erschien, ohne auf eine Aufforderung zu warten. Er ging auf den Professor zu und flüsterte ihm etwas zu.

„Da wir eh auf das Ende zusteuern, können wir uns die letzten zehn Minuten sparen. Melvin hat eine Lehrerkonferenz einberufen und da darf ich leider nicht schwänzen!“, lächelte er, wirkte dabei aber etwas unsicher.

Noch bevor er zu Ende gesprochen hatte, sausten die ersten Schüler auch schon los. Das Abendessen wartete und heute sollte es Braten geben, da wollten sie nicht die Letzten sein.

„Conny, einen Moment noch!“, rief Prof. Alazee sie zurück, denn auch Conny hatte schon die Tür im Auge.

„Ja?“

„Ich muss es einfach loswerden, aber das, was du vorhin geleistet hast, übertrifft alles, was mir Angus und Gutarh über dich berichtet haben. Kaum ein Erwachsener hätte so ehrenvoll und geschickt gehandelt, wie du es getan hast. Ich weiß, dass es dich Überwindung gekostet hat, aber du hast genau das Richtige getan!“

„Sie beschämen mich. Ich wollte das ganze nur nicht eskalieren lassen, denn darauf wäre es ja wohl hinausgelaufen. Mir ist es egal, was die anderen denken, oder tun. Ich möchte nur lernen, da ich nicht glauben kann, dass meine Eltern gestorben sind. Vielleicht habe ich noch eine Chance und kann sie mit Hilfe der Magie finden!“

„Wenn sie noch leben, wird es niemanden geben, der dafür besser geeignet ist! Ehrlich gesagt, ist mir bisher noch kein so junger Mensch begegnet, mit solch einer Ausstrahlung, soviel Wissen und Umsichtigkeit, wie du Conny!“

Die Neuen

Überraschenderweise kam Angus als letzter zum Abendessen, obwohl es Braten gab – seine Leibspeise.

„Da habe ich ja noch Glück gehabt!“, keuchte er und setzte sich zu seinen Leuten an den Tisch. „Das war das letzte Stückchen Braten, das ich da ergattert habe!“

Von dem, was er als Stückchen bezeichnete, hätte Conny zweimal essen können, doch sie kannte seinen Appetit und hatte vorgesorgt. Unter einer Serviette hatte sie einen Teller versteckt mit einem großen Stück Braten.

„Oh, was ist damit?“, fragte er auch sofort und sah Conny schelmisch an.

„Ich hatte mir gedacht, dass du später kommen würdest und deshalb schon einmal vorgebaut!“ In Angus‘ Augen blitzte es lustvoll auf.

„Ja, die Konferenz hat länger gedauert als gedacht…“, er stopfte sich ein Stück Braten in den Mund und verdrehte die Augen, „mmmh, ist das gut – also ihr müsst wissen, uns steht eine Abordnung des Magischen Zirkels ins Haus!“ Angus kaute mit Genuss auf dem Bissen herum.

„Hat das denn etwas mit uns zu tun?“ Julie sah Angus belustigt zu.

„Eigentlich nicht, aber es sollen neue Schüler kommen; eine ganze Klasse, die hier extra unterrichtet wird!“

„Das stört doch unseren Unterricht nicht, oder?“, fragte Lucy vorsichtig nach, denn sie befürchtete schon, dass sie mit den neuen Schülern in einer Klasse zusammengefasst würden.

„Nein, dass nicht, aber es gibt auch keinen Platz. Ihr musstet doch schon zusammenrücken, als wir hier ankamen. Jetzt ist man fieberhaft auf der Suche nach Unterkünften, denn eigentlich seid ihr ja an der Reihe, eigene Zimmer zu bekommen!“

„Och, das stört uns nicht, oder?“, grinste Kiki, denn sie hatten sich damit abgefunden, dass allesamt in einem großen Raum untergebracht waren.

„Kann ich das Melvin so weitergeben?“, versicherte sich Angus.

„Natürlich, wenn du uns ein kleines Fässchen Bier besorgst?“, lachte Will. „Ich kann diesen komischen Wein nicht mehr ab!“

„Das stimmt, denn das, was sie hier Wein nennen, ist pures Wasser, dem man mal ein paar Trauben gezeigt hat!“ Lucy schüttelte sich und zog ein Gesicht, wie sieben Tage Regenwetter.

„Abgemacht!“, lachte Angus, denn auch er hätte sicher ganz gerne mal wieder ein Bierchen getrunken.

„Hey, sind das die Neuen?“, flüsterte Julie und stieß Angus mit dem Ellenbogen an.

„Na, ich denke schon, zumindest sehen sie alle gleich aus – ist wohl so eine Art Uniform!“

An der Essensausgabe tummelten sich vier Jungen und drei Mädchen. Alle hatten die gleichen Sachen an. Jacke und Hose schienen von den Kampfsportlern abgekupfert zu sein. Vielleicht Leinen, oder etwas ähnliches. Alles in Grau gehalten, bis auf den Gürtel, der die offene Jacke zusammenhielt, der aus dunklem, hochfeinem Leder zu sein schien, verziert mit goldenen Symbolen.

„Hast du so etwas schon mal gesehen?“, fragte Conny an Angus gerichtet.

„Ja, aber das waren dann eher religiöse Gewänder von Magiern, die sich zu Bündnissen zusammengeschlossen hatten. Außerdem war das in einer anderen Dimension!“

Auch die anderen Schüler, die noch beim Essen waren, murmelten leise vor sich hin, als sie die neuen Schüler sahen.

„Irgendwie schon beeindruckend. So eine Uniform sollten wir uns auch zulegen. Was meint ihr?“, grinste Will.

„Du meinst, so, wie die schwarzen Reiter, die Bauern, die unter dem Bann des Magiers Godomir standen?“, lächelte Kiki.

„Äh, keineswegs, also ich möchte nicht im Bann eines Magiers stehen!“, erklärte Julie dazu und schüttelte den Kopf.

„Es war ja auch mehr als Scherz gedacht. Aber seht euch die Typen doch mal an, sie sprechen gar nicht miteinander, so, als kennen sie sich überhaupt nicht!“, lenkte Will ihre Aufmerksamkeit auf die neuen Schüler.

„Jetzt, wo du es ansprichst, Will, fällt es mir auch auf. Ich glaube, ich muss noch mal ein intensives Gespräch mit Melvin führen. Wir sehen uns nachher in eurem Zimmer – ich habe da noch eine Überraschung für euch!“, versprach Angus, stand auf und brachte sein Geschirr zurück, bevor er ging.

„Meint ihr, Angus kommt noch?“, fragte Elric und massierte Dani sanft ihre Schultern.

„Ich denke doch, ah…, ja da, etwas höher…, mmmh…, so ist es gut!“, schnurrte sie, wie ein Kätzchen, das gekrault wurde und reckte sich, als es laut an der Tür zu ihrem Schlafsaal klopfte.

Jurek war als erster an der Tür und öffnete. Da stand Bruder Martin, ganz verschwitzt und deutete auf den Flur. „Ich soll euch etwas bringen, hat Angus gesagt!“

Jurek steckte seinen Kopf durch die Tür und rief: „Oh, die Überraschung ist da!“ Dann verschwand er im Flur.

Alle starrten sie zur Tür, in der in diesem Moment ein Rollwagen erschien, den Jurek hereinschob. Abgedeckt war er mit einem weißen Leinentuch.

„Da steht noch einer, Elric!“, rief er seinem Bruder zu. „Holst du ihn bitte rein?“

Elric machte sich auf den Weg und Dani beschwerte sich lautstark, weil ihr Masseur sie einfach sitzengelassen hatte.

Auch der zweite Rollwagen war mit einem Tuch abgedeckt, aber es entströmte ihm ein Duft, der alle sofort an Molly denken ließen, die ihnen in Donavan-Castle, in der Kantine immer so herrlichen Speck gebraten hatte.

„Wow!“, rief Elric nur, als er das Leinentuch von dem Wagen nahm. Der Duft verbreitete sich nun im ganzen Zimmer und alle liefen zum Wagen.

„Also, mal ganz ehrlich…, die Überraschung ist Angus gelungen!“, frohlockte Will, der direkt neben dem Rollwagen stand und diverse Deckel anhob. Da waren gebratener Speck, Spiegeleier, Schnitzel und was das Herz sonst noch begehren konnte.

Selbst Bruder Martin konnte nicht an sich halten und brummelte: „Himmel, sieht das lecker aus!“

„Du bist natürlich eingeladen!“, raunte Will ihm zu und schmunzelte. „Was ist denn auf dem anderen Wagen?“

„Oh, der war ziemlich schwer!“, antwortete Martin nur und zog das Leinentuch beiseite.

„Wahnsinn“, rief Julie, „er hat doch tatsächlich ein Fässchen Bier besorgt! Wie hat er das nur geschafft?“

„Er ist eben ein ‚Zauberer‘!“, lachte Conny.

Angus schien tatsächlich gezaubert zu haben, denn es war alles vorhanden, was sie benötigen würden, um dieses Festmahl zu genießen. Teller, Besteck und Gläser. Er hatte an alles gedacht.

„Also lasst uns feiern!“, rief Kiki und zückte ihr Handy, um Fotos zu machen. Sie hatte eigentlich immer Fotos gemacht – von allem und jedem. Etliche davon hatte sie schon ausgedruckt und drückte sie jetzt Julie in die Hand.

„Was soll ich damit?“

„Aufhängen, was sonst!“, lachte Kiki und zeigte auf eine schwarze Platte, die an der Wand hing. Julie war es noch gar nicht aufgefallen, dass da plötzlich eine Tafel hing.

Woher stammt denn das uselige Teil?“, wollte Julie wissen und verzog ihr Gesicht zu einer Grimasse.

„Das habe ich in einem der eingebauten Schränke gefunden. Das Teil war schön verstaubt, aber für meine Zwecke reicht es. Hier hast du Klebeband. Kleb die witzigsten Fotos an!“, grinste Kiki und gab Julie einen flüchtigen Kuss.

„Warum musst du nur immer in die letzten Ecken kriechen? Da könnten auch Spinnen und wer weiß was sonst noch drinnen gewesen sein!“, antwortete Julie und schüttelte sich angewidert. Sie hasste diese kleinen Krabbler.

Bruder Martin gesellte sich zu Julie und bestaunte die Bilder, die sie gerade anklebte.

„Ehrlich gesagt, möchte ich gar nicht wissen, wo diese Bilder entstanden sind, aber meine Neugierde ist größer!“, gestand er und betrachtete einige Bilder.

„Du musst wissen, dass Kiki eigentlich genau so eine Tratschtante ist, wie Dani, nur zugeben würde sie es nicht. Also macht sie Bilder für die anderen, denn sie selbst hat so etwas wie ein fotografisches Gedächtnis und braucht die Bilder eigentlich nicht!“

„Na, was ich bisher gesehen und gehört habe, könnt ihr euch über ein bewegtes Leben nicht beklagen!“, lächelte Martin wehmütig. „Zumal ich an einer Aktion ja selbst teilnehmen durfte!“, brummelte er etwas verlegen, als Julie ein Bild anklebte, das ihn in einer nicht gerade heldenhaften Position zeigte.

„Hey! Kommt Essen!“, rief Will. „Das Bier müsst ihr euch aber selbst zapfen!“

Gläser klapperten und fast alle drängten sich um das Fässchen Bier.

„Lasst ihr mir auch ein Gläschen übrig?“, tönte da plötzlich Angus‘ Stimme von der Tür her.

„Setz dich ruhig schon an den Tisch, ich werde dir ein Bier holen!“, lächelte Conny ihn an und schob ihn zum Tisch. „In weiser Voraussicht habe ich dir schon einen großen Teller mit Essen beiseitegestellt, denn ich kenne ja meine Freunde, wenn die einmal zuschlagen, bleiben keine Reste!“

„Mir scheint, als habe meine kleine Überraschung Anklang gefunden!“, grinste er nur und setzte sich an den Tisch. „Es war auch gar nicht so einfach, denn Molly war sehr wissbegierig und hatte schon Bedenken, euch würde ihr Essen nicht mehr schmecken, weil ihr so lange nicht mehr in der Spelunke wart. Ich konnte sie aber überzeugen, indem ich das beste Essen bestellte, das sie zur Verfügung hatte!“

Conny klopfte ihm auf die Schulter und lachte. Sie schob ihm ein Essbesteck zu und wünschte guten Appetit.

„Ich hole dir dein Bier!“ Conny ging mit einem Bierglas bewaffnet auf die anderen zu, als Kiki ihr ein volles Glas Bier hinhielt und lachte: „Da hatten wir wohl die gleiche Idee, nicht wahr? Lass uns tauschen!“

„Ist für Angus, nicht für mich!“

„So soll es sein! Aber für uns beide zapfe ich sogleich ein neues Bier!“, kicherte Kiki, wurde dann aber ernst und zog Conny am Arm ein Stück weit zur Seite.

„Was ist passiert?“

„Ganz genau kann ich dir das auch nicht sagen, aber die Neuen kriechen hier unter uns im Keller herum und suchen nach etwas bestimmtem!“

„Wie kommst du auf den schmalen Pfad?“, wollte Conny wissen und musste etwas lächeln, denn Kiki hatte sich in letzter Zeit von Klatschbase Dani wohl anstecken lassen und sah hinter jeder Bewegung eine Verschwörung.

„Nein, nein, ganz im Ernst, hör mir zu. Julie und ich hatten gesehen, wie drei der Neuen hier auf dem Flur herumlungerten, obwohl sie in einem ganz anderen Flügel der Abtei untergebracht sind!“

„Vielleicht waren sie nur neugierig, oder haben die Abtei besichtigt?“

„Auch den Keller?“ Kiki riss ihre Kulleraugen weit auf und zog ihre Augenbrauen hoch.

„Aber was wollen die denn im Keller?“

„Das haben wir uns auch gefragt. Die drei warteten ab, bis sie der Meinung waren, dass sie keiner beobachten würde, dann schlichen sie zu der Tür am Ende des Flures und da geht es nun mal in den Keller! Sollen wir auch…?“

„Nein, warte erst ab, bis ich mit Angus gesprochen habe, denn vielleicht hat er schon Neuigkeiten. Er wollte ja noch einmal mit Melvin sprechen. Ich bringe ihm sein Bier und frage ihn!“

Damit ließ Conny sie stehen und ging zum Tisch zurück. Sie stellte Angus das Glas neben seinen Teller und setzte sich zu ihm.

„Hast du schon mit Melvin gesprochen?“

„Ja, aber er hat sich sehr bedeckt gehalten. Angeblich weiß er nur, dass die Schüler zum ‚Bund der grauen Rose‘ gehören und hier eine Sonderausbildung genießen sollen!“

„Graue Rose? Ich habe schon viele Rosen gesehen, aber noch nie graue!“

„Der Bund besteht aus Magiern des Zirkels, die sich auch als Seher bezeichnen. Sie können durch die Augen anderer sehen. Dazu versetzen sie sich in einen Trancezustand. Ihre Schüler sollen hier wohl dazu ausgebildet werden. Mehr weiß ich auch nicht! Aber das soll uns auch nicht weiter stören!“

Angus beugte sich vor, nahm das Bierglas und leerte es in einem Zuge.

„Hier, für dich!“, hörte sie da Wills Stimme neben sich. Als sie sich umdrehte, hätte sie fast das Bier verschüttet, das Will ihr entgegenhielt.

„Oh, ich danke dir. Eigentlich wollte Kiki mir ein Bier bringen!“

„Die ist mit Julie beschäftigt – du kennst doch die beiden Turteltauben. Wenn die zusammenstecken, nehmen sie ihre Umwelt nicht mehr wahr!“, lachte er.

Verschwunden

„Warte auf mich, Julie!“, rief Kiki und eilte ihrer Freundin hinterher, den langen Flur entlang auf die Kellertür zu.

„Hast du die Taschenlampe?“

„Ja!“

„Dann mal los!“

Julie drückte auf die Klinke an der Tür, aber es rührte sich nichts. Die Tür war fest verschlossen.

„Ob die einen Schlüssel hatten?“, fragte Kiki und schob Julie etwas zur Seite, um besser sehen zu können.

„Wozu? Da hat es ja nicht einmal ein Schlüsselloch in der verdammten Tür!“, raunte Julie ihr zu.

„Vielleicht haben wir ja einen anderen Schlüssel. Geh mal zur Seite!“ Kiki schob ihre Freundin einfach beiseite, legte ihre Hände auf die Tür, wo sie das Schloss vermutete und flüsterte: „Aperi te!“

Irgendetwas begann zu knirschen, dann hörten sie ein Klack und die Tür sprang einen Spalt weit auf.

„Na, geht doch!“, lachte Kiki und schob Julie vor sich her durch die Tür in die Dunkelheit.

„Hey, du wolltest unbedingt nachsehen, was die hier zu suchen haben. Außerdem hast du die Taschenlampe!“, beschwerte sich Julie.

Kiki schaltete die Lampe ein und leuchtete Julie direkt ins Gesicht.

„Huuhuuh, ich bin der Geist der Lampe!“, lachte Kiki, die durch nichts zu erschüttern war, bis es plötzlich dumpf durch das Kellergewölbe hallte. Ein kalter Luftzug streifte sie und schlug die Tür hinter ihnen zu.

Kiki griff unbewusst nach Julie und klammerte sich ganz fest an sie, wobei sie die Taschenlampe fallen ließ. Jetzt standen sie im Dunkeln, denn die Lampe hatte ihren Geist aufgegeben.

Scharrende Geräusche waren plötzlich zu vernehmen, die immer näher zu kommen schienen. Kiki begann etwas zu zittern und kalte Schauer rannen ihr den Rücken herunter.

„Si…, sind das Schritte?“, fragte sie leise und klammerte sich noch fester an Julie.

„Wenn du mich loslassen würdest, könnte ich versuchen, die Lampe zu finden, du Flaschengeist!“, lachte Julie etwas gequält und befreite sich aus Kikis Umklammerung.

Wieder hörten sie das dumpfe Geräusch von unten heraufwallen und Julie beeilte sich die Lampe zu finden.

„Das Mistding will nicht mehr angehen!“, schimpfte sie.

„Ah, nicht so laut!“, flüsterte Kiki und grabbelte nach Julie. „Wo bist du denn?“

„Lux apparent!“, sagte Julie da leise und ein kleines Licht blitzte an ihrem Finger auf. Es war nur so groß, wie die Flamme von einem Feuerzeug, erhellte aber genug, um zu erkennen, dass sie großes Glück gehabt hatten, denn sie standen direkt vor einer Treppe, die steil nach unten führte.

„Ah, da bist du!“, krähte Kiki erleichtert und wollte sich soeben wieder an Julie klammern, doch das seltsame Geräusch war wieder zu hören, noch heftiger als zuvor. Es kam aus dem Gang, in dem die Treppe endete.

„Gibst du mir bitte einen Kuss? Sonst kann ich keinen Schritt weitergehen!“, flehte Kiki und zog Julie zu sich heran.

Julie lächelte, wie Kiki erkennen konnte und die Angst wich aus ihr. Sie küssten sich innig, wobei aber das Licht wieder erlosch und Kiki einen leisen Gluckser von sich gab.

„Lux apparent!“, rief Kiki da schnell und wohl auch etwas unkonzentriert, denn es flammte plötzlich ein grelles Licht an ihrem erhobenen Zeigefinger auf. Julie reagierte sofort und hielt ihre Hände schützend über den Finger.

„Musst du immer übertreiben?“, flachste sie lächelnd.

Das Licht wurde kleiner und auch Julie ließ wieder ein Licht erscheinen, gerade mal so hell, dass sie die ersten Stufen erkennen konnten.

„Angus, möchtest du noch ein Bier?“, fragte Will und stand auf.

„Aber sehr gerne doch, denn es ist sehr süffig heute!“, lachte Angus und hielt ihm sein leeres Glas entgegen.

„Mir scheint, bei dir verdunstet es auch schneller als bei den anderen, oder?“, lachte Conny und sah Angus streng an.

„Das liegt nur an meinen großen, warmen Händen, da geht das halt schneller!“, grinste er zurück.

„Hast du einen Moment Zeit, Angus?“ Conny sah ihn fragend an.

„Für dich doch immer, Conny. Was liegt dir auf dem Herzen, mein Kind?“

„Vielleicht ist es gar nicht so wichtig, doch Kiki erzählte mir vorhin, dass sich Schüler der Neuen im Keller unter unserem Flügel der Abtei herumtreiben. Weißt du darüber etwas?“

„Äh, was sollten die denn dort wollen?“

„Das frage ich mich ja auch, denn eine Besichtigungstour wird es sicher nicht sein!“

„Also ganz ehrlich gesagt, hat Melvin sich sehr schwergetan, über die ‚graue Rose‘ zu reden. Aber er hat es auch nicht leicht. Der Magische Zirkel lässt ihm zwar freie Hand, was die Ausbildung der ‚Normalschüler‘ anbelangt, wie auch die Auswahl des Lehrpersonals, jedoch wird er immer wieder von einigen elitären Gruppen, mit denen man sich besser nicht anlegt, unter Druck gesetzt!“

„Und das lässt er sich so einfach gefallen?“ Conny schüttelte ihren Kopf.

„In unserer Dimension würde man sagen, es sei politisch relevant und man redet es rund und schön, aber hier…, da gibt es eben die Magie – nicht zuletzt auch als Druckmittel!“

„Aber Melvin ist doch selbst ein Magier. Kann er sich da nicht widersetzen?“

„Oh ja, sicher ist Melvin Magier, aber es gibt eben einige Magier, die über Leichen gehen würden, um ihre Ziele zu erreichen. Und Melvin will seine Schüler keiner Gefahr aussetzen, zumal dann nicht, wenn schwarze Magie im Spiel ist!“

„Schwarze Magie?“, rief Conny erstaunt und lauter als gewollt. Sie schaute Angus ernst an. Sie hatte das Gefühl, dass er etwas verheimlichte.

„Ach, ich bin aber auch eine alte Tratschtante. Ich sollte dem Bier vielleicht doch etwas mehr Zeit gönnen zu verdunsten!“, gab er indirekt zu, doch mehr zu wissen und lächelte gequält.

„Nun sag schon!“, forderte Conny ihn auf und auch Will rutschte etwas näher an Conny heran und nahm sie in den Arm.

„Besteht denn irgendeine Gefahr für uns?“ Will drückte Conny an sich.

„Hey, nicht so dolle! Du erdrückst mich ja“, beschwerte sie sich.

„Nicht direkt – zumindest sollten wir der grauen Rose nicht ins Gehege kommen, denn ich habe erfahren, dass die Schüler gar keine Schüler sind, sondern ausgebildete Jungmagier, die vermuten, dass sich in dieser Abtei der ‚schwarze Spiegel‘ befindet!“

„Ein schwarzer Rahmen, oder?“ Will wollte es jetzt genau wissen und Angus stöhnte.

„Hol mir erst noch ein Bier, sonst klebt meine Zunge fest!“, lachte Angus und schob ihm sein schon wieder leeres Glas hin.

Will nahm das Glas und ging zum Fässchen.

„Es geht dir doch nicht um das Bier. Was also soll Will nicht wissen?“

„Du bist sehr aufmerksam, dir kann ich nichts vormachen, aber Will ist ein lieber, netter, aufopfernder…!“, begann Angus, wurde aber sofort unterbrochen.

„Das weiß ich ja alles, aber jetzt mal ernsthaft!“

„Will ist eben ganz auf dich fixiert und würde alles unternehmen, um dich zu schützen, aber er ist auch etwas unbesonnen, wenn es um dich geht und er schießt dann gerne über das Ziel hinaus.

Diesem schwarzen Spiegel wird, sofern er denn überhaupt existiert, nachgesagt, dass man mit seiner Hilfe in die Zukunft schauen kann.

Er wäre also ein sehr mächtiges Werkzeug, das in den falschen Händen so manches Unheil anrichten könnte. Du kannst dir also vorstellen, dass die graue Rose diesen Spiegel unter allen Umständen in ihren Besitz bringen will.

Die graue Rose ist eine fanatische Gruppe von Magiern, denen bisher noch niemand gewagt hat, die Stirn zu bieten!“ Angus holte tief Luft und wollte fortfahren, aber da kam Will auch schon mit dem Bier zurück.

„Hier!“, lachte er und stellte drei Gläser auf den Tisch. „Habe ich etwas verpasst?“, fragte er und schaute die beiden mit neugierigen Augen an.

„Nein, nein!“, beruhigte ihn Conny.

„Also, der schwarze Spiegel hat keinen schwarzen Rahmen, nur statt des üblichen, silbrigen Hintergrundes, ist er eben schwarz!“

„Da sieht man ja nix!“, feixte Will.

„Der Spiegel ist eh eine Legende, aber wie bei jeder Legende, könnte auch ein Körnchen Wahrheit dahinterstecken. Lassen wir ihnen den Spaß, danach zu suchen. Kommt ihnen nicht in die Quere und konzentriert euch auf den Unterricht!“

Julie und Kiki hatten fast die unterste Stufe der schlüpfrigen, nassen Treppe erreicht, als es wieder anfing zu rumoren. Abrupt blieben sie stehen und lauschten in den Gang vor ihnen.

„Kannst du etwas erkennen?“, fragte Kiki vorsichtig. Sie hatte sich die ganze Zeit hinter Julie gehalten, die gut einen Kopf größer war als sie.

„Nein, aber es scheint, da sucht jemand was!“

„Wie…?“ weiter kam Kiki nicht, denn ein lautes Geräusch, mehr ein heftiger Knall, unterbrach sie, und sie zuckte zusammen.

„Herrschaftszeiten!“, rief Julie gedämpft und hielt sich die Hand vor den Mund. „Jetzt habe ich mich aber erschreckt!“

„Na, nicht nur du!“

Julie ging noch einen Schritt und erreichte den Boden des Ganges. Sie zog Kiki an der Hand hinter sich her, wie ein kleines Kind.

Vor ihnen lag der dunkle Gang. Die Decke war gewölbt und es tropfte an einigen Stellen herunter.