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Wild und voller Gefahren ist das Leben auf den britischen Inseln zur Zeit König Arthurs. Cormac Mac Art, ein Abenteurer königlichen Geblüts von der grünen Insel Irland, muss seine Heimat verlassen, weil Neider ihm nach dem Leben trachten. Gerüstet mit ungewöhnlicher Körperkraft und mit der Fähigkeit, Vergangenheit und Zukunft zu sehen, durchstreift er das wilde Europa des fünften Jahrhunderts und die gefahrvolle See auf der Suche nach Abenteuern.
Mit ihrem Schiff Wolfsegel geraten Cormac und sein Klingengefährte Wulfher Schädelspalter in einen Orkan und stranden am Gestade von Atlantis. Auf der Suche nach Nahrung und Obdach stoßen die Schiffbrüchigen auf unermessliche Piratenschätze – und auf Cormacs Geliebte, die Prinzessin Samaire von Leinster. Von ihren Feinden wegen eines Streits um den Thron ausgesetzt, glaubt sie den sicheren Tod vor Augen zu haben. Doch Cormac bietet der teuflischen Schurkerei tollkühn die Stirn – und ahnt nicht, dass die mordlüsternen Widersacher mit magischen Kräften im Bunde stehen...
Andrew J. Offutt - Autor von Valeron, Der Barbar - setzt Robert E. Howards Erzählungen um Cormac MacArt (zusammengefasst in dem Band Krieger des Nordens, ebenfalls im Apex-Verlag erschienen) mit sechs spannenden Romanen fort, in denen Elemente der Artus-Saga mit Wikinger-Mythen und dem Cthulhu-Mythos verknüpft werden.
Der Apex-Verlag veröffentlicht diese Romane als durchgesehene Neuausgaben - illustriert vom Wiener Künstler Johann Peterka.
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ANDREW J. OFFUTT
Cormac MacArt
Band 4: Das Schwert des Kelten
Roman
Apex-Verlag
Inhaltsverzeichnis
Das Buch
Der Autor
DAS SCHWERT DES KELTEN
1. Manannan MacLirs Zorn
2. Eine Burg des alten Atlantis
3. Wikinger!
4. Cutha Atheldane - Zauberer
5. Cutha Atheldanes Kräfte
6. Heimtücke eines Königs
7. Die See tobt
8. Der schwarze Schreckensbrunnen
9. Die Smaragdinsel
10. Pikten!
11. Ein geborener Krieger
12. Der Prinz von Munster
13. Die Hauptstadt von Munster
14. Der König von Munster
15. Die Räuber
16. Zum Großen Fest
17. Champion von Rath Cumal
18. Das Championat von Eirrin
19. Cormac MacArt!
20. Die Versammlung der Könige
21. Die Prüfungen für einen Fianna
22. Ein freier Mann Eirrins
Wild und voller Gefahren ist das Leben auf den britischen Inseln zur Zeit König Arthurs. Cormac Mac Art, ein Abenteurer königlichen Geblüts von der grünen Insel Irland, muss seine Heimat verlassen, weil Neider ihm nach dem Leben trachten. Gerüstet mit ungewöhnlicher Körperkraft und mit der Fähigkeit, Vergangenheit und Zukunft zu sehen, durchstreift er das wilde Europa des fünften Jahrhunderts und die gefahrvolle See auf der Suche nach Abenteuern.
Mit ihrem Schiff Wolfsegel geraten Cormac und sein Klingengefährte Wulfher Schädelspalter in einen Orkan und stranden am Gestade von Atlantis. Auf der Suche nach Nahrung und Obdach stoßen die Schiffbrüchigen auf unermessliche Piratenschätze – und auf Cormacs Geliebte, die Prinzessin Samaire von Leinster. Von ihren Feinden wegen eines Streits um den Thron ausgesetzt, glaubt sie den sicheren Tod vor Augen zu haben. Doch Cormac bietet der teuflischen Schurkerei tollkühn die Stirn – und ahnt nicht, dass die mordlüsternen Widersacher mit magischen Kräften im Bunde stehen...
Andrew J. Offutt - Autor von Valeron, Der Barbar - setzt Robert E. Howards Erzählungen um Cormac MacArt (zusammengefasst in dem Band Krieger des Nordens, ebenfalls im Apex-Verlag erschienen) mit sechs spannenden Romanen fort, in denen Elemente der Artus-Saga mit Wikinger-Mythen und dem Cthulhu-Mythos verknüpft werden.
Der Apex-Verlag veröffentlicht diese Romane als durchgesehene Neuausgaben - illustriert vom Wiener Künstler Johann Peterka.
Andrew J. Offutt (* 16. August 1934, † 30. April 2013)
Andrew Jefferson Offutt war ein US-amerikanischer Autor von Fantasy- und Science-Fiction-Literatur. Er veröffentlichte seine Werke teilweise unter Variationen seines bürgerlichen Namens, vornehmlich als Andrew J. Offutt, teilweise unter den Pseudonymen John Cleve, Jeff Douglas oder J. X. Williams. Gelegentlich ist sein Name auch vollständig in Kleinbuchstaben als andrew j. offutt geschrieben.
Offutt wuchs in einer Blockhütte in der Kleinstadt Taylorsville im Spencer County auf. Später siedelte er nach Louisville um und studierte mittels eines Stipendiums der Ford Foundation an der dortigen Universität. 1955 wurde ihm der Bachelor of Arts im Fach Englisch verliehen.
Während seiner Arbeit in Lexington lernte er Jodie McCabe kennen, die er 1957 heiratete. Das Ehepaar Offutt war über fünfzig Jahre verheiratet und lebte im Rowan County im US-Bundesstaat Kentucky. Sie hatten vier Kinder, der älteste Sohn, Chris Offutt, ist heute ebenfalls als Schriftsteller und Drehbuch-Autor (True Blood, Weeds) bekannt.
Andrew J. Offutts erste Publikation war die Kurzgeschichte And Gone Tomorrow, die 1954 in der US-amerikanischen Science-Fiction-Zeitschrift If veröffentlicht wurde. Nach dem Verkauf der Kurzgeschichte Blacksword (1959) an das Magazin Galaxy konzentrierte er sich zunehmend auf die Schriftstellerei. Mit Evil Is Live Spelled Backwards erschien 1970 sein erster Roman.
Für den Romanzyklus Thieve's World (deutscher Titel: Diebeswelt) von Robert Lynn Asprin und Lynn Abbey schuf er die Figur Hanse und beschrieb sie zwischen 1987 und 1993 in drei Romanen: Shadowspawn (1987), Deathknight (1990) und The Shadow Of Sorcery (1993).
Überdies verfasste er drei Romane über Conan sowie sechs Romane über Cormac MacArt, beides Figuren des Schriftstellers Robert E. Howard.
Zwischen 1976 und 1978 war Offutt Präsident der Science Fiction and Fantasy Writers of America. Ende der 1970er Jahre gab er unter dem Titel Swords Against Darkness fünf Anthologien mit Kurzgeschichten weniger bekannter Autoren heraus.
Unter bis zu zwölf verschiedenen Pseudonymen schrieb Offutt eine Vielzahl erotischer Romane, darunter die von 1982 bis 1984 entstandene Spaceways-Reihe, die unter dem Autorenpseudonym John Cleve publiziert wurde.
Ich bete, dass wir das Land Eirrin erreichen, jene, die über das mächtige, an Schätzen reiche, gewaltige Meer fahren:
Dass sie sich über seine Ebenen, seine Berge und Täler verteilen können; in seine Wälder, die in solcher Üppigkeit Nüsse und andere Früchte hervorbringen; auf seine Flüsse und Wasserfälle; auf seine Seen und großen Gewässer; auf seine quellenreichen Hügel:
Dass sie ihre Jahrmärkte auf seinem Gebiet halten und ihren Pferdesport treiben können:
Dass ein König aus ihren Reihen in Tara thronen wird, und dass Tara der Sitz vieler ihrer Könige sein wird:
Dass das edle Eirrin das Zuhause der Schiffe und Boote der Söhne von Milet sein wird:
Eirrin, das jetzt im Dunkeln liegt, für das Land ist dieses Gebet:
Mögen die weisen Frauen von Breas und Buaigne beten, dass wir dieses hehre, edle Land Eirrin erreichen.
Möge Eremon beten, und mögen Ir und Eber flehen, dass wir Errin erreichen.
- Gebet des Poeten Amergin für den Einzug der Kelten in Eirrin
In einem plötzlichen Sturm kreischte und heulte der Wind wie ein Dämon aus der finstersten plutonischen Hölle der gefallenen Römer.
Gefährlich und wild war er, die Vernichtung von Segeltuch und Holz und Menschenleben war sein Bestreben, und die Männer der Wolfsegel flogen von dem zerbrechlichen Schiff in den Tod. Ihre Schreie verhallten ungehört in dem schneidenden Wind.
Das decklose kleine Schiff drehte sich und krängte. Ein Mast war geknickt und gestürzt und hatte außer dem gestreiften Vierecksegel aus nordischem Gewebe zwei fähige Seeleute mit sich gerissen. Das Steuerbord der Wolfsegel ging unter, bis sie mit der Backbordseite flach zur verdunkelten Sonne lag. Ihr Kiel hob sich wie eine niedrige Wand aus der Gischt. Bei diesem plötzlichen Seitwärtsruck fanden weitere Männer schreiend den Tod.
Der größte dieser verzweifelten Seefahrer hielt sich an dem gezackten Stumpf des Mastes fest. Einer seiner Männer klammerte sich an den Gürtel seines mächtigen Breitschwerts, und an seine muskulöse Wade im aufgeweichten Beinkleid ein anderer, ihre Angst war groß, vom Rand der Welt gefegt zu werden. Der riesige Mann hielt den Maststumpf, als wäre er seine Liebste. Und er brüllte nach Vater Odin und seinem Sohn, den Donnerer, denn nachdem sie drei gewaltigen Strudeln vor diesen namenlosen kleinen Inseln entgangen waren, sollten sie nun offenbar diesem wie ein Dämon kreischenden Sturm zum Opfer fallen.
Der einäugige Odin und sein Sohn hörten nicht - oder wenn, waren sie unerbittlich in ihrem Entschluss, ihren zeitweiligen Diener für seine zahlreichen Sünden zu bestrafen. Er konnte den Mast nicht einmal so lange loslassen, um seine Klinge ziehen zu können und zu sterben wie es sich für seinesgleichen ziemte - mit dem Schwert in der Hand.
Das kleine Schiff drehte sich, schaukelte, kippte und drehte sich erneut. Es schoss durch die See. Inseln flogen vorbei, die vom Fuße bis zum Gipfel aus schroffen Felsen bestanden. Takelwerk ächzte, und Holz knarrte wie in Todesqualen. Männer stöhnten oder beteten oder brüllten - oder schrien, und gingen zu ihren Vätern ein.
Einem einzigen von ihnen quoll kein Laut über die Lippen.
Er unterschied sich auf vielerlei Weise vom Rest. Seine Rüstung war anders, sein Haar schwarz wie die Mitternacht. Grimmig, unerschütterlich war er, mit dem Gleichmut des Kämpfers, der weder Belohnung noch Strafe erwartet und von Göttern und Menschen hinnimmt, was kommt. Seine Lippen waren zusammengepresst, und sein narbiges Gesicht verriet keine Regung. Mit seinem eigenen Schwert hatte er sich an das todgeweihte Schiff genagelt.
Gute zwei Zoll tief hatte er die Klinge, die schon so oft blutbesudelt gewesen war, in das Holz nahe dem drachenköpfigen Bug gestoßen. An seinem Griff hatte er den Schwertgürtel befestigt, und mit Prankenhänden wie die eines Schmiedes in rußiger Esse klammerte er sich an Gürtel und Schandeck.
Die zusammengekniffenen Augen dieses Mannes waren grau wie der Stahl der Klinge, die ihn an Bord hielt. Weder Furcht noch Grauen sprach aus diesen Augen - aber genauso wenig Schicksalsergebenheit -, nur Trauer um seine dänischen Kameraden, die aus einer Gotteslaune heraus ihr Leben geben mussten. Er blieb wachsam, um bereit zu sein loszulassen und in diese haushohen Wellen zu springen, sollte das Schiff bersten und im luftlosen Reich versinken.
Zwischen zwei winzige zerklüftete Inseln, nicht größer als der Burgbereich großer Herren, wurde die Nussschale von Schiff getrieben.
Felswände brausten vorbei. Granitwände dämpften die Gewalt des schrecklichen Sturms. Die zehn Überlebenden von ursprünglich einundzwanzig Männern seufzten erleichtert auf...
Doch die sinnlose Geschwindigkeit der Wolfsegel war gewaltig. Schon stieß sie aus dem felsbeschatteten Schutz wieder ins offene Gewässer. Erneut griff der tobende Wind mit unverminderter Schlachtenwut an. Das Schiff krängte noch mehr und drehte sich gut zwanzig Fuß nach Steuerbord.
»Ah, NEIN!«, brüllte ein Mann, und seine Nägel krallten sich tief in das feste Holz, so dass seine Finger bluteten. »Bete zu deinem Seegott, Gäle! Zweifellos hat der
Wind uns in seinem Reich gefangen, nicht in Allvaters Reich!«
Der Grauäugige blickte ihn an, ohne dass sein Gesichtsausdruck sich änderte. Er entsann sich des Meeresgotts des Landes der blauen Berge, aus dem er vor Jahren geflohen war. Seine Lippen bildeten diesen uralten Namen, doch nicht im Gebet, denn dieser Abkömmling milesischer Kelten flehte niemanden an, weder Sterbliche noch Unsterbliche.
»Manannan MacLir!«, murmelte er.
Und dann biss er die Zähne fest aufeinander, denn das Schiff wurde gegen die Felsen vor einer weiteren Insel geschmettert und vom Wind auf einen unbekannten Strand gerammt. In einem schrecklichen Scharren und Reißen zersplitterten die Wolfsegel.
Kräftige Männer flogen wie in glitzernden Stahl gekleidete Puppen auf diesen namenlosen Strand und blieben reglos liegen.
Der Wind ließ nach und kehrte dorthin zurück, wo immer er sich auch aufhielt, wenn er nicht heulend herbeistürmte, um der Verachtung und dem Hass Ausdruck zu verleihen, die er für die Menschensöhne empfand.
Mit goldenen Strahlen zerriss die Sommersonne ihre Wolkenbande. Sand glitzerte auf dem Strand einer unbekannten Insel, weit vor der Südwestküste Britanniens. Windgepeitschtes Wasser schwand in Dämpfen, und der Sand wurde beim Trocknen hell. Ein Flimmern regte sich über neun liegende Männer. Auf dem Rücken oder dem Bauch oder entsetzlich verkrümmt lagen sie auf dem Strand, an den sie geworfen worden waren.
Schuppen und Kettenglieder von Rüstungen, die schon viele Kämpfe erlebt hatten, trockneten und erhitzten sich in der glühenden Sonne. Der Stahl der Gestrandeten blitzte.
Neun Männer lagen reglos.
Alle waren flachs- oder rothaarig, abgesehen von einem, dessen dunkle Mähne aus dem verbeulten Helm hervorquoll. Alle trugen gute Schuppenpanzer, außer diesem einen, dessen Kettenrüstung auf die in Eirrin und Alba im Nordosten übliche Art geschmiedet war. Alle waren Anhänger des einäugigen Odins und seines hammerschwingenden Sohnes Thor oder Thunor - außer diesem einen, dessen Glauben oder Aberglauben der der Druiden war, mit den Sidhe des grünen Eirrins, und Agron und Scathach, Grannus und Morrigu der Schlachtkrähe, und cu Roi Mac Dairi, und Behl der Sonne, für die die Behlfeuer brannten... und des großen Croms, des Gottes eines Eirrins, das älter war als selbst Behls Macht.
Alle stammten sie aus dem kalten Land der- Dänen - außer diesem einen, der von Eirrin war - und ein Verbannter.
Er war es, der als erster zu sich kam.
Der Gäle erwachte beim vertrauten Salzgeruch des Meeres. Eine Möwe kreischte. Er lag still da, doch seine Nasenflügel zuckten wie die eines wachsamen Wolfes. Der Geruch, der ihm allzu vertraut war - nach frischem Blut - stieg ihm jedoch nicht in die Nase. Er blinzelte in die flammende Sonne, kämpfte gegen ein Schwindelgefühl an und versuchte die letzten Reste der Bewusstlosigkeit zu vertreiben, ehe er die Augen ganz öffnete.
»Blut der Götter!«, murmelte er. »Gewiss ist das nicht die Welt der Toten - ich lebe!«
Vorsichtig setzte er sich auf und erwartete eigentlich den Schmerz, der von gebrochenen Knochen herrühren mochte. Doch kein brennender oder stechender, nur ein erträglicher Schmerz machte sich bemerkbar, der allerdings von jedem Zoll seines sturmmisshandelten Körpers ausging. Gewiss hätte er andere zum Ächzen und Stöhnen, ja gar zum Jammern gebracht und sie behindert. Er betrachtete ihn als etwas für einen Kämpfer völlig Selbstverständliches. Er hatte sich nichts gebrochen, das genügte ihm. Er schaute sich um.
Links und rechts von ihm lagen seine Kameraden, so wie sie gefallen waren, entlang einem Strandstreifen, der rund um das Haus eines dieser selbsternannten »Könige« von Britannien gereicht hätte, wie es sie seit dem Abzug der Römer gab. Ein kleines Lächeln zuckte in seinen Mundwinkeln, als er bemerkte, wie sich dieses große fußförmige Gebilde hob und senkte, das die Brust von Wulfher Schädelspalter war. Der Riese lebte also. Mit zusammengekniffenen Augen ließ er seinen Blick weiterwandern und erkannte, dass auch alle anderen atmeten - allerdings waren es nur noch neun.
Vor dem Sturm hatten sie einundzwanzig gezählt.
Er schluckte - Durst meldete sich. Mit einem Ächzen stand er auf, sah das Blitzen seines Schwertes und holte es sich. Immer wieder wischte er es an seinem Beinkleid ab, ehe er es in den Sand steckte; einer nassen Hülle konnte man genauso wenig vertrauen wie einem gekrönten Haupt.
Während er den Gürtel mit der daran hängenden Scheide abnahm, blickte er sich eingehender um.
Von ihrem Schiff war nichts zu sehen. Vom Wind davongetrieben, dachte er grimmig, und irgendwo im Meer begraben. Wir sind hier gestrandet. Aber - wo ist hier?
Dieser schöne Sandstrand war ein leeres Versprechen. Dies hier war ein kahler, ungastlicher, meerumspülter Punkt, der Mensch oder Tier so gut wie nichts zu bieten hatte. Nur Vögel konnten sich hier nach Belieben niederlassen und wieder weiterziehen, das verrieten die schrill schreienden Möwen, und er hörte auch Wildenten oder -gänse.
Und überall nur Fels: Granit und Basalt, Eruptivgestein wie versteinerter Schwamm, und natürlich der Sand, in den Wind und Wellen im Laufe gleichmütiger Äonen den Stein verwandelt hatten.
Er sah, wie der Strand sich öde und trostlos dahinzog, da und dort hoben sich Treibgut, Kies und kleinere Felsbrocken ab. Dahinter ragten steile Basaltklippen empor, deren Düsternis da und dort von Liparitadern durchzogen war, wie besteckt mit glitzerndem Quarz, der gegen den dunklen Hintergrund edelsteingleich funkelte.
Der Gäle presste die Lippen zusammen. Diese Insel glich einer gewaltigen Felsmauer oder der Burg eines Riesen, umgeben von Strand und einer Küste, die zum größten Teil felsig und steil war, und davor ein ungeheurer Burggraben: das Reich Manannan MacLirs, die unendliche See.
Da grollte eine mächtige Stimme aus einer gewaltigen Brust: »Meine Kehle ist am Austrocknen! Wenn dies Walhall ist, wo bleibt der Mundschenk?«
Unwillkürlich musste der Gäle lachen. Er drehte sich zu dem riesenhaften Wulfher Hausakliufr um, der gerade dabei war sich aufzusetzen und sich auch schon den Bart kratzte.
»Ich sehe hier keinen Mundschenk, und eine Walküre bin ich ebenfalls nicht, Wuschelgesicht.«
Wulfher blickte ihn an. »Cormac! Wir leben!«
Der Gäle nickte. »Allerdings. Auch die anderen atmen alle.«
Während er die Worte sprach, rührte sich ein weiterer. Genau wie Wulfher kratzte er an dem Salz, das unter dem roten Bart auf der Haut verkrustete. »Wo sind wir?«
Wulfhers Antwort war ein Schnauben. »Frag' die Möwen, Ivarr.«
Der Gäle namens Cormac antwortete: »Wo wir sind? Hier.«
Ivarr seufzte, drehte sich um und stemmte sich mit einer Hand im Sand hoch. Er blickte sich um.
»Uch und och! Hier sind wir? Ich wäre lieber anderswo.«
»Ahhh... Ich glaube, mein Arm ist gebrochen.«
»Du liegst drauf, Guthrum«, erklärte Cormac dem erwachenden Dänen. »Steh auf. Ein hübscher Schlaf, den wir da hatten: den kleinen Tod. Und wenn wir kein Wasser finden, vor allem bald, wird es der ewige Schlaf für uns.«
Wieder erwachte ein Mann, zunächst mit einem Räuspern, dann folgte eine Verwünschung. »Wasser! Pah - Essen braucht mein knurrender Magen!«
Cormac schlüpfte aus seinem ärmellosen Kettenhemd. »Essen! Daran mangelt es nicht, Halbmann, denn hier gibt es schmackhafte Möwen...«
»Puh!« Halbdan Halbmann schüttelte sich und verzog das Gesicht.
»...und Wildgänse oder Wildenten«, fuhr der Mann aus Eirrin fort. »Ihr Blut werden wir trinken, Wulfher, und es für den besten Durststiller der Welt halten.«
Wulfher stand nun aufrecht und stocherte mit einem Finger in dem roten Bart, um sich zu kratzen, und er nickte. Ein Riese mit Brustmuskeln, die seine Schuppenrüstung wie zwei Schilde zu sprengen drohten. Er stöhnte, als er sich nach seinem gehörnten Helm bückte. Als er ihn auf dem Kopf hatte, wirkte er noch beeindruckender und riesiger.
»Mhm«, bestätigte er mit grollendem Brummen. »Wir werden also weder verhungern noch verdursten. Aber was machen wir einstweilen hier?«
»Uns um unsere Rüstung kümmern«, riet Cormac. Nachdem er seine ausgezogen hatte, verschränkte er die Beine und setzte sich in den Sand. Er machte sich daran,- sorgfältig jedes der vielen Kettenglieder seiner Rüstung abzureiben, um es von Salz und rostverursachendem Wasser zu befreien.
Durst und knurrende Mägen wurden missachtet, als einer, dann drei und schließlich acht andere seinem Beispiel folgten. Hunger und trockene Kehle konnte ein Mann erdulden. Waffen und Rüstung dagegen - davon hing sein Leben ab. Obwohl diese Insel gewiss von den Göttern verlassen und von keiner Menschenseele bewohnt war, so dass sie für die Männer nun ihr neues Heim, sowohl im Leben wie im Tod, sein mochte, rieben und säuberten die neun Überlebenden der Wolfsegel alles, was aus Metall war.
Da er als erster angefangen und keine überlappenden Schuppenplättchen hochheben musste, war Cormac als erster fertig und stand auf. Als könnte er jeden Augenblick einer ganzen feindlichen Armee begegnen, schlüpfte er wieder in seine Rüstung und schnallte den Gürtel mit den Klingen um die schlanke, fast hagere Gestalt. Wulfher blickte hoch.
»Wohin?«
»Du musst dich noch um deine Rüstung kümmern«, entgegnete Cormac mit dem vertrauten, leicht sarkastischen Lächeln. »Ich glaube, ich werde mich mal Umsehen.«
»Ja, aber mit Vorsicht. Halbdan wird dir folgen, Cormac MacArt - er hat nicht so viel Stahl zu säubern.«
Halbdan, genannt Halbmann, schwieg. Er war wahrhaftig nicht sehr groß, aber gebaut wie ein Ochse. Deshalb kränkte der Name, den man ihm aus Spaß gegeben hatte, den kurzgewachsenen Mann überhaupt nicht, denn er konnte Männer wie Cormac hochheben und durch die Luft schleudern, und er hatte größere Männer, auch wenn ihre Arme länger waren, zu ihren Vätern geschickt.
Cormac stapfte ostwärts am Strand entlang los. Er wandte den Schritt landein zu der Felswand, die zwischen ihm und den finsteren Geheimnissen lag, die dieses grimmige Land bergen mochte.
Halbdan und Knud der Behende waren bereits auf den Füßen und steckten in ihrer wohlversorgten Rüstung, als ihr gälischer Kamerad rief.
»Ho! Hier ist eine Kluft, die landein führt!«
Er ging daran vorbei und halb um einen Granitfelsen, der bis zum Wasser reichte. Cormac spähte um ihn herum und schüttelte den Kopf, denn auch auf seiner anderen Seite war nichts als weiterer Fels und das Meer, das dunkel mit dem Horizont verschmolz.
Wasser bis zum Ende der Welt, dachte der Sohn Eirrins freudlos und wandte sich um, um auf die anderen zu warten.
Sie stapften durch den Sand, der riesenhafte Wulfher war noch dabei, den Schwertgürtel, groß wie ein Ochsengeschirr, umzuschnallen. Knud hatte sich einen Knöchel verrenkt und humpelte ein wenig, und Hakon Snorris Sohn hatte Gesicht und linken Arm aufgeschürft, weil er heftig über den Sand geschleift worden war. Hrothgar schwang versuchshalber den rechten Arm und verzog schmerzhaft das Gesicht, während er die Linke mehrmals öffnete und schloss.
Zwölf Männer hatten den Tod gefunden, mit neun hatten die Götter Erbarmen gehabt. Alle waren imstande zu laufen, keiner hatte sich etwas gebrochen oder sich sonstige behindernde Verletzungen zugezogen. Cormac spürte ein heftiges Stechen im Rücken, aber er achtete nicht mehr darauf als auf einen eingerissenen Fingernagel.
In gehörnten Helmen und rasselnden Rüstungen über engen Beinkleidern, die sich über den Stiefeln bauschten, bog der kleine Trupp in die schmale Kluft ein, die Cormac entdeckt hatte. Natürliche Mauern erhoben sich hier zu beiden Seiten, nicht weiter voneinander entfernt als zwei Mannslängen. Es war, als hätte einst ein Riese sich mit ein paar Streichen seiner Axt hier einen Weg ins Innere gebahnt.
Sie stapften dahin.
Weiter und weiter, während kahle Felswände auf sie herabschauten, in deren Schatten die Männer froren. Die Kluft weitete und verengte sich, dann weitete sie sich erneut, lief wieder eng zusammen und beschrieb viele Biegungen. Nie sahen die Männer andere Menschen, auch keine Tiere, nicht einmal die Wildgänse oder -enten, die sie gehört hatten.
Dann kamen sie um eine andere Biegung in diesem gewundenen Korridor mit seinem Himmelsdach und den dunklen Basaltwänden. Abrupt blieben sie stehen, und jeder riss die Augen auf.
»Bei Odin!«
»Bei Odin und seinem Bart!«
»Es - es muss ein Spaß Lokis sein, ganz gewiss!«
»Wir sind doch nach Walhall gekommen - und immer noch keine Walküren in Sicht!«
Das und ähnliches entfuhr den Lippen der wackeren Kämpfer, während sie mit großen Augen starrten.
Vor ihnen weitete sich die Kluft zu einer Schlucht. Die Schlucht wurde zum Tal, bestreut mit den Resten von Gerölllawinen in Kieselsteingröße bis zu hausgroßen Felsblöcken. Das Tal war so breit, dass sie keine Einzelheiten an der gewaltigen Mauer aus finsterem Basalt auf der gegenüberliegenden Seite erkennen konnten. Doch nicht diese Felswand war es, die ihr fast ehrfürchtiges Staunen geweckt hatte.
Von Menschenhand erbaute Mauern erhoben sich hier.
Zwischen der hohen natürlichen Festung und den gestrandeten Seeräubern stand, so unglaublich es auch war, eine Burg, nein ein Palast mit Türmen und Säulenreihen von gewaltiger Größe.
»Groß waren ihre Taten, ihr Höhenflug und ihre Spiele;
Mit Lehm und Stein erbauten sie im Tal
und an der Küste jene mystischen Festungen,
die uneinnehmbar waren...«
- D'Arcy McGee, Die Kelten
»In all den Jahren meiner Streifzüge habe ich nie dergleichen gesehen«, gestand Wulfher mit seltener Ehrfurcht. »Cormac?«
Der Gäle schüttelte den Kopf. »Ich habe das Schloss der Könige von Connacht gesehen und einem König in Leinster sowie einem anderen in Dalriada gedient und bin durch die Säle und Hallen ihrer Paläste geschritten. Doch dieser von Menschen errichtete Berg würde dem Palast von Leinster Platz bieten... ja, und obendrein einem Zehntel des Reichs von König Gol von Dalriada!«
Knuds Stimme klang beunruhigt, als er fragte: »Wer hat diese... gewaltige Festung erbaut... und warum hier?«
»Bestimmt keiner, der noch am Leben ist«, antwortete Cormac MacArt sehr leise.
Mit zusammengekniffenen Augen betrachtete der Gäle das titanische Bauwerk aus behauenen Steinblöcken mit den verwitterten Reliefs und den Bronzeverzierungen. Das Portal war breit, ein schöner Torbogen, durch Kunstfertigkeit und exakte Berechnung entstanden. Die Bogenfenster waren erstaunlich breit, als wollten sie mögliche Angreifer verhöhnen.
»Es waren nicht die Römer, die sich für die Auserwählten der Götter hielten«, brach Cormac MacArt die ehrfurchtsvolle Stille, die wieder eingesetzt hatte. »Dieses in den Stein gehauene Zierwerk... es ist von der Art der Kelten, von denen wir Galen stammen, und von den Menschen des lange vergangenen Cimmeriens, von dem die Kelten stammen, und von den Herrschern der Welt einer längst vergessenen Zeit stammen die Cimmerier - von den weltverbindenden Atlantern. Ja. Atlantis...«
Die Dänen blickten ihn erstaunt an.
Er machte den Eindruck, als erschaue er die Massen edler Menschen in ihrer fremdartigen Kleidung, die wackeren Bürger jenes schon seit unendlicher Zeit untergegangenen Reiches.
»Die große Schlange«, murmelte er, und einigen seiner Kameraden stellten sich die Nackenhaare auf.
Das war nicht das erste Mal, dass der narbige, finstere Gäle sich auf diese Weise von ihnen absonderte, als sähe er etwas, das sie nicht zu erblicken vermochten; als spräche er von einem Traum aus Bildern, die nur sein Geist ihm zeigte. Seine stahlgrauen tiefliegenden Augen waren unter ihren Lidern nicht zu sehen, während er auf die Visionen einer großen Zivilisation mit all ihrer Kunstfertigkeit starrte und mit ruhiger, leiernder Stimme weitersprach:
»Kuli«, murmelte er. »Wenn diese gewaltige Burg nicht von den Atlantern und ihren Sklaven, die sie sich von den Menschen aller Welt nahmen, errichtet wurde, bin ich... bin ich nicht der Sohn Art na Mornas von Connacht, und er nicht der Sohn Conla Dairs, Sohn von Conal Crimthanni, der britischen Gemahlin jenes Nialls, der Hochkönig über ganz Eirrin war und den Römern selbst im Land der Gallier zu schaffen machte...«
»Cormac!«
»...und er der Sohn jener weltüberbrückenden Giganten, die mit ihren hochbugigen Schiffen die Meere dieser Welt befuhren und selbst hierherkamen, um...«
»Cormac!«, rief Wulfher erneut.
Der murmelnde Kelte zuckte zusammen, als hätte man ihn aus tiefem Schlaf gerissen. Automatisch griff seine Hand zum Schwertknauf. Er blickte den riesenhaften Dänen an und blinzelte.
»Warum stehen wir hier herum, wenn jemand vor undenklicher Zeit dieses nette Häuschen erbaut hat, damit wir unsere Füße kühlen können?«
In ihrer Nervosität brachen die Männer in ein übertriebenes schallendes Gelächter aus.
Ungestüm gingen sie weiter, doch Cormac riet ihnen, fast ohne die Lippen dabei zu öffnen, dass sie sich nicht so dicht beisammenhalten sollten. Und es war ein guter Rat, denn als noch etwa fünfzig Schritte zu dem hohen Säulenpaar links und rechts des Portals fehlten, sirrten die Pfeile herbei.
Wie erboste Wespen summten sie, doch sie prallten von den Felsen und Rundschilden ab - alle bis auf einen. Wulfher starrte verblüfft auf den schlanken Schaft, der aus seiner Brust ragte.
Dann lachte er und riss ihn aus seiner Rüstung, und kein Blut färbte die Spitze.
»Bei Odins gutem Auge«, brummte er. »Der Bursche, der dieses gefiederte Spielzeug losgeschickt hat, hat nicht mehr Kraft als ein Kind der britischen Schwächlinge!«
Weitere Pfeile surrten, doch der kleine Trupp hatte sich inzwischen gut verteilt und war bereit. Sie nutzten die Deckung, die dieses Tal bot, und durch die Lawinenreste herrschte wahrhaftig kein Mangel daran.
Guthrum und Ivarr Ivarrs Sohn besaßen noch ihre Bogen und die paar Pfeile, die sie vor der gierigen See gerettet hatten. Sie spannten die Bogen, legten die gefiederten Schäfte an und blickten fragend zu Wulfher. Jeder kauerte hinter einem zum Teil in die Erde gebetteten Felsblock und hielt den Bogen seitwärts. Mit zuversichtlichem Grinsen murmelte Wulfher, dass er sich zeigen und sie so auf die Stellung ihrer flinken Läufer hinweisen würde. Ivarr hatte einen Pfeil des Feindes aufgehoben; Wulfher warf seinen Guthrum zu.
»Wulfher!«
Es war Cormacs Stimme. Wulfher blickte den Gälen fragend an, der sich hinter einem zerbröckelnden Haufen, der einst aus Lehm bestanden hatte, verbarg.
»Knud!«, sagte Cormac nun, und als sowohl er als auch der riesenhafte Führer ihn anblickten: »Beim nächsten Pfeilbeschuss werden Guthrum und Ivarr ihnen zeigen, was sie können. Und Knud - du und ich, wir sind die Flinkesten. Sollen wir tun, als wären Dämonen uns auf den Fersen, und geradewegs zur Tür dieser Festung laufen? Du zur linken Säule?«
Knud grinste. »Ja.« Er zog die Schnüre seines halbhohen Stiefels fester.
Alle waren bereit. Wulfher stand auf. Seine Beine blieben hinter dem Felsblock geschützt. Er schwenkte die mächtige Axt, dass die Sonne sich auf ihrer silbrigen Schneide spiegelte und sie zu flammen schien.
»HO-O-OH!«, brüllte der Schädelspalter, und seine Stimme hallte von den Schluchtwänden wider. »Wir haben gesehen, wie eure KINDER Pfeile schießen - aber gibt es auch MÄNNER unter euch?«
Noch ehe er das letzte Wort geschrien hatte, prallte ein Pfeil von seinem Helm ab. Weitere brausten herbei, und er wehrte einen mit seinem Schild ab, dass der kleine Todesschaft knickte.
Alle sahen nun, dass es mehr als ein Stockwerk in dieser uralten Burg gab und die sirrenden Pfeile von zwei hohen Fenstern kamen. Ivarr und Guthrum stellten sich nun wie Wulfher auf, und die Sehnen sangen, als sie Pfeile genau in diese Fenster schossen.
Wie Läufer bei einem der Wettkämpfe des großen Jahresfests von Eirrin sausten Cormac MacArt und Knud der Behende zur Burg. Knud rannte in gerader Linie und verließ sich auf seine gerühmte Schnelligkeit; Cormac schlug kleine Haken, denn ganz so behende wie der langbeinige Däne zu seiner Linken war er nicht.
Mutig oder unüberlegt zeigte ein Verteidiger sich am Fenster, um auf den Dänen zu zielen und mit schneller Bewegung der Hand zum Gürtel und zurück zum Bogen einen zweiten Pfeil auf den Läufer abzuschießen. Cormac spürte, wie der Pfeil seinen Gürtel traf, oder vielmehr das Kettenhemd dort. Er schnaubte kurz, ohne im Laufen innezuhalten. Die Burg kam näher, während Wulfher sich keine Pause in seinem Gebrüll gönnte - und von vorn schrillte ein Schmerzensschrei.
Cormac grinste wölfisch. Ein Pfeil Guthrums oder Ivarrs hatte die Frechheit des Verteidigers mit stählerner Spitze erwidert.
Cormac MacArt erreichte die Burg. Obwohl er sich bemühte, seinen rasenden Sturmschritt zu bremsen, schmetterte er mit einer Schulter gegen die Säule. Trotz ihres unvorstellbaren Alters war sie erstaunlich weiß und hart wie Eisen. Dem Gälen entfuhr nur ein unwillkürliches Ächzen, während sein Blick den Augen Knuds über ein paar Fuß Entfernung begegnete. Natürlich war Knud vor ihm dagewesen und keineswegs außer Atem. Nun sahen die zwei, dass die Tür mindestens so breit wie eine Mannshöhe war. Und sie stand offen. Die Tür, massiv und eisenbeschlagen, hing an einem festen Angelriemen. Sie war sichtlich mit vielen Axthieben gewaltsam geöffnet worden.
Die Verteidiger im Innern gehörten also nicht hierher, sondern waren ebenso wie er und seine Kameraden durch Zufall darauf gestoßen und hatten sich Einlass verschafft.
»Sie haben die Tür zum Willkommen offengelassen.« Knud hatte sein Schwert gezückt.
»Schild und Schwert bereit und hinein! Du links«, brummte Cormac.
Auf den Zehenspitzen und geduckt, um jederzeit herumwirbeln, rennen oder sich hinwerfen zu können, traten die beiden ein.
Eine kahle Wand aus behauenem Stein blickte ihnen entgegen. Zu beiden Seiten führte eine steinerne Treppe zu einem Absatz empor, bog ab und verschwand hinter einer Wand. Hier lassen Eindringlinge sich auf die richtige Weise begrüßen, dachte Cormac. Stünde ich auf dieser Treppe und andere drängten ein, könnte ich allein die Treppe einen Tag und eine Nacht halten, und die Toten würden sich auf den Stufen häufen.
Die zwei Männer wechselten einen Blick. Mit einem Nicken ging jeder zu einer Treppe. Cormac stieg vorsichtig Stufe um Stufe mit gezücktem Schwert hoch und hielt sich an die innere Wand. Der Linkshänder Knud, der flink wie ein Reh war, stieg die andere Treppe auf gleiche Weise hoch.
Auf dem Absatz machte Cormac sich bereit, atmete tief, dann raste er über den Absatz zur gegenüberliegenden Ecke. Kaum angekommen, richtete er den Blick aufwärts, und sein Schild schützte ihn in der geduckten Haltung vom Schlüsselbein bis zu den Oberschenkeln. Er hatte Erfahrung mit Schützen und wusste, dass sie selten auf das schwierigere Ziel schossen, wie Kopf und Hals es boten, sondern auf Rumpf oder Schenkel. Ein am Bein Getroffener schied gewöhnlich aus dem Kampf aus.
Aber er starrte eine leere Treppe hoch. Doch Knud hatte leider nicht so überlegt gehandelt wie er.
Cormac hörte seinen Schrei, konnte jedoch den anderen Absatz nicht sehen, bald aber den Dänen, der polternd die Stufen herunterrollte. Aus seinem Bauch ragte ein Pfeil. Mit dem Gesicht nach unten blieb er am Fuß der Treppe liegen, und seine Rüstung beulte sich am Rücken aus, als das Gewicht seines nun schlaffen Körpers den Pfeil durch ihn hindurch trieb.
Lautlos eilte Cormac MacArt das zweite schmale Treppenstück hoch. Er rannte geradeaus, an einem Korridor rechts vorbei. Ein Mann lag leblos, mit einem Pfeil durch den Hals, in einem sonnenhellen Streifen auf dem Boden. Ivarr oder Guthrum hatten sehr gut geschossen, obgleich von dem Mann nicht mehr als Kopf und Schultern zu sehen gewesen waren.
Ein anderer Schütze, der am gleichen Fenster gekauert hatte, wirbelte bereits herum, und ein Pfeil schnellte von der Sehne.
Cormac riss den linken Arm hoch und verließ sich darauf, dass sein Schild ihn schützte. Das Klicken einer Eisenspitze auf eisenverstärktem Holz belohnte ihn. Und schon schwang sein rechter Arm hoch. Verschwommen sah er unter einer kleinen Stahlkappe weit aufgerissene Augen, die kurz darauf erloschen, als seine Klinge den Kopf getroffen hatte.
Cormac nahm sich nicht einmal Zeit für ein grimmiges Lächeln über die Begeisterungsrufe seiner Kameraden unten.
»KOMMMMMT!«, brüllte er, und schon schmetterte er die Schulter gegen eine Wand. Staubige Fetzen eines äonenalten Teppichs, der den düsteren Basalthallen einst freundliche Schönheit verliehen hatte, hingen hier herunter. Aus den Augenwinkeln hatte Cormac gesehen, wie ein anderer Gegner am hinteren Ende des Korridors am Kopfende der Treppe auftauchte.
Er trug einen Flügelhelm und hielt einen Bogen mit angelegtem Pfeil. Die Sehne sirrte, und der Pfeil brauste so schnell herbei, dass Cormacs Augen ihn kaum sahen. Doch er hatte den Schild erhoben, der den Pfeil ablenkte, so dass er gegen die Wand links von ihm prallte.
Und schon hatte der Feind einen zweiten Pfeil bereit.
Nur ein Schwachkopf griff einen Schützen aus dieser Entfernung an. Wäre er ein bisschen näher gewesen, hätte nur ein Schwachkopf von Bogenschützen versucht, einen Angriff mit einem Pfeil abzuwehren. In dieser Lage war der Gegner im Vorteil. Aus reiner Verzweiflung bediente Cormac sich einer Verteidigung, die gleichzeitig Angriff war.
Mit aller Kraft schleuderte er sein Schwert auf den Bogenschützen.
Gleichzeitig sprang er nach links zum offenen Fenster. Doch selbst jetzt achtete er darauf, seinen Schild zwischen sich und den Feind zu halten.
Das war unnötig. In seinem Versuch, unter dem herbeifliegenden Schwert wegzutauchen, schoss der Gegner den Pfeil viel zu hoch. Es gelang ihm nicht ganz, dem Schwert auszuweichen, aber es verletzte ihn auch nicht. Doch in den wenigen Sekunden, die er benötigte, um sich von diesem lächerlichen Angriff zu erholen, legte sein Gegner den größten Teil des Abstands zwischen ihnen zurück.
Cormacs Schild schmetterte gegen Brust und Gesicht des andern, und der Dolch des Galen stieß mit aller Wucht des Ansturms unter die Rippen des Feindes, dass die Rüstung zersprang. Bis zum Griff drang der Dolch in die stählernen Schuppen ein.
Mit einer heftigen Drehung des Handgelenks riss Cormac die Klinge heraus und schwang den Schild hoch, fort von der Hand, die sich daran klammern wollte.
Mit zerschmetterter Nase und blutquellender Stichwunde torkelte der Mann im Flügelhelm erst einen Schritt, dann einen zweiten zurück. Als sein Fuß das dritte Mal aufsetzen wollte, stieß er durch leere Luft und hinunter auf die oberste Stufe.
Der Mann, den Cormac als Norweger erkannte, polterte klirrend und krachend die steinerne Treppe hinab.
»Was ist denn das?«, grollte eine mächtige Stimme. »Schickt Cormac uns da ein Willkommensgeschenk?« Dann erfolgte ein berstendes Krachen. Das war, wie der Gäle erkannte, Wulfhers Axt. Und so würden sie nie wissen, wer von ihnen Knuds Mörder getötet hatte.
Wulfher bog um die Ecke des Absatzes, dicht gefolgt von Hakon und Ivarr, und hinter sich hörte Cormac andere seiner dänischen Kameraden, die dieselbe Treppe wie er hochgekommen waren. Mehrere Herzschläge lang standen alle in stummem Staunen auf dem uralten Korridor.
Eine gewaltige Burg von der Größe einer römischen Arena und der Höhe einer mächtigen Eiche, die groß genug für die höchsten Rituale der Druiden gewesen wäre - und darin nur drei Mann, um sie zu verteidigen?
So war es tatsächlich, denn in der kurzen Zeit, die die Sonne brauchte, um zweifingerbreit über den Himmel zu wandern, hatten die acht Männer sich vergewissert, dass sich außer ihnen keine Menschenseele in der Burg befand. Wohl aber etwas anderes...
«Das ist der Schlupfwinkel und die Schatzkammer von Seeräubern«, murmelte Cormac, als sie mit begehrlichen Blicken auf ihren Fund starrten.« Sie sind unterwegs. Wie wir stießen sie durch Zufall auf diese Burg. Sie machten sie zu ihrem Stützpunkt und ließen drei ihrer Leute als Wachen hier. Nur vorsichtshalber, denn ohne den heimtückischen Sturm wären wir ja nicht hierhergekommen.«
«Und jetzt sind sie wieder zum Plündern unterwegs«, murmelte Wulfher.
Sie schauten sich in dem großen Raum um, in dem Ballen feinster Stoffe lagen und Haufen von Kleidungsstücken und Waffen und Gold und Edelsteinen, die im Dämmerlicht schimmerten. Und sie nickten.
»Beute«, brummte Wulfher und trat an dem Gälen vorbei. Sein Wort war Warnung und Versicherung, dass er nicht vorhatte, etwas für sich zu nehmen.
Der bärtige Riese hob eine Kette aus milchigen Perlen hoch, jede von der Größe einer überdurchschnittlichen Erbse. Er zählte dreißig, die so aufgereiht waren. Er schwenkte sie kopfschüttelnd.
»Von weit, weit her kommen diese Dinger, bei Odin. Ein Schiff könnte man dafür kaufen und Waffen, und zwei Mädchen für einen Monat obendrein.«
»Such mir die Mädchen!«, rief Ivarr.
»Such mir das Schiff«, sagte Cormac düster, und das Lachen verstummte.
So hatte nun auch Knud sein Leben gelassen, und drei Männer aus Norwegen. Und sie konnten nicht auf die gebührende Weise in die Welt grimmiger Finsternis oder ewigen Frohsinns geschickt werden. Doch immerhin wurden ihre starren Leiber in den Sonnenschein geschleppt und jeder wurde in prächtige Gewänder aus der reichen Beute gehüllt. Mit feinen Stoffen, die zweifellos für Umhänge und Gewänder für Könige und ihren Hofstaat gedacht gewesen waren, wischten sie das Blut auf. Wulfher war unerbittlich: kein Schmaus, keine Ergötzung, ehe nicht den Toten die letzte Ehre erwiesen war. Und so trugen sie die vier, in purpurne und rote Umhänge gehüllt, durch das Tal und die schmale Kluft, die sie gekommen waren, weit zum Strand hinab. Auf dem Rückweg verwischten sie, trotz ihrer Eile, ihre Spuren.
So kehrten die acht in die erstaunliche Burg einer längst vergessenen Zeit zurück, denn sie hatten dort auch andere Beute gefunden: Nahrungsmittel und Ale, ja sogar eine geringe Menge Wein. Und den riesigen Saal, der Hunderten Platz bot.
In ihm aßen und tranken sie, und ihre Stimmen hallten von den Wänden wider. Immer wieder mahnten Wulfher und Cormac, nicht zu viel Ale und Wein zu trinken, da jene, die diese Burg vor ihnen entdeckt hatten, jederzeit zurückkehren mochten. Und ganz sicher würden es mehr als acht Mann sein.