Darf ich dich Schatz nennen und so tun als wären wir zusammen? - Andrea Schmid - E-Book

Darf ich dich Schatz nennen und so tun als wären wir zusammen? E-Book

Andrea Schmid

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Beschreibung

Es begann in Facebook. Lennart, Diagnose Gehirntumor, unheilbar. Die virtuelle Freundschaft entwickelte sich sich zu einer tiefer werdenden Beziehung, weit von der Normalität entfernt. Sie reiste nach Paris, um ihm beizustehen. Durch eine Verwechslung am Flughafen lernte sie Daniel kennen und verliebte sich in ihn. Nie erlebte Gefühle, nie gekannte Leidenschaft. Zu Hause wartete ihr Partner, wusste von nichts. Hin- und her gerissen zwischen Paris und Regensburg, zwischen drei Männern, die verschiedener nicht sein konnten. Eine Reise durch die eigene Vergangenheit, eine aufregende Konfrontation mit der Gegenwart, eine Zukunft mit ungewissem Ausgang. Und eine unerwartete Wende ganz zum Schluss.

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DARF ICH DICH SCHATZ NENNEN UND SO TUN ALS WÄREN WIR ZUSAMMEN??

© 2018 Andrea Schmid

Verlag & Druck: tredition GmbH, Hamburg

ISBN

Paperback

978-3-7469-2780-0

E-Book

978-3-7469-2782-4

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Mit Facebook fing alles an...

Nie wollte ich da rein. Ich, auf dem Präsentierteller! Das hat Konsequenzen, finde ich etwas toll, wird das exzessiv durchgezogen. Suchtmensch a’la carte.

Mein Bruder ließ mir keine Ruhe. Bingo, schon war ich im Netz. Adrenalin pur in diesem Moment. Es kamen jede Menge Freunde um die Ecke. Diese Beiträge, jeder hatte etwas zu sagen, für die Lachmuskeln war ebenfalls gesorgt. Diese Welt gefiel mir. Mein Sohn mit seiner Harley durfte natürlich nicht fehlen, mit seinem Einverständnis versteht sich. Sein einziger Kommentar:

»Mom, dein Ego!«

Ich weiß, er braucht das nicht. Starker Charakter, selbstbewusst, ehrlich. Wenn ich meine Kindheit mit seiner vergleiche, wird klar, ich hole mir im Netz die Aufmerksamkeit, die ich als Kind niemals hatte. Nie!

Mein Partner, ich werde ihn Gecki nennen, ist froh, wenn er mit all dem nichts zu tun hat, er sitzt beruflich täglich vorm Bildschirm.

»Du weißt schon was du tust,« ist des Öfteren sein Kommentar.

Für viele bin ich...

»Die auf’m roten Teppich«.

Ich arbeite in einem Store, mit rotem Teppich ausgelegt. Die besten Chefs der Welt, ein geregeltes Einkommen, einen Partner, auf den man sich verlassen kann. Mein Sohn ist der Kracher. Jackpot…!

Dennoch, irgendetwas läuft nicht rund, egal. Als ich wieder im Netz zugange war, fiel mir ein junger Mann auf, er veränderte alles.

Lennart.......!

Ein Westfale in Paris, 35 Jahre jung.

Kein Romantiker, denn Süßholzraspler habe und möchte ich nicht in meiner Liste. Ich stolperte über einen Beitrag, der mich auf ihn aufmerksam machte.

»Habe MS, bin trotzdem geil!«

Es dauerte nicht lange, schon war ich auf seiner Seite, ich nenne es mal ironisch, stalken. Am 13. Februar gab Lennart ins Netz:

»Morgen ist Valentinstag, wer möchte mein Valentinsschatz sein?«

Ohne weitere Kommentare.

Neugierig und ungeduldig, so bin ich vor 58 Jahren raus aus meinen Eierschalen.

Es packte mich! Ich wollte alles von diesem Menschen, der so einsam und fern von dieser Welt lebt, erfahren. Ich sah es als meine Aufgabe, Lennart zu helfen. Ein junger Mensch mit diesem Schicksal hat sicher etwas zu erzählen.

Ich kontaktierte ihn. Bingo...!

Sein erster Kommentar:

»Du darfst mich Lenny nennen.«

Mein Herz pochte etwas schneller als sonst. Flieg nicht zu hoch, du weißt nicht, wie du aufprallst und ich bin weiß Gott des Öfteren in meinem Leben auf den Boden geknallt. Doch es macht alles Sinn, wenn man zwischen den Zeilen liest. Wer A sagt, muss gar nichts, oder doch? Meine Neugier, größer als die Vernunft. Doch was heißt schon, Vernunft?!

Was hier geschah konnte kein Zufall sein.

Dieser Mensch, klug, ehrlich in seinen Erzählungen, introvertiert, frech, nicht scheu, und doch zurückhaltend, erzählte mir alles. Seine Geschichte begann mit den Worten:

»Ich hab weder Huntington, noch Creuzfeldt Jakob, MS wurde mir bestätigt. Leider ergab der Biopsie-Befund, dass mutierte Zellen an sämtlichen Organen wuchern. Komme soeben vom Arzt. Es sieht so aus als habe ich einen Hirntumor. Das ist so surreal. Vielleicht träume ich ja nur. Das wird es sein.

Ich will den Arzt anrufen und fragen, ob das wirklich stimmt. Ich kann mir das nicht vorstellen.«

Am nächsten Tag schrieb Lenny:

»Ich war heute Morgen beim Arzt und wir haben uns unterhalten. Er wollte eigentlich gestern noch vorbeikommen, aber der Berufsverkehr in Paris ist... na ja ich nenn es mal leicht chaotisch. Er ist sich zu 85% sicher, dass es ein Hirntumor ist. Ich werde eine Woche im Krankenhaus bleiben müssen. Wenn die Diagnose gesetzt ist, fängt die Therapie an. Ich soll mich nicht zu sehr aufregen. Tumor heißt nicht immer gleich früher Tod.«

Es war an der Zeit Lenny nach seiner Familie zu fragen.

»Zu meinen Eltern habe ich keinen Kontakt. Mein Bruder und meine Schwester sind vor fünf Jahren bei einem Autounfall gestorben. Wir kamen zu dritt nach Paris. Mein Bruder ist frontal in einen Sattelzug rein, bei 90 kmh.«

Das musste ich erst mal sacken lassen.

Ich erschrak auf die Frage nach Freunden...

»Freunde? Ich bin ein miserabler Gesprächspartner und Mensch, rate warum ich alleine bin!

Vor ein paar Jahren ist meine Frau verstorben, wir hatten gerade erst geheiratet. Wir waren zusammen an den Docks wo das britische Kriegsschiff aus dem zweiten Weltkrieg vor Anker liegt. Wir standen gerade am Pier, sie ist einfach umgekippt und ins Wasser gefallen. Der Arzt sagt, sie war tot bevor sie im Wasser angekommen war, aber woran sie gestorben ist weiß man nicht. Der einzige tröstliche Gedanke daran ist, dass sie nicht gelitten hat.

Jetzt muss ich mich damit abfinden, dass es für mich endet. Aber gleich wer uns im Leben verlässt und ins Totenreich einzieht, dort wo sie jetzt sind, geht es ihnen vielleicht besser. Der Tod ist nur ein Übergang in einen anderen Zustand. Forscher sagen nach dem Tod kann es kein nichts geben. Es gibt kein nichts. Wir wechseln nur in einen anderen Zustand. Ob wir uns dessen bewusst sind ist eine andere Frage.«

Erst mal n Kaffee. Ich hatte dennoch Zweifel, zu spät, war schon drin...

…im Boot!

Hypochonder ist mein zweiter Vorname, ich dachte ebenfalls über das Helfersyndrom nach. Mir war egal, was die anderen sagen, ich wollte den Kontakt zu Lenny nicht abbrechen. Warum? Ich hatte nichts zu verlieren!

Er ist ein Mensch, der oft mit einer gewissen Ironie um die Ecke kommt.

Es dauerte zwei Tage, bis er antwortete:

»Ich bin immer durch den Wind. Manchmal weiß ich gar nicht warum ich in einen Raum gegangen bin und was ich dort machen wollte. Oder ich gehe einkaufen, vergesse aber genau, dass was ich brauchte. Am schlimmsten ist es aber im Bett, denn ich vergesse beim Schlafen immer die Uhrzeit im Auge zu behalten. Hust.«

Da war es wieder. Hust! Auf diese Art macht er auf seinen Witz und seinen Humor aufmerksam. So schlecht kann dieser Mensch nicht sein.

Er schrieb erneut:

»Ich geh nachher ein bisschen durch die Stadt, das Wetter lockert sich gerade etwas auf.

Ich sitze gerne im Parc de la Légion d’ Honneur um mal den Kopf freizukriegen. Und in der Kathedrale ist es praktisch still.

Verlieb dich nicht in mich. Hust.«

Da war sie wieder, seine schelmische Art.

»Junge, ich bin viel zu alt für dich, ich könnte deine Mutter sein, mein Sohn ist fast in deinem Alter, okay er ist 27, du bist frech.«

»Ich bin der liebste Mensch der Welt. Ne, manchmal sage ich etwas, bevor ich nachdenke...Hust. Übrigens, die Fotos, die ich reingestellt habe, sind mindestens 15 Jahre alt. Du würdest mich, denke ich, nicht wiedererkennen, solltest du irgendwann vor mir steh’n. Es sind die Tabletten.

Werde mich jetzt um meine drei Lieblinge kümmern.«

Es dauerte zwei Stunden bis er mich wissen ließ, dass er seine Viecher meinte, er nannte seine Lieblinge Viecher. Die drei heißen Schlabberhose, Fellstiefel und Aurelia. Für Namen hat er ein Händchen, das muss man ihm lassen.

Ich vernahm die letzten Worte von Lenny, bevor er in die Klinik kam.

»Das ist das Schöne an Paris... Es gibt in der Stadt freies Internet... Ich höre gerade Sophie Ellen Baxtor. Ich habe sie mal in der Stadt getroffen beim shoppen und sie hat mir ein Schmatz auf die Wange gegeben. Da war ich total platt. Ich erinnere mich gerne an sowas... Möchte noch Ellie Golding kennen lernen, ich liebe diese Frau abgöttisch. Und ich möchte Neuseeland sehen. Ich heul gerade wie ein Schlosshund.«

Ich fand das alles surreal. Ellie, wer ist Ellie Golding? Egal. Ein Treffen mit ihr muss her. Überraschung, so was geht immer, wenn jemand sterbenskrank ist. Ich googelte. Eine Sängerin in London. Zweimal schrieb ich ihr, herzzerreißend. Ich schrieb Lenny, ein Treffen mit Ellie zu planen. Eine Woche verging.

Ich kontrollierte öfter die Zeiten, wann er online war. Es blieb nur abzuwarten bis er sich meldet. Was er schrieb ließ mich zweifeln, ich war sauer!

»Ich bin im Krankenhaus. Aber unfreiwillig, weil mich so ein Depp angefahren hat. Mein rechtes Bein ist Matsch, der Arm ist gebrochen, drei Rippen sind gequetscht und ich hab ne Gehirnerschütterung noch dazu. Grmml.«

Ich war skeptisch, so forderte ich das Attest seiner Krankheit, Fotos, ich wollte alles. Er schrieb:

»Ich hab gestern die Biopsie Befunde bekommen und der Hirntumor ist bestätigt. Mein Arzt sagt auch, dass der Tumor bereits gestreut hat. Sämtliche Organe sind befallen. Er ist inoperabel. Mit der Chemo kann ich noch ein paar Monate rauskitzeln.

Ironie der Geschichte, ich hatte erst meinen Master gemacht, und hab für’s Alter vorgesorgt. Werde meiner Mom nichts erzählen, weil noch ein Kind zu verlieren, würde sie zerstören. Dann hat sie keinen mehr und ich war ja immer schon ihr kleiner Liebling. Ich brauch jemanden, der sich um mein Profil bei Facebook kümmert, sollte ich nicht mehr da sein. Da kann man die E-Mail von jemanden eintragen, der dann für den Nachlass zuständig ist und das Profil in den Erinnerungszustand schalten kann. Das ist zwar unwichtig aber für die, die mich immer kontaktieren sollten wissen was los ist wenn ich nicht mehr schreibe.

Ich möchte Sex. Hust.«

Er bekam aus Verlegenheit einen Lachsticker.

Höchste Zeit, meine Fragen zu stellen:

»Ich möchte Fotos, sofort. Dein Krankenzimmer, dein Attest, dein Gipsbein, alles! Es ist wichtig für mich, zu wissen mit wem ich es zu tun habe! Wir sind hier im Netz, ich bin ein Original wie du siehst, ich bin echt.«