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Seitdem die angehende junge Ärztin Kayla Lee denken kann, hat sie aufgrund ihrer Hautfarbe mit Vorurteilen zu kämpfen. In der Schule wurde sie von ihren Mitschülern gemobbt, im Studium benachteiligt und auch im Beruf muss sie doppelt so hart schuften wie ihre Kollegen. Lediglich von ihren Freunden fühlt sie sich vollends akzeptiert. Aiden Turner, der charismatische Center des Basketballclubs der Miami High Flyers, hat schon lange ein Auge auf Kayla geworfen. Als er sie zum ersten Mal sah, war es um ihn geschehen. Da er jedoch glaubt, chancenlos bei der dunkelhäutigen Schönheit zu sein, bleibt er defensiv. Allerdings hält das Schicksal eine böse Überraschung für Kayla und Aiden bereit, die das Leben der jungen Menschen unweigerlich miteinander verknüpft. Dieses Ereignis schweißt die beiden zu einer festen Einheit zusammen, sodass Kayla sich nur noch in Aidens Nähe sicher fühlt. Der aufstrebende Sportler ist für Kayla nicht nur ihr Schutzengel, sondern berührt zudem auch ihr Herz. Als sie sich Hals über Kopf in Aiden verliebt, ahnt sie nicht, dass er ein dunkles Geheimnis hütet, das ihre junge Liebe für immer vernichten könnte.
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Seitenzahl: 500
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Arizona Moore
Miami High Flyers: Counted Love
© 2021 Plaisir d’Amour Verlag, D-64678 Lindenfels
www.plaisirdamour.de
© Covergestaltung: Sabrina Dahlenburg (www.art-for-your-book.de)
© Coverfoto: Shutterstock.com
ISBN Print: 978-3-86495-510-5
ISBN eBook: 978-3-86495-511-2
Die Personen und die Handlung des Romans sind frei erfunden. Etwaige Ähnlichkeiten mit tatsächlichen Begebenheiten oder lebenden oder verstorbenen Personen wären rein zufällig.
Dieser Roman darf weder auszugsweise noch vollständig per E-Mail, Fotokopie, Fax oder jegliches andere Kommunikationsmittel ohne die ausdrückliche Genehmigung des Verlages oder der Autorin weitergegeben werden.
Prolog – Kayla
Kapitel 1 – Kayla
Kapitel 2 – Aiden
Kapitel 3 – Kayla
Kapitel 4 – Aiden
Kapitel 5 – Kayla
Kapitel 6 – Kayla
Kapitel 7 – Aiden
Kapitel 8 – Kayla
Kapitel 9 – Aiden
Kapitel 10 – Aiden
Kapitel 11 – Kayla
Kapitel 12 – Kayla
Kapitel 13 – Kayla
Kapitel 14 – Kayla
Kapitel 15 – Aiden
Kapitel 16 – Aiden
Kapitel 17 – Kayla
Kapitel 18 – Aiden
Kapitel 19 – Aiden
Kapitel 20 – Aiden
Kapitel 21 – Kayla
Kapitel 22 – Aiden
Kapitel 23 – Kayla
Kapitel 24 – Kayla
Kapitel 25 – Aiden
Kapitel 26 – Kayla
Kapitel 27 – Kayla
Kapitel 28 – Aiden
Kapitel 29 – Kayla
Kapitel 30 – Kayla
Kapitel 31 – Kayla
Kapitel 32 – Kayla
Epilog – Aiden
Autorin
Endlich ist meine Schicht zu Ende. Dem Himmel sei Dank. Ein verdammt langer und harter Arbeitstag im Krankenhaus liegt hinter mir. Hätte man mich zu Beginn meines Medizinstudiums gewarnt, dass die Zeit als Assistenzärztin die wohl härteste meines Lebens werden würde, hätte ich die Berufswahl vielleicht noch einmal überdacht und mich für Erziehungswissenschaften oder Architektur entschieden.
Obwohl … nein, ganz sicher hätte nichts meine Entscheidung beeinflussen können. Selbst wenn ich gewusst hätte, wie stressig, nervenaufreibend und kräftezehrend der Job als Ärztin ist, hätte ich mich jedes Mal wieder für diesen Beruf entschieden. Die langen Schichten mal ausgeklammert, erfüllt mich die Arbeit. Dass ich meinen Patienten helfen kann, befriedigt mich, macht mich glücklich und sorgt jeden Tag für ein Hochgefühl in meinem Inneren. Wenn ich bei den Patientenentlassungen ein Lächeln, eine kurze Umarmung oder ein schlichtes Dankeschön für meine Dienste bekomme, ist das für mich der weltbeste Lohn. Ganz ehrlich, der Job bereichert mein Leben, auch wenn ich momentan auf dem Zahnfleisch gehe und verdammt ausgelaugt bin.
Nachdem ich mich auf der Station von den Krankenschwestern verabschiedet und den weißen Arztkittel gegen ein frisches T-Shirt eingetauscht habe, verlasse ich die Klinik. Da ich direkt um die Ecke ein kleines Apartment bewohne, gehe ich die eine Meile bis nach Hause immer zu Fuß. Ganz egal, ob das Wetter mitspielt oder nicht. Ich brauche die Bewegung, um von der Arbeit abschalten zu können. Aktuell besonders, denn ich hospitiere in der Onkologie, der Krebsstation, und müsste lügen, wenn ich behaupte, dass mich die Schicksale meiner Patienten dort kaltlassen. Besonders wenn ganz junge Menschen bei uns eingeliefert und therapiert werden, geht mir das an die Nieren.
Ich weiß, dass ich die Krankengeschichten meiner Patienten nicht zu nah an mich herankommen lassen darf, aber ich bin auch nur ein Mensch mit Gefühlen und keine Maschine. Wen würde es nicht emotional berühren, wenn ein kleines Mädchen, das gerade mal vier Jahre alt ist, bereits die fünfte Chemotherapie über sich ergehen lassen muss, weil die Leukämie sich wie ein Buschfeuer über das Knochenmark ausbreitet und der zarte Körper von Fieberkrämpfen, Juckreiz, Müdigkeit und permanentem Nasenbluten erschüttert wird? An mir geht das nicht spurlos vorbei.
Ich versuche, jetzt nicht mehr an die Arbeit zu denken, und nehme eine Abkürzung durch ein kleines Waldstück, das unmittelbar an das Krankenhaus angrenzt. Das mache ich nicht, um Zeit zu sparen oder den Weg abzukürzen, sondern weil ich den Geruch des Waldes liebe. Sobald ich in den Waldweg eingebogen bin, bleibe ich einen Moment stehen und sauge den Duft der der Kiefern, Tannen, Fichten und des leicht feuchten Erdreichs durch meine Nase ein. Sofort weiten sich meine Bronchien, und ich beginne, mich zu entspannen.
Jedoch hat diese Route einen großen Nachteil: Es fehlen die Straßenlaternen, die mir Licht spenden. Da es mittlerweile weit nach zehn Uhr am Abend ist, sehe ich meine eigene Hand vor Augen nicht. Daher hole ich mein Handy aus der Hosentasche, entsperre es mittels Fingerprint und aktiviere die Taschenlampen-App. Ich habe zwar keine Angst vor der Dunkelheit, aber schon ein wenig Respekt.
Ich glaube, dass eine Vielzahl der Menschen Angst im Dunkeln hat, weil sie hinter jedem Geräusch oder jeder Bewegung eine potenzielle Bedrohung vermuten. Das Unbekannte lässt sie unsicher und somit auch ängstlich werden. Besonders anfällig sind unsichere Menschen mit einem ausgeprägten Vorstellungsvermögen, da diese sich immer wieder in ihren Köpfen vorstellen, was alles im Dunklen passieren könnte. Zum Glück bin ich weder zartbesaitet, noch gehöre ich zu der Sorte Mensch, die besonders viel Fantasie oder Vorstellungskraft besitzt. Ich bin eher eine rational veranlagte Person.
Vor mich hin summend, laufe ich den von Brennnesseln und Büschen gesäumten Pfad entlang. Den Blick halte ich stets auf den Boden gerichtet, um nicht über eine hochstehende Wurzel zu stolpern. In der Vergangenheit ist es nämlich schon öfter vorgekommen, dass ich aufgrund meiner Tollpatschigkeit auf eine Wurzel getreten, ins Straucheln geraten und letztlich auf dem Hosenboden gelandet bin. Mein jüngster Sturz, bei dem ich mir das Knie aufgeschlagen habe, liegt erst zwei Wochen zurück.
Während ich mich schmunzelnd daran zurückerinnere, lässt mich ein lautes Knacken direkt hinter mir erstarren. Erschrocken bleibe ich stehen, drehe mich um und leuchte mit meinem Handy den Weg ab. Mein Puls schießt in die Höhe und mein Herz trommelt wild gegen meinen Rippenbogen. Es rast so schnell, dass ich meinen Herzschlag deutlich hören kann.
Da ich niemanden sehe, bin ich mir sicher, dass das Geräusch von einem Tier erzeugt wurde, das sich den Weg durch das Unterholz freigekämpft hat.
Allerdings ändert diese Überzeugung nichts an dem Fakt, dass in meinem Kopf trotzdem die Alarmglocken schrillen, denn die Stadt Miami, in der ich nun schon seit ein paar Jahren lebe, ist ein ziemlich heißes Pflaster. Jeden Tag werden Opfer von Gewaltverbrechen bei uns in der Notaufnahme eingeliefert. Neunzig Prozent davon sind weiblich. Im vergangenen Monat waren es knapp drei Einweisungen pro Tag. Dementsprechend ist die Polizei bei uns Dauergast, um die Aussagen der Geschädigten aufzunehmen, und ich musste mit Entsetzen feststellen, dass die meisten Opfer einen Migrationshintergrund hatten. Vielleicht hat das nichts zu bedeuten, aber für mich ist das alles ein Zeichen für Rassismus.
Mein Unterbewusstsein schreit mich an, weiterzugehen, doch meine Beine sind da ganz anderer Meinung, denn als ich es erneut rascheln und knacken höre, bin ich wie gelähmt und kann keinen Fuß vor den anderen setzen. Weil die Taschenlampe meines Handys nicht die Beste ist, kann ich nicht herausfinden, woher die Geräusche stammen, was dafür sorgt, dass ich es nun doch mit der Angst zu tun bekomme.
Als ich hinter mir dumpfe Geräusche auf dem Waldboden höre, laufe ich los. So schnell mich meine Beine tragen, sprinte ich über den Waldweg. Allerdings werden die Geräusche hinter meinem Rücken, die ich nun als Schritte identifizieren kann, ebenfalls schneller. Es ist, als würden sie sich den meinen anpassen. Das lässt mich schlussfolgern, dass ich nicht vor einem Tier davonlaufe, denn Tiere sind von Natur aus scheu und meiden Menschen.
Mein Herz beginnt, wie verrückt zu galoppieren, der Puls erreicht bestimmt einen Spitzenwert von über einhundertfünfzig Schlägen pro Minuten und mein Adrenalinspiegel steigt. Es wird so viel Blut durch meine Venen gepumpt, dass ich es in meinen Ohren rauschen höre.
Immer wieder drehe ich während des Laufens den Kopf nach hinten, um mich umzuschauen. Dieses Mal meine ich, eine Silhouette zu erkennen, die hinter einer Baumgruppe verschwindet. Oder waren es vielleicht sogar zwei Schatten?
Verdammt, was soll ich denn jetzt machen? Um Hilfe zu schreien bringt nichts, da sich sicherlich niemand mehr so spät am Abend in den Wald verirrt. Die Polizei zu rufen ist auch keine Option. Bis die Cops hier wären, hätten mich mein oder meine Verfolger, sofern wirklich jemand hinter mir her ist, bestimmt schon längst überwältigt. Zudem wäre es mir äußerst peinlich, wenn ich die Polizei wegen eines Hirngespinstes hierherbemühen würde. Also heißt es durchhalten, bis ich die Hauptstraße erreicht habe.
Meine aufkeimende Angst erschüttert mich bis in die Zehenspitzen. Es ist bereits das dritte Mal in diesem Monat, dass ich mich verfolgt fühle. Wer ist mir auf den Fersen? Warum verfolgt man mich? Wer will etwas von mir?
Bis heute habe ich mir eingeredet, dass ich mir einen Verfolger bestimmt bloß einbilde. Aber jetzt, nachdem ich mehrere Schatten gesehen und Schritte gehört habe, denke ich anders. Für mich steht jetzt zweifelsfrei fest, dass mir jemand nachstellt.
Sollte ich das Ende des Waldes unbeschadet erreichen, werde ich in Zukunft nur noch die Hauptstraßen nach Hause nehmen oder eine Weile mit dem Auto fahren. Zumindest so lange, bis ich mich wieder sicher fühle.
Als ich endlich am Ende des Weges angekommen bin, bleibe ich stehen und atme kräftig durch. Ich beuge den Oberkörper nach vorne über, stütze die Hände auf den Oberschenkeln ab und sauge gierig den Sauerstoff in meine Lungenflügel ein. An meiner Kondition sollte ich dringend arbeiten, da mich nach diesem kurzen Sprint fürchterliche Seitenstiche plagen. Meine Lunge brennt, als würde sie von Säure zersetzt werden, meine Beine fühlen sich wie Wackelpudding an und Schweißperlen laufen mir die Schläfen hinunter.
Ich ignoriere die körperlichen Beschwerden, weil ich einfach nur froh und dankbar dafür bin, nun auf dem Gehsteig einer viel befahrenen Hauptstraße zu stehen. Straßenlaternen spenden mir Licht, Menschen schlendern über den Bürgersteig, Autos warten an roten Verkehrsampeln und sofort macht sich ein Gefühl von Sicherheit in mir breit. Sollte wirklich jemand den Plan gehabt haben, mich zu überfallen, wird daraus nun nichts mehr. Hier sind so viele Leute zugegen, dass ich mir sicher bin, dass irgendjemand einschreiten und mir helfen würde.
Ein letztes Mal drehe ich mich zum Waldweg um und lasse den Blick über den düsteren Pfad schweifen. Da ich niemanden sehen kann, wische ich mir mit dem Handrücken die Schweißperlen von der Stirn, atme mehrmals tief durch und trete den letzten Rest meines Heimweges an.
Sobald ich in meinem Apartment bin, werde ich meine beste Freundin anrufen und ihr von den heutigen Ereignissen erzählen, denn irgendetwas stimmt hier nicht.
„Bist du so weit?“, fragt mich Harlow, eine meiner besten Freundinnen, und schaut mich mit hochgezogenen Augenbrauen an. Um ihrer Ungeduld noch etwas mehr Ausdruck zu verleihen, tippt sie ohne Pause mit der Fußspitze auf den Boden.
Sie trägt eine hautenge, pinkfarbene Leggings, die sich wie eine zweite Haut um ihre gertenschlanken Beine schmiegt. Das Oberteil, das nur das Nötigste verdeckt und dementsprechend knapp unterhalb ihres üppigen Busens endet, lässt mich voller Neid ihren flachen Bauch anstarren. Ihre platinblonden Haare hat sie zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden, und sie sieht, wie immer, unglaublich sexy aus. Harlow würde selbst mit einem Kartoffelsack bekleidet die Männerherzen reihenweise höherschlagen lassen, denn sie ist die attraktivste Frau, die ich kenne.
„Wieso bist du eigentlich noch nicht umgezogen? Hast du unsere Verabredung zum Sport vergessen?“, fragt sie vorwurfsvoll.
Harlow kann manchmal eine richtige Nervensäge sein. Mit Händen und Füßen habe ich mich gegen diese Verabredung gewehrt und mir eine ganze Reihe Ausreden einfallen lassen, doch genützt hat es mir nichts. Sie hat darauf bestanden, dass ich sie ins Fitnessstudio begleite. Eigentlich müsste sie Nachsehen mir haben, denn sie weiß, dass ich der unsportlichste Mensch auf diesem Planeten bin und mich vermutlich sogar bei einer Yogastunde ernsthaft verletzen würde.
„Ich habe eine Sportphobie und sollte lieber hierbleiben. Man sagt nicht ohne Grund, dass Sport Mord ist“, witzele ich, werde damit aber sicher wieder auf taube Ohren stoßen, denn wenn Harlow sich etwas in den Kopf gesetzt hat, muss es durchgezogen werden. Kompromisslos und ohne Gnade. „Außerdem habe ich heute Morgen schon geduscht, und zweimal am Tag zu duschen, ist verdammt schlecht für die Haut“, argumentiere ich mit einem Augenzwinkern.
Harlow hat den Traum, eine berühmte Schauspielerin zu werden. Dafür tut sie einiges. Sie geht zu nahezu allen öffentlichen Castings, nimmt bei einem Privatlehrer Gesangs- und Schauspielunterricht, hat ihre Sedcard an alle bekannten Agenturen verschickt und hält ihr Kapital, ihren Körper, mit viel Kraft- und Ausdauersport in Schuss.
„Wenn ich ganz ehrlich bin, hatte ich die Hoffnung, dass du unsere Verabredung vergisst“, sage ich schließlich.
Harlow verdreht erst die Augen, dann schnalzt sie mit der Zunge. „Das hätte dir gut in den Kram gepasst, oder? Gerade du, als angehende Ärztin, solltest doch wissen, dass sportliche Betätigungen für Körper und Geist essenziell sind. Bewegung ist das A und O.“
Ihre Ansprache erinnert mich sofort an meine damalige Sportlehrerin, Mrs. Herlina. Von ihr musste ich mir andauernd anhören, dass der Sportunterricht durchaus seine Berechtigung im Lehrplan hat und keineswegs Zeitverschwendung ist. Mich konnte sie jedoch nicht davon überzeugen und ich behaupte auch heute noch immer das Gegenteil.
„Genug nach Ausreden gesucht. Schnapp dir deine Tasche und dann Abmarsch. Das Zirkeltraining wartet auf uns. Hinterher wirst du dich wie neugeboren fühlen. Vertrau mir“, meint Harlow.
„Mein Kopf weiß das, Süße, aber mach das mal meinem inneren Schweinehund begreiflich. Der sträubt sich mit allem, was ihm zur Verfügung steht“, entgegne ich lachend. „Wollen wir es uns nicht doch lieber auf der Couch gemütlich machen? Ich habe noch eine volle Packung Ben & Jerry’sim Gefrierfach“, locke ich sie mit ihrer Lieblingseiscrememarke, für die sie normalerweise alles stehen und liegen lässt. „Klingt das nicht viel verlockender als die Aussicht auf einen fiesen Muskelkater?“
Sie überlegt einen Moment, was mich hoffen lässt.
„Dein Angebot ist verdammt reizvoll, aber ich lehne es ab. Erst die Arbeit, dann das Vergnügen. Unsere Hinterteile verlangen danach, trainiert zu werden.“
Und dahin sind meine Hoffnungen. „Du bist wirklich eine verdammt schwer zu knackende Nuss.“ Ich stöhne. „Also gut, lass uns zum Crunch Fitfahren und uns quälen. Vorher lässt du sowieso nicht locker und liegst mir damit in den Ohren.“
„Ich wusste doch, dass ich dich rumkriege.“ Sie zwinkert mir zu. „Warum nicht gleich so? Ich mag dich viel lieber, wenn du dich meinen Wünschen beugst.“ Bis über beide Ohren grinsend, reicht sie mir meine Sporttasche.
Wir verlassen meine Wohnung und fahren mit dem Bus zum Fitnessstudio, das nur drei Blocks von hier entfernt ist. Während der Fahrt erzählt mir meine beste Freundin von ihrem Casting, das in ein paar Tagen stattfindet. Ein mir unbekannter Hersteller einer Enthaarungscreme sucht für einen Werbespot eine Schauspielerin, und Harlow hofft, den Job zu ergattern, um in der Werbebranche bekannt zu werden. Ich zweifele an, dass solch ein Dreh ihr den Weg zur Schauspielerin ebnet, lasse es aber unkommentiert, weil sie so euphorisch ist.
Als wir das Fitnessstudio erreicht haben, checken wir am Empfang ein, und während ich in die Umkleidekabine gehe, um mich umzuziehen, stürzt Harlow sich direkt auf eins der freien Indoor Bikes, um sich aufzuwärmen. Bevor ich ihr auf die Trainingsfläche folge, werfe ich noch einen kurzen Blick in den Spiegel.
Während ich mich selbst anschaue, stelle ich fest, dass ich ziemlich müde aussehe, und obwohl meine Haut sehr dunkel ist, zeichnen sich dennoch dunkle Augenringe unter meinen Augen ab. Kein Wunder. Die Schichten im Krankenhaus nagen ziemlich an meinen Kraftreserven. In den letzten sechsundneunzig Stunden war ich mehr in der Klinik als zu Hause, denn ein Magen-Darm-Virus hat mehrere meiner Kollegen erwischt, weshalb alle verfügbaren Kräfte Doppelschichten schieben mussten.
Meine schwarzen, schulterlangen Haare binde ich mir zu einem Dutt zusammen, damit sie mir während des Sports nicht im Nacken festkleben. Da sie sehr dick und widerspenstig sind, grenzt es beinahe an Kunst, sie zu frisieren. Ich brauche immer eine gefühlte Ewigkeit im Bad, und manchmal wünsche ich mir, pflegeleichteres Haar zu haben. Aber ist das nicht immer so? Hat man Locken, möchte man glatte Haare, und umgekehrt. Typisch Frau. Nie sind wir mit dem zufrieden, was uns die Natur geschenkt hat. Es gibt immer etwas, was wir an unseren Körpern zu bemäkeln haben. Eine zu schiefe Nase, einen zu breiten Po oder einen zu kleinen Busen.
Ich bin da keine Ausnahme, auch wenn ich im Großen und Ganzen recht zufrieden mit meinem Aussehen bin. Eigentlich habe ich keinen Grund, mich zu beschweren, denn ich habe einen normalen Körperbau mit Rundungen an den richtigen Stellen. Am meisten mag ich meine schokobraunen Augen sowie meine vollen Lippen. Selbst mit meinem Hinterteil bin ich voll und ganz zufrieden. Harlow hat mal gemeint, dass sie für meinen Po einen Mord begehen würde, da sie ihren eigenen viel zu flach findet.
Seufzend wende ich mich von meinem Spiegelbild ab und verlasse die Umkleidekabine. Da sich meine Begeisterung für das anstehende Work-out noch immer in Grenzen hält, versuche ich, mich selbst zu motivieren, indem ich mir einrede, dass ich mich hinterher wie neugeboren fühlen werde. Schließlich haben Studien belegt, dass Sport Endorphine freisetzt.
Wenig überzeugt davon, dass mein Gehirn diese Glückshormone wegen einer Sporteinheit produziert, steige ich dennoch auf den Stepper, stelle eine niedrige Wattzahl ein und beginne mit dem Aufwärmprogramm. Harlow, die kleine Streberin, ist damit schon fertig und tobt sich an der Hantelbank aus. Ein Kerl, dessen Kreuz breiter als mein Wohnzimmerschrank ist, hilft ihr mit den Steckgewichten. Zum Dank stellt sie sich auf die Zehenspitzen und haucht ihm ein Küsschen auf die Wange. Manchmal glaube ich, dass sie bloß zum Flirten hierherkommt. Kopfschüttelnd wende ich den Blick von den beiden ab und konzentriere mich stattdessen auf das Steppen.
Schon nach ein paar Minuten ist mir so heiß, dass mir Schweißperlen über das Gesicht laufen, und ich erschrecke mal wieder darüber, wie wenig Kondition ich doch habe. Und das, obwohl ich den ganzen Tag auf den Beinen bin und von Station zu Station laufe.
Ich schaue auf das Display des Steppers und stelle fest, dass ich erst eine Meile zurückgelegt habe. Seufzend wische ich mir den Schweiß von der Stirn und steppe brav weiter. Am liebsten würde ich aufhören, unter die Dusche springen, mir einen bequemen Jogginganzug anziehen und es mir zu Hause auf dem Sofa gemütlich machen. Vorzugsweise mit einer Tafel Schokolade, einem trockenen Rotwein und einer Serie auf Netflix. Doch wenn ich jetzt zu Harlow gehe, um mich zu verabschieden, wird sie mich zu einem Foltergerät ihrer Wahl schleifen und mein Training eigenhändig überwachen. Da mich die Aussicht nicht sonderlich reizt, ringe ich also weiter mit meinem inneren Schweinehund. Wollen wir doch mal sehen, wer siegt.
Nach zwanzig Minuten, die sich definitiv länger angefühlt haben, habe ich endlich das mir selbst auferlegte Pensum von drei Meilen erfüllt. Zufrieden steige ich vom Stepper und atme tief durch. Meine Lungenflügel brennen und meine Waden zwicken leicht. Vielleicht sollte ich mich doch öfter hier blicken lassen, denn ich muss zu meiner Schande gestehen, dass es schon mindestens ein halbes Jahr her ist, seit ich das letzte Mal hier gewesen bin. Vielleicht sollte ich versuchen, gesünder zu leben und mehr Sport zu treiben. Mein Körper wird es mir bestimmt irgendwann danken.
Ich wechsele zur Rudermaschine, um etwas für meine Arme zu tun. Als ich auf dem Sitz Platz genommen habe und nach den Gummiseilen greifen will, erstarre ich in der Bewegung, da Aiden Turner gerade den Raum betritt.
Oh nein, das darf nicht wahr sein. Warum muss Aiden ausgerechnet heute hier sein?
Ich hätte eigentlich damit rechnen müssen, ihn hier zu treffen, denn schließlich hat die Fitnessstudiokette Crunch Fit einen Werbevertrag mit dem Basketballclub der Miami High Flyers abgeschlossen. Die Spieler der allseits beliebten und gefeierten Basketballmannschaft kommen regelmäßig in die Studios, um durch zusätzliche Trainingseinheiten an Muskelmasse zuzulegen.
Aiden trägt seit zwei Jahren das Trikot der High Flyers, ist ein guter Freund von Harlow und mittlerweile auch von mir. Er ist der Grund meiner schlaflosen Nächte. Seit ich Aiden nach seinem ersten Spiel für die High Flyers auf Harlows Geburtstagsfeier kennengelernt habe, spukt er mir durch den Kopf. Meine Freundin verbrachte damals, nachdem er den Wechsel von seinem vorherigen Verein nach Miami vollzogen hatte, viel Zeit mit Aiden, und so bauten auch wir eine Freundschaft zueinander auf. Je öfter wir uns sahen, desto besser verstanden wir uns und stellten fest, dass wir viel gemeinsam haben, wie zum Beispiel die Vorliebe für Serien und Filme aus dem Genres Action und Horror, das soziale Engagement oder das Debattieren über Politik und Umwelt.
Harlow und Aiden kommen beide aus Coral Springs, Miami. Sie waren Nachbarn und verbrachten jede freie Minute zusammen, bis Aiden von einem Talentscout entdeckt wurde und nach Los Angelos zog, um an einem Förderprogramm für angehende Basketballprofis teilzunehmen, und Harlow ihr Glück in Miami City suchte. Aidens Karriere entwickelte sich gut, er gewann mit seinem Collegeteam den Meistertitel und schaffte den Sprung in die NBA, die National Basketball Association, die als die höchste und populärste Basketballliga der Welt gilt. Wer sich in der NBA einen Namen macht, hat ausgesorgt. Jeder angehende Profi träumt davon, einmal im United Center in Chicago, der größten Basketballarena der USA, einzulaufen und vor knapp zweiundzwanzigtausend Menschen Körbe zu werfen. Allerdings schaffen es nur die besten und begnadetsten Spieler, sich diesen Traum zu erfüllen.
Als meine Freundin am Telefon von Aidan erfuhr, dass er von den Washington Bears zu den High Flyers wechseln wird, war sie völlig aus dem Häuschen. Es gab kein Halten mehr. Wie Rumpelstilzchen auf Ecstasy tanzte sie durch ihre Wohnung, jubelte, weinte vor Freude und lachte. Ich glaube, ich habe sie vorher noch nie so glücklich gesehen, denn sie hatte ihn schrecklich vermisst.
Da Aidens erstes Spiel im Trikot der Flyers auf Harlows Geburtstag fiel, überredete sie mich, sie in die Arena zu begleiten. Wäre es nicht ihr Tag gewesen, hätte ich abgelehnt, denn ich hasste es nicht nur, selbst Sport zu treiben, ich interessierte mich generell nicht für irgendwelche Sportarten. Für mich ergab es keinen Sinn, dass zehn Spieler, fünf je Mannschaft, hinter einem Ball herlaufen und ihn in einen Korb in schwindelerregender Höhe schmeißen.
Doch mittlerweile liebe ich Basketball und ärgere mich, wenn ich aufgrund meiner Dienstpläne ein Heimspiel der High Flyers verpasse. Dass ich eine Leidenschaft für den Sport entwickelt habe, liegt ausschließlich an Aiden. Wenn er in seinem ärmellosen Trikot auf dem Feld steht, strotzt er nur so vor Selbstbewusstsein. Männer, die eine selbstsichere Ausstrahlung haben, fand ich schon immer ungemein sexy, und Aiden verkörpert auch außerhalb des Platzes pure Männlichkeit.
Aiden ist über zwei Meter groß, hat nussbraune, kurz geschnittene Haare und faszinierend blaue Augen, in denen ich mich wieder und wieder verlieren könnte. Zudem hat er breite Schultern, stattliche Oberarme und überaus maskuline Hände. Außerdem hat er nicht das typische Nullachtfünfzehn-Gesicht, das man an jeder Straßenecke sieht. Seine Nase ist leicht schief, ich vermute, weil sie schon mal gebrochen war, und er hat eine kleine Narbe oberhalb der linken Augenbraue. Beide Schönheitsfehlerchen entstellen ihn aber in keinster Weise. Ganz im Gegenteil, sie machen ihn bloß noch interessanter und lassen ihn irgendwie geheimnisvoll wirken.
Eigentlich ist es total absurd, dass ich mich ausgerechnet zu ihm hingezogen fühle, denn Sportler passen überhaupt nicht in mein Beuteschema. Die meisten sind einfach nur abgehoben, weil sie sich wegen des Hypes um ihre Person für Menschen erster Klasse halten. Ich spreche da aus Erfahrung. Im Krankenhaus habe ich schon die ein oder andere Größe aus dem Baseball, dem Football oder dem Eishockey behandelt, und nicht einer von ihnen hat sich nach der Versorgung der Verletzung bedankt. Ganz im Gegenteil. Oftmals wurden meine Kollegen und ich angepflaumt, weil es den Herrschaften nicht schnell genug ging, sie warten mussten, die Behandlungsliege zu unbequem war oder ihnen die Diagnose nicht gefiel. Ich glaube, dass die Arroganz mancher Sportler der Tatsache geschuldet ist, dass ihre Jobs überbezahlt sind. Ist es nicht unfair, dass ein Sportler ein mindestens sechsstelliges Jahresgehalt bezieht, während andere Berufsgruppen, die wirklich etwas für die Gesellschaft leisten, unterbezahlt sind?
Doch Aiden ist anders. Er ist ein höflicher, freundlicher Mann, der trotz seiner Erfolge auf dem Teppich geblieben ist, keinen Funken Großspurigkeit im Leib hat und sich nie mit seinen Triumphen brüstet. In der letzten Saison ist er zum wertvollsten Center der NBA gekürt worden. Doch anstatt die Lobeshymnen einfach zu genießen, hat er die Auszeichnung in einem Interview seinem Team und den Trainern gewidmet, da er der Meinung ist, dass ein Spieler nur gemeinsam mit seiner Mannschaft erfolgreich sein kann. Das hat mir abermals bestätigt, wie bescheiden er ist. Zudem stellt er seinen Kontostand nicht mit teuren Luxuskarossen und Penthouses zur Schau, wie manche seiner Kollegen es tun. Er lebt eher zurückgezogen und meidet das Rampenlicht. Noch nie hat er in einem Interview Details über sein Privatleben oder seine Familie preisgegeben.
Seine liebenswerten Charaktereigenschaften wären eigentlich schon Grund genug, ihn anziehend zu finden, doch zusätzlich dazu besticht er mit seinem verteufelt guten Aussehen.
Die Optik steht bei mir bei der Partnerwahl nicht an erster Stelle. Selbstverständlich isst das Auge mit, aber ein guter Körperbau, Muskeln oder ein knackiges Hinterteil allein reichen nicht aus, um bei mir zu punkten. Ich würde lieber mit einem Mann zusammen sein, der eine krumme Nase, schiefe Zähne und einen Sprachfehler hat, anstatt mit einem Adonis, der mehr Zeit vor dem Spiegel verbringt als mit mir. Mein Ex war so ein Schönling. Wenn seine Haare nicht lagen oder er einen Mitesser entdeckte, war der Tag gelaufen, und letztlich war seine Eitelkeit auch der ausschlaggebende Grund dafür, weshalb ich mich von ihm trennte.
Aiden Turner vereint alles in einer Person, was ich mir bei einem Mann wünsche. Sobald ich ihn sehe, rutscht mir das Herz in die Hose, ich bekomme nasse Hände und kann an nichts anderes mehr denken als daran, wie sich seine Lippen auf meinen anfühlen würden. Er ist genau die Sorte Mann, die mein Höschen feucht werden lässt.
Seufzend zwinge ich mich dazu, den Blick vom Objekt meiner Begierde abzuwenden und mich ganz der Rudermaschine zu widmen.
Aiden darf nie erfahren, dass ich für ihn schwärme. Wenn er es rauskriegen würde, würde ich vor Scham im Boden versinken, denn ich glaube, dass mein Interesse nicht auf Gegenseitigkeit beruht. In der Vergangenheit habe ich ein paarmal probiert, meine Chancen bei ihm auszuloten, bin aber nie schlau aus ihm geworden. Mal hat er mir Interesse signalisiert, mal hat er mir die kalte Schulter gezeigt, und irgendwann habe ich beschlossen, es bei unserer Freundschaft zu belassen. Er ist Harlows engster Freund, und ich möchte nicht, dass Harlow sich vielleicht mal zwischen uns entscheiden muss, weil es zwischen Aiden und mir nicht funktioniert und ich mit einem gebrochenen Herzen zu Hause sitze.
Ich beginne mit dem Rudern und versuche auszublenden, dass der Mann meiner Träume ebenfalls im Fitnessstudio ist, was mir für einen Moment recht gut gelingt. Allerdings nur so lange, bis Aiden mich entdeckt, die Hanteln auf dem Boden ablegt und mir zuwinkt. Da gerate ich aus dem Takt. Plötzlich sind meine Hände von einem Schweißfilm überzogen und mir rutschen die Metallgriffe der Rudermaschine aus der Hand. Ich verliere den Halt, gerate aus dem Gleichgewicht und purzele vom Sitz des Rudergeräts.
Stöhnend liege ich auf dem Boden und reibe mir die Hüfte, die ich mir bei meinem Sturz angeschlagen habe. Weil mir der Abgang verdammt peinlich ist und bestimmt jeder hier im Studio meinen uneleganten Stunt mitbekommen hat, ignoriere ich den stechenden Schmerz im Beckenbereich und versuche, aufzustehen.
Aiden kommt zu mir geeilt, geht neben mir in die Hocke und reicht mir eine Hand. „Alles okay bei dir? Hast du dich verletzt?“ Der Klang seiner tiefen, rauchigen Stimme schickt einen Schauer über meinen Rücken, der mir am ganzen Körper eine Gänsehaut beschert.
Ganz langsam hebe ich den Blick und lasse ihn über muskulöse Beine, die in einer weiten Shorts stecken, über schmale Hüften und breite Schultern gleiten, bis ich in sein wunderschönes Gesicht schaue. Ein belustigtes Lächeln umspielt seine perfekt geschwungenen Lippen, die ich zu gern einmal küssen würde. Ob er wohl ein guter Küsser ist?
„Hi“, krächze ich verträumt, weil ich noch immer darüber nachdenke, wie sich seine Lippen auf meinen wohl anfühlen mögen, und möchte mir zugleich mit der flachen Hand gegen die Stirn hauen, weil ich nicht dazu imstande bin, seine Fragen zu beantworten.
In diesem Moment wünsche ich mir, dass sich ein riesiges Loch im Boden auftut, in das ich verschwinden kann, doch leider passiert das nicht. Mir ist die Situation so unglaublich peinlich, dass ich heulen könnte. Natürlich mache ich das nicht, denn das würde es nur noch schlimmer machen. Damit ich nicht wie der Volldepp des Jahrhunderts dastehe, ergreife ich die mir dargebotene Hand und lasse mir von ihm auf die Beine helfen.
„Ich hoffe, du hast dich nicht verletzt. Dein Sturz sah ziemlich spektakulär aus. Also, wie geht es dir?“ Besorgnis spiegelt sich in seinem Gesicht wider.
„Alles halb so wild, mir geht es gut. Du weißt doch, wie tollpatschig ich bin. Wenn es jemand schafft, ohne Fremdeinwirkung von einer Rudermaschine zu segeln, dann bin ich das.“ Mit einer abwinkenden Handbewegung versuche ich, das Geschehene herunterzuspielen.
Ich würde niemals zugeben, dass mir der Hintern wehtut, dass das Handgelenk schmerzt und dass der Hüftknochen brennt. Eher würde ich mir selbst ins Knie schießen, denn es ist schon peinlich genug, dass Aiden Zeuge meiner mangelnden Koordinationsfähigkeit geworden ist.
„Dann ist es ja gut.“ Er zwinkert mir sichtlich amüsiert zu. „Ich hatte schon die Befürchtung, dich hier raustragen zu müssen, weil du dir das Schienbein gebrochen hast. Dann werde ich mich mal wieder ins Training stürzen.“ Das letzte Wort betont er besonders, um mich aufzuziehen. „Wir sehen uns, Kayla.“ Während er sich von mir entfernt, schmachte ich ihm hinterher.
Sobald Aiden in meiner Nähe ist, schnellt mein Puls schlagartig in die Höhe, mein Herz beginnt, wie verrückt in meiner Brust zu hüpfen und ich bin ganz durcheinander. Mir ist es dann nicht mehr möglich, auch nur einen klaren Gedanken zu fassen. Wäre ich nicht so ein Angsthase, würde ich ihn um ein Date bitten, obwohl die Angst vor einer Zurückweisung groß wäre, denn ich glaube nicht, dass Aiden auf mich steht. Wäre dem so, wäre er auf meine früheren Flirtversuche eingegangen.
Aufgrund meiner Hautfarbe habe ich oft mit Rassismus zu kämpfen. Als Kind wurde ich von meinen Mitschülern als Mischlingsbalg oder Neger beschimpft. Und das waren nur die harmlosen Beleidigungen. Oft musste ich mir viel demütigendere Dinge anhören. Kinder sind kreativ, wenn es ums Mobben geht. Leider wurde es im Alter auch nicht besser. Eigentlich sollte man voraussetzen, dass erwachsene Menschen über genügend Hirnschmalz verfügen, um zwischen Richtig und Falsch zu differenzieren, doch dem ist nicht unbedingt so. Neulich im Supermarkt ging ein Kerl an mir vorbei und nannte mich Bimbo.
Mittlerweile habe ich mich an die Beschimpfungen gewöhnt und mich damit arrangiert. Anfänglich nahm ich jede Beleidigung persönlich und ließ zu, dass mich die Worte verletzten, doch mittlerweile prallt das an mir ab. Ich habe mir ein dickes Fell zugelegt und glaube sogar, dass die Beleidigungen mich stärker gemacht haben. Heute nehme ich es mit Humor. Das funktioniert bestens, denn ich habe mir selbst eingeimpft, dass diese Menschen es aufgrund eines zu geringen Intelligenzquotienten einfach nicht besser wissen. Ich sollte sie bemitleiden und mich nicht über sie aufregen.
Ich habe meine Hautfarbe nie als etwas Negatives empfunden. Ist es nicht egal, ob ein Mensch schwarz oder weiß, dick oder dünn, Moslem oder Christ ist? Sind wir nicht alle gleich? Ich bin vielleicht ein wenig dunkler als andere, aber auch durch meine Adern fließt rotes Blut, ich atme, habe Bedürfnisse und Arme und Beine.
Durch die Liebe meiner Mutter und durch die meiner Freunde habe ich mich immer normal gefühlt. Wieso auch nicht? Ich bin eine Frau wie jede andere auch. Doch das sieht nicht jeder so. Ich bin und bleibe eine schwarze Frau. Diesem Klischee begegne ich oft und bin Alltagsrassismus schutzlos ausgeliefert.
„Oh mein Gott, Süße, dein Sturz sah verdammt gefährlich aus. Ist alles in Ordnung?“, reißt Harlow mich aus den Gedanken. Ich habe gar nicht mitbekommen, dass sie zu mir herübergekommen ist. „Du bist und bleibst die tollpatschigste Person, die ich kenne. Wir könnten ein TV-Format mit deinen Pannen rausbringen, wenn wir deine Malheure filmen würden. Vielleicht würdest du ein Star werden.“
„Sollte ich eines Tages den Oscar in der Kategorie Comedian des Jahres gewinnen, engagiere ich dich als meine Managerin“, scherze ich. „Wehe, du erzählst jemandem von meinem peinlichen Abgang. Es ist schon schlimm genug, dass Aiden mitbekommen hat, wie ich mich zum Horst gemacht habe.“
„Ich weiß nicht recht. Findest du es fair, dass ich unseren Freunden ein wenig Spaß auf deine Kosten vorenthalte?“
Ich werfe ihr einen bösen Blick zu, den sie sicherlich richtig zu interpretieren weiß.
„Schon gut, schon gut.“ Sie reckt die Hände in die Höhe, als würde ich sie mit einer Waffe bedrohen. „Mein Schweigen ist aber nicht billig. Die nächste Pizza geht auf dich.“
„Damit kann ich leben“, erwidere ich und schüttele mit dem Kopf, da ich noch immer nicht fassen kann, wie ungeschickt ich doch sein kann. „Willst du noch lange machen? Ich habe für heute die Nase voll. Außerdem tut mir mein Hintern weh.“
„Du willst schon gehen? Wir sind doch erst eine Dreiviertelstunde hier. Ich möchte noch auf das Laufband und beim Zirkeltraining etwas für meine Muskeln tun.“
„Viel Spaß dabei, aber ohne mich. Für mich ist Schluss. Ist es okay, wenn ich dich mit den Foltergeräten allein lasse?“
„Ich sollte wohl eher dich fragen, ob ich dich alleine nach Hause fahren lassen kann. Bei deinem Talent für Katastrophen kommst du auf dem Heimweg vielleicht noch unter die Räder.“
„Keine Sorge. Ich bin schon groß und komme klar.“ Ich zwinkere ihr zu und verzichte heute auf eine Umarmung zum Abschied, da wir beide verschwitzt sind. „Viel Spaß noch. Wir sehen uns.“ Ich winke ihr zu, nehme mein Handtuch von der Rudermaschine und verlasse den Trainingsraum.
Ich gehe in die Umkleidekabine, öffne den Spind und hole meine Duschsachen heraus. Nach dem Training, ganz gleich wie kurz es auch war, gibt es nichts Wohltuenderes als eine heiße Dusche. Und sobald ich zu Hause bin, werde ich mich auf die Couch legen und mir eine Tafel Schokolade gönnen.
Die Sportsession ist so was von gelaufen, obwohl ich noch nicht einmal losgelegt habe. Seit dem Aufeinandertreffen mit Kayla kann ich an nichts anderes mehr denken als an sie. Verdammt, sie auf allen vieren vor mir knien zu sehen, wenn auch eher unfreiwillig, hat dafür gesorgt, dass mir das Blut in tiefere Regionen geschossen ist, da der Anblick, der sich mir bot, verflucht heiß war.
Ich erinnere mich noch gut daran, wie wir uns kennenlernten. Als ich sie zum ersten Mal sah, war ich vollkommen geflasht von ihr. So etwas ist mir in meinen sechsundzwanzig Jahren noch nie passiert. Wenn einer meiner Kumpels von Liebe auf den ersten Blick faselte, habe ich ihn für gestört gehalten. Wie kann man etwas für einen Menschen empfinden, den man überhaupt nicht kennt? Doch mittlerweile weiß ich, dass ich mich diesbezüglich geirrt habe.
Wir trafen uns auf der Geburtstagsparty meiner besten Freundin Harlow Cooper. Kayla saß mit ein paar Freundinnen unter einem Baum an einem Tisch im Garten und unterhielt sich, als ich dazustieß. Ich erinnere mich noch so detailliert an den Abend, weil ich an diesem Tag mein erstes Spiel für den Basketballclub der Miami High Flyers bestritten hatte und mit fünfundzwanzig Punkten und zwölf Rebounds zum Mann des Spiels gekürt wurde. Einen besseren Start in die Saison hätte ich mir nicht wünschen können.
Erst sah ich Kayla nur im Seitenprofil. Ihre bis zur Brust reichenden dunklen Haare fielen ihr in leichten Wellen über die schmalen Schultern und umrahmten ihr bildhübsches Gesicht. Von ihrer Schönheit völlig von den Socken, ging ich auf die Gruppe zu, denn ich entdeckte Harlow neben Kayla. Mit jedem Schritt, den ich mich Kayla näherte, schlug mein Herz heftiger. Wieso ich so krass auf sie reagierte, konnte ich mir zu dem Zeitpunkt noch nicht erklären.
Als ich Harlow erreichte, die sofort von ihrem Platz hochschoss und mir in die Arme sprang, konnte ich meinen Blick immer noch nicht von Kayla loseisen. Diese lehnte sich in ihrem Stuhl zurück, reckte das Kinn in die Höhe und sah mir direkt in die Augen. Sie schaute mich bloß einen kurzen Moment an, aber der reichte völlig aus, um meine Kopfhaut zum Prickeln zu bringen. Jene kurze, intensive Sequenz fühlte sich wie eine wunderschöne Ewigkeit an. Eine, die, wenn es nach mir gegangen wäre, nie hätte enden müssen. Es war, als würde geballtes Glück durch meine Adern strömen, und ab dieser Sekunde gab es nur noch sie für mich.
Dieses krasse Hochgefühl, das ich damals in Harlows Garten fühlte, ist bis heute geblieben, wenn ich Kayla sehe. Noch immer ist sie das Mädchen, das mich stärker anzieht als die Motten das Licht. Regelmäßig spiele ich mit dem Gedanken, ihr zu sagen, was ich für sie empfinde, doch mir fehlt der Mut für diesen Schritt. Ich bin im Sport als cooler, abgebrühter Schweinehund bekannt, der nie um einen Spruch verlegen ist, immer die Kontrolle hat und sich durch nichts und niemanden aus der Ruhe bringen lässt. Doch wenn es um Kayla geht, bin ich alles andere als das.
Keine Ahnung, warum ich immer das große Nervenflattern bekomme, wenn sie zugegen ist. In ihrer Gegenwart komme ich mir wie ein schüchterner Junge vor, obwohl ich eigentlich alles andere als das bin. Ich flirte gern, mag Abenteuer und liebe Herausforderungen. Doch sie ist die Frau, mit der ich mir mehr als eine Affäre vorstellen kann. Dieses Mädchen vereint nämlich alles, was ich mir wünsche: einen verdammt liebenswerten Charakter, verpackt in einem Wahnsinnsbody. Vielleicht sollte ich endlich alles auf eine Karte setzen und ihr sagen, was ich für sie empfinde. Gleichzeitig habe ich aber auch Angst, dass ich mit einem Geständnis unsere Freundschaft kaputtmache, falls Kayla nicht auf mich steht und mich abblitzen lässt.
Doch mal ganz abgesehen davon weiß ich auch, dass meine Familie es niemals akzeptieren würde, wenn ich sie date. Sie geben sich zwar nach außen hin immer weltoffen und tolerant, doch in Wahrheit sind sie alles andere als das. Kaylas dunkler Teint, den ich überaus anziehend und sexy finde, wäre ganz besonders meinem Dad ein Dorn im Auge.
Meine Eltern und mein Bruder sind Rassisten. Als ich zehn Jahre alt war und das leerstehende Nachbarhaus von der Stadt gekauft wurde, um einer afrikanischen Flüchtlingsfamilie ein Zuhause zu geben, hat mein Dad alle Nachbarn zusammengetrommelt, um das Vorhaben zu boykottieren. Fanatisch hat er auf sie eingeredet und erfolgreich Hass gegen Ausländer gesät, denn anschließend zog die ganze Nachbarschaft vor das Rathaus und protestierte dagegen. Er erzählte den Anwohnern, dass die Ausländer ihnen die Jobs wegnehmen und ihre Frauen vergewaltigen würden. Zudem meinte er, dass ihre Kinder nicht mehr sicher in den Vorgärten spielen könnten.
Ich teile die Ansichten meiner Familie jedoch in keinster Weise und schäme mich für ihre Ausländerfeindlichkeit. Für mich sind alle Menschen gleich. Doch nichtsdestotrotz achte ich darauf, wen ich mit nach Hause bringe. Ich könnte es nämlich nicht ertragen, wenn meine Freundin, nur weil sie dunkelhäutig ist oder nicht aus den USA stammt, Opfer ihrer dummen, unangebrachten Sprüche und Anfeindungen werden würde.
Ich schüttele den Kopf, um die Erinnerungen an Kayla und meine Eltern loszuwerden. Es tut mir nicht gut, wenn ich permanent an Kayla denke. Ich weiß, dass ich mir selbst das Leben schwer mache, indem ich meine Gefühle für Kayla leugne und zu ignorieren versuche. Doch ich kann nicht aus meiner Haut, und manchmal fuckt es mich verdammt ab, dass ich mir von meinen Ängsten Steine in den Weg legen lasse. Oft wünsche ich mir, mehr so zu sein wie Liam Parker.
Liam ist der Kapitän unseres Teams und im Laufe der Zeit zu meinem besten Freund geworden. Er trägt das Herz auf der Zunge, nimmt kein Blatt vor den Mund und ist in allen Belangen furchtlos. Immer wieder nehme ich mir vor, mir eine Scheibe von seinem Selbstbewusstsein abzuschneiden und Kayla um ein Date zu bitten, doch bisher hat das noch nicht geklappt.
Ich meine, was kann mir im schlimmsten Fall schon passieren, außer einen Korb zu kassieren, mich bis auf die Knochen zu blamieren und eine gute Freundin weniger zu haben? Verdammt, ich weiß einfach nicht, ob ich das Risiko eingehen kann. Immerhin würde ich unsere Freundschaft, die mir eine Menge bedeutet, aufs Spiel setzen. Den Segen von Harlow hätte ich, darum müsste ich mir keine Sorgen machen. Sie hat mich sofort durchschaut und mir gesagt, dass ich mir Kayla schnappen soll. Keine Ahnung, wie sie das macht, aber meine Sandkastenfreundin kann in mir lesen wie in einem offenen Buch. Ihr konnte ich noch nie etwas vormachen.
Weil mich mittlerweile die Motivation verlassen hat, beschließe ich, das Muskelaufbautraining auf einen anderen Tag zu verschieben. Aus diesem Grund schnappe ich mir mein Handtuch und gehe in die Umkleidekabine. Da ich nicht ins Schwitzen gekommen bin, außer vielleicht bei Kaylas Anblick, verzichte ich auf eine Dusche und ziehe mich um. Als ich Shorts und T-Shirt gegen Jeans und Hoodie eingetauscht habe, verlasse ich das Studio durch den Hinterausgang. Es weiß zwar jeder, dass wir hier trainieren, ich habe aber keine Lust, in eine Unterhaltung verwickelt zu werden, weshalb ich mich für einen unbemerkten Abgang entscheide.
Da ich bloß eine halbe Meile vom Fitnessstudio entfernt ein Apartment bewohne, das mir der Club gestellt hat, gehe ich zu Fuß. Ich fahre nur mit dem Auto, wenn das Wetter beschissen ist. Zum Glück sind die Sommer in Miami aber ziemlich heiß und trocken, sodass ich nur selten meinen Wagen aus der Tiefgarage fahren muss.
Die Dämmerung hat bereits eingesetzt. So brauche ich mich nicht zu verkleiden, indem ich mir ein Basecap und eine Sonnenbrille aufsetze, damit mich die Fans nicht erkennen; sonst werde ich ständig nach Fotos und Autogrammen gefragt. Natürlich gehört die Öffentlichkeitsarbeit zu meinem Job dazu, und ich mache das auch gern, aber jetzt möchte ich einfach meine Ruhe haben.
Ich habe kein Problem damit, in der Dunkelheit durch die Stadt zu spazieren, auch wenn Miami ein heißes Pflaster ist. Das Aufheulen von Sirenen sowie das Aufblinken von blau-roten Lichtern hört und sieht man im Minutentakt. Beides nehme ich gar nicht mehr bewusst wahr, da ich mich mittlerweile daran gewöhnt habe. Beides gehört zu dieser Stadt dazu wie die Freiheitsstatue auf Liberty Island im New Yorker Hafen. Wäre sie plötzlich weg, würde einem auch etwas fehlen.
Nach ein paar Minuten erreiche ich den Snapper Creek Trash Tamiami Park, der wegen seiner Nähe zur Florida International University ein beliebtes Ausflugsziel für Touristen und Studenten ist. Tagsüber herrscht hier eine Menge Betrieb, während die Parkanlage in den späten Abendstunden gespenstisch verwaist ist.
Tief atme ich ein und wieder aus, als ein warmes Sommerlüftchen mein Gesicht streift. Ich hole mein Handy aus der Hosentasche und öffne Spotify, da ich während des Spazierengehens gern Musik höre. Als ich mir die Kopfhörer in die Ohren stecken will, lässt mich der Schrei einer Frau in der Bewegung innehalten. Sofort schaue ich mich in alle Richtungen um, kann aber niemanden sehen.
Angesichts des Rufes verzichte ich lieber auf Musik, stecke das Telefon sowie die Kopfhörer wieder weg und gehe weiter. Nach ein paar Metern höre ich erneut Hilfeschreie. Die Stimme der Frau durchbricht abermals die Stille des Parks. Kurz darauf vernehme ich lautes Gebrüll von mehreren Männern. Sofort stellen sich mir die Nackenhaare auf, und ich renne in die Richtung, aus der die Rufe kommen. Mit jedem Schritt, den ich mache, pumpt immer mehr Adrenalin durch meine Adern. Mein Herzschlag beginnt zu galoppieren, da sich eine böse Vorahnung in mir breitmacht.
Ich sprinte über den Rasen, ohne mich um meine eigene Sicherheit zu scheren. Vermutlich wäre es klüger, ich würde die Polizei alarmieren, denn neulich ist ein junger Mann einer Frau zu Hilfe gekommen und hat dafür mit seinem Leben bezahlt. Die Typen, die ein Mädchen vergewaltigen wollten, haben ihn zu Tode geprügelt. Tagelang wurde in den Nachrichten darüber berichtet. Leider lässt wegen solcher Vorfälle die Zivilcourage der Menschen zu wünschen übrig, doch mich schreckt so etwas nicht ab. Sollte hier jemand in der Klemme stecken, sehe ich es als meine Pflicht an, Hilfe zu leisten, und es ist mir auch ziemlich egal, ob ich mich dadurch selbst in Gefahr begeben könnte.
Das Bild, das sich mir bietet, als ich eine dunkle, nach Urin stinkende S-Bahn-Unterführung am Ende des Parks erreiche, zieht mir den Boden unter den Füßen weg. Die Szene ist so schrecklich, dass ich zur Salzsäule erstarre und abrupt stehen bleibe.
Fünf mit Sturmhauben maskierte, schwarz gekleidete Personen treten auf den Brustkorb einer am Boden liegenden Frau ein. Als sie sich schützend die Hände vor das Gesicht hält und versucht, trotz der auf sie einhagelnden Tritte auf die Beine zu kommen, lachen die Angreifer voller Inbrunst auf.
„Bleib verdammt noch mal liegen, du hässliche Negerfotze“, knurrt einer der Bastarde, geht neben ihr in die Hocke, packt ihr in die Haare und reißt ihren Kopf brutal zurück. Das Opfer schreit schmerzerfüllt auf. „Halt deine verfickte Fresse. Noch einen Ton und ich prügele so lange auf dich ein, bis du nie wieder sprechen kannst.“
Kaum hat er die Drohung ausgesprochen, holt er auch schon aus und lässt die Faust in ihr Gesicht krachen. Gleichzeitig öffnet er die Finger, um ihre Haare loszulassen. Ihr Kopf fliegt nach hinten und landet auf dem Betonboden.
Das Geräusch des Aufpralls geht mir durch Mark und Bein. Magensäure steigt mir in die Speiseröhre, die ich aber sofort wieder hinunterwürge.
„Schaut euch das an, Leute. Das elende Stück Scheiße blutet. Oh Gott, es tut mir ganz entsetzlich leid, dass ich sie verletzt habe“, frotzelt der Angreifer und wirft lachend den Kopf in den Nacken. „Was meint ihr? Hat die Schlampe genug? Wollen wir verschwinden?“
„Noch nicht“, sagt ein anderer, dessen Stimme mir irgendwie bekannt vorkommt. Allerdings kann ich gerade keinen klaren Gedanken fassen und nicht einordnen, wo ich sie schon mal gehört habe. „Die Niggafotze soll wissen, was wir von ihr halten. Sie ist Abschaum! Hoffentlich verpisst sie sich dahin zurück, wo sie hergekommen ist.“
Ich erwache aus meiner Schockstarre, als der Wichser den Reißverschluss seiner Hose öffnet, seinen Schwanz herausholt und auf das Opfer pinkelt. Mit einer unbändigen Wut im Bauch und rasendem Herzen hole ich mein Handy aus der Hosentasche und setze einen Notruf ab. Ich rede so schnell auf die Dame am anderen Ende der Leitung ein, dass ich mir nicht sicher bin, ob sie alle Informationen korrekt erfasst hat.
Die Rückfragen ignorierend, lege ich auf und laufe auf die Frau zu, die regungslos am Boden liegt. Die Typen haben sich unterdessen vom Acker gemacht. Es fuckt mich mega ab, dass ich nicht eher reagiert habe und eingeschritten bin. Wieso habe ich bloß dagestanden und zugesehen? Warum hat mein Gehirn mich lahmgelegt? Mir bleibt nur zu hoffen, dass die Polizei schnell hier ist und die Bastarde zu fassen bekommt. Weit können sie noch nicht gekommen sein.
Als ich das Opfer erreiche und neben ihm auf die Knie sinke, gerät meine Welt völlig aus den Fugen. Mir stockt der Atem und ich habe das Gefühl, innerlich bei lebendigem Leib zu verbrennen. Ich traue meinen Augen kaum und das Blut rauscht mir in den Ohren, denn die Person, die röchelnd vor mir auf dem Boden liegt, ist Kayla.
Sie hat eine Platzwunde über der Augenbraue, aus der ein gewaltiger Blutstrom fließt, sie atmet schwer, aber gleichmäßig, und hält die Augen geschlossen. Mein Schock sitzt so tief, dass ich beinahe das Atmen vergesse. Erst als mir schwindelig wird, schnappe ich nach Luft. Ich will auf irgendetwas, nein, auf irgendwen einschlagen, weil ich so verdammt wütend bin. Gleichzeitig nimmt aber auch ein Ohnmachtsgefühl von mir Besitz, das mich betäubt. Kaylas Anblick zieht mir den Boden unter den Füßen weg, weshalb ich nicht weiß, wie ich nun reagieren oder mich verhalten soll.
Ich weiß nur, dass ich etwas unternehmen muss, um ihr zu helfen. Doch was?
Ich stehe völlig neben mir, und das ist zum Kotzen. Überhaupt nicht dazu fähig, auch nur einen klaren Gedanken zu fassen, übernimmt irgendwann mein Instinkt das Handeln. Ich lege meine Hände auf ihre Schultern und bringe sie in die stabile Seitenlage. Anschließend kontrolliere ich wieder und wieder ihre Atmung. Die ganze Situation erscheint mir nicht real, es ist wie in einem schlechten Film.
„Kayla? Kannst du mich hören? Komm schon, Baby, mach die Augen auf.“ Vorsichtig tätschele ich ihre Wange. „Hilfe ist unterwegs.“ Es ist erschreckend, wie machtlos und verloren ich mich in diesem Moment fühle. Panik macht sich in mir breit, weil sie einfach nicht auf meine Worte reagiert. Ich versuche, die Heidenangst zu verdrängen, bleibe einfach neben ihr hocken und nehme ihre Hand in meine, um mit dem Daumen über ihren Handrücken zu streicheln. „Wo bleibt nur der verfickte Rettungswagen?“, brülle ich und sehe mich um.
Die Augenblicke des Wartens fühlen sich wie eine nicht enden wollende Ewigkeit an. Ich verstehe einfach nicht, wieso das so lange dauert. Die Rettungsleitstelle ist doch direkt um die Ecke. Wenn die Ersthelfer nicht in den nächsten Sekunden hier aufschlagen, werde ich mir Kayla schnappen und sie selbst in das nächstgelegene Krankenhaus tragen.
Als mich die Geduld endgültig verlässt und ich sie gerade anheben will, trifft der Rettungsdienst ein. Die Sanitäter eilen aus dem Fahrzeug und stürzen sofort auf uns zu. Sie schieben mich zur Seite und beginnen mit der Erstversorgung. Am liebsten würde ich den Herren zur Hand gehen, da es mich wahnsinnig macht, einfach nur tatenlos danebenzustehen und zuzusehen.
„Ihr Puls ist sehr schwach“, sagt einer der Sanitäter, der ihr Handgelenk zwischen Daumen und Mittel- und Zeigefinger hält. „Gib ihr zwei Milliliter Epi.“
Sein Kollege nickt, zieht eine durchsichtige Flüssigkeit aus einer brauen Flasche in eine Spritze auf und injiziert das Medikament in den Zugang in ihrer Armbeuge, den er ihr zuvor gelegt hat. Danach schiebt er ihr das Oberteil nach oben, klebt weiße Pads auf ihre Brust und schließt diese an einen mobilen Überwachungsmonitor an. Dann verabreichen sie Kayla eine Kochsalzlösung und bereiten sie für den Abtransport vor.
„Kann ich im Rettungswagen mitfahren? Kayla, also die Patientin, ist eine gute Freundin von mir“, sage ich, als sie auf einer Trage in das Fahrzeug geschoben wird. Ich will sie auf keinen Fall allein lassen.
„Tut mir leid, aber das geht nicht. Die Polizei wird gleich hier sein, um Ihre Aussage aufzunehmen. Bitte bleiben Sie so lange hier und entfernen Sie sich nicht vom Tatort. Wir bringen Ihre Freundin ins Mercy Hospital“, erklärt mir der Sanitäter, und kaum dass die Türen geschlossen sind, fährt das Fahrzeug auch schon mit blinkenden Lichtern und Sirenen davon.
Wie angewurzelt bleibe ich auf dem Fleck stehen und schaue dem Auto hinterher, das sich mit hoher Geschwindigkeit von mir entfernt. Fluchend raufe ich mir die Haare. In mir wüten so viele Emotionen, die ich kaum zu bändigen vermag. Es ist eine explosive Mischung aus Wut, Hass, Verachtung, Hilflosigkeit, Aggression und Sorge. So beschissen wie in diesem Moment habe ich mich noch nie gefühlt. Ich brauche dringend ein Ventil, um meine Gefühle herauszulassen, bevor ich platze.
Ich kann und will nicht untätig hier herumstehen und auf die blöden Cops warten, während sich die Täter aus dem Staub machen. Meine Aussage kann ich auch später noch zu Protokoll geben. Viel wichtiger ist es, dass ich die Verfolgung der Mistkerle aufnehme, damit sie nicht ungeschoren davonkommen oder an der nächsten Straßenecke einer anderen Frau auflauern und ihr das Gleiche antun.
Hin- und hergerissen zwischen der vernünftigen Entscheidung hierzubleiben und dem Drang, mich auf die Suche nach den Wichsern zu machen, weiß ich nicht, was ich tun soll. Bleiben oder losziehen?
Die Wahl wird mir abgenommen, als sich ein Streifenwagen nähert. Das Auto hält an, zwei Beamte steigen aus und löchern mich direkt mit Fragen zum Aussehen der Täter, doch dazu kann ich keinerlei Angaben machen, denn die waren maskiert. Ich erzähle den Ermittlern alles, was ich weiß, doch viel ist das nicht.
Nachdem sie mich endlich entlassen haben, laufe ich auf direktem Weg nach Hause. Dort angekommen, springe ich in meinen Wagen und fahre zum Krankenhaus. Ich kurve eine gefühlte Ewigkeit über den Parkplatz, da nirgends eine freie Parklücke zu finden ist, und stelle mein Auto schließlich auf einem Grünstreifen ab, obwohl ich weiß, dass dort das Parken verboten ist. Allerdings ist es mir im Moment scheißegal, ob mein Auto abgeschleppt wird oder ich einen Strafzettel kassiere, denn ich muss sofort zu Kayla. Nachdem ich den Wagen abgeschlossen habe, mache ich mich auf den Weg ins Krankenhaus.
Chelsey Harper, Kaylas Freundin und Arbeitskollegin, läuft mir im Foyer direkt in die Arme. Sie scheint geweint zu haben, denn ihre Augen sind feuerrot unterlaufen. Ich habe gehofft, dass sie heute Dienst hat, damit sie mich mit Informationen zu Kaylas Zustand versorgen kann, denn da ich kein Angehöriger bin, wird man mir diese ansonsten sicherlich verwehren.
„Was ist passiert, Aiden?“, will sie wissen. „Ich hatte gerade meinen Dienst in der Notaufnahme angetreten, als man Kayla einlieferte.“ Chelsey beginnt zu schluchzen und schlägt sich beide Hände vor das Gesicht.
Ich mache einen Schritt auf sie zu und nehme sie in den Arm. „Ich weiß es nicht. Als ich durch den Park ging, hörte ich Schreie und sah eine Gruppe Maskierter, die auf Kayla einschlugen. Ich habe einen Notruf abgesetzt und bin dem Krankenwagen hinterhergefahren, nachdem mich die Cops verhört hatten.“
„Hoffentlich bekommen sie diese Arschlöcher zu fassen.“ Sie macht sich von mir los und rümpft die Nase. „Ich glaube zwar nicht, dass da irgendein Zusammenhang besteht, aber Kayla fühlt sich seit Längerem nicht mehr sicher. Vor Kurzem hatte sie das Gefühl, dass ihr jemand nachstellt.“
„Ein Stalker?“ Ich lasse Chelseys Worte auf mich wirken, schüttele dann aber mit dem Kopf. „Einen Zusammenhang würde ich ausschließen, denn ein Stalker arbeitet alleine, die sind aber zu fünft über sie hergefallen. Ich glaube, es waren Rassisten, denn sie beschimpften Kayla als Negerfotze.“
Beim Aussprechen des letzten Satzes ziehen die Bilder des Übergriffs direkt wieder an meinem inneren Auge vorüber. Ich werde wohl nie wieder vergessen, wie Kayla geschlagen und gedemütigt wurde. Fuck, ich kann und will nicht verstehen, was in den Köpfen dieser gestörten Hurensöhne abgegangen sein muss. Wenn sich diese Schwachmaten unbedingt prügeln müssen, dann sollen sie einen Boxclub aufsuchen oder sich gegenseitig die Zähne einschlagen, anstatt sich an einer wehrlosen Frau zu vergehen.
Chelsey greift nach meiner Hand und führt mich aus dem Foyer in einen Wartebereich. „Ich gehe zu meinen Kollegen und versuche herauszufinden, wie es Kayla geht, okay? Sobald ich ein Update habe, komme ich wieder. Oder hast du nicht vor, hierzubleiben?“
„Mich bekommt hier niemand weg.“ Ich setze mich auf einen der freien Stühle. „Danke, Chelsey.“
Nachdem sie mich allein gelassen hat, lehne ich den Kopf gegen die Wand in meinem Rücken und schließe für einen kurzen Moment meine Augen. Ich habe solche Kopfschmerzen, dass ich befürchte, mir würde jeden Augenblick der Schädel explodieren. Ich massiere mir die Schläfen und atme tief durch.
Die Zeit will überhaupt nicht verstreichen und das Warten auf Informationen macht mich wahnsinnig. Die ins Land ziehenden Minuten kommen mir wie eine kleine Ewigkeit vor. Es ist totenstill im Wartebereich. Nur das monotone, nervtötende Ticken der großen Wanduhr ist zu hören. Fuck, ich halte die Ungewissheit nicht länger aus. Ich muss wissen, wie es Kayla geht. Wenn Chelsey nicht in den nächsten Minuten zurückkommt, versuche ich, auf eigene Faust an Infos zu kommen, selbst wenn ich dafür auf eine Notlüge zurückgreifen und mich als Kaylas Verlobter ausgeben muss.
Der Drang, das Krankenhaus zu verlassen und mich auf die Suche nach Kaylas Angreifern zu machen, auch wenn die Aussicht auf Erfolg gering wäre, breitet sich immer stärker in mir aus. Vermutlich wäre es leichter, eine Nadel im Heuhaufen zu finden, denn Miami ist eine Stadt mit knapp einer halben Million Einwohner und einer Größe von einhundertfünfzig Quadratkilometern. Die Stadt ist Teil der Metropolregion Miami mit etwa sechs Millionen Einwohnern. Doch trotzdem ist die Vorstellung, ich würde die Kerle erwischen und ihnen den Hals umdrehen, befriedigend. Diesen Wichsern sollte man die Eier abschneiden und sie für immer wegsperren. Es gibt nichts Verabscheuungswürdigeres als Gewalt. Doch abgesehen davon ist Rassismus eine Sache, die ich weder verstehe noch toleriere.
„Aiden?“ Chelseys Stimme reißt mich aus meinen Gedanken. Sie schaut mich abwartend an, woraufhin ich schnell nicke. „Eigentlich darf ich dir nichts sagen, weil du kein Angehöriger bist, und ich verstoße damit gegen meine Schweigepflicht, aber das ist mir in diesem besonderen Fall egal. Kayla hatte Glück im Unglück. Sie hat keine Brüche davongetragen, allerdings hat sie Prellungen, Schürfwunden, ein verstauchtes Handgelenk, eine tiefe Platzwunde an der Augenbraue und eine Gehirnerschütterung. Mein Kollege hat sie versorgt und ihr ein Beruhigungsmittel verabreicht, damit sie sich erholen kann. Sie schläft jetzt.“
Erleichterung macht sich in mir breit. Ich bin verdammt froh, dass sie keine schwerwiegenderen Verletzungen davongetragen hat. Jedoch weiß ich aus Erfahrung, dass Prellungen teilweise stärkere Schmerzen verursachen als Knochenbrüche. „Kann ich sie sehen?“
„Ja, aber nur kurz. Kayla braucht Ruhe, um wieder zu Kräften zu kommen.“ Sie seufzt. „Die Gehirnerschütterung macht mir Sorgen. Aus einem leichten Schädel-Hirn-Trauma, wie Kayla es hat, kann ein postkommotionelles Syndrom entstehen, das Bewusstseinsstörungen, Persönlichkeitsveränderungen, Lähmungserscheinungen oder sogar Epilepsie nach sich ziehen könnte.“
Ich brauche einen Moment, um Chelseys Worte zu verdauen. Die medizinischen Fachwörter sind für mich böhmische Dörfer, und noch während ich mit der Verarbeitung der eventuell auftretenden Folgen beschäftigt bin, lasse ich mich zu Kaylas Zimmer führen. Vor der Tür verabschiedet sich Chelsey von mir und ich trete ein. Wie angekündigt, finde ich Kayla schlafend vor. Ein Verband ist um ihr rechtes Handgelenk gewickelt, die Augenbraue wurde genäht. An ihrem Schlüsselbein sehe ich rote Flecken, die sich sicherlich bald dunkelblau verfärben werden. Ich ziehe einen Stuhl an das Bett, setze mich hin, nehme ihre unverletzte Hand in meine und streichele ihr mit dem Daumen über den Handrücken.
„Alles wird wieder gut, Babe, das verspreche ich dir. Niemand wird dir je wieder wehtun. Ab jetzt passe ich auf dich auf. Du hast nur eine Aufgabe: schnell wieder gesund zu werden. Okay?“ Seufzend hoffe ich, dass sie mich trotz der Beruhigungsmittel hören kann.
Nach einer Weile betritt eine Krankenschwester das Zimmer und bittet mich, den Raum zu verlassen, was ich nur widerwillig tue. Auch wenn die Besuchszeit für den Moment beendet ist, werde ich vorerst im Krankenhaus bleiben. Ich muss einfach in ihrer Nähe sein, wenn sie aufwacht. Selbst wenn das eine Nacht auf einem unbequemen Stuhl in einem überfüllten Wartebereich bedeutet.
Ich bin umgeben von Dunkelheit und kann partout meine Augen nicht öffnen. Meine Lider sind bleischwer. Immer wieder dringt eine Stimme zu mir durch, die mir sehr vertraut vorkommt. Ich bilde mir ein, dass sie zu Aiden gehört. Wie gern würde ich nachsehen, ob er wirklich hier ist, aber irgendetwas hält mich zurück. Vermutlich bin ich noch nicht dazu bereit, jemandem gegenüberzutreten, denn obwohl ich weiß, dass ich mich dem stellen muss, was mir widerfahren ist, bereitet mir das eine Heidenangst.
Was heute im Stadtpark passiert ist, war brutal. Und das nicht wegen der Schläge und Tritte. Am meisten haben mich die Worte der Männer getroffen, obwohl es nicht das erste Mal war, dass man mich einen Neger nannte. Und dass einer der Typen auf mich uriniert hat, war eine Demütigung, die sich nicht mit Worten beschreiben lässt. Das gönne ich nicht einmal meinem ärgsten Feind. Der Geruch ist noch immer in meiner Nase. Es ist, als hätte sich der Gestank dauerhaft in mein Gehirn gebrannt.
Irgendwann kann ich mich nicht mehr länger gegen das Aufwachen zur Wehr setzen und meine Augenlider beginnen zu zucken. Grelles Licht dringt in meine Augen und blendet mich, weshalb ich sie schnell wieder zusammenkneife. Nach einem kurzen Moment des Durchatmens unternehme ich einen weiteren Anlauf und öffne die Augen ganz langsam, Stück für Stück, um mich an die Helligkeit zu gewöhnen. Als ich die Augen vollständig geöffnet habe, nehme ich als Erstes weiße, kahle Wände wahr, aber kurz darauf erscheint ein freundliches Gesicht in meinem Blickfeld.
„Hallo, Miss Lee. Wie fühlen Sie sich? Ich bin Schwester Natalie und würde Ihnen gerne etwas Blut abnehmen. Darf ich?“ Ehe ich ihr antworten kann, legt die mir bis hierher unbekannte Krankenschwester auch schon eine Manschette um den Oberarm, um das Blut in den Venen zu stauen. Dann folgt ein kurzer Einstich. „Das war’s auch schon. Gleich wird Doktor Young Sie aufsuchen.“ Sie klebt ein Pflaster über die Einstichstelle und verschwindet mit der Blutprobe.