Dämonensteinchroniken - Andreas Lang - E-Book

Dämonensteinchroniken E-Book

Andreas Lang

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Beschreibung

Nachdem Teyl und seine Mitstreiter den Null-Stein, das einzige Artefakt, das den Dämonenstein vernichten kann, vom Helonischen König gestohlen haben, heißt es für sie nichts wie weg hier. Sie wollen Adlan, den Träger des Dämonensteins, ausfindig machen und folgen dazu der Spur aus toten Primaturgen. Doch die Helonische Armee ist ihnen dicht auf den Fersen und sammelt Verbündete, um sie zu jagen. Zusätzlich machen auch viele andere Gefahren ihnen das Leben schwer. Verräter, untote Bäume und auch alte Fehden. Während seiner Reise rätselt Teyl immer noch, wann er seine Götterkräfte erhält und hofft, dass er kein Verfluchter ist, denn die Zeit bis zu seinem 19. Geburtstag verrinnt.

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Seitenzahl: 494

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Inhaltsverzeichnis

Gefährliche Ausrüstung

Der verschlungene Baum

Einsicht

Koboldgegacker

Aufbruch zur Westwarte

Finte

Das Buch

Erneuerte Hoffnung

Neue Hinweise

Der Grauwald

Immerwandler

Fluchbrecher

Das Mahnmal

Das Duell

Sorge um Vigeli

Die Grenze

Die Hawkras

Das Mal

Der Ohrring

Vigelis Geheimnis

Tonkrot, die Hauptstadt der Hawkras

Familientreffen

Der Keller

Eilees zögern

Versöhnung

Schluchtdorf

Rav Starkschmied

Der Mondzirkel

Die Prophezeiung

Das Ritual

Die Falle

Halkars Wahnsinn

Die Ätherschmiede

Der Meisterspeer

Abschied

Gefährliche Ausrüstung

Ein lauer Windzug weckte Teyl. Verschlafen rieb er sich den Sand aus den Augen und sah sich um. Es dämmerte. Die ersten Vögel trällerten ihren Morgengesang und der Dunst der Nacht waberte über den Feldern in der Ferne.

Er sah sich am dürftigen Lagerplatz um, den sie am Waldrand, abseits von Neu-Waira, aufgeschlagen hatten. Seine Mitstreiter schliefen noch und nicht einmal Duncans und Halkars ohrenbetäubendes Schnarchen weckte sie auf.

Teyl konnte es noch immer nicht glauben, dass sie vor mehr als einem halben Monat aufgebrochen waren, um den Dämonenstein zu verfolgen. Duncan, sein bester Freund, Aenwyn die Elfen-Lebensprimaturgin, sowie ihre Leibwache Ardyll. Der schüchterne Aquatar Norin und zwei seiner Professoren, Halkar und Eilee.

Halkar Breitaxt, ein kleiner alter Ork, dessen raue Art und sein Hitzkopf ihren Unterricht nicht leicht gemacht hatte. Eilee Cranneh, die junge Hawkra für Athletik, die stets mit ihrem enthusiastischen Gemüt die Motivation der Gruppe aufrechterhielt. Und dann war da noch Vigeli Brog, der mysteriöse Zeitprimaturg. Ihm hatten sie es zu verdanken, dass sie in dieser misslichen Lage steckten. Auf Verfolgungsjagd nach dem Dämonenstein und gleichzeitig verfolgt von der Helonischen Armee.

Teyl setzte sich auf und tastete seinen Ohrring ab, wie jeden Tag.

Er war noch da.

Teyl atmete erleichtert aus. Keinesfalls wollte er, dass das Erbstück seiner Schwester verloren ging. Da er nun wusste, was ihr widerfuhr, hütete er ihn mehr denn je.

Teyl ballte seine Faust und blickte ernst in den Boden. Dieser Dämonenstein. Was er alles für Kummer und Leid auslöste und noch auslösen würde. Ein Grund mehr, ihn zu finden und zu zerstören. Sonst wäre der Einbruch in die königliche Schatzkammer, um den Null-Stein zu stehlen, umsonst gewesen. Der Null-Stein, das einzige Artefakt, mit dem der Dämonenstein vernichtet werden kann.

Teyl stand auf und schlenderte zum Waldrand. Die westliche Ebene von Helonien erstreckte sich vor ihm. In der Ferne und kaum übersehbar thronte der verschlungene Baum hinter leichtem Nebel.

Teyl grinste und schüttelte den Kopf. Es war kein einzelner Baum, sondern viele, ineinander verflochtene. Diese, auf welche Weise auch immer, wuchsen kilometerweit in den Himmel. Es war das Imposanteste, was er bisher gesehen hatte.

Er war ihr nächstes Ziel. Sie hatten gehört, ein altersschwacher Primaturg mit Todesgötterkräften lebe in der Nähe des Baums. Mit Glück könnten sie Adlan und den Dämonenstein dort schnappen. In Neu-Waira waren sie zu spät.

»Teyl? Geht es dir gut?«

Aus den Gedanken gerissen drehte er sich erschrocken um.

»Aenwyn. Entschuldige, hab ich dich geweckt?«

»Nein, bei unseren zwei Holzfällern fällt es einem echt schwer, richtig zu schlafen«, kicherte sie. Ihre rot-orangen Haare zu einem Zopf flechtend, kam Aenwyn auf Teyl zu. In ihren tiefgrünen Augen konnte man sich unglaublich schnell verlieren.

Aenwyn lachte und sah Teyl an. »Was ist?«

Teyls Kopf wurde rot wie eine Tomate. »Nichts. Gar nichts. Tut mir leid«, sagte er schnell und widmete seinen Blick wieder dem Baum.

»Beeindruckend, nicht?«, fragte sie.

»Allerdings. Kaum zu glauben, dass dieser Baum die Grenze zwischen dem Menschenreich Helonien, dem Orkreich Moson und dem Elfenreich Nib Alur bildet«, sagte Teyl.

»Ja, er ist gigantisch und dabei sind wir noch ein paar Tagesmärsche von ihm entfernt«, entgegnete die Elfin und sah lächelnd in die Ferne. »Weißt du, man sagt, er ist die Brücke in die Anderswelt. Der Ort, an den alle Seelen gehen, wenn ihr irdischer Körper dahinscheidet.«

»Bis auf …«

Aenwyn blickte erschrocken zu Teyl. »Verzeih mir, ich wollte nicht …«

»Schon gut. Dafür sind wir ja auf dieser Reise«, beruhigte Teyl sie und sah in das weite Land. »Wir werden es schaffen. Gemeinsam.«

»Ja, und dann wird alles wieder gut. Wir zerstören den Stein. Dann werden sämtliche Seelen, die er sich zu eigen gemacht hat, wieder befreit. Auch die deiner Schwester«, sagte Aenwyn und lächelte Teyl an.

»Ich bin echt froh, dass ihr mit dabei seid. Vor allem …«

»Guten Morgen verfolgte Truppe. Zeit zum Aufstehen!«

Teyl und Aenwyn drehten sich erschrocken um.

Eilee Cranneh stand am abgebrannten Lagerfeuer und streckte ihre gefiederten Arme in die Höhe. In ihren kurzen braunen Haaren steckten ein paar kleine Federn, die sie sachte herausnahm.

Im Hintergrund machte sich langsam ein Nörgeln breit. Ein spitzer Piepser war ebenfalls zu hören. Es war Norin, der sich fast zu Tode erschreckte.

»Immer diese lästigen Hawkra. Kaum erspähen sie den ersten Sonnenstrahl, fangen sie an zu gackern.«

»Ach Halkar, haben wir schlecht geschlafen? Schon klar, in deinem Alter braucht man genug Schlaf«, scherzte Eilee.

»Ich geb dir gleich Alt, du freches Gör«, kläffte Halkar in seiner üblichen Art.

»Unsere junge Miss Cranneh hat recht. Aufstehen, Frühstücken und dann weiter. Wir sollten nicht zu lange verweilen.«, sagte Vigeli, der, wenn auch gähnend, recht flink neben ihr stand.

Langsam richtete sich auch der Rest auf. Ardyll war zügig auf den Beinen und vergewisserte sich, ob es Aenwyn gut ging. Norin war durch Eilees morgendlichen Gruß schnell auf den Beinen und verteilte trockenes Brot und Obst an die Gruppe. Lediglich Duncan und Halkar brauchten eine Weile, bis sie aufgestanden waren.

»Die Hütte des Todesprimaturgen sollten wir in drei Tage erreichen. Davor legen wir allerdings noch einen kurzen Halt ein. Ich habe Thalston um etwas gebeten. Wir werden es in einer verlassenen Scheune finden. Hoffentlich lief alles glatt.«, sagte Vigeli, der seine Schlafmatte einrollte.

Thalston war ein älterer Steinling, der in Irenius, der Menschenhauptstadt, lebte und ein enger Vertrauter von Vigeli war. Er liebte Bücher über Geschichte und historische Dokumente über alles. Sein ganzes Haus war voll damit.

»Und um was hast du ihn gebeten?«, fragte Teyl.

»Das wirst du sehen, wenn wir da sind.«

»Ein wenig mehr Vertrauen könntest du uns schon schenken. Schließlich stecken wir da gemeinsam drinnen Vigeli.«, warf Eilee misstrauisch ein.

»Das tu ich, junge Hawkra.«

»Na dann verrate es uns. Los.«

Vigeli verdrehte seine eisblauen Augen und machte eine genervte Miene.

»Genau Brog. Sag's uns. Diese Geheimniskrämerei geht mir gewaltig gegen den Strich!«, brüllte Halkar und funkelte ihn verärgert an.

Teyl ging langsam zu ihnen und wedelte sanft mit den Armen »Leute. Vigeli hat bestimmt seine Grü…«

»Na gut. Ich sag‘s euch. Damit ihr endlich Ruhe gebt. Ich bat Thalston, ein paar Waffen für uns zu organisieren.«

»Waffen? Da hat er nicht mal so unrecht«, grübelte Halkar.

»Unsere Frischlinge könnten tatsächlich welche gebrauchen, um sich zumindest ein bisschen verteidigen zu können. Also, falls es hart auf hart kommt.«, sagte Eilee und grinste.

»Verteidigen? Mü-müssen wir das wirklich?«, stotterte Norin.

»Norin. Dir ist klar, dass wir von der Helonischen Armee verfolgt werden, oder?«

»Ja, irgendwie schon Duncan.«

»Klingt vernünftig. Mit dem hier werd ich nicht allzu viel Schaden anrichten können«, lachte Teyl und hielt seinen Wanderstab in die Luft.

»Ich habe für jeden eine passende Waffe organisieren lassen. Selbst für dich Halkar«

»Ernsthaft?! Du hast schon gemerkt, dass ich, mit meinen Götterkräften, eigene beschwören kann?«, sagte Halkar und starrte Vigeli düster an.

»Das ist mir bewusst. Aber falls dir mal die Puste ausgeht, hast du Ersatz.«

»Pah!«, konterte Halkar schnippisch und drehte sich um.

»Mein Bogen ist noch in Ordnung, ich brauch keinen neu…«

»Das sind nicht irgendwelche Waffen. Sagen wir, ich kenne da jemanden, der an die hochwertigen Waren rankommt« Vigeli drehte sich grinsend um. »Jetzt habt ihr aber genug Informationen. Wollen wir?«

Teyl konnte ein Grinsen nicht verstecken. Duncan, Aenwyn, Norin und er waren aufgebrochen, ohne sich irgendwelche Waffen zu besorgen, um sich zu verteidigen. Lediglich Duncan hatte sein kleines Holzfällerbeil dabei. Aber ob das für einen Kampf geeignet war, darüber konnte man sich streiten. Vor allem für Teyl konnte eine Waffe lebensrettend sein. Nach wie vor hatte er noch keine Götterkräfte.

Er sah enttäuscht in den Boden. Hin und wieder bedrückte es ihn, doch er erinnerte sich an das, was seine Professorin für Götterkrafterweckung sagte: »Auch wenn sich bei vielen die Götterkräfte kurz nach dem 18. Geburtstag offenbaren, kann es bei manchen bis zu einem Jahr dauern. Und dass jemand ein Verfluchter sei, kommt selten vor.«

Diese Worte rief er sich immer wieder in Erinnerung und hatte einfach Vertrauen.

Nach weniger als zehn Minuten waren sie alle fertig und brachen auf. Sie hielten sich vorwiegend am Waldrand auf und vermieden öffentliche Straßen. Die Neuigkeit über ihren Diebstahl, hatte sich in Helonien fast überall verbreitet. Anfangs suchte man nur nach Teyl und Vigeli, schnell bemerkte man aber das Verschwinden der drei Studenten, Ardyll und den zwei Professoren der Akademie. Somit konnte sich kaum einer von ihnen noch irgendwo blicken lassen. Wenigstens musste keiner von ihnen hungern. Dank Eilees Äther- und Stärkegötterkräfte konnte sie ungesehen Essen von kleineren Dörfern auf ihrem Weg stibitzen. Teyl fand das allerdings verwerflich. Diese armen Dorfleute mussten ja auch von etwas leben und er konnte alle überzeugen, ein paar Lonos zusammenzulegen und diese dann bei den Marktständen zu hinterlassen.

Nach einer kurzen und schweigsamen Mittagsrast erreichten sie ihr Ziel.

Weit ab von jeglichen Dörfern stand inmitten einer kleinen Senke eine Scheune. Sie wirkte heruntergekommen. Planken fehlten an den Wänden und das Dach war löchrig wie ein Käse. Vielleicht hatte Vigeli sie deshalb ausgewählt, weil sie so unscheinbar wirkte. Durch die Senke verschwand sie vor neugierigen Blicken.

Teyls Miene verkrampfte sich und er hielt seinen Bauch, der sich plötzlich bemerkbar machte.

»Gut da wären wir«, sagte Vigeli und spähte durch die Bäume. »Lasst Vorsicht walten. Nur weil ihr niemanden seht, heißt das nicht, dass keiner hier ist.«

»Du meinst, es könnte die Helonische Armee da drinnen auf uns warten?«, fragte Teyl und schluckte.

»Im schlimmsten Fall? Ja«, antwortete Vigeli trocken.

»Und im besten Fall?«

»Warten ein paar nette Waffen auf euch. Eilee? Erweist du uns die Ehre?«

»Natürlich Meister Brog, zu eurem Befehl. Doch auf einmal schaff ich es nicht dorthin«, stöhnte Eilee und verdrehte die Augen.

»Sei vorsichtig«, bat Aenwyn sie.

»Hey, nicht mein erstes Mal«, grinste die Hawkra. Eilee schloss die Augen und eine orange-nachtblaue Aura umhüllte sie. Der Geruch von verbranntem Holz und Schwefel ließ Teyl die Nase rümpfen.

Mit einem kaum hörbaren Windzug war Eilee verschwunden und tauchte wie aus dem Nichts nicht allzu weit vor ihnen wieder auf. Das Ganze machte sie ein paarmal und war an der verlassenen Scheune angelangt.

Die anderen beobachteten das Geschehen sicher vom Waldrand aus, der an die Senke grenzte.

Eilee schlich ein wenig um das Gebäude und gab ihnen nach ein paar Minuten ein Zeichen, dass alles sicher sei. Daraufhin machte sich der Rest auf den Weg. Es war seit Tagen das erste Mal, dass sie wieder durch Gras gingen. Teyl ließ seine Hand über die kniehohen Halme gleiten und genoss das Gefühl.

»Da wären wir. Schnell rein bevor uns jemand sieht« drängte Vigeli und öffnete die morsche Tür.

Spätestens jetzt, hätte man sie entdecken müssen, denn die rostigen Scharniere kreischten wie wild.

Teyl wagte sich zögerlich rein. Seit ihrer Ankunft rumorte sein Bauch, dabei hatte er nur das übliche zum Frühstück, oder lag es an etwas anderem?

Drinnen lag allerhand Stroh und verrostete Landwirtschaftsgeräte kreuz und quer herum. Es roch modrig und Norin hielt sich instinktiv die Nase zu. Ein paar Fliegen schwirrten umher und nervten die Eindringlinge.

»So Brog, wo sind sie nun die Waffen?«, fragte Halkar mürrisch.

»Vermutlich unter dem Stroh. Los, fangt an zu suchen.«, befahl Vigeli und schob ein paar Halme mit seinem Fuß zur Seite.

Daraufhin wuselten alle los. Ein jeder suchte an einem anderen Fleck. Nach fünf Minuten machte sich Ernüchterung breit.

»Es sind keine Waffen hier Vigeli«, sagte Teyl und warf eine Handvoll Stroh enttäuscht auf den Boden.

»Verdammt. Dieser Thalston. Er ist doch sonst so zuverlässig.« Vigeli ballte die Fäuste und sah hinauf zur Decke. Plötzlich weiteten sich seine Augen.

»Ein jeder, sofort raus. Zurück in den Wald!«, rief er und sah sie ernst an.

»Was ist denn lo…?«

Aenwyn ließ einen entsetzlichen Schrei los. Alle sahen zur Decke der Scheune hinauf und erstarrten. Die leblose Hand eines Mannes hing durch ein paar Bretter, die über die Balken gestapelt wurden. Sie war grau und fahl. Etliche Wunden und altes Blut waren deutlich zu sehen. Das erklärte die vielen Fliegen und den fauligen Geruch.

Teyls Herz raste. Sein Bauch hatte recht. Hier stimmte was nicht.

»Der ist doch schon tot Vigeli«, stänkerte Halkar.

»Aber noch nicht lange, vielleicht ein paar Tage. Los. Ich will nicht herausfinden, wer das getan hat und ob er auf uns lauert!«, rief Vigeli.

»Wir sollten wirklich weg. Wer auch immer das war, hat mit großer Sicherheit die Waffen«, drängte Ardyll.

»Bin deiner Meinung. Nichts wie weg«, entgegnete Eilee.

Wie der Blitz machten sich alle auf, um aus der Scheune zu fliehen. Ardyll und Teyl packten Aenwyn, die immer noch geschockt dastand und sich keinen Meter rühren konnte.

»Verdammt!«, konnte Teyl Eilee von draußen rufen hören. Teyl stolperte fast aus der Tür und hielt reflexartig die Hand schützend in die Höhe. Das eintreffende Sonnenlicht blendete ihn. Erst nach ein paar Sekunden erkannte er, dass sie umzingelt waren. Ardyll zückte seinen Bogen und Teyl schirmte die immer noch unter Schock stehende Aenwyn ab.

Es waren mehrere Menschen, drei Zwerge und ein Aquatar, gekleidet in dunkler Lederrüstung. Teyl war sich sicher, dass das keine Bauern waren, die Heu von der Scheune holen wollten.

Die Meute richtete ihre Waffen auf Teyl und seine Freunde. Eilee und Halkar machten sich kampfbereit.

»Ein Hinterhalt. Zumindest nicht die Helonische Armee so wie es aussieht.«

»Ja, wirklich beruhigend Vigeli. Große Klasse«, keifte Eilee.

»Vigeli Brog und seine Gefolgschaft. Was für ein Glückstag.« Ein muskulöser Mann trat vor. Selbst aus der Ferne erkannte man etliche Narben in seinem Gesicht. Er trug ein edles Schwert, was gar nicht zum Rest der Rüstung passte.

»Ich hab mir schon gedacht, dass du dahintersteckst. Wer sonst sollte Waffen an einem so abgelegenen Ort bringen lassen. Dein Name ist mittlerweile in aller Munde und es wurde eine saftige Belohnung auf dich ausgesetzt. Und nicht nur für dich«, sagte der große Kerl.

»Ja, und vielen Dank für die prächtigen Waffen. Die machen sich gut in unserem Arsenal. Leider mussten wir den Boten töten«, lachte einer der Zwerge.

»Söldner. Das hat uns noch gefehlt!«, wütete Vigeli.

»Ich mach‘s dir und deiner Truppe leicht. Leider seid ihr uns nur lebendig von Nutzen, also ergebt euch und wir können unnötiges Blutvergießen meiden«, spottete der Große von ihnen.

»Was sollen wir tun Vigeli?«, fragte Teyl und schluckte. Er umklammerte seinen Wanderstab mit aller Kraft. Sein Körper zitterte unentwegt.

Ein Schmerz durchfuhr seine Hand. Aenwyn klammerte sich fester an ihn. Er versuchte ruhig zu bleiben, sein Körper sah das anders.

»Na was schon? Wir erledigen die und holen uns die Waffen zurück«, grinste der Zeitprimaturg.

Teyl, Norin und Aenwyn sahen ihn erschrocken an.

»Kämpfen?! Und womit?«

»Ihr haltet euch zurück. So seid ihr uns im Moment noch von keinem Nutzen. Tut mir leid.«

»Ich kämpfe, auch wenn ich nur ein Beil hab«, sagte Duncan entschlossen und baute sich vor Teyl und Norin wie eine Wand auf. So wirkte er noch zwei Köpfe größer, wie er sonst schon war.

»Nein Duncan. Du…«

»Klappe Brog, lass Tann seinen Spaß, der weiß schon was er tut«, schnauzte Halkar ihn an.

Vigeli schnaubte genervt.

»Na schön, aber steh uns bloß nicht im Weg.«

Duncan grinste und zückte sein Beil.

Die Söldner lachten.

»Ach kommt schon. Denkt ihr, ihr habt gegen uns eine Chance? Ein paar von uns beherrschen sogar ihre Götterkräfte. Wollt ihr euch wirklich mit uns anlegen?«, spottete der Aquatar.

»Na und ob!«, rief Halkar und stürmte mit einem Satz auf ihn zu. Im Flug formte sich unter strohgelbem Licht eine Doppelkopfaxt in seiner Hand und vermischte sich mit Flecken aus dunkelroter Farbe. Für seine Größe war Halkar flink unterwegs und stand binnen weniger Sekunden vor einem überrascht blickenden Aquatar. Die Axt schmetterte auf ihn zu und erwischte ihn mit solcher Wucht, dass er nach hinten geschleudert wurde.

Halkar blickte ihn wütend an. »Was?! Nochmal Schwein gehabt, im letzten Augenblick deine Götterkräfte zum Schutz anzuwenden«, brüllte er und schwang seine Axt auf den Zwerg neben ihn. Der Aquatar stand unter Schmerzen wieder auf. Seine Hand war in Rinde gehüllt und schimmerte hellgrün. Dennoch war eine tiefe Kerbe darin zu sehen.

»Kampfunfähig machen! Verstanden?«, brüllte Vigeli und eilte Halkar hinterher. »Und ihr, in die Scheune!«

Das ließen sich die drei nicht zweimal sagen. Er und Norin halfen Aenwyn rein, die langsam wieder gehen konnte. Mit einem lauten Rums knallte Teyl die Scheunentür zu, öffnete sie dann aber doch einen kleinen Spalt, um das Geschehen zu beobachten.

Eilee griff an. Sie schwang sich durch den Äther und überraschte ihren Gegner von hinten. Mit dem Schaft ihrer Dolche schlug sie einen Zwerg bewusstlos, eher er reagieren konnte.

Ardyll nutzte seinen Bogen. Er schoss mit Götterkraft durchtränkte Pfeile, die beim Aufprall Ranken mit mitternachtsblauen Venen erzeugten.

Diese fesselten seine Gegner am Boden und ließen sie erschöpft verstummen.

Auch Vigeli beteiligte sich am Geschehen. Er fror die Arme, mit den Waffen seiner Angreifer, spielend in der Zeit ein und schlug seine wehrlosen Opfer dann zu Boden.

Die vier dominierten ihre Gegner mit Leichtigkeit. Duncan musste sich gewaltig anstrengen. Er wich den Dolchen eines Zwerges mit Müh und Not aus. Trotz seines Aussehens war er überaus flink. Die Waffen streiften ihn etliche Male und ließen Schnittwunden an seinem Arm zurück. Doch Duncan verzog keine Miene.

Teyl biss die Zähne zusammen. Wie gerne wäre er ihm zu Hilfe geeilt. Aber ohne Götterkräfte und einer anständigen Waffe hätte er keine Chance. Das hier war nicht die Akademie, mit den Trainingszirkeln, die tödlichen Schaden verhinderten. Nein, das hier war echt. Ihm blieb nichts weiter übrig, als Duncan im Geiste anzufeuern und zu hoffen, dass alles gut ginge.

Mit einem Mal leuchtete das Beil seines besten Freundes in einem lila-orangenen Licht auf und ein Knochengebilde umschlang den Griff und seinen Arm. Duncan drehte sein Beil auf die stumpfe Seite und donnerte es vertikal dem Zwerg entgegen. Der setzte zu einer Parade an, doch Duncans Schlag war so kräftig, dass es ihm nichts nütze und das Beil seine Verteidigung durchbrach und auf seinen Kopf prallte. Der Zwerg flog bewusstlos mit einem kurzen Aufschrei zu Boden.

Teyl fasste sich an den Mund. Es sah nach einem Massaker aus, selbst wenn sie die Söldner nur kampfunfähig machten.

Plötzlich flog ein Pfeil auf Halkar zu. Der drehte sich erschrocken um und sah ihn direkt zwischen seine Augen fliegen. Kurz davor stoppte er abrupt in einem türkisen Licht.

»Aufpassen alter Ork. Ich kann nicht alles überblicken«, rief Vigeli ihm zu und konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen.

Ehe Halkar sich versah, zerbröselte der Pfeil zu Staub.

»Alt!? Pah! Das hätte ich locker weggesteckt du Zeittrickser.«

»Gern geschehen.«

»Ja, danke«, entgegnete Halkar eingeschnappt.

Es waren noch vier Söldner bei Bewusstsein und Teyl starrte weiterhin fassungslos dem ganzen Geschehen entgegen. Klirren von Waffen. Blitze aus Götterkraft, die in der Gegend umherflogen. Beschworene Ranken, Dornen oder skelettartige Gebilde. Strohgelb-leuchtende Mauern mit Stacheln schossen aus dem Boden empor. Feuer und Eis bahnten sich einen Weg zu ihrem Opfer.

War Teyl bereit für so etwas? War er bereit, auch jemanden zu töten, der ihm oder einem seiner Freunde nach dem Leben trachtete? Angst machte sich in ihm breit.

Ein lauter Aufschrei riss ihn aus seinen zermürbenden Gedanken. Aenwyn lag am Boden und auf ihr ein blutverschmierter Mensch. Er drückte mit aller Kraft, die er aufbringen konnte, seine Hände an ihre Kehle. Seine Augen funkelten entschlossen. Teyl wollte ihr helfen, doch konnte sich keinen Zentimeter bewegen. Er sah nur zu, wie das Blut des Söldners Aenwyn ins Gesicht tropfte, die um Hilfe schrie. Es war kein Ardyll in der Nähe, der ihr hätte helfen können. Der war weiter vorne am Schlachtfeld.

»Teyl«, konnte er Aenwyn röcheln hören und sie blickte ihn flehend an. Er konnte im Moment keinen klaren Gedanken fassen, doch etwas musste er tun. Alle kämpften so entschlossen und er stand feige da und sah mit an, wie jemand Aenwyn erwürgen wollte.

Doch wie durch eine unsichtbare Kraft getrieben, nahm Teyl seinen Wanderstab in beide Hände und holte aus.

Tränen liefen ihm übers Gesicht.

Sein Stab knallte mit voller Wucht auf den Kopf des Söldners. Dieser verstummte sogleich und flog wie in Zeitlupe seitlich an Aenwyn vorbei, wo er dann dumpf am Boden aufschlug.

»Frau Faeleron!« Ardyll hetzte zu ihnen und blickte sie besorgt an.

»Geht es Euch gut? Was ist passiert?«

Weder Aenwyn noch Teyl brachten ein Wort heraus. Sie starrten sich benommen an. Hatte er ihn getötet?

»Das war der Letzte«, konnte er Halkar rufen hören und das Geräusch von klirrendem Metall und das Zischen von Pfeilen verstummte.

»Was ist denn hier passiert? Wo kommt der Kerl her?«, fragte Eilee. Teyl war zu geschockt, um irgendetwas zu sagen.

»Egal, los jetzt, wir müssen hier weg. Ich bin nicht scharf auf eine weitere Begegnung. Eilee. Halkar. Wir holen die Waffen von ihnen. Ardyll, kümmre du dich um Aenwyn. Duncan du holst Teyl und dann nichts wie weg hier«, rief Vigeli und zeigte Richtung Wald.

Ardyll hob seinen Schützling auf und eilte davon. Duncan kam auf Teyl zu. Er war immer noch wie paralysiert. Er hatte gerade jemanden getötet. Fassungslos ließ er sich von seinem besten Freund stützen, der ihn weg von der Scheune schliff, Richtung Wald.

Sie eilten, so schnell sie konnten weiter. Aenwyn und Teyl liefen bald wieder von selbst, doch der Schock saß noch tief in ihnen. Erst nach einer halben Stunde verschnauften sie.

»Ich glaube, das ist weit genug«, sagte Vigeli und sah sich misstrauisch um.

»Grandiose Idee, überall Boten rumzuschicken, nur für ein paar Waffen«, schnauzte Eilee ihn an.

»Nicht meine Beste. Aber ohne anständige Waffen wären wir noch leichtere Beute. Übrigens, gut gemacht«, murmelte Vigeli und klopfte Teyl auf die Schulter.

Er schwieg. Er hatte immer noch das Bild im Kopf, wie der Söldner regungslos zu Boden flog. Er ballte die Fäuste und funkelte Vigeli zornig an.

»Ich hab ihn umgebracht! Ich hab einen Menschen getötet! Was ist daran gut?«, brüllte er den Zeitprimaturgen an.

Alle starrten Teyl erschrocken an. Keiner sagte etwas. Es war eine unangenehme Stille.

Mit einem Mal lachten Vigeli, Halkar und Eilee lauthals los.

»Was ist so witzig daran? Ich hab jemanden ermordet!«

Eine Hand berührte Teyls Schulter.

»Der ist nur bewusstlos. Auch wenn du ihn ordentlich getroffen hast, wegen so eines Schlages stirbt man nicht sofort«, beruhigte ihn Ardyll.

»Aber …«

»Der Kerl hat noch geatmet. Wenn man genau darauf geachtet hat, konnte man es erkennen«, sagte Eilee und wischte sich ihre feuchten Augen trocken.

»Du hast richtig gehandelt Teyl. Ein Mitglied aus unserer Gruppe war in Gefahr und du hattest keine andere Wahl«, meldete sich Vigeli zu Wort.

»Er ist nicht tot?«

»Nein, wir haben keinen von denen getötet. Musste aber echt aufpassen, so hat‘s mir in den Fingern gejuckt. Dreckiges Söldnerpack«, sagte Halkar und grinste ihn an.

»Ich schulde dir meinen Dank Teyl. Du hast Frau Faeleron mutig beschützt. Derjenige, der sich schuldig fühlen muss, bin ich. Ich habe nicht aufgepasst«, sagte Ardyll und verbeugte sich vor ihm.

»Teyl.« Aenwyn fand ihre Stimme wieder. »Danke. Du hast mir das Leben gerettet. Ich … Ich hätte nicht erwartet, dass mir so etwas auf unserer Reise passiert.«

»Das hab ich doch gern gemacht Aenwyn. Schließlich sind wir Freunde.«

Sie kam näher und umarmte ihn. Teyl wusste, dass der Schock immer noch tief in ihr saß. Doch sie sagte nichts, sie lächelte nur.

»So, wie siehts aus? Jemand ernsthaft verletzt? Noch jeder alle Gliedmaßen dran?«, fragte Vigeli und sah in die Runde.

»Ach ein paar Kratzer, nichts Wildes«, sagte Eilee salopp und betrachtete ihre Arme und Schulter. Es waren leicht rötliche Striche, wie von einem Dornengestrüpp zu erkennen.

»Ha! Da muss unsere junge Cranneh wohl doch noch ein wenig mehr üben.«, lachte Halkar.

»Zumindest hätte ich nicht fast einen Pfeil zwischen die Augen bekommen.«

»Ach das …«

»Aenwyn, würdest du bitte unsere Verwundeten versorgen?«

»Natürlich Vigeli«, sagte sie und löste die Umarmung zu Teyl.

Lediglich Duncan, Eilee und Ardyll hatten was abbekommen. Wobei es seinen besten Freund am schlimmsten erwischt hatte. Er hatte etliche Schnitte von dem Zwerg mit den Dolchen einstecken müssen und eine Prellung von einer Keule. Sonst fehlte ihm nichts. Die anderen zwei hatten ein paar Schrammen und Kratzer. Für Aenwyn war es kein großer Akt, die Wunden zu verschließen und sie heilen zu lassen. Blattgrünes Licht erfüllte ihre Hand und nach wenigen Minuten waren alle Verletzungen versorgt.

»Du hast deine Lebensprimaturgenkräfte vortrefflich unter Kontrolle. Doch wie es aussieht, bist du schnell erschöpft«, lobte Vigeli Aenwyn.

»Danke. Ja, auch wenn ich schon viele Leute am Tempel geheilt habe, drei auf einmal ist neu für mich«, antwortete sie und atmete tief durch.

»Du bekommst schon noch Ausdauer darin. Heilen ist eine der schwersten Künste, die man mit Götterkraft ausführen kann.« Vigeli drehte sich wieder zu den anderen. »Nun, dann sollten wir jetzt die Waffen verteilen und aufbrechen. Wenn wir Pech haben, werden uns die Söldner verfolgen. Aber hoffentlich haben die ihre Lektion gelernt.«

Vigeli ging zu den Waffen, die Eilee und Halkar auf den Boden gelegt hatten.

»Mal sehen.« Er zog einen edel wirkenden Bogen hervor. Das Holz war weißlich lackiert. »Ah, Silberholz. Hart und dennoch biegsam. Und gleich zwei von der Sorte. Bespannt mit Erlonfasern, extrem reißfest. Ein Jammer, dass die Söldner damit nicht umgehen konnten. Hier Eilee und Ardyll für euch.«

»Silberholz? Ist ja der Hammer«, lachte die Hawkra und riss Vigeli den Bogen aus der Hand.

»Verschwendung. Die nutzt ihn ja eh nicht«, murmelte Halkar leise und erntete einen boshaften Blick von ihr.

»Habt dank Vigeli, ich werde diesen Bogen ehren«, sagte Ardyll und verbeugte sich.

»Zwei Äxte aus Schimmerstahl. Ein ausgeglichenes Material, aber hart wie Diamant. Hier Duncan und Halkar«

»Hab doch gesagt, ich brauch keine«, grummelte der Ork und nahm die weißlich schimmernde Doppelaxt an sich. Sie war größer als Halkar, was ihm gar nicht gefiel. Mit skeptischem Blick suchte er einen Weg, sie auf dem Rücken zu tragen. Duncan dagegen hatte da eher weniger Probleme. Er nahm sie mit funkelnden Augen an sich und roch gleich an der braunen Lederumwicklung.

»Genau mein Ding«, lachte er und ging rüber zu Halkar.

Vigeli machte weiter. Er zog zwei Dolche hervor. Sie sahen genauso aus wie die des Zwergs, gegen den Duncan gekämpft hatte. Der Stahl war dunkel und schimmerte rötlich.

»Delocinas Draconis. Oder besser bekannt als Drachenstahl. Hoch hitzebeständig und extrem scharf, wenn richtig geschliffen. Die zwei sehen mir ordentlich verarbeitet aus. Norin, Aenwyn. Hier. Passt verdammt gut auf, damit ihr euch nicht verletzt.«

Eingeschüchtert nahm der Aquatar vorsichtig den Dolch samt Scheide und bedankte sich.

»Ich weiß nicht ob ich das nehmen soll Vigeli«, sagte Aenwyn zaghaft.

»Du brauchst etwas, um dich zu verteidigen. Ich will dir keine Angst machen, aber solche Situationen wie vorhin können uns noch öfter blühen. Bitte nimm ihn«, erklärte Vigeli in aller Ruhe.

»Na gut. Hoffentlich muss ich ihn nicht verwenden.«

»Dass hoffen wir alle.« Vigeli drehte sie wieder zu Norin. »Warte. Hier, das brauchst du auch noch.«

Er reichte ihm einen kleinen Rundschild aus Metall. Dieser glänzte in den wenigen Sonnenstrahlen, die durch den Wald schienen. Es fanden sich keinerlei Verzierungen darauf. Lediglich das Lederband für den Arm war mit einem Zickzackmuster verziert.

»Aus Welleneisen. Damit solltest du klarkommen.«

»Der sieht schwer aus. Ich weiß nicht so recht.«

»Es ist Welleneisen. Es bietet erstklassigen Schutz bei leichtem Gewicht. Probier ihn.«

Zögerlich nahm Norin den ellenlangen Schild. Mit einem Ruck und einem überraschten Gesicht hob er ihn ohne Probleme nach oben.

»Er ist ja wirklich leicht.«

»Sag ich doch.«

Es waren noch drei Waffen da. Zwei Einhandschwerter und ein hölzerner Stab mit einem grünen Kristall an der Spitze.

»Teyl. Die zwei Klingen sind für uns. Flinkstahl. Komischer Name, ich weiß. Doch du wirst gleich merken wieso«, sagte Vigeli und gab ihm eines der Schwerter. Es sah recht gewöhnlich aus. Etwas kürzer wie sein Arm und die dunkelgraue Parierstange ging bogenförmig zur Klinge.

Teyl nahm es und ließ es fast fallen. Es war schwerer, als der Name vermuten ließ. Teyl zog eine enttäuschte Miene.

»Hast dich wohl vom Namen in die Irre leiten lassen, oder?«

»Was ist so besonders an diesem Schwert?«

»Schwing es«, sagte Vigeli und ging einen Schritt zurück.

Teyl betrachtete die Klinge. Hat er nur ein stinknormales Schwert bekommen und alle anderen Raritäten? Er rümpfte die Nase und erhob seine Waffe. Mit einem kräftigen vertikalen Hieb ließ er es gen Boden gleiten. Plötzlich krachte es mit einem Affenzahn tief in die Erde. Teyl wurde nach vorne gerissen, konnte aber noch die Balance halten. Er blickte erschrocken zu Vigeli auf.

»Was war das?«

»Wird es geschwungen, beschleunigt es sich selbst für einen kurzen Augenblick. Lass dich von Halkar damit trainieren, sonst richtest du mehr Schaden an als Gutes. Ich nehme das Gleiche. Wobei ich es vermutlich nicht benutzen muss.«

»Und für wen ist der hier?«, fragte Teyl und hob einen knorrigen Stab mit einem grünen Kristall an der Spitze auf.

»Aenwyn, komm bitte noch einmal her.«, sagte Vigeli und riss ihm den Stab aus der Hand. Sie trat näher heran und begutachtete ihn.

»Der ist für dich. Es ist etwas ganz Besonderes. Hat mich gewundert, dass Thalston es beschaffen konnte.«

»Danke, was ist es?«

»Es ist ein Kampfstab für Personen mit Lebensgötterkräften. Man kann sagen eine Seltenheit. Durch den Kristall fällt es dir leichter, deine Götterkräfte zu fokussieren, doch nur, wenn du sie für den Kampf verwendest oder, was weiß ich, Wurzeln beschwörst. Für Heilung ist er komplett unbrauchbar.«

»Vielen Dank Vigeli. Schade, dass er nur Gewalt hervorbringt«, sagte Aenwyn und nahm in enttäuscht an sich. Keinen eines Blickes würdigend ging sie von Vigeli und Teyl davon.

»Sie verabscheut Gewalt, weißt du?«

»Ja Teyl. Doch sie muss lernen, dass das Leben nicht nur aus Frieden besteht. Eine stete Balance ist erforderlich. Und dazu gehört auch Krieg oder besser gesagt Gewalt.«

»Wie bei den Götterkräften, also bei uns Normalen, nicht euch Primaturgen?«, überlegte Teyl.

»Halte stets die Balance. Genau. So kann man es sehen. Und darum müssen wir auch den Dämonenstein vernichten. Er bringt eine zu große Imbalance in dieses Land.«

»Verstehe. Dann sollten wir uns beeilen.«

»Richtig Teyl Ganters.«

Der verschlungene Baum

Nach zwei verregneten Tagen waren sie an ihrem Ziel. Die Hütte des Todesprimaturgen war nah am verschlungenen Baum. Dieser verschluckte inzwischen die gesamte Landschaft, so dass sie vor sich nur noch dieses ineinander geflochtene Gebilde von Bäumen sahen.

»Gigantisch. Der erstreckt sich ja mittlerweile wie eine Wand vor uns kilometerweit in den Himmel«, staunte Teyl und warf seinen Kopf in den Nacken. Ein Regentropfen knallte ihm ins Auge und er senkte seinen Blick wieder.

»Wie hoch wohl die Spitze sein mag«, entgegnete Duncan.

»Das weiß man nicht genau. Die wenigen die es wagten, diesen heiligen Baum zu erklimmen, wurden nie mehr gesehen«, erklärte Vigeli und ging schnurstracks an den beiden vorbei.

»Und es gibt keine Möglichkeit dort hoch zu fliegen?«, fragte Norin.

»Theoretisch schon. Da wären zum einen die Plateaugleiter, seltene Kreaturen aus der Bikalisteppe. Flügeln mit langen Federn, messerscharfen Klauen und spitzen Reißzähnen. Ihr Kopf ähnelt dem eines Wolfes. Schwer zu zähmen. Genauso wie der Helonische Sternpelz.«

»Sternpelz? Das sind doch nur Märchen Vigeli«, lachte Teyl und übersprang eine große Pfütze.

»Denkst du? Ich kannte mal jemanden, der hatte einen.«

»Die gibt es wirklich?«

»Ja, ich hätte es auch nicht für möglich gehalten, doch ich hab ihn gesehen. Ähnelt einem Bären, anmutig wie ein Löwe, dunkelblau wie die Nacht mit einem langen Schweif. Sein Fell funkelt, als würden tausend Sterne in ihm innewohnen. Er kann auf magische Weise durch die Lüfte gleiten«, erklärte Vigeli.

»Aber in den Märchen hieß es immer, dass der Sternpelz nur einer reinen Seele erscheint, die in Not ist.«

»Dem ist wohl so. Wie auch immer. Diese Kreaturen können luftige Höhen erreichen, doch ich hörte, dass keines dieser Wesen in die Nähe dieses Baumes will. Er scheint eine unangenehme Wirkung auf sie zu haben. Womöglich wären Drachen in der Lage an die Spitze zu gelangen. Doch wie ihr wisst, hat man seit Jahrhunderten keine mehr gesehen. Sie sind vermutlich alle in den vergangenen Kriegen ums Leben gekommen.«

»Und was ist mit dem Volk der Hawkra? Könntest du da nicht hochfliegen Eilee?«, fragte Teyl und sah seine Ausbilderin für Athletik an, die ihm einen skeptischen Blick schenkte.

»Können vielleicht, doch je näher wir diesem Ding kommen, desto unwohler fühle ich mich. Als sollte ich nicht hier sein.«

»Erstaunlich. Er scheint solch eine Wirkung auf alle flugfähigen Wesen zu haben. Wie dem auch sei. Weiter. Wir haben die Hütte des Todesprimaturgen bald erreicht. Doch ich hab so ein Gefühl, dass wir wieder zu spät sind.«, warf Vigeli ein und forderte die anderen mit einer unterschwelligen Handbewegung auf, weiter zu gehen.

Teyl verweilte einen kurzen Augenblick und starrte nach oben.

Eilee hatte recht. Ein merkwürdiges Gefühl beschlich ihn. Es war anders, als das, was er in der Scheune hatte. Er konnte es nicht definieren, doch es ließ ihm seine Nackenhaare zu Berge stehen. Aenwyn hatte ja erzählt, er wäre das Tor in die Anderswelt. Das Reich, in welches die Seelen Verstorbener eingehen. Ob es was damit auf sich hat?

»Teyl, komm schon«, rief Vigeli.

Teyl schüttelte dieses ungute Gefühl schnell ab und eilte den anderen hinterher, den kalten Hauch in seinem Nacken ignorierend.

Es war Abend und in der Dämmerung kamen sie an ihrem Ziel an, der Hütte des Todesprimaturgen. Es hatte inzwischen aufgehört zu regnen und sie spähten, im Schutz der Bäume, das Gebäude aus. Einladend wirkte es nicht. Das Holz war morsch und von Moos überzogen, ebenso wie das Dach. Totenschädel hingen wie unheilvolle Beobachter von der Traufe oder den Pfetten herunter. Diese hatten schon bessere Tage gesehen. Manche wurden sogar ersetzt, durch etwas, das aussah wie gewaltige Riesenknochen. Ein Windspiel aus Gebeinen sang eine unselige Melodie.

»Wirkt nicht gerade einladend. Als sollten wir nicht hier sein. Auf dem seinen Grundstück wächst kein Grashalm. Unheimlich«, murmelte Eilee und sah sich um.

»Bin deiner Meinung. Geradezu gespenstisch«, stimmte Duncan ihr zu.

»Was habt ihr erwartet? Gepflegter Rasen und bunte Blumenbeete? Das ist die Hütte eines Todesprimaturgen. Wenn die sich mit etwas auskennen, dann mit Verfall und Nekromantie«, sagte Vigeli trocken und ließ seinen Blick über die Gegend rund um das Gebäude wandern.

»Denkst du, er lebt noch Vigeli?«, fragte Aenwyn und setzte eine besorgte Miene auf.

»Ich seh etwas im Fenster flackern, vielleicht eine Kerze. Es ist noch zu hell, um es genau zu sagen. Wir sollten warten.«

»Aber keine Ewigkeit. Etwas hier fühlt sich seltsam an. Wie, wenn irgendetwas mich nicht hier haben will«, sagte Eilee bedrückt.

»Was los junge Cranneh? Wirst doch nich etwa Angst haben?«, lachte Halkar.

»Hab ich nicht!«, entgegnete sie bissig und blickte den alten Ork grimmig an. Schnell wechselte sie ihren Blick wieder Richtung verschlungenen Baum. »Irgendetwas ist da draußen.«

»Sie hat recht. Ich krieg mittlerweile eine regelrechte Gänsehaut, je näher wir kommen«, sagte Duncan und schüttelte sich, wie wenn er dieses Gefühl einfach abwerfen möchte.

Eilee warf ihm einen ernsten Blick zu. »Das sagst du doch nur, um mich aufzumuntern, oder? Darauf kann ich verzichten.«, entgegnete sie scharf.

»Nein, ich meine das ernst, wirklich.«

»Genug! Lager aufschlagen und warten. Verzichtet auf ein Feuer. In einer Stunde sehen wir uns das genauer an«, stoppte Vigeli die beiden, konzentrierte sich aber schnell wieder auf die Hütte. »Vielleicht haben wir ja Glück, und er lebt noch.«

Teyl sah nochmal zum Heim des Primaturgen. Eilee und Duncan hatten recht. Irgendetwas sagte ihm, dass sie nicht hierhergehörten. Doch er wollte keine weitere Diskussion vom Zaun brechen. Er atmete tief durch und versuchte, dieses Gefühl des unerwünschten Eindringens loszuwerden. Leider ohne Erfolg.

Nach exakt sechzig Minuten trommelte Vigeli alle zusammen.

»Hergehört. Wir gehen in die Hütte. Wie ihr sehen könnt, flackert etwas im Fenster. Also ist er vermutlich zuhause und womöglich lebt er noch«, erklärte Vigeli und zeigte auf die Hütte des Todesprimaturgen.

»Soll ich wieder auskundschaften?«, fragte Eilee.

»Nein. Dieses Mal gehen wir gemeinsam hin.«

Sie nickte und zückte ihren Dolch.

»Bereit? Dann los«, befahl Vigeli und alle brachen mit einem Satz auf.

Vorsichtig schlichen sie im Schutze der Dunkelheit und des hohen Grases, welches rapide weniger wurde, zur Hütte. Einzelne Regentropfen fielen nieder, ehe es aus allen Kübeln goss. Doch das war gut für sie. Die dunklen Wolken verbargen sie vor dem hellen Mondlicht.

Nach ein paar Minuten standen sie vor dem gusseisernen Gartentor.

»Ganz schön rostig. Wir sollten über die Mauer. Nicht, dass wir beim Öffnen von dem Ding da mehr Krach machen als wir wollen«, schlug Eilee vor.

»Gute Idee. Also rüber da«, bestätigte Vigeli und schwang sich elegant mit einem Satz über die dürftige Natursteinmauer. Der Rest der Truppe tat es ihm gleich. Teyl nahm Anlauf und nutzte beim Überspringen seinen Arm als Stütze auf der Mauer.

Schlagartig zog es ihm die Hand seitlich weg und er landete mit einem leisen Aufschrei am Boden, im Matsch.

»Teyl! Ruhe!«, ermahnte ihn Vigeli.

»Entschuldigt. Bin ausgerutscht.«

Er stand vorsichtig wieder auf. Seine Kleidung war halb in Schlamm getränkt. Sein Gesicht und seine Haare hatten ebenfalls was abbekommen.

»Geht es dir gut? Hast du dich verletzt?«, fragte Aenwyn ihn besorgt.

»Nein. Bin nur etwas dreckig«, entgegnete er und grinste. Zum Glück war es dunkel und sein Gesicht voller Schlamm. Die rote Farbe, die ihm in den Kopf stieg, sagte alles. Ein jeder hatte es ohne Probleme rüber geschafft, er natürlich nicht.

Aenwyn blickte ihn erleichtert an und Ardyll reichte Teyl die Hand und half ihm auf.

»Danke. Die Steine sind echt glitschig.«

»Keine Ursache.«

»Los, weiter. Schauen wir durchs Fenster«, nörgelte Vigeli genervt und trat näher an die Hütte heran. Ein unangenehmes Knacken und Knirschen war zu hören. Der Zeitprimaturg bliebt abrupt stehen.

»Was war das?«, flüsterte Norin erschrocken.

Vigeli sah nach unten, um zu prüfen, was dieses Geräusch verursacht hatte.

»Okay. Lasst eure Blicke lieber oben. Ihr wollt gar nicht wissen, was da unten ist. Noch besser, bleibt erst einmal, wo ihr seid, bis ich die Lage in der Hütte kenne«, sagte er und deutete mit dem Finger nach oben. Teyl hatte so eine Ahnung, wollte aber keinesfalls eine Bestätigung für seine Annahme.

Vigeli setzte noch vorsichtiger und bedachter einen Fuß vor den anderen. Doch dieses komische Geräusch unter ihm konnte er nicht ganz vermeiden.

Er bahnte sich seinen Weg bis zum Fenster der Hütte und spähte vorsichtig durch das trübe Glas. Die anderen beobachteten ihn aufmerksam.

»Okay«, sagte Vigeli und drehte sich mit einer ernsten Miene zu ihnen um. »Wir sind zu spät.«

»Was?! Er ist tot?«, fragte Teyl entsetzt.

»Kommt, gehen wir rein. Vielleicht finden wir Hinweise, wohin Adlan als Nächstes geht«, sagte Vigeli und ging zur Tür der Hütte, begleitet von dem deutlichen Knacken und Knirschen unter seinen Füßen.

Frust machte sich in Teyl breit. War Adlan so schnell? Verlieh ihm der Dämonenstein so große Macht? Wie sollten sie ihn dann jemals einholen?

»Wir müssen ihn doch irgendwann mal erwischen«, sagte Eilee und schüttelte den Kopf.

»Das werden wir schon noch. Kommt.« Vigeli öffnete die morsche Holztür und trat hinein. Die anderen folgten ihm mit angespannter Miene. Bei jedem Schritt machte der Boden weiterhin diese verstörenden Geräusche.

»Wow, riecht ganz schön modrig hier drinnen«, sagte Eilee und hielt sich die Nase zu.

Teyl schauderte. Jemand lag am Boden. »Ausgedorrt. Wie die anderen Primaturgen«, sagte er, als er die Leiche eines alten Mannes sah, über die Vigeli gebeugt war.

»Ja, das war eindeutig der Dämonenstein. Und jetzt haben wir ein Problem«, sagte Vigeli ernst und studierte den Leichnam.

»Noch mehr Probleme? Haben wir nicht genug?«, fragte Eilee und Teyl konnte ihr Augenrollen förmlich hören.

»Von hier aus könnte er nach Moson oder Nib Alur aufgebrochen sein. Doch wo sich dort die nächsten Primaturgen befinden kann ich nicht sagen.«

»Na toll, und jetzt? Marschieren wir auf gut Glück einfach irgendwo hin?«, fragte Halkar genervt.

»Nein, vorerst nicht. Vielleicht finden wir hier Hinweise. Ich gehe stark davon aus, dass Adlan den kürzesten Weg zum nächsten Primaturg mit dunklen Götterkräften nehmen wird. Ein weiterer Anhaltspunkt wäre noch, dass dieser entweder sehr jung oder alt sein muss.«

»Also sollen wir die Hütte durchsuchen Vigeli?«, fragte Aenwyn und starrte den Leichnam traurig an.

»Ja. Schaut, ob ihr irgendetwas findet. Jede noch so kleine Information kann uns helfen.«

Sofort machten sich alle an die Arbeit und durchforsteten die Hütte. Obwohl sie von draußen schäbig aussah, war drinnen ordentlich aufgeräumt und alles fein säuberlich sortiert.

»Was ist das für Zeug?«, fragte Teyl und deutete auf Regale mit verstaubten Totenschädel, Augen und Eingeweide in Einmachgläsern und viele andere makaberen Gegenstände.

»Er war wohl auch Alchemist. Hat sich mit nekromantischen Gebräuen und Beschwörungen beschäftigt«, vermutete Vigeli und begutachtete ein Buch auf dem Schreibtisch. »Aber hier ist nichts. Keine Aufzeichnungen oder Notizen. Suchen wir weiter.«

Sie suchten eine geschlagene Weile nach Hinweisen und bald machte sich Ernüchterung breit.

»Nichts. Hier ist absolut nichts Brauchbares«, jammerte Teyl und warf einen angespitzten Knochen wieder ins Regal.

»Ich hab auch sämtliche Schränke durch. Übersehen kann man hier kaum etwas, wo doch alles so ordentlich aufgeräumt ist«, entgegnete Aenwyn.

»Das ist es.«

Alle drehten sich zu Norin um.

»Hast du was gefunden?«, fragte Ardyll.

»Nicht wirklich, aber findet ihr es nicht auch komisch, dass alles so ordentlich und sauber wirkt? Als hätte hier kein Kampf stattgefunden?«

»Adlan scheint ihn eben überrascht zu haben«, entgegnete Eilee und sah sich nochmal um.

»Oder er wusste, dass Adlan kommen würde.« Der Zeitprimaturg ging wieder auf den Leichnam zu. »Entweder wusste er wirklich von nichts, oder er hat auf ihn gewartet. Womöglich hat er sich auf seinen Tod vorbereitet.«

Vigeli grübelte vor sich hin. »Wenn er wusste, dass sein Tod bevorsteht, hat er vielleicht irgendwas hinterlassen. Etwas, was wir übersehen haben.«

»Und was könnte das sein? Kannst du nicht die Zeit zurückdrehen, damit wir sehen können, was passiert ist?«, fragte Teyl.

»Ich kann sie verlangsamen oder beschleunigen. Rückwärtslaufen geht nicht.«

»Schaut! Sieht die Position, in der er am Boden liegt, nicht komisch aus?«, sagte Norin aufgeregt.

»Sie zeigt auf etwas, seht.«

Er hatte recht. Die leblose Hand des Todesprimaturgen deutete auf ein Regal mit Totenschädel.

»Los, schaut euch die Schädel an. Irgendeiner muss einen Hinweis enthalten«, sagte Vigeli.

Teyl sprang auf und lief rüber zum Regal mit den Schädeln.

Es waren viele darin, nicht nur Menschen-, Elfen- oder Orkschädel, sondern auch kleinere Tierschädel. Die dicke Staubschicht auf ihnen brachte Teyl fast zum Niesen. Doch bevor das passieren konnte, gingen ihm die Augen auf und er nahm einen heraus. »Der hier vielleicht?«

Teyl reichte Vigeli einen kleinen Schädel, der zu einem Kobold passte.

»Kein Staub, relativ sauber. Aber wenn ich ihn mir so ansehe, kann ich nichts Besonderer erkennen.«

»Der Kerl war doch Todesprimaturg, oder?«, fragte Duncan.

»Mhm«, antwortete Vigeli trocken, ließ den Totenkopf aber nicht aus den Augen.

»Und er hat so komische Nekro… was auch immer Rituale gemacht, richtig?«

»Ja Duncan. Auf was willst du hinaus?«

»Na ja, vielleicht hat er diesen Schädel verzaubert und man kann ihn irgendwie erwecken und er erzählt uns, was passiert ist, oder so«, erklärte Duncan verlegen.

»Die Idee ist gar nicht mal so übel. Doch nicht nur Muskeln, sondern auch ein wenig Grips«, scherzte Eilee.

»Nun gut. Scheint momentan unser bester Anhaltspunkt. Duncan, du bist der Einzige in der Gruppe mit Todesgötterkräften neben deinen anderen. Dann sprich mal mit ihm«, sagte Vigeli und warf Duncan den Schädel rüber. Er fing ihn gerade noch rechtzeitig auf.

»Und wie soll ich das machen? Ich hab bis jetzt nur ein paar Knochengebilde beschworen, mehr nicht.«

»Dachte ich mir schon. Versuch dich zu konzentrieren. Anstatt Knochengebilde zu beschwören, lass die Götterkräfte in den Schädel wandern. Vergiss aber nicht deine Stärkegötterkräfte ebenfalls zu benutzen. Leite sie irgendwo ab. In deine Beine oder wo auch immer. Hauptsache du machst den Schädel nicht kaputt«, erklärte Vigeli und lächelte ihn ermunternd an.

»Gut. Ich versuch es mal.«

Duncan schloss seine Augen und konzentrierte sich. Eine flackernde violette Aura bildete sich um seine Hände und um seine Füße eine orange. Das Licht umfasste den Schädel.

»Super Duncan, mach weiter«, jubelte Teyl.

»Stör ihn nicht. Das kostet ihn gerade seine ganze Konzentration«, sagte Vigeli und bat ihn, mit einem Handzeichen still zu sein.

Teyl verdrehte die Augen. Im war klar, dass er recht hatte. Aber er war beeindruckt. Duncan konnte seine Götterkräfte schon beachtlich kontrollieren. Gut, im Vergleich zu Eilee oder Halkar war das nur ein Bruchteil, aber das halbe Jahr an der Akademie hatte ihn ein ganzes Stück nach vorne gebracht. Enttäuscht starrte Teyl zu Duncan und dem Schädel. Schade, dass er seine noch nicht hatte.

Sein bester Freund stand fokussiert weiterhin da, doch wie sehr er sich auch konzentrierte, es tat sich nichts. Schließlich löste er die Konzentration und die Götterkraftauren verblassten.

»Tut mir leid«, sagte Duncan erschöpft, »keine Ahnung, wie ich das machen soll.«

Alle blickten enttäuscht drein.

»Ach mach dir nichts draus Junge. Nekromantie ist nicht gerade leicht«, munterte Halkar ihn auf.

»Er hat recht. Genau wie mit Lebensgötterkräfte jemanden zu heilen ist Nekromantie einer der schwersten Künste«, stimmte Vigeli zu.

Teyl blieb plötzlich die Luft weg und wurde blass.

»Leute …«, stammelte er.

Alle starrten auf den Schädel, den Duncan in der Hand hielt. Seine Augen leuchteten unheimlich violett und er ließ ihn vor Schreck fallen. Doch das Glühen hörte nicht auf.

»Hab … hab ich’s etwa geschafft?«, fragte er erstaunt.

»Scheint so«, lachte Vigeli und ging vorsichtig auf den Koboldschädel zu. Langsam kniete er sich hin und streckte die Hand danach aus.

»Seid wachsam Meister Brog«, warnte ihn Ardyll.

Kurz nachdem er diese Worte ausgesprochen hatte, drehte sich der Schädel ruckartig um und die glühenden Augen starrten an die Decke. Vigelis Hand zuckte zurück, doch sein Gesichtsausdruck blieb unbeeindruckt. Auf einmal bewegte sich der Kiefer des Schädels und eine unheimliche piepsige Stimme erfüllte den Raum.

»Nib… Alu…«

Schlagartig verstarb die Stimme wieder und die glühenden Augen erloschen.

»Das Elfenreich! Dann geh ich mal davon aus, dass wir Adlan dort finden werden«, sagte Vigeli und erhob sich wieder.

»Na toll. Nib Alur ist riesig und besteht fast nur aus Wäldern. Der könnte überall dort sein«, grunzte Halkar.

»Aber unser bester Anhaltspunkt. Sofern der Schädel die Wahrheit sagt«, seufzte Eilee.

»Zurecht. Wir haben keine andere Wahl als diesem Hinweis zu folgen«, sagte Vigeli zufrieden. »Na dann, brechen wir auf.«

Teyl hörte plötzlich ein Wimmern. Nicht von draußen, nein es war in seinem Kopf. Ein trauriger, eisiger Klageschrei. Es ließ ihm die Haare zu Berge stehen und seinen Magen verkrampfen.

»Hier stimmt was nicht«, sagte er.

Alle sahen hinüber zu ihm. Er war kreidebleich und zitterte am ganzen Körper.

»Hört … hört ihr das denn nicht?«, fragte er und starrte aus dem Fenster, Richtung verschlungener Baum.

»Nein, was sollten wir denn hören?«, fragte Aenwyn besorgt.

»Ich hör’s auch. Es begann, nachdem der Schädel aufgehört hatte zu sprechen. Ge-geplagte Stimmen, die irgendetwas flüstern«, stotterte Duncan. Die Angst stand ihm ins Gesicht geschrieben.

»Ich hab von vornherein gesagt, dass ich mich in der Nähe dieses Baumes unwohl fühle. Etwas ist hier. Wir sollten sofort verschwinden«, drängte Eilee.

»Schnell. Packt den Schädel ein und nichts wie raus«, rief Vigeli und schlug die Tür auf. Das ließ sich keiner zweimal sagen.

Teyl und Duncan entrissen sich ihrem Schrecken und machten sich auf den Weg. Panisch stolperte er den inzwischen matschig gewordenen Weg zum Tor des Zauns entlang. Der Regen hatte zugenommen und der Himmel war von noch dunkleren Wolken bedeckt. Ein unheimlicher violetter Schimmer spiegelte sich in ihnen.

»Stopp!«, rief Vigeli und blieb abrupt stehen.

Keiner fragte wieso, denn sie konnten es deutlich sehen.

Vor ihnen erhoben sich unheimliche violette Lichter. Sie waren transparent, doch ihr Aussehen nahm nach kurzer Zeit die Form verschiedenster Völker an. Ihre Gesichter waren zu düsteren Fratzen deformiert und leblose Augen starrten sie an.

»Vigeli, was sind das für Dinger?«, fragte Eilee entsetzt. Bevor der Zeitprimaturg antworten konnte, übernahm das ein anderer.

»Seelenechos. Auf tragische Weise Verstorbene. Sie warten noch immer auf die Erlaubnis des Ogrumun, dem Torwächter der Anderswelt, um die Grenze von dieser in die andere Welt überschreiten zu dürfen. Doch aus welchem Grund auch immer, ist es ihnen nicht gestattet zu passieren.«

Alle starrten Halkar an.

»Woher weißt du das?«, fragte Eilee erstaunt.

»Hab auch’n bisschen Grips.«

»Meister Breitaxt hat recht. Verlorene Seelen, wenn man so will«, sagte Ardyll und stellte sich schützend vor Aenwyn.

»Sie fangen an, uns zu umzingeln. Was tun wir jetzt?«, fragte Norin zitternd.

»Wir müssen einen Ausweg finden«, sagte Vigeli ernst und sah sich hoffnungslos um.

»Verdammt. Es werden immer mehr.«

»Das seh ich auch Eilee, doch wir können nicht ...«

»Egal. Dann bahnen wir uns einfach einen Weg durch sie hindurch«, rief Eilee und zückte ihren Dolch.

»Nein!«, brüllte Vigeli, doch es war zu spät.

Eilees Götterkraftaura blitze kurz auf und sie tauchte aus dem Äther hinter einem dieser Seelenechos auf, dessen Gestalt an einen Satyr erinnerte. Sie schlug mit ihrem Dolch zu. Dieser ging einfach hindurch. Die Hawkra stand erschrocken vor der schwebenden Seele, die sich langsam zu ihr umdrehte.

»Du Närrin!«, rief Vigeli. »Schnell Ardyll, hol sie zurück!«

Mit einem Satz tauchte der Elf bei Eilee auf und verschwand mit ihr im Äther, ehe die beiden wieder bei den anderen erschienen.

Teyls Herz schlug ihm bis zum Hals. Er atmete erleichtert aus. Die beiden waren in Sicherheit. Dieses Satyr-Seelenecho sah aber nicht so aus, als würde es sich über Eilees Aktion freuen.

»Das sind nicht-materielle Wesen. Unsere Waffen haben keine Wirkung auf sie. Diese Dinger können dir das Leben aussaugen und gerade hast du es noch schlimmer gemacht. Sieh!«, erklärte Vigeli wütend.

Eilee sah zu dem Satyr Seelenecho. Ein orangenachtblauer Schimmer bildete sich um ihn. Langsam erhob er seinen Arm und urplötzlich entlud sich ein gewaltiger Blitz, der Eilee und Ardyll entgegendonnerte. Im letzten Augenblick konnten sie zur Seite hechten und das Projektil aus Götterkraft schlug mit verheerender Wirkung im Haus ein.

Eine laute Explosion ertönte gefolgt von unerträglicher Hitze. Teyl hielt sich schützend seine Hände um den Kopf.

Nach ein paar Sekunden kehrte wieder Ruhe ein und sie blickten zum Haus des Todesprimaturgen.

»Verdammt!«, stammelte Teyl. Dort wo dieser Blitz eingeschlagen hat, war ein perfekt kreisförmiges Loch zu sehen. »Was war das?«

»Sie absorbieren Götterkräfte und können diese zurückschleudern«, erklärte Vigeli und stand auf.

»Und wo sind die Trümmer? Es gab eine Explosion«, fragte Duncan zitternd.

»Im Äther. Eilees Dolch war mit Äthergötterkräften durchtränkt. Diese Kräfte können Feinde nicht nur schwächen, sondern auch Objekte verschwinden lassen«, erklärte Ardyll und half Aenwyn auf.

»Entschuldigt. Ich wusste nicht, dass die so gefährlich sind«, gab Eilee kleinlaut von sich.

»Nicht immer mit dem Kopf durch die Wand junge Hawkra. Bist doch sonst nicht so ungestüm«, warf Halkar ein und half Norin auf, der am ganzen Körper zitterte.

»Egal. Wir müssen uns einen anderen Ausweg suchen. Uns bleibt nichts übrig, als näher zum verschlungenen Baum zu flüchten. In dieser Richtung kann ich keine Seelenechos sehen«, sagte Vigeli und packte Teyl und Norin am Arm.

»Noch näher an das Ding ran? Da kommen doch noch mehr. Wie sollen wir da flüchten können?«, brüllte Eilee energisch.

»Es ist im Moment unser einziger Fluchtweg. Wir müssen unbedingt Abstand gewinnen. Und zwar so lange, bis die Sonne aufgeht. Laut Aufzeichnungen lassen sie dann von einem ab.«

»Kann uns Eilee nicht über sie hinweg fliegen?«, fragte Aenwyn.

»Sieh hoch junge Elfin. Ein paar schweben bereits über uns«, sagte Vigeli. Alle blickten nach oben. Der Zeitprimaturg hatte recht. Viele violette Lichter waren am Himmel zu sehen. Sie ließen kaum eine Lücke für eine Flucht durch die Lüfte.

»Vigeli hat recht. Richtung Baum ist im Moment unser einziger freier Weg«, sagte Teyl und sprintete los.

Alle eilten ihm hinterher, nur Duncan stand wie eine Salzsäule da. Er starrte der Armee aus unheimlichen violetten Lichtern entgegen.

»Los Duncan. Wir müssen weg!«, rief Eilee panisch.

»Duncan, komm schon«, versuchte es Teyl. Keine Reaktion von ihm. Er stoppte abrupt und lief zu seinem besten Freund. Im Hintergrund setzten sich die Seelenechos in Bewegung und kamen immer näher.

»Duncan?«, fragte er und legte seine Hand auf seine Schulter.

»Teyl … ich …«, stotterte er.

»Was ist los? Wir müssen weiter«, sagte er und sah zu dem zwei Köpfe größeren Duncan hinauf. Er schreckte zurück. Er erkannte seinen besten Freund kaum wieder.

Duncan starrte mit dem ängstlichsten und starrsten Gesichtsausdruck den Seelenechos entgegen, den Teyl jemals von ihm gesehen hatte. So hatte er seinen Freund noch nie erlebt.

»Ich, ich habe große Angst vor diesen Dingern. Ich …«, stotterte er.

Angst? Duncan hatte noch nie vor etwas Angst gehabt. Er war immer der Mutigste von ihnen. Stellte sich entschlossen, und ohne groß nachzudenken, seinen und Teyls Widersachern entgegen. Er schreckte vor keinem Kampf zurück. Aber das hier ließ ihn wie einen verängstigten Jungen zittern.

»Hey, Großer«, sagte Teyl ruhig, »Es ist okay. Komm mit uns. Bald haben wir es geschafft und du wirst diese Dinger nie mehr sehen.«

»Teyl …«, entgegnete Duncan. Er konnte seinen Blick nicht von den immer näherkommenden Seelenechos abwenden.

»Sieh mich an«, forderte Teyl ihn auf.

Langsam glitt Duncans Blick hinunter zu ihm.

»Es ist okay, wenn du Angst hast. Aber du bist auch ziemlich mutig. Der mutigste Kerl, den ich kenne. Besinn dich darauf und lass ab. Wir müssen weg. Dreh dich um. Dort sind keiner dieser Dinger. Dort sind wir sicher«, probierte Teyl ihn zu überzeugen.

Duncan zögerte, doch schluckte dann seine Furcht runter und drehte sich um. Sein Gesicht war immer noch geprägt davon, aber er ließ sich nichts anmerken.

»Gehen wir Teyl. Ich will weg von hier«, sagte Duncan.

»Klasse gemacht. Los.«

Sie alle rannten wie der Wind. Gelegentlich tauchten unverhofft ein paar Seelenechos aus dem Boden auf. Sie waren zum Glück nicht schnell und ein jeder schaffte es, ihnen auszuweichen.

Inzwischen waren sie unter der äußeren Krone des verschlungenen Baums angelangt, die den freien Himmel verdeckte.

»Wie lange soll das noch so weiter gehen Vigeli? Dort vorne kommen die ersten Bäume, die mit dem Großen verbunden sind. Sieht zwar nach Wald aus, aber ist es keinesfalls«, wetterte Eilee.

»Noch ein Stück. Kurz davor rennen wir links weiter. Wir sollten auch bald auf die Grenze zu Nib Alur stoßen.«

»Das wird uns aber nicht von diesen Seelenechos befreien, oder?«, brummte Halkar.

»Nein, aber dann haben wir wieder ein gutes Stück geschafft«, grinste Vigeli.

»Jetzt ist dem auch noch zum Spaßen zumute. Dämlicher Zeitprimaturg«, fluchte Halkar.

»Das wird nicht klappen Vigeli«, rief Teyl und deutete auf die linke Seite.

Auf einmal erschien eine ganze Reihe violetter Lichter aus dem Boden, wie eine Wand.

»Verdammt. Die sind ja überall. Dann weiter direkt zum Baum. Wir müssen wohl in diesen waldähnlichen Teil«, donnerte Vigeli mit wütender Miene.

»Klasse, genau da wollen sie uns doch haben«, sagte Eilee angespannt und blieb erschöpft stehen. »Wieso warten wir dann nicht gleich hier auf unseren Tod?«

»Eilee Cranneh! Los, weiter. Wir müssen auf jeden Fall überleben!«, brüllte Vigeli sie an.

»Nein! Ich kann nicht mehr! Dieses zermürbende Gefühl ist mittlerweile so immens, dass es mir den Kopf zermartert. Ich halt das keine Sekunde länger aus!«, entgegnete sie Vigeli scharf.

»Eilee, bitte. Wir müssen es wenigstens probieren«, versuchte Teyl sie umzustimmen und blieb stehen. Die Hawkra wirkte erschöpft. So hatte er sie zuletzt gesehen, als sie all ihre Götterkräfte im östlichen Sturmwald für Teyls Rettung nutzte. Vom bisschen Rennen konnte das nicht kommen. Sie war schließlich Ausbilderin für Athletik an der Akademie.

»Also sollen wir hier einfach auf unseren Tod warten? Ernsthaft?«, fauchte Halkar sie an.

Eilee schwieg und atmete erschöpft durch.

»Vielleicht gibt es noch einen anderen Weg.«

Alle drehten sich zu Norin um, der ein Buch lesend ein paar Meter neben ihnen stand.

»Das ist jetzt wohl nicht der richtige Zeitpunkt zu lesen, oder Norin?«, fragte Teyl entgeistert. Der Aquatar ignorierte ihn und blätterte seelenruhig im Buch.

»Oh bei den Göttern, mit was für einer Truppe bin ich hier unterwegs?! Stümper. Frischlinge, die nicht kämpfen können. Eine Primaturgin die nur heilen kann – nichts für ungut Aenwyn – und eine Leseratte«, fluchte Halkar und stampfte wütend in den Boden.

»Nein, warte«, sagte Vigeli und ging auf Norin zu. »Dieses Buch, ist das ...?«

»Ich hab es aus der Hütte des Todesprimaturgen mitgenommen. Es ist ein Buch über Nekromantie. Ich … ich dachte, es könnte noch hilfreich sein«, stotterte er, weiterhin aufmerksam jede Seite überfliegend.

»Aber wer soll das denn anwenden? Das erfordert jahrelange Übung und Duncan kann noch nicht mal richtig mit seinen Götterkräften umgehen«, sagte Halkar genervt.

»Nach was auch immer du suchst Norin, beeil dich. Wir sind bereits umzingelt«, stresste Teyl und ging langsam rückwärts zu ihm.

Er und die anderen sahen sich um. Ein Kreis aus Seelenechos hatte sich um sie gebildet. Selbst der Himmel hatte sich violett gefärbt.

Hektisch blätterte Norin weiter im Buch. Auf einmal hielt er inne.

»Das hier. Das hier könnte uns helfen«, sagte er enthusiastisch und ging mit dem Buch rüber zu Duncan.

»Norin, ich glaub, ich kann sowas nicht«, stammelte er.

»Probier es. Es scheint nicht schwer zu sein. Wir können sie zwar nicht vertreiben, doch sie werden uns in Ruhe lassen, solange du deine Götterkräfte aufrechterhältst.«

»Ich weiß nicht. Diese Art, meine Kräfte zu nutzen, macht mir eine gewaltige Angst.«

»Jetzt reiß dich am Riemen Tann. Willst du, dass wir hier krepieren?«, brüllte Halkar ihn an.

»Ihn anzuschreien hilft doch auch nichts«, maßregelte Vigeli ihn. Beide sahen sich daraufhin ernst in die Augen.

»Ruhe jetzt!« Eilees Stimme drang jeden durch Mark und Knochen. Nicht einmal den Regen konnten sie für einen Moment hören.

»Ich hasse es jemanden um einen Gefallen zu bitten. Aber Duncan, probier es. Du hast mir schon einmal das Leben mit deinen Todesgötterkräften gerettet, und zwar im Sturmwald. Und ich glaube fest daran, dass du es auch jetzt schaffst. Selbst wenn es eine neue Art ist, wie du deine Götterkraft nutzt. Bitte, rette uns«, sagte Eilee sanft und lächelte.

Duncan sah überrascht zu der Hawkra auf. Mittlerweile wusste Teyl, dass sie sehr stolz war und immer alles alleine schaffen wollte. Doch gerade schluckte sie diesen – wenn auch mit großer Anstrengung – hinunter und flehte Duncan an, sie alle zu retten.

»Eilee, ich …«, stotterte er, setzte aber wieder sein übliches, grimmiges Gesicht auf. Doch es strahlte voller Tatendrang. »Okay, ich probier’s.«

Erleichterung machte sich in jedem breit. Neue Hoffnung schwelgte an.

Teyls klopfendes Herz beruhigte sich ein Stück. Der Mut seines besten Freundes war zurückgekehrt.

»Okay Duncan. Du musst deine Todesgötterkräfte um dich herum fokussieren. Erschaffe eine Art Barriere, mit dem Gedanken, du wärst einer von ihnen. Dann vergrößere diese Blase, so dass wir alle reinpassen. Mehr musst du nicht tun«, erklärte Norin.

»Leichter gesagt als getan, aber versuchen wir’s«, entgegnete Duncan und wandte sich den anderen zu. »Und wenn wir hier raus sind, dann will ich von Nekromantie oder diesem Buch nie wieder was hören, klar?«

»Meinetwegen«, sagte Vigeli und verdrehte die Augen. »Los. Kommt zusammen.«

Die Seelenechos kamen immer näher. Duncan schloss seine Augen und konzentrierte sich. In seinen Füßen waberte wieder die orangene Aura seiner Götterkräfte der Stärke und um seine Handflächen die des Todes.