Countdown - Gabriela Widmer - E-Book

Countdown E-Book

Gabriela Widmer

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Beschreibung

"Ich bin eine von IHNEN!" rief ich aus. "Das kann nicht sein - oder doch? Du täuschst dich, Geschöpf. Wir Nummern werden wie die Tiere gehalten. Mir und den Meinen wurde nie IHRE Hilfe zuteil. SIE schicken die Späher und SIE töten uns. Ich bin nicht so wie SIE!" "Du irrst dich!", rief ich entsetzt und voller Scham. In einer dystopischen Welt kämpft Nummer 287 ums nackte Überleben. Als sie den geheimnisvollen Fremden kennenlernt, schöpft sie Hoffnung. Er gibt ihr Sinn und Liebe; kann er ihr auch Schutz gewähren?

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Gabriela Widmer

Gabriela Widmer ist ausgebildete Mentaltrainerin. Sie wurde in Olten geboren und wuchs im Bündnerland auf. Als Teenager verschlang sie Fantasie- und Fiktionsromane. Heute schreibt Gabriela ihre eigenen Bücher und es versteht sich von selbst, dass sie ihren Geschichten Magie einhaucht.

Für Christian, der meine nächtlichen Ausflüge zu Gilgamesch mit stoischem Gleichmut hingenommen hat; du bist mein Anker.

Anna, du bist die beste Zuhörerin aller Zeiten.

Lia, ich danke dir für dein Vertrauen in mich.

Ich danke allen Menschen, die meinen Weg bereichern; ihr seid die Besten!

Inhaltsverzeichnis

Tag 7

Tag 6

Tag 5

Tag 4

Tag 3

Tag 2

Tag 1

Tag 0

Tag 7

Kriegsgebiet

Der Himmel hatte sich verändert. Farbige Lichtblitze flirrten durch das Firmament. Die Sonne war nur noch eine trübe Scheibe. Kraftlos flackerten ihre Lichtstrahlen und wichen dem Aufblitzen der künstlich erzeugten Bilder, die sich wie bösartige Geschwüre über das Himmelsgewölbe zogen. Nun hatten SIE auch begonnen, den Himmelsraum zu verändern. Manchmal standen Drohungen am Horizont − rot fluoreszierend wie glühendes Eisen –, die den einzigen Zweck hatten, die im Kriegsgebiet lebenden Menschen wie Tiere zu verängstigen. IHRE Strategie war Drohung und Krieg – und am Ende kam der Tod. Doch auch der Tod hatte seine Tücken. Unser Geist war untrennbar mit IHRER KI verbunden. Wir gehörten IHNEN mit Haut und Haaren. Es gab kein Entkommen.

Das Himmelsgewölbe war einer gigantischen, bedrohlichen Leinwand über unseren Köpfen gewichen. Das brachial Böse hatte die Oberhand erlangt. Wir waren die Leibeigenen IHRES Systems, menschliche Ware, dazu bestimmt, gehorsam unmenschliche Forderungen zu befolgen. Schon viele waren freiwillig in den Tod gegangen, dem kläglichen Rest von uns wurde die Energie geraubt. Auf irgendeine Weise stahlen SIE die Lebenskraft. Die Welt von damals lebte einzig durch die Erinnerungen, die verzerrt in unsere Köpfe gepflanzt worden waren. Wir ließen zu, dass dieser Ort, der einst ein blühendes Paradies gewesen war, unterging! Wir ließen IHNEN die Oberhand. Niemand hatte die Kraft, IHNEN zu widersprechen. Jene, die es versuchten, wurden vor unseren Augen exekutiert. Wir wurden dann zusammengetrieben und mussten diesem sadistischen Schauspiel beiwohnen. Zudem schickten SIE IHRE Kampfdrohnen, sodass die Rebellen manchmal auch mitten unter uns starben. Niemand entkam der KI, die unsere Lebensweise überprüfte und bis in unsere Zellen vorgedrungen war. Jeder Atemzug wurde überwacht, jede Emotion gespeichert. Wir waren, ohne dass die meisten von uns es ahnten, zur menschlichen Wegwerfware geworden. Das, was nicht dazu passte, wurde rücksichtslos eliminiert. Die leiblichen Überreste der Ausgestoßenen wurden jeweils zurückgelassen. Es war uns verwehrt, die Leichen zu verscharren und das Leben der Abtrünnigen in Würde zu ehren. Die Order lautete: Korrumpierende des Systems werden im Staub zurückgelassen. Wer diese Anweisung untergräbt, wird das gleiche Schicksal erleiden. Weder Trauer noch Freude war uns erlaubt. Ein Leben in Freiheit war uns verwehrt. Die letzten Tage von uns Nummern waren gezählt.

Dereinst blühende Städte glichen einem Trümmerhaufen. Kriege, die vor unserer Zeit stattgefunden hatten, hatten die Mauern zerfallen lassen. Der Staub, der in die Ritzen kroch und unsere Lungen schwächte, war einstmals Leben und Natur gewesen. Auf den zerfurchten Straßen saßen die lebenden Toten; gekrümmt und ohne jegliche Hoffnung warteten sie abgestumpft und lebensmüde auf ihr trostloses Ende.

Gefüttert wurden wir mit einem wässrigen Brei aus genmanipuliertem Mais und gemahlenen Würmern; auf diese Weise hielten SIE uns am Leben. Unsere Gedanken wurden kontrolliert, unsere Gefühle beherrscht. Wir waren IHRE Versuchstiere.

Tod, Zerfall und körperliche Pein waren die Grundpfeiler unserer absoluten Selbstaufgabe. Und noch immer verlangten SIE strikten Gehorsam!

Um zu überleben, kämpfte jeder gegen jeden. Aufgedeckte Fehler eines anderen brachten eine weitere Portion Nahrung ein.

Der Grund, mich auf die Straße zu wagen, war ausschließlich meinem Überlebenswillen zu verdanken. Immer auf der Hut, hatte ich mein Gesicht vorsichtshalber mit einem zerrissenen Tuch verhüllt. Meine Haare waren vom Staub grau geworden, sie hingen wie Fäden auf meine Schultern herab.

Vorsichtig schob ich mich an den Sterbenden vorbei. Sie wirkten wie gedrungene graue Steine. Der Staub der Straße hatte sich auf ihrer Gestalt niedergelassen und die menschlichen Konturen unkenntlich gemacht. Von diesen beklagenswerten Individuen wurde keine Energie mehr gezogen. Sie wurden nicht mehr gebraucht.

Der Wind fuhr durch die zerfallenen Holzgebäude und entlockte ihren Wänden klagende Laute. Ansonsten war es totenstill. Das Zerbrechen der Seelen fand in absoluter Einsamkeit statt.

Ich versuchte, nicht auf Gliedmaßen zu treten und wich den sitzenden, zum Sterben Geweihten aus. Meinen Blick richtete ich starr nach vorne. Das Elend auf dem Boden wollte ich nicht mit ansehen. Unumstößlich hielt ich mich an meinen Vorsatz, die Gestalten auf der Erde als ‚Sterbende‘ zu betrachten. Keinesfalls wollte ich mich an sie und ihre flehenden Augen erinnern. Ihren traurigen Gesichtern wollte ich keinen Platz in meinem Herzen einräumen. Ebenso wie sie, war ich in meine ganz persönliche Hölle ‚hineingeboren‘ worden. Wir wurden von IHNEN als Klone gezüchtet. Die Stärksten überlebten, die Schwachen wurden bereits als Babys ausgemustert. SIE führten in ihren unterirdischen Basen unmenschliche Experimente mit uns durch. In IHREN Augen waren wir ausschließlich für IHRE Versuche geschaffen. Unser Ableben war kein Verlust. Die Körper derer, die eines natürlichen Todes starben, wurden von uns eingesammelt und verbrannt. Die Anweisungen, die SIE an uns richteten, erhielten wir durch riesige Hologramme, die uns zu jeder Tages- und Nachtzeit in die Netzhaut gebrannt wurden.

Verbissen starrte ich auf die Nummer auf meinem Handgelenk − 287 −, meine Energiezahl. Diese Zahl leuchtete hell auf, wenn SIE mir meine Lebenskraft raubten. Nach diesen Übergriffen fühlte ich mich jeweils erbärmlich, dem Tod näher als dem Leben. Niemand wusste, WAS uns das Leben raubte und zu welchem Zweck. Wir waren nur die Energiespender, die über die Jahrhunderte gebraucht wurden wie eine Einweg-Batterie. „Wenigstens haben sie uns unsere Haare gelassen“, überlegte ich lethargisch. Wir waren nicht unisono. Vermutlich entsprang dieser Umstand einer wahnwitzigen Laune der Herrscherklasse. Nichtsdestotrotz wurden uns unsere Freiheit sowie unsere Eigenbestimmung aberkannt. Wir waren nur Nummern. Einen Namen zu tragen − dieses Recht gebührte uns nicht.

In gebückter Haltung schlich ich mich aus dem Camp, sorgsam darauf bedacht, unbemerkt zu bleiben. Trotz der fehlenden Sonneneinstrahlung war es unerträglich heiß, und obwohl außer dem Rauschen des Windes keine Geräusche zu hören waren, schlich sich die Angst in meine Magengrube.

Was würden SIE mit mir anstellen, wenn SIE erfahren würden, dass ich unerlaubt die Kernzone verließ? Unzählige Gedanken schossen mir durch den Kopf. Wie würde meine Bestrafung ausfallen? Weder stellte ich das System infrage, noch war ich eine Rebellin, und doch konnte ich mir lebhaft ausmalen, welche Strafe ich erhalten würde. Mein Hirn wäre in IHREN Augen defekt und dieser Fehler müsste umgehend behoben werden. Mir war klar, dass ich gegen IHRE Befehle verstieß, und dennoch – ich musste es tun. Ich musste zu jenem magischen Ort und ich wusste, dass dieser Fleck Erde mir auf unerklärliche Weise Energie spendete. „Vermutlich“, überlegte ich, „wissen SIE es schon lange. Die Strafe meiner Zuwiderhandlung und Missachtung der Regeln wird schmerzhaft sein.“ Würden SIE die Meinen auf mich hetzen und die Nummern anweisen, mich vor die kleinen, kaum sichtbaren Drohnen zu werfen? Klar war, dass die ‚Übernommenen‘ mich für ein Schälchen Nahrung ausliefern würden.

Bei genauer Betrachtung wäre mir diese Option lieber, als mich zu den lebenden Toten zu setzen. „Ich will LEBEN!", murmelte ich leise und wunderte mich gleichzeitig über meinen Mut. Allein dieses Gefühl würde mir im Lager drei Tage ohne Nahrung einbringen. „Ich bin doch nicht ganz bei Trost“, schalt ich mich und ging zugleich unbeirrt weiter, Schritt für Schritt. „Dieser unbeugsame Wille ist ein massives Problem! Wie bekomme ich diese Emotion in den Griff? Jeder angepasst Denkende würde auf dem Absatz kehrtmachen und gehen. Stattdessen stapfte der Klon mit der Lebenszahl 287 wie bekloppt durch den Sand und riskierte seine Lebensenergie!“ Von Weitem schon konnte ich mein Ziel sehen.

Die Turmspitze, das Überbleibsel einer verschütteten Kirche, ragte wie ein Mahnmal vergangener Zeiten aus dem Sand und trotzte stoisch der Zeitenwende. Obwohl der Glockenturm leer war, drang auf unerklärliche Weise der Klang der Glocke in mein Ohr und brachte etwas in mir zum Klingen − es fühlte sich beinahe wie ein Ruf aus der Ferne an. Wie dieses alte Gemäuer die Kriege überdauert hatte, war mir ein Rätsel. Es war bis zur Hälfte mit Sand bedeckt und erinnerte mich an eine geschlossene Hand, deren Zeigefinger mahnend in den Himmel ragte.

Behutsam schlüpfte ich durch den schmalen Riss, den ich vor einigen Tagen vom Sand befreit hatte. Es war harte Knochenarbeit gewesen. Mein Herz hatte vor Angst heftig gegen meinen Brustkorb geschlagen – doch SIE waren nicht gekommen. Meine Körpermesswerte waren beileibe – überdurchschnittlich hoch – keine Drohne kam. Es gab weder eine Strafe noch Energieraub. Mir war es möglich gewesen, unbeobachtet zu kommen und auch zu gehen. Fast so, als wäre ich energetisch geschützt.

Meine Angst, entdeckt zu werden, blieb allerdings dennoch, und der Umstand, dass IHRE Einschüchterungen gegen uns am Firmament schwebten und sich als Lichtreflexe auf den Mauern widerspiegelten, gestaltete mein Vorhaben äußerst kühn.

Das Gebäude war trotz der vielen Schlachten, die es hatte erdulden müssen, wunderschön. Vorsichtig rutschte ich den Sandhügel bis in die Mitte des Kirchenschiffs hinunter. Unter meinem Gewicht lösten sich ein paar Steine und kullerten mit mir in die Tiefe. Der schmale Einstieg befand sich in einer beachtlichen Höhe. Die Aufschüttung im Innern war nicht von Menschenhand gemacht. Vermutlich war der Sand über Jahrzehnte in die alte Ruine gekrochen. Im Innern angekommen, umgab mich Frieden, und obwohl mein Herz heftig gegen meine Brust pochte, fühlte ich mich in Sicherheit.

Niemand nahm Kenntnis von der unglaublichen Schönheit dieser alten Kirche, die wie ein Gedenkstein aus dem Sand ragte. Den Nummern war sie egal, und jene, die Kenntnis über die Erbauung der Kirche hatten, waren schon lange gegangen. Draußen flimmerten fortlaufend Todesdrohungen gegen uns Nummern über den Himmel und durch die farbigen Fenster konnte ich Blitze erkennen. Auf eigentümliche Weise fühlte ich mich vollkommen geborgen. Die Welt draußen zeigte ihre hässliche Fratze, doch in dieser für mich heilsamen Stätte fielen jeglicher Schmerz und jegliche Angst von mir ab. Ich wusste instinktiv, dass die Zeit der Klone bald kommen würde. Sang- und klanglos würden wir Nummerierten verschwinden, ohne einen Abdruck hinterlassen zu haben. Ich schloss meine Augen und atmete die kühle Luft ein. Vorsichtig zog ich mir das Tuch von der Nase. „Wie gut es tut, keinen Leichengeruch einzuatmen“, dachte ich erleichtert. Mein Körper kam zur Ruhe. Behutsam setzte ich mich auf den kunstvoll gestalteten Kreis in der Mitte der Kirche. Hier waren unzählige kleine, flache Scherben zu einer Art Rad gelegt. Fünf Ringe zeigten wundersame Symbole, die ich nicht zu deuten vermochte. In der Mitte dieses Emblems war eine wunderschöne Blüte eingelassen. Noch nie hatte ich etwas Vergleichbares gesehen! Die Blume spendete mir auf ihre ganz besondere Weise Lebensenergie. Unendlich dankbar für dieses überaus kostbare Geschenk, ließ ich meinen Gefühlen freien Lauf. Endlich durfte ich weinen. Vermutlich fand eine Säuberung in meinem System statt. Das erste Mal, als ich hier gesessen bin, war ich vollkommen erschlagen von diesem Gefühlsausbruch gewesen. Hier, im Niemandsland der Nummerierten, gab es keine Emotionen! Diejenigen, die den Hauch einer Regung zeigten, wurden ausgemustert und mit der Aufschrift „Fehlerhaft“ entsorgt. Nun, ich hatte Gefühle: Das war jetzt klar. All die barbarischen Versuche, mich zu einer gefühllosen Maschine auszubilden, zeigten hier in dieser Stätte keine Resultate mehr. Während meines ganzen bisherigen Lebens hatte ich versucht, dumpf und abgestumpft vor mich hinzustarren, obwohl sich tief in meinem Innern Emotionen rührten, die ich unterdrücken und wegsperren musste. Ebenso musste ich mich bis auf die Grundmauern meiner Existenz ausplündern lassen. Schon allein diese Tatsache ließ mich ungehemmt aufschluchzen. Mein System kam, das wusste ich jetzt, mit dieser Erfahrung klar. Ich musste nicht „erneuert“ werden, ich brauchte kein Update und auch keinen diabolischen Eingriff in mein Gehirn. Ich lief nicht mehr auf Autopilot. Vielmehr war ich zu einer stillen Beobachterin geworden. Ich wusste, was SIE mit uns trieben. IHR Leben wurde durch unsere Energie gesichert. SIE erschufen uns einzig aus diesem egoistischen Grund. Wir waren IHRE Nahrungsquelle. SIE ließen uns hungern, mordeten und hielten uns als Sklaven, die für jede IHRER abartigen Neigungen dienten. SIE labten sich an unserer Pein. Nur aus diesem Grund züchteten SIE menschlich fühlende Wesen. Je mehr Angst und Qual wir erlitten, desto größer war IHRE Ernte.

Ich hatte keine Ahnung, auf welche Weise der innere Schutzmechanismus eingetreten war. Vermutlich war es mein Schicksal, die Kirche zu betreten, und mein Los, mich auf diese Blume zu setzen. Mit ihr kam die Erkenntnis und mit ihr kam der Lebenswille. Die fremdartigen Gefühle, die sich meiner bemächtigten, ließ ich zu. Ich war wohl Nummer 287, doch gleichzeitig konnte ich in mir das pulsierende Leben fühlen und ich wusste, dass dies mein kostbarster Schatz war, den es zu beschützen galt.

Ein leises, tiefes Summen ließ mich aufhorchen, und ich erkannte diesen Ton sofort. Ein Späher! Schnell bedeckte ich mein Gesicht. Übermächtige Angst stieg in mir auf. Kalter Schweiß brach aus all meinen Poren und rann mir den Rücken hinunter. Starr vor Schreck blieb ich sitzen und wagte kaum zu atmen. Die kleine, ferngesteuerte Libelle hatte den Riss in der Mauer entdeckt. Wäre sie nicht ein Vorbote tödlicher Gefahr, hätte ich sie als hübsch bezeichnet. Ihre Flügel glänzten in der Luft, auch ihr übriger Körper war anmutig und grazil gestaltet. Ein Meisterwerk technischer Kunst. Das Fluggerät konnte seine Flügel in jede Richtung bewegen, und wie sein natürliches Vorbild konnte auch dieses Ding die Flugbahn in Sekundenschnelle verändern und in alle Richtungen fliegen, auch rückwärts. Die kleine Überwachungsdrohne schob sich durch die Ritze und kurze Zeit später hatte sie mich erreicht. Mit ihren riesigen, kugelförmigen Augen glotzte sie mich nun an. Letztendlich wäre es einerlei gewesen, an welchem Ort das Gerät gelandet wäre, es hätte mich überall entdeckt. Die Gestaltung seiner Augen gab ihm einen fast vollständigen Rundumblick. „O.k., nun ist es so weit. Ich werde sterben“, dachte ich panisch. „Es wird schnell gehen, wenigstens werde ich nicht gefoltert.“ Ich blieb sitzen. Die Flucht zu ergreifen, war zwecklos. Mir war schlecht vor Angst, denn mein Leben würde jetzt zu Ende gehen, es würde ausgelöscht werden, als hätte es mich nie gegeben. Keiner würde mich vermissen und niemand würde um mich trauern. Meine Portion Nahrung würde einfach jemand anders erhalten und somit wäre mein Platz ersatzlos gestrichen und bereits wieder besetzt.

Mit dem Späher zu verhandeln, würde nichts bringen. Und zu bitten, mein Leben zu verschonen, wäre vergebene Liebesmüh. Der Späher war einzig dazu programmiert worden, abtrünnige nummerierte Klone zu eliminieren.

Doch mit diesem Späher stimmte etwas nicht. Er machte keinerlei Anstalten, mein Gehirn zu sprengen. „Außerdem leuchtet meine Energiezahl nicht auf. Es wird keine Meldung erstattet“, überlegte ich, vollkommen überfordert mit dieser Situation.

Konnte es sein, dass gerade ICH eine defekte Todes-drohne erwischt hatte? Oder erlaubte sich diese Flugdrohne einen sadistischen Streich auf meine Kosten?! „Wenn du mich töten willst, bitte tu dir keinen Zwang an“, sagte ich trotzig. Doch die Libelle glotzte mich nur weiterhin aus ihren großen Augen an. Sie flog auf der Stelle und ihre Flügel bewegten sich blitzschnell und kaum sichtbar. Sie war keine Armlänge von meinem Gesicht entfernt. Wenn ich nicht so große Angst gehabt hätte, wäre diese skurrile Situation beinahe komisch gewesen.