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Wenn man sich in ein Monster verliebt, wird man selbst zu einem, oder? Dass Emilia irgendwann Graysons Hilfe braucht, damit hat selbst sie nicht gerechnet. Denn eigentlich kann sie sich selbst schützen und verteidigen. Doch am Ende ist es nur Grayson, der sie aus der Brutalität befreien kann, die Emilia umgibt. Denn ein Monster kann nur von einem Monster getötet werden …
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Veröffentlichungsjahr: 2025
Alexa B.
DARK SINNER
Du wirst leiden
(Spanish Mafia Band 4)
DARK SINNER – Du wirst leiden (Spanish Mafia)
© 2025 VAJONA Verlag GmbH
Originalausgabe bei VAJONA Verlag GmbH
Lektorat: Patricia Buchwald
Korrektorat: Désirée Kläschen und Susann Chemnitzer
Umschlaggestaltung: Julia Gröchel,
unter Verwendung von 123rf
Satz: VAJONA Verlag GmbH, Oelsnitz
VAJONA Verlag GmbH
Carl-Wilhelm-Koch-Str. 3
08606 Oelsnitz
Für alle Bookgirls da draußen, die auf ihren eigenen Killer warten, der jeden für sie umbringen würde.
Dieses Buch ist für euch.
Hinweis
In diesem Roman werden Themen behandelt wie: Gewalt, Blut, Hassrede, detaillierte sexuelle Inhalte, Entführung, Messerspielchen, sexualisierter Schmerz, detaillierte Folterungen, Missbrauch, häusliche Gewalt, unmoralische Handlungen, Geschlechtsverkehr neben einer Leiche, Verzehr von Insekten, Kurze Erwähnung von Pädophilie, Szene kurz vor einer Vergewaltigung
Die folgende Geschichte ist nichts für schwache Nerven. Grayson ist kein Mann, der einem mit Gnade begegnet. Sei bereit, dein Verlangen einem Killer zu schenken, oder lege das Buch zur Seite.
Grayson Credence legt keinen Wert auf jegliche Moral und könnte dir womöglich ein Messer ins Herz rammen. Also sei ein braves Mädchen und gehorche ihm. Dann hast du nichts zu befürchten.
Bitte mit Bedacht lesen und nun viel Spaß!
In Liebe,
Alexa.
I. Teil
Ich werde entführt.
Ich versuche zu schreien, doch kein Ton verlässt meine Lippen. Es liegt nicht an der Hand, die mir fest den Mund zuhält, sondern an der panischen Angst, die mein Blut gefrieren und meine Stimme verstummen lässt.
Trotz der lähmenden Angst geht an mir nicht vorbei, dass ich zu einem Transportwagen geschleift werde. Ich bringe meine ganze Kraft auf, um mich gegen den festen Griff zu wehren. Doch es hat keinen Sinn. Wer auch immer mich von hinten gepackt hat, er ist um einiges stärker als ich.
Ich weiß nicht, wie viel Zeit vergangen ist, als ich aufhöre, gegen den Mann anzukämpfen. Sobald der helle Kastenwagen in mein Blickfeld gerät, erschlaffe ich.
Es ist vorbei.
Ich kann nichts gegen mein Schicksal tun.
Der strenge und faulig-süßliche Geruch von Gras steigt mir in die Nase.
»Ein schönes Ding bist du. Das muss ich ihm lassen«, knurrt mein Entführer mir ins Ohr. Dabei kann ich seinen heißen Atem spüren und der verfaulte Gestank verstärkt sich.
Mit einer Hand öffnet er den Kofferraum. Gleich darauf greift er nach dem Panzertape, das dort auf mich gewartet hat. Ich schüttle den Kopf und winde mich in seinen Armen. Doch am Ende schafft er es trotzdem, mir den Mund zuzukleben. Kurz darauf folgen meine Hände, die aneinandergefesselt werden. Egal wie sehr ich mich dagegen sträube, er bekommt letztlich, was er will.
»Rein mit dir! Und versuch ja nicht, einen Fluchtweg zu finden. Das endet nicht gut für dich, Kleine.«
Er stößt mich auf die Ladefläche des Transporters und schließt die Türen hinter mir. Bevor ich die Zeit hatte, mich umzudrehen, um einen Blick auf meinen Entführer zu werfen. Dunkelheit macht sich im Wageninneren breit.
Verschwitzt lehne ich mich an die Wand des Transporters. Das Adrenalin in mir pulsiert. Gerade als ich meinen Körper zwingen will, sich aufzuraffen, um zu schauen, ob mir irgendetwas im Wageninneren zur Flucht verhelfen könnte, überkommt mich der Schwindel. Mein Kopf beginnt zu dröhnen und nur ein Gedanke verankert sich in meinem Gedächtnis, als die Schwärze mich vollständig übermannt.
AC. Diese Buchstaben hatte er auf seinem Unterarm tätowiert.
Ich darf das nicht vergessen.
Nicht vergessen.
Starke Arme packen mich von hinten. Meine Einkäufe fallen zu Boden und eine raue Hand nimmt mir die Chance zu schreien. Panik kommt in mir auf.
Ich will schreien.
Will schreien.
Schreien.
Ich reiße die Augen auf. Sie brennen fürchterlich und mein Hals ist staubtrocken. Erst nachdem ich mehrmals geblinzelt und mich an die dunklen Lichtverhältnisse gewöhnt habe, sehe ich, wo ich bin. Es war kein Albtraum, der mich heimgesucht hat.
Nein. Es war die scheußliche Realität.
An die kalte Steinwand gelehnt, versuche ich, mich aufrecht aufzusetzen. Mit pochendem Kopf schaue ich mich um. Nichts außer gräulichem Stein, einer Glühbirne an der Decke des Raumes und einem mitgenommenen Stuhl in der Ecke ist zu entdecken. Nichts, was mir dabei helfen könnte, zu flüchten oder mich zu verteidigen, wenn er wieder auftaucht. Sofort macht sich Angst in meinem Inneren breit.
Wo zur Hölle bin ich hier?
Und wieso?
Wer könnte bitte schön Interesse an mir haben?
Ich bin keine Person von Bedeutung. Im Gegensatz zu meinen Freunden bin ich ein Niemand. Und bevor ich zur spanischen Mafia kam, war ich allein. Keiner kannte Emilia Sophie Grave und vermutlich wird sich nach der heutigen Nacht auch nie etwas daran ändern. Aber wie es aussieht, bin ich nicht so unbedeutend, wie ich gedacht hatte.
Warum sonst sollte sich jemand die Mühe machen, mich nach dem Einkaufen an meinem Auto zu erwarten und zu entführen?
Ich wollte nur die Zutaten für das Frühstück besorgen, das nun allerdings ausfallen wird. Denn das ist es, was ich bin.
Das Hausmädchen von La Casa. Sie sind zwar alle meine Freunde, doch ich arbeite auch für sie. Um genau zu sein, für Damian Hernández. Den mächtigsten Mafiaboss Spaniens. Und da ich diese Dinge gerne selbst in die Hand nehme …, bin ich losgefahren.
Nie hatte ich Probleme damit, erst spät am Abend die Einkäufe zu erledigen. Aber wie es scheint, kommt meine Gewohnheit nun, um mich zu verhöhnen.
Die anderen werden merken, dass du weg bist.
Sie kommen dich holen.
Deine Freunde werden dich retten.
Es ist die hoffnungsvolle Stimme in meinem Kopf, die mich schon immer hat positiv denken lassen. Allerdings fällt mir das in dieser Situation um einiges schwerer. Denn eine Rettung erscheint mir aussichtslos. Die anderen sind am Schlafen und ich stelle das Auto nie auf dem Parkplatz des teuren Supermarkts ab.
Wieso? Weil ich eine miserable Autofahrerin bin und einiges an Platz zum Ein- und Ausparken benötige. Das bedeutet: Keine Kameras werden aufgenommen haben, wie ich entführt wurde. Niemand wird gesehen haben, wie man mich in den Transporter gezerrt hat, da kaum jemand um diese Uhrzeit in den Seitengassen Madrids unterwegs ist.
Aus gutem Grund.
Meine Wertsachen liegen vermutlich noch auf der Straße – wenn sie nicht schon längst geklaut worden sind. Das Einzige, was ich besitze, ist die Kleidung an meinem Körper, meine schwarze Brille und die Haarklammer, welche meine Haare zusammenhält. Daran mag es liegen, dass ich momentan nicht ganz so hoffnungsvoll bin wie sonst. Ich friere und der kalte Steinboden, auf dem ich sitze, macht es nicht angenehmer.
Es könnte schlimmer sein, Emilia.
Er könnte hier sein und was auch immer mit dir anstellen.
Als die Worte meiner inneren Stimme verklungen sind, höre ich, wie eine Tür sich quietschend öffnet. Sofort richte ich mich auf und gehe in den Verteidigungsmodus. Doch kein Selbstverteidigungskurs hätte mich auf das vorbereiten können, was als Nächstes passieren wird.
Er wird dir wehtun, Emilia.
Er wird dich verletzten.
Und du kannst nichts dagegen tun.
Jegliche Positivität ist verschwunden. Meine hoffnungsvolle Stimme hat mich verlassen.
Kapitel 1 Grayson
Das Video verfolgt mich. Ich weiß nicht, woran es liegt. Doch der grausame Film, auf dem unser Hausmädchen zu sehen ist, macht mich wütend.
Du verweichlichst, wie all die anderen um dich herum. Du wirst zu einem von ihnen. Zu Abschaum. Zu einer Lachnummer. Zu einem Schwächling.
Ich umklammere die Waffe in meinen Händen fester.
Sie war halbnackt an einen Stuhl gefesselt und bewusstlos. Was hatte dieses Arschloch ihr angetan, dass ihr Verstand lieber dichtmachte, als länger Zeuge seiner abartigen Tat zu werden?
Es sind erst vierundzwanzig Stunden vergangen, als wir besagtes Video von Ángel erhalten haben. Ich dachte, wir hätten ihm ein Ende bereitet, als wir ihn gemeinsam zusammengeschlagen haben. Doch wie es aussieht, lebt diese Ratte noch. Und er hat Emilia. Ich hätte ihm eine Kugel ins Gehirn schießen sollen, als es noch nicht zu spät dafür war.
Aber das ist es jetzt. Zu spät.
Er hat sie und wir haben keinerlei Anhaltspunkte, wo die beiden sich aufhalten. Wir waren uns sicher, er wäre tot. Vor allem da der Nachtclub kurz darauf lichterloh in Flammen stand.
Du bist unaufmerksam geworden, Grayson. Ein wahrer Credence wäre niemals so dämlich gewesen, einen Mann aus Versehen am Leben zu lassen.
Mit blutig geschlagenen Knöcheln richte ich die Waffe in meinen Händen nach vorn. Ich ziele auf den roten Boxsack, an dem ich zuvor – ohne Boxhandschuhe – meine Wut ausgelassen habe. Dann drücke ich den Abzug und lasse drei Schüsse ab.
Denkst du, auf ein unbewegliches Ziel zu schießen, macht dich stärker? Habe ich dir so was Lächerliches beigebracht?
Hass durchflutet meine Adern, als ich wutentbrannt die Waffe zu Boden donnere. Das Gummigranulat des Boxsacks strömt aus den offenen Löchern und der Sack fällt in sich zusammen. Doch das interessiert mich nicht. Die spanische Mafia hat genug Geld, um sich einen neuen leisten zu können. Allein dieser Trainingsraum strotzt mit seiner breiten Fensterfront, den modernsten Fitnessgeräten und dem speziell angefertigten Boden vor Reichtum. Und das ist noch nichts im Gegensatz zum gesamten Hernández-Anwesen.
Hinter mir höre ich feste Schritte, und sobald ich mich umdrehe, blicken mir drei Wachmänner entgegen. Sie heben ihre Waffen. Doch als sie erkennen, dass ich es bin, der den Lärm verursacht hat, senken sie ihre Arme.
»Mal wieder nur ich, Männer.« Belustigt breite ich die Arme aus. Es ist nicht das erste Mal, dass einer meiner Wutanfälle zu einem falschen Alarm führt.
»Der Boss verlangt von Ihnen, dass Sie sich in seinem Anwesen benehmen, Señor Credence«, beschwichtigt mich einer der drei breitgebauten Leibwächter.
Ich grinse und fahre mir durch die braunen Haare, die mir in die Stirn fallen. »Wenn ich mich recht entsinne, dann verlangt er auch, dass ihr mir Respekt erweist und auf meinen Befehl hin reagiert, wenn ich euch einen erteilen sollte.«
Nur wenige Schritte trennen mich von den Wachmännern und in ihren Gesichtern kann ich erkennen, dass sie mir nicht trauen.
Natürlich tun sie das nicht.
Keiner vertraut einem Monster, außer man trägt sein eigenes in sich.
»So ist es, Señor Credence.« Es ist schon wieder der Typ in der Mitte, der mir antwortet. Die beiden Männer neben ihm scheinen verstummt zu sein oder sie wollen es sich einfach nicht mit mir verscherzen. Was schlau von ihnen sein würde, denn mich ausgerechnet jetzt zu provozieren, wäre ein Fehler.
Ein Fehler, der nur mit einem Leben beglichen werden kann.
»Gut, dann verschwindet.«
Die beiden Männer zur linken und rechten Seite möchten gerade kehrtmachen, als der Wachmann in der Mitte die Hand hebt.
»Es ist unsere Aufgabe, nach dem Rechten in diesem Anwesen zu sehen. Der Frieden muss gewahrt werden.« Er hebt das Kinn und streckt die Hand aus. »Ihre Waffe, Señor Credence.«
Töte ihn. Er zeigt dir keinerlei Unterwürfigkeit. Töte die, die es wagen, dir zu widersprechen.
»Eure Aufgabe ist es, mir zu gehorchen, wenn ich euch etwas befehle.« Meine Stimme ist ruhig. Zu ruhig, als dass es etwas Gutes bedeuten könnte. Der Mann mir gegenüber senkt seine Hand widerwillig.
»Wir dienen zum Wohle der spanischen Mafia«, entgegnet er.
»Richtig. Und ich bin eines der führenden Mitglieder, deshalb sage ich es jetzt ein letztes Mal: Verschwindet.«
Der Mann links nimmt seinen Kameraden am Arm, um ihn dazu zu bringen, mit ihnen zu verschwinden. Doch er bewegt sich kein Stück. Zu schade für ihn.
»Du«, ich deute auf den Linken. »Erschieß ihn.«
Schockiert reißt er die Augen auf. »Er ist mein Freund. Ich kann ihn nicht –«
»Töte. Ihn.« Es ist die letzte Warnung, bevor ich die Sache selbst in die Hand nehme. Der Typ in der Mitte schüttelt leicht den Kopf, doch sein Blick bleibt stur. Er glaubt nicht, dass sein Freund es tun wird. Doch dann hebt sein Kamerad die Waffe und schießt ihm in den Kopf.
Der Wachmann fällt rückwärts zu Boden. Ich lächle und schaue die beiden verbleibenden Männer vor mir an. »Verschwindet.«
Ohne Weiteres verlassen sie den offenen Trainingsbereich. Sie sind so schnell verschwunden, dass man meinen könnte, sie rennen vor mir weg. Ich betrachte die Leiche zu meinen Füßen, als ich eine nicht erfreute Stimme vernehme. »Alles muss man selbst in die Hand nehmen.«
Sobald Damian um die Ecke biegt und mich entdeckt, bleibt er wie angewurzelt stehen. Dann schauen seine braunen Augen, die nicht ein Anzeichen von Überraschungen wiedergeben, zu der Leiche vor mir. Er fährt sich über das markante Kinn und blickt schließlich zu mir.
»Was hat er getan?«
»Er wollte meinen Befehl nicht befolgen.«
Damian nickt. »Dann hat er es verdient.« Entschlossen schauen wir uns an, als sein Blick auf etwas hinter mir fällt. »Wer hat ihn erschossen?«
»Sein Freund.«
Er sagt es nicht, doch er heißt meine sadistischen Tötungsweisen nicht für gut. Das ist mir bewusst. Obwohl Damian streng genommen mein Boss ist, sind wir beste Freunde. Er, sein Halbbruder Dylan, Zade und ich führen zusammen die Mafia. Und das ziemlich erfolgreich. Doch Damian ist und bleibt der Mafiaboss.
»Und was ist mit meinem Boxsack passiert? Hat er dir auch nicht gehorcht?«
»Könnte man so sagen«, gebe ich trocken zurück.
Damian lacht auf und fährt sich durch die schwarzen Haare, bevor er belustigt und ungläubig zugleich den Kopf schüttelt. »Du kannst nicht alles zerstören, nur weil du deine Gefühle nicht im Griff hast, Grayson.«
»Es geht mir gut.«
Damian legt den Kopf schief. »Weißt du, es ist okay, dass dich das mit Emilia mitnimmt.«
Ich presse meine Lippen aufeinander. Warum glaubt jeder, zu wissen, was in mir vorgeht? Sie alle haben keine Ahnung. Sie wissen nichts! »Ich bin nicht wie ihr, Damian. Ich helfe euch nur, Emilia zu finden, weil sie eine von uns ist. Nicht mehr und nicht weniger.«
»Wenn du meinst.«
Er glaubt mir kein Wort, doch das kümmert mich nicht. Ich werde niemals wie er und die anderen verweichlichen. Vor allem nicht wegen einer Frau.
Ich bin ein fucking Credence.
So was wie Liebe gibt es für mich nicht.
Und wird es auch nie geben.
Denn Liebe ist eine Schwäche, die ich mir nicht leisten kann.
»Wir wollen uns gleich zusammensetzen, um über einen Plan zu reden. Kommst du?«
»Über einen Plan?«
»Wie wir Emilia finden können. Einer der Hausangestellten hat Informationen für uns.«
Ich nicke langsam. »Ich komme sofort nach.«
In einem schnellen Zug trinke ich das letzte bisschen der braunen Flüssigkeit in meinem Glas. Wir haben uns gerade erst an den langen Eichentisch gesetzt, doch ich brauche den bitteren Alkohol, um dieses Meeting ohne einen weiteren Wutausbruch zu überstehen.
Damian und ich sitzen jeweils an den Kopfenden des Tisches, während zu den Seiten Zade und Dylan Platz genommen haben.
»Wo bleiben die? Haben sie sich auf dem Weg verlaufen?«, frage ich bissig.
Damian schaut mich ernst an, als er antwortet: »Sie müssten gleich da sein. Liana geht es mit der aktuellen Lage auch nicht besonders gut.«
Natürlich ist er nachsichtig, wenn es seiner Frau nicht gut geht. Warum frage ich überhaupt? Sie und das ungeborene Baby sind ihm wichtiger als alles andere. Obwohl die Zeit einer unserer Feinde ist, sitzen wir hier und warten auf die Frauen.
Hohe Schuhe, die auf dem Boden klackern, sind zu hören. Kurz darauf betreten die drei Frauen der spanischen Mafia den Wohnbereich. Elara, der temperamentvolle Rotschopf setzt sich neben ihren Freund Zade. Liana und Harper nehmen jeweils neben ihren Männern Platz, wobei Dylan Harper einen Kuss auf die Hand haucht. Die beiden sind, neben Damian und Liana, die mächtigsten an diesem Tisch. Mit der Königin und dem König von Spanien befreundet zu sein hat seine Vorteile. Vor allem für die Mafia.
Für La Casa.
Nachdem Liana sich auf Damians Schoß niedergelassen hat, beginne ich zu sprechen. »Also was gibt es Neues?«
Sobald ich meinen Satz beendet habe, betritt ein schlaksiger Mann den Raum. Das muss der Angestellte sein, von dem Damian vorhin gesprochen hat.
»Das ist Enric Calvo.« Damian winkt den unsicheren jungen Mann zu sich, bis er neben ihm steht. »Er ist einer von Emilias Gehilfen, nicht wahr?«
»Ja, Señor.«
»Dann erzähl uns mal, was du weißt, Enric«, fordere ich den schüchternen Hausburschen auf. Er schaut mich unsicher an, doch beginnt dann vorsichtig zu sprechen.
»Ich habe Emilia dabei gesehen, wie sie sich die Schlüssel für einen Wagen geholt hat.« Er atmet tief ein. »Ich habe sie gefragt, wohin sie gehe, und sie meinte, sie wolle noch ein paar Sachen für das Frühstück am nächsten Morgen holen.«
»Dann hast du sie einfach gehen lassen?«, frage ich ungläubig.
»Ja. Es ist nicht das erste Mal gewesen, dass sie so spät noch Lebensmittel besorgen geht.«
Ich balle meine Hände zu Fäusten.
Naiver kleiner Schmetterling …
»Das war alles?«, fragt Zade.
Der schlaksige Mann nickt bestätigend.
»Weißt du vielleicht, welches Auto sie an diesem Abend ausgeliehen hat?«, will Dylan von ihm wissen.
»Ja, ich glaube schon.«
Dylan nickt zufrieden. »Dann komm später in mein Büro und ich versuche, den Standort des Wagens ausfindig zu machen.«
»Perfekt. Dann kannst du jetzt gehen, Enric«, befiehlt Damian und augenblicklich sucht der Bursche das Weite.
Trocken lache ich auf.
Sofort schauen mich alle verwirrt an.
»Was? Ihr glaubt doch nicht etwa ernsthaft, dass die Spur zu einem Supermarkt Emilia retten wird?«
Liana schaut mich fassungslos an. Die dunklen Ringe unter ihren Augen sind nicht zu übersehen. »Sag mal, Grayson, besitzt du ein Herz? Oder ist an dieser Stelle ein schwarzes Loch bei dir?«
»Ich bin nicht hier, um jemandem nachzuweinen. Das bringt weder Emilia noch uns etwas.«
»Ein bisschen Feingefühl wäre trotzdem ganz nett.«
Ich sage nichts dazu und senke stattdessen den Blick. Wenn sie will, dass man sie in den Arm nimmt und ihr die Tränen von den Wangen wischt, ist sie bei mir eindeutig an der falschen Adresse.
»Es bringt ihr ebenso wenig, wenn wir uns die aktuelle Situation noch schwerer machen«, erklärt Zade. Er war schon immer der Vernünftigste von uns. Doch auch wenn er zudem der Älteste ist, interessieren mich seine Worte recht wenig. Ich werde Emilia nicht hinterherweinen, nur weil alle anderen das tun.
So war ich nie und ich werde es auch niemals sein.
»Möglicherweise finden wir beim Supermarkt etwas, das uns einen Hinweis auf ihren Aufenthalt gibt«, erklärt Liana.
»So dumm wäre Ángel nicht«, entgegnet Elara.
»Trotzdem werden wir nachschauen. Vielleicht haben wir ja Glück.« Lianas Optimismus ist lächerlich. Ich zweifle stark daran, dass wir etwas Ausschlaggebendes finden werden.
»Hat Ángel noch mal versucht, uns zu kontaktieren?«, wechselt Harper das Thema. Alle Augen richten sich auf mich.
»Nein. Ich habe keine weiteren Nachrichten erhalten.«
»Warum hat er überhaupt dir geschrieben?«, fragt Elara laut, während sie weiterhin auf einen Punkt vor sich auf dem Tisch starrt.
Dieselbe Frage hatte ich mir auch schon gestellt, doch es tut momentan nichts zur Sache.
»Über die Einzelheiten können wir sprechen, wenn es vorbei ist. Wir brauchen einen Plan, wie wir Emilia ausfindig machen können. Das steht an erster Stelle und ich sage es nur ungern, aber ich stimme Grayson zu. Wir dürfen uns nicht auf das Auto allein verlassen.«
Wenigstens hat Damian es eingesehen. Auch Elara nickt langsam.
»Was will Ángel im Gegenzug für Emilia?« Liana schaut fragend in die Runde, doch keiner von uns hat eine Antwort für sie.
»Er will sich nur an der Mafia rächen«, erwidere ich.
»Er muss doch irgendwas wollen!«, verzweifelt fährt sich Damians Frau durch die blonden Haare.
»Das ist alles meine Schuld …«, flüstert Elara vor sich hin, und sobald sie den Kopf hebt, treffen sich unsere Blicke.
»Das ist nicht wahr, Ella.« Harper schaut ihre Freundin ernst an. »Keiner von uns hätte wissen können, dass Ángel überlebt hat.«
»Das stimmt. Er sah für mich ziemlich tot aus«, fügt Damian hinzu.
»Aber ohne mich hätten sie nie von La Casa erfahren und Emilia wäre nie –«
Ich unterbreche Elara. »Es ist unser aller Schuld, Rotschopf. Wir hätten vorsichtiger sein müssen. Also keine Sorge, du bist nicht allein der Depp.«
Zade streicht sich seufzend über den Dreitagebart. »Grayson hat vollkommen recht. Auch wenn seine Wortwahl … Wir stecken da zusammen als La Casa drin und werden Emilia gemeinsam da rausholen.«
»Und was wollen wir machen, außer auf den Standort des Wagens zu warten?«, fragt Liana mit gebrochener Stimme.
»Ich würde vorschlagen, dass Grayson eine Nachricht an Ángel schreibt und ihn fragt, ob er etwas im Austausch für Emilia will«, schlägt Dylan vor.
»Und was ist, wenn er nichts möchte?«, hake ich nach, da es genauso sein wird. »Oder wenn wir zu spät sind und er das Handy samt der Nummer vernichtet hat? Dann können wir ihn gar nicht erreichen.«
Das ist doch alles Bullshit.
Ángel ist ein brutaler Mann ohne Gewissen. Er wird erst aufgeben, wenn er seine Rache vollendet hat. Und dafür hat er alles, was er braucht. Es gibt nichts, was ihm mehr bedeutet, als sich an uns zu rächen. Dafür dass wir seine Freunde kaltblütig ausgeschaltet und ihren Plan – erfolgreich Drogen in Italien zu verticken – durchkreuzt haben.
Warum ich mir so sicher bin?
Weil er ein Killer ist und genauso denkt.
Er denkt wie ich.
»Wir können nur hoffen, dass die Nummer noch aktuell ist. Ich werde trotzdem versuchen, das Handy mit ihr zu orten. Aber wenn er schlau ist, wechselt er nach jeder Nachricht die SIM-Karte, sodass wir ihn nicht ausfindig machen können.« Dylan ist am besten, wenn es ums Hacking und Informationenbeschaffen geht. Allerdings bezweifle ich, dass es zu etwas führen wird.
Emilia ist verloren.
Ich habe mich, seitdem ich das erste Mal das Video gesehen habe, damit abgefunden.
Hausmädchen gib es wie Sand am Meer.
Auch welche wie sie.
»Gut, dann machen wir es so. Grayson, schreib ihm. Alles Weitere sehen wir, wenn es so weit ist«, befiehlt Damian.
Ich ziehe stumm mein Smartphone aus der Hosentasche und beginne zu tippen.
Kapitel 2 Emilia
In der ersten Nacht hat er kein Wort mit mir gewechselt. Lediglich eine Scheibe Brot und eine kleine Flasche Wasser hat er mir auf den Boden gelegt. Dann ist er wieder gegangen.
Auch wenn die erste Nacht erträglich war, weiß ich schon nach dem Erwachen, dass dieser Tag schlimmer werden wird. Denn ich wache nicht von allein auf, sondern kaltes Wasser schreckt mich auf. Ich schnappe nach Luft, wische mir die Flüssigkeit aus dem Gesicht und blinzle. Sobald ich wieder klar sehen kann, weiche ich ruckartig zurück, denn vor mir steht er.
Ich blicke zu ihm auf. Er trägt eine tief sitzende schwarze Jeans und ein einfaches graues T-Shirt, das über seinen muskulösen Armen spannt. Die Haare sind zu einem Buzz-Cut geschnitten und nur durch die übrig gebliebenen Stoppeln erkenne ich, dass er von Natur aus blond sein muss. Die vielen Schrammen auf seinem gesamten Körper und die Unmengen an Blessuren spiegeln seine Hässlichkeit nach außen wider. Anders als bei meiner Entführung steigt mir kein Geruch von Gras in die Nase. Langsam lasse ich meinen Blick über seine Arme streifen. Keine Tattoos.
Wie kann das sein? Mein Entführer hatte eindeutig ein Tattoo auf dem Unterarm. AC. Oder spielt mir mein Verstand einen blöden Streich?
Gequält fahre ich mir über das feuchte Gesicht.
»Du hättest etwas essen und trinken sollen.« Seine Stimme ist rauchig. Tief und eiskalt. Aber er hat recht. Mein Hals ist staubtrocken und mein Magen knurrt genau in diesem Augenblick so laut, dass er es hört und mich belustigt ansieht. Ich wollte nicht riskieren, dass er mich vergiftet oder mir sonstige Substanzen zuführt. Aber bereits jetzt bekomme ich die Konsequenzen zu spüren.
Ich habe Durst und Hunger.
Der mittelgroße Mann schaut mich vergnügt an. Keiner sagt etwas und das ist vollkommen okay. Stille ist besser, als dass er mir irgendetwas antut. Ich muss den anderen genug Zeit verschaffen, um mich finden zu können. Zumindest bis dahin sollte ich überleben.
»Dieser hoffnungsvolle Blick. Dass du nach gestern überhaupt noch positiv denken kannst.« Mit einem hässlichen Grinsen im Gesicht betrachtet er mich. »Du glaubst wirklich, dass sie dich finden werden, oder?«
Ich schlucke und sage nichts. Was meint er mit gestern? Das war meine erste Nacht in diesem … Loch.
»Antworte mir.«
Ich bleibe still.
»Ich sagte, antworte mir, du Miststück!«
Ich zucke zusammen und befeuchte meine trockenen Lippen, bevor ich mit zittriger Stimme zu sprechen beginne.
»J-ja.«
»Sie werden dich nicht finden können.« Er klingt ernst. Zu ernst. Als wüsste er, dass es gar keine Möglichkeit gibt, doch das müsste bedeuten, dass die anderen …
Nein. Sie sind am Leben und werden mich hier rausholen.
Mein Entführer ist nicht unbesiegbar.
Das zeigen seine Wunden.
»Du hast keine Ahnung, oder?« Mit einem irren Blick starrt er mich an. Um ihn nicht noch mehr zu verärgern, antworte ich.
»Keine Ahnung, wovon?«
»Wer ich bin. Gestern hatte ich für eine Kennenlernrunde keine Zeit.« Stolz lacht er über seinen eigenen Witz, den ich nicht verstehe. Wovon spricht er da?
Er ist mein Entführer. Nicht mal dabei bin ich mir sicher, doch wer sollte er sonst sein? Eins ist klar, sein Gesicht habe ich zuvor noch nie gesehen.
Ich schüttle den Kopf. »Wer bist du?«
»Ángel Romano.«
Auch jetzt fällt mir nicht ein, wer er sein könnte. Obwohl bei dem Namen mein Hinterkopf zu pochen beginnt. Er scheint an meiner verwirrten Miene zu erkennen, dass ich immer noch keine Ahnung habe, wer vor mir steht.
Er schnaubt. »Elaras Ex-Freund. Einer der Mostri Caldi.«
Ich reiße die Augen auf. Daher kam mir der Name so bekannt vor. Er war Mitglied dieser Gang.
Er grinst fies, wobei seine giftgrünen Augen mich verhöhnen. »Ganz so ahnungslos bist du dann wohl doch nicht.«
»Du bist einer von denen, die Elara bedroht haben?«
Er lacht. »Bedroht? Die Schlampe hatte es nicht anders verdient! Sie war es uns schuldig, ein paar Drogen zu verticken.«
Ich schüttle den Kopf und zwinge mich, nichts weiter zu sagen. Er war einer der drei Mitglieder einer Gang. Sie haben eine meiner Freundinnen bedroht. Verängstigt und … geschlagen.
»Was war das?«
»Mhm?« Fragend schaue ich ihn an, doch bevor ich reagieren kann, kommt er auf mich zu und packt hart mein Kinn. Ich versuche, mich aus seinem Griff zu befreien, doch ich habe keine Chance.
»Hast du etwa gerade den Kopf geschüttelt?«
»N-nein.«
Er spuckt mir ins Gesicht und lässt von mir ab. »Du bist eine genauso verlogene Schlampe, wie deine Freundin es war.«
Schockiert schaue ich zu Boden und wische mir angewidert seinen Speichel aus dem Gesicht.
Wie deine Freundin es war …
Heißt das … Sie sind alle tot?
Niemals.
Grayson würde nie einen Kampf verlieren. Oder?
»Endlich kapierst du es.« Ich spüre seinen Blick auf mir, doch alles, was ich machen kann, ist, den Boden anzustarren.
Sie sin …
»Es ist wahr, Emilia. Keiner ist da, um dich zu retten. Es gibt nur noch dich und mich. Deine Freunde sind genauso mausetot wie meine.«
Mein Name hört sich so … falsch an aus seinem Mund.
»Nein.«
»Was hast du gesagt?« Der graue Stein knarrt unter seinen Füßen. Wütend sieht er mich an.
Er wird mir wehtun.
»Nein!«
Bevor ich realisiere, was im nächsten Moment passiert, spüre ich einen starken Schmerz. Er hat mich geschlagen. Mir mit der Faust eine verpasst. Schmerzhaft mache ich den Mund auf und zu, wobei mein Kiefer stechend pocht.
Tränen steigen mir in die Augen.
Das kann nicht sein …
Sie können nicht alle …
»Wie hast du überlebt?«
Er zögert, doch dann wird sein Blick steinhart. »Du wirst sowieso nicht mehr die Möglichkeit haben, es jemandem zu erzählen. Von daher. Deine tollen Freunde dachten, sie hätten mich getötet, doch dem war nicht so. Ich wurde von einem netten Mann gefunden und dieser hat mich wieder zusammengeflickt. Dann habe ich sie alle aus dem Hinterhalt angegriffen und abgeschlachtet. Wie Tiere.«
Mein Kopf tut weh, da ich versuche, die vielen neuen Informationen hinter meiner Stirn zusammenzuführen. Doch es ergibt sich kein ganzes Bild. Es macht keinen Sinn. »Du hast sie alle ganz alleine überwältigt, obwohl du verletzt bist?«
Seine Mundwinkel fallen. Ich habe ins Schwarze getroffen. Irgendetwas verheimlicht er und nach wenigen Sekunden zeichnet sich sofort wieder Wut in seinem Gesicht ab.
»Du hast genug geredet. Gestern warst du mir lieber.« Er geht wenige Schritte von mir weg, um aus einer Stofftasche, die er mitgebracht haben muss, ein Bündel Kabelbinder zu ziehen. Sofort rutsche ich zurück. Bis ich mit dem Rücken gegen die kalte Steinwand stoße.
»Was hast du vor?«
»Das wirst du gleich sehen.« Er kommt bedrohlich auf mich zu. Ich wehre mich mit meinem ganzen Körper, aber seine Griffe sind präzise. Es ist ihm ein leichtes, mich auf die Beine zu bringen. Er schafft es, sie und meine Hände an den Stuhl zu binden. Die rauen Kabelbinder schneiden sich in meine Haut.
Ich schreie.
Ich weine.
Doch all das interessiert ihn nicht. Er macht so lange weiter, bis er mich da hat, wo er will. Auf dem klapprigen Stuhl gefesselt, der schon seit meiner ersten Nacht hier steht. Plötzlich überkommt mich ein Gedanke.
Saß ich hier nicht schon mal?
Nein.
Das würde bedeuten, dies war nicht meine erste Nacht, sondern meine … Zweite?
Das. Nein. Nein. Nein. Nein!
Ángel stellt ein Stativ vor mir auf und schaltet die Kamera darauf ein. Das kleine rote Lämpchen beginnt zu blinken. Eine Aufnahme läuft.
»So habe ich sie am liebsten. Die Frauen.« Erneut greift er in den Stoffbeutel. Mit einer Schere in der Hand kommt er auf mich zu. Ich beginne erneut zu schreien.
»Bitte nicht! Bitte!«
»Keine Sorge. Es ist ein schöner Schmerz.«
Ich strample und versuche, mich zu befreien, aber ich habe keine Chance. Denn außer, dass ich mir die Haut an meinen Fuß- und Handknöcheln aufschürfe, passiert nichts.
Dann wird es mir schlagartig bewusst.
Ich kämpfe hier unten nicht nur gegen Ángel.
Sondern auch gegen mich.
Gegen meinen eigenen Verstand, der mich vor den letzten Erinnerungen, die ich an diesen Stuhl habe, bewahrt.
Und gleich werde ich erfahren, wieso.
Kapitel 3 Emilia
»Halt still! Oder ich ramme dir die Schere in den Oberschenkel.« Bedrohlich hebt er die Schere über mein Bein. Nur wenige Millimeter trennen meinen Schenkel von der scharfen Spitze.
Er starrt mich an. Auch als er die Schere zur Seite legt, wendet er seinen Blick nicht von mir.
Ich überlege, wie ich entkommen kann, doch er hat mich unbeweglich gemacht. Mir bleibt keine Chance, die schwere Metalltür, die nur wenige Meter von mir entfernt ist, zu öffnen. Also lasse ich die Schultern fallen.
Es ist zwecklos. Ich bin seine Gefangene.
»Ich sehe, du hast aus dem letzten Mal gelernt.« Seine Worte lassen mich innehalten. Dann saß ich wirklich schon einmal auf diesem Stuhl und habe … Ja, was ist in dieser Nacht passiert, dass ich mich nicht mehr daran erinnern kann?
Mit sicheren Griffen zieht er die Schnallen der Kabelbinder an meinen Knöcheln fester. Ich zische schmerzerfüllt auf.
»Wie lange bin ich schon hier?« Meine Stimme klingt rau, was daran liegen muss, dass ich, seit ich hier gefangen bin, nichts getrunken habe.
»Das ist dein zweiter Tag.«
Dann kann ich mich tatsächlich nicht mehr an meine erste Nacht in diesem unterirdischen Loch erinnern.
»Was ist …« Ich schlucke schwer, während er sich vor mir aufbaut. Die Kabelbinder liegen eng an meinen Knöcheln und schneiden in meine Haut. »Was ist in der ersten Nacht passiert?«
»Mein Schlag muss ganz schön gesessen haben, wenn du dich an rein gar nichts erinnern kannst.« Er verschränkt die Arme vor der Brust und grinst mich dreckig an. »Wir haben ein kleines Video gedreht, doch da warst du schon bewusstlos.«
»Was hast du mit mir gemacht?« Ich habe Angst vor seiner Antwort, da mir das erste Mal der Gedanke kommt, dass es vielleicht ein Segen ist, dass ich mich an nichts erinnere. Ich schaue zu Boden, da ich es nicht ertrage, sein dämliches Grinsen zu sehen.
Er lacht trocken auf. »Ich wollte dich ausziehen, aber du hast dich so sehr gewehrt, na ja, da …«
»Da was?«
»Da ist mir der Lauf meiner Waffe ausgerutscht und du bist bewusstlos geworden.«
Er hatte mich mit seiner Waffe geschlagen. Das erklärt die höllischen Kopfschmerzen. Ob er die Knarre auch jetzt bei sich trägt?
»Du hast mich trotzdem gefilmt?« Noch bevor ich die Frage vollständig ausgesprochen habe, beantworte ich sie mir selbst. Warum sollte mein wehrloser Körper ihn aufhalten?
»Natürlich. Es hat das Ganze um einiges leichter gemacht.«
Er hatte also ein Video von mir. Auf dem ich nackt bin? Er muss mich danach wieder angezogen haben, was mich noch mehr wundert. Warum hat er mich nicht einfach nackt in diesem Loch liegen lassen?
»Genug geredet.« Er dreht sich um. Ich rüttle an meinen Fesseln. Er ist mit seinem dunklen Hoodie, den er sich in diesem Moment anzieht, völlig in Schwarz gekleidet. In Verbindung mit seinen Blessuren sieht er umso bedrohlicher aus.
Das kann nichts Gutes bedeuten.
»Was hast du mit mir vor?« Panisch ziehe ich an meinen Fesseln, allerdings lassen sie sich kein Stück bewegen.
»Das gestern war nur der Einstieg, Süße. Heute beginnt die richtige Show.«
Er tritt hinter das Stativ und stellt etwas an der Kamera ein, bevor er auf mich zukommt. Ich winde mich, doch es bringt nichts. Er greift nach der Schere, die neben mir auf dem Boden liegt, und beginnt meine Hose aufzuschneiden.
»Nein!« Ich versuche, zu strampeln, aber ich habe keine Chance. »Bitte, nicht! Du musst das nicht tun.«
Er lacht trocken auf, während er meine Hose in Fetzen von meinem Körper reißt. Ich zittere am ganzen Leib. Die Angst vor dem, was er gleich mit mir tun wird, lässt mich in Panik versinken.
»Du hast keine Ahnung, was ich tun muss, Miststück.«
»Aber wieso tust du das? Was habe ich dir getan?« Tränen laufen mir über die Wangen, als er sich an meinem Oberteil zu schaffen macht.
»Du bist nur ein Mittel zum Zweck. Meine Rache.«
Mein T-Shirt fällt in einem großen Stofffetzen zu Boden.
»Aber warum musst du mir dafür wehtun?«
Er lacht und schaut mich mit seinen grünen Augen an. »Ich muss nicht, doch ich brauche Geld und mit dir kann ich genug Kohle machen, ohne dafür auch nur diese Gruft verlassen zu müssen.«
Mein Herz rast. Er hebt die Schere und führt sie zu meinem weißen Slip. »Lass das! Bitte!«
Ich schreie und weine gleichzeitig, doch nichts könnte ihn von seinem Vorhaben abhalten. Nach dem Slip folgt mein BH und kurz darauf sitze ich nackt da.
Gefesselt.
Zufrieden blickt Ángel auf mich hinunter. »Du bist schöner, als ich erwartet hatte.«
Mit einer Hand berührt er meinen nackten Oberschenkel. Eine Gänsehaut macht sich auf meinem gesamten Körper breit. Ich versuche, mich aus seiner Berührung zu winden, doch verliere erneut den Kampf, als seine Finger sich hart in mein Fleisch graben.
»Bitte … Lass mich gehen.«
Er beugt sich zu meinem Ohr, sodass mir sein strenger Geruch in die Nase steigt. »Keine Sorge, ich werde deine kleine Fotze nicht anfassen.« Er löst sich von mir und geht wenige Schritte zurück. »Zumindest noch nicht.«
Ich rüttle so stark an meinen Fesseln, dass die kleine Spange in meinen Haaren zu Boden fällt. Liana hatte sie mir ausgeliehen, da ich die violette Farbe schön fand.
Ob sie wirklich tot sind?
Und wenn nicht, werden sie mich finden?
Ich hoffe es, doch sobald Ángel ein Messer aus seiner Hosentasche zieht, stirbt diese Hoffnung. »Bitte! Tu mir nicht weh!«, weine ich.
Doch meine verzweifelte Stimme bringt ihn lediglich zum Lachen. »Die Aufnahme startet in dreißig Sekunden.« Schnell greift er in die Stofftasche, zieht eine Rolle Panzertape heraus und kommt damit auf mich zu.
»Bitte –«
Ich verstumme, als er mir den Mund zuklebt. Er geht wieder hinter die Kamera und streckt einen Daumen in die Höhe.
Die Aufnahme läuft.
Und ich sitze vollkommen nackt da.
Ich versuche um Hilfe zu schreien, doch das Tape verschluckt das meiste meiner Worte. Und sobald Ángel die glänzende Klinge bedrohlich in die Luft hebt, halte ich inne. Es ist eine leise Drohung, dass er mir wehtun wird, wenn ich nicht endlich den Mund halte.
Also bin ich still.
Doch sobald sich ein ekelhaftes Grinsen auf sein Gesicht legt, bin ich mir sicher, dass mich mein Schweigen vor nichts bewahren wird.
»User fünfhundertsechsundsiebzig bietet mir zweihundert Euro, wenn ich deine Titten knete.«
Ich schreie und schüttle den Kopf, doch das scheint Ángel noch mehr anzuspornen. Er tritt hinter mich und legt seine Hände auf meine Schultern.
»Besonders viel hat sie ja nicht, aber bestimmt liegen sie dafür gut in der Hand.«
Im nächsten Moment spüre ich seine kalten Hände auf meinen Brüsten. Er kneift in meine Nippel, während ich mich winde.
Ich weiß nicht, wie viele Minuten vergehen, bis er endlich von mir ablässt. Ich fühle mich ekelhaft.
Angewidert und … beschmutzt.
Schnell geht er wieder hinter die Kamera, um sich – wie ich vermute – die Reaktionen der Zuschauer durchzulesen. Schon jetzt weiß ich, dass ich nie wieder einen Schritt nach draußen wagen werde. Nicht wenn die Chance besteht, dass mich jemand von diesem Video wiedererkennt.
»Sie lieben dich, Süße.« Ángel scheint begeistert zu sein, was ich an seiner starken Stimme erkenne. »Du hast keine Ahnung, wie hart mich dein Anblick macht.« Den Blick auf die Kamera gerichtet, greift er sich in den Schritt. »Und dass du mir Geld bringst, macht es noch besser.«
Die Haut an meinen Knöcheln ist bereits wund von den Fluchtversuchen, doch das hindert mich nicht daran, es weiterhin zu probieren. Mein Hals tut von meinem ganzen Geschrei weh, doch das interessiert mich nicht.
Ich mache weiter.
Weiter. Weiter. Weiter.
Auch wenn das Tape den Großteil meiner Laute schluckt.
Bis Ángel freudig in die Hände klatscht.
»Es bietet mir jemand dreitausend Euro, wenn du die Kakerlake hinter dir lebend in deinem Mund behältst.«
Heftig schüttle ich den Kopf.
Mit schnellen Schritten kommt er auf mich zu und reißt mir Schmerzhaft das Tape vom Mund. Dann beugt er sich zu meinem Ohr hinunter. »Ein falsches Wort und ich werde deinen Albtraum wahr werden lassen, in dem ich dich vergewaltige, verstanden du kleine Schlampe?«
Allein bei dem Gedanken kommt mir die Galle hoch. »Ich … Bitte, zwing mich nicht dazu dieses T-Tier…«
Er geht an mir vorbei, und sobald er wieder in mein Sichtfeld tritt, hält er das eklige Tier in der Hand. Sein Grinsen ist boshaft. Mit dem Kopf zucke ich zurück, als er näher kommt und das Insekt vor mich hält. »Du solltest wissen, dass mir egal ist, was du nicht willst.« Der Käfer möchte von seiner Hand krabbeln, doch Ángel lässt es nicht zu und verengt die Hände. »Du wirst jetzt schön deinen Mund öffnen und diese lebende Kakerlake so lange drinnen behalten, bis ich dir erlaube, sie auszuspucken.«
Heftig schüttle ich den Kopf und schließe die Augen. Als könnte ich so dafür sorgen, dass mir dieses widerliche Tier vom Leib bleibt.
»Mund auf, Emilia. Nimm sie in den Mund.«
Ich öffne die Augen und presse fest die Lippen zusammen. Die Kakerlake hat eine rötlich braune Färbung und große hervorstehende Augen. Ihre Flügel liegen flach auf ihrem ovalen Körper, als Ángel meinen Nacken packt und mit einer Hand meine Mundwinkel aufreißt.
»Nein!«
»Sei leise und mach, was ich sage, sonst wird es nur noch schlimmer.«
Ich gebe mein Bestes, meinen Mund zu zudrücken, doch es bleibt zwecklos. Er schafft es, ihn so weit zu öffnen, dass er das Insekt in meinen Mund legen kann. Dann drückt er meinen Kiefer, sodass ich gezwungen bin, meinen Mund zu schließen. Mit geweiteten Augen versuche ich alles, um das bewegende Krabbeltier in meinem Mund loszuwerden. Aber ich habe keine Chance. Es bewegt sich in mir. Ein verschimmelter und bitterer Geschmack macht sich in meiner Mundhöhle breit. Als ich merke, wie mir die Galle hochkommt, reagiert mein Würgereflex und kurz darauf lässt Ángel von mir ab.
»Spuk sie aus.«
Nichts mache ich lieber, und sobald das Tier zusammen mit einem Teil meines Speichels auf dem Boden landet, merke ich, dass ich stumm geweint habe. Ich strecke meine Zunge raus, in der Hoffnung, diesen faulen Geschmack loszuwerden, aber nein.
»Wieso …«
»Du kennst doch die Antwort.« Grinsend, als wäre er stolz auf sich, geht er zurück hinter das Stativ.
Geld. Mein Leid ist in diesem Moment so vielen Geld wert. Erneut kommt Übelkeit in mir hoch und dieses Mal kann ich es nicht zurückhalten.
Ich kotze auf den Boden und Ángel lacht währenddessen schallend auf. Das macht ihm ernsthaft Freude.
»Achttausend Euro, wenn ich deine schönen Oberschenkel etwas unschöner mache.«
Ich verstumme. Vor Schock. Das wird er doch nicht tun, oder?
Warum sollte er nicht? Er kennt keine Grenzen. Kein Gewissen. Er wird dir wehtun. Und niemand wird dich retten kommen. Du wirst heute hier sterben, Emilia.
Mit dem kleinen Taschenmesser in der Hand kommt er auf mich zu. »Lass mich in Ruhe!!« Ich schüttle heftig den Kopf, als er vor meinen leicht gespreizten Beinen in die Hocke geht.
Bitte nicht. Bitte nicht. Bitte nicht.
»Du wirst danach noch schöner aussehen, Süße.«
Ich schreie, doch das bringt ihn noch mehr zum Grinsen. Das Einzige, was er vor Augen hat, ist vermutlich das Geld, welches er durch die Sache bekommt.
Ángel Romano ist ein Monster.
Ein Mann ohne Gewissen.
Das wird mir in dem Moment klar, als er die scharfe Klinge an der Innenseite meines rechten Oberschenkels ansetzt. Ein letztes Mal schaut er zu mir auf. Ich schüttle nochmals heftig den Kopf, in der Hoffnung, ihn von seinem Vorhaben abhalten zu können.
»Bitte…«
»Nach dem hier wird dich keiner mehr wollen. Keiner außer mir«, flüstert er dicht an meinen Beinen und dann passiert es. Langsam drückt er die Klinge in mein Fleisch. Blut läuft mein Bein hinab, doch das hält ihn nicht auf. Im Gegenteil. Er nimmt sich das andere Bein vor und ritzt mir auch da ins Fleisch.
Tränen verschleiern mir die Sicht und mein Hals tut von den Versuchen zu schreien höllisch weh. Ich schreie so lange, dass meine Stimme irgendwann versagt. Die offenen Wunden an meinen Schenkeln brennen furchtbar.
In diesem Moment gebe ich die Hoffnung auf.
Keiner wird mich hier rausholen können.
Und selbst wenn, werde ich nie wieder die Emilia sein, die ich einmal war.
Ich wünsche mir, wieder zu vergessen.
Ich wünsche mir, dass Ángel mich erneut schlägt, damit ich diese Schmerzen nicht mitbekommen muss.
Ich wünsche es mir so sehr, doch dieses Glück habe ich nicht. Bei jedem Schnitt bin ich hellwach und irgendwann spüre ich die tiefen Wunden nicht einmal mehr.
Der Schmerz wandert an die dunkelsten Stellen in meinem Kopf und verkriecht sich somit.
Ich bewege mich kein Stück. Das Einzige, was ich tue, ist, es über mich ergehen zu lassen.
Kapitel 4 Grayson
»Auf den Kameras des Supermarkts ist sie nicht zu sehen. Dafür hat sie zu weit außerhalb geparkt.« Es ist Dylan, der uns die neue Information verkündet und damit bewirkt, dass ich meine Hände unter dem Tisch zu Fäusten balle.
Gemeinsam sitzen wir im Besprechungsraum, der direkt an dem Wohnbereich angrenzt. Wie immer sitze ich an dem einen Tischende und Damian an dem anderen, mit Liana auf seinem Schoß. Dylan und Zade sitzen wieder zu unseren Seiten zusammen mit ihren Frauen.
Frauen. Allein der Gedanke, mich jemals für ein weibliches Wesen so schwach zu machen, durchzuckt mich mit Wut und … etwas anderem. So weit werde ich es niemals kommen lassen.
Warum kümmert es dich dann, was mit der kleinen Emilia geschehen ist? Du bist schwach. Sieh es ein.
Weil sie eine von uns ist und ich habe der Mafia die Treue geschworen.
Rede dir das ruhig ein, Grayson. Deine Schwäche für dieses Mädchen wird dafür sorgen, dass du so erbärmlich wirst wie deine Freunde. Du verdienst es nicht, den Namen Credence zu tragen.
Ich hasse es, dass mich seine Stimme nach all den Jahren noch immer verfolgt. Irgendwann werde ich dafür sorgen, dass sie für immer verstummt.
»Konntet ihr sonst etwas finden? Gegenstände? Irgendwelche Anhaltspunkte im Auto?«, fragt Liana aufgeregt und lehnt sich dabei nach vorn. In ihren blauen Augen steht Sorge geschrieben.
»Das Auto stand noch genau da, wo Emilia entführt wurde, doch sowohl auf dem Bereich um den Supermarkt als auch im Auto war nichts zu finden«, antwortet Zade in einem ruhigen Ton. Es wundert mich nicht, dass er angesichts der Situation ruhig bleibt.
Er und Emilia kennen sich kaum.
Doch trotzdem gibt er sein Bestes.
Vor allem, weil es Elara wichtig ist und sie zu uns gehört.
»Das heißt, wir sind wieder genauso schlau wie zuvor?«, wendet sich Harper an Zade, der daraufhin langsam zu nicken beginnt.
Ich hatte nicht erwartet, dass wir etwas finden würden, aber trotzdem macht mich unser Scheitern wütend.
Ich scheitere nie. Niemals.
Und trotzdem schaffe ich es nicht, den Käfig zu finden, in dem sich der kleine Schmetterling aufhält.
Damian fährt sich durch die schwarzen verwuschelten Haare, bevor er etwas sagt: »Sieht wohl ganz danach aus.« Unsere Blicke treffen sich. »Ist dir noch etwas aufgefallen, Grayson?«
Dylan und Zade hatten ihm über ihre Funde Bericht erstattet. Nur ich habe nichts, was ich ihm berichten kann. Zu dritt haben wir das gesamte Gelände auf den Kopf gestellt und trotzdem hat sich aus dem Ganzen letztlich nichts ergeben.
»Nein.«
»Rein gar nichts?«
Ich fixiere ihn. »Ich habe nach unterirdischen Eingängen gesucht, konnte allerdings nichts finden.«
»Unterirdisch? Wegen dem steinernen Hintergrund des Videos?«, hakt Damian nach.
Ich nicke.
»Das ist schlau. Wir sollten Recherchen über die Baupläne Madrids starten. Vielleicht finden wir so mehr.« Sein Blick wandert zu Dylan, der daraufhin nickt.
»Wird erledigt.«
Dann wendet er sich wieder an mich. »Hast du eine Antwort von Ángel bekommen?«
Stimmt. Fast hätte ich das verdrängt. Tatsächlich habe ich eine Reaktion von ihm erhalten. Auf meine Frage, was er im Austausch für Emilia will. Doch sie ist genauso ausgefallen, wie ich es mir gedacht habe. Außerdem bin ich an dem Video hängengeblieben.
Wie sie gefesselt dasitzt.
Bewusstlos und halbnackt.
Ich hatte es mir öfters angeschaut. Doch kein einziges Mal konnte ich etwas finden, dass uns bei der Suche weiterhelfen könnte. Stattdessen habe ich mir jeden Zentimeter ihrer freigelegten Haut in mein Gehirn gebrannt. Damit ich – wenn sie zurück ist – erkennen kann, was schon da war und was er ihr zugefügt hat.
Denn er wird für jeden Kratzer leiden. Das schwöre ich.
Weil sie ein Teil von La Casa ist.
Und man der spanischen Mafia nicht gegen das Bein pisst, ohne dafür bestraft zu werden.
»Ja, habe ich.« Abwartend schauen mich die anderen an, als ich mich vorbeuge und mir über den tätowierten Arm streiche. »Er will nur Rache. Die Mafia leiden sehen. Dafür, dass wir ihm sein Drogengeschäft und seine Freunde genommen haben. Kein Geld und kein Reichtum könnte ihn von seinem Vorhaben abbringen.«
Liana fährt sich verzweifelt übers Gesicht. In ihren Augen glänzen Tränen, die sich einen Kampf an die Oberfläche bahnen, doch sie hält sie zurück. »Das kann doch nicht sein! Wir sind die verdammte Mafia und können nichts tun! Wollt ihr mir das sagen?!« Wut gepaart mit Trauer spiegelt sich in ihren Zügen wieder.
»Beruhig dich, mi flor.« Damian streicht seiner Frau über den Rücken, doch sie wirft ihm nur einen bösen Blick zu.
»Ich beruhige mich, sobald Emilia wieder vor mir steht. Nicht eine Sekunde vorher werden wir aufhören, sie zu suchen, habt ihr das alle verstanden?«
Selten kommt diese Seite von Liana ans Licht. Es ist die Mafiakönigin in ihr, die alle Macht hat, die man sich wünschen kann. Und trotzdem sind ihr in dieser Sache die Hände gebunden.
Wir alle nicken. Auch ich, denn wenn ich etwas nicht vorhabe, dann ist es die Suche nach dem kleinen Hausmädchen aufzugeben.
»Ángel ist skrupellos. Wenn wir Emilia zurückbekommen sollten, Liana …« Elara schluckt heftig und schaut dabei ihre beste Freundin ebenso verzweifelt an. »Dann wird sie nie wieder sein wie zuvor. Er wird nicht nur ihren Körper zerstören, sondern auch ihre Seele. Er reißt sie mit sich in den Abgrund.«
»Ich werde nicht aufgeben, bis –«
Elara unterbricht Liana. »Das werden wir alle nicht. Doch sobald sie wieder hier ist, wird sie nur noch eine Hülle ihrer selbst sein. Eine Puppe, die nur lebt, damit andere mit ihr spielen können.«
Elaras Worte lassen uns alle verstummen. Mir war bewusst, dass Ángel nicht zart zu Emilia sein wird. Aber so wie Elara es beschreibt, werden die psychischen Folgen viel schlimmer sein als gedacht. Ich habe keine Hoffnung, dass Emilia der Gehirnwäsche ihres Entführers standhalten kann. Die Kleine hat in ihrem Leben nie mit Schmerzen umgehen müssen, wie sollte sie so etwas also ohne Schäden überstehen?
Jahrelange Übung macht das möglich, doch ohne … ist der Aufprall unvermeidlich.
Und Elara wird wissen, wie Ángel tickt. Immerhin musste sie selbst eine Zeit lang mit ihm klarkommen, ob als Ex-Freund oder Erpresser.
»Wir werden das zusammen schaffen, Lia«, macht Harper ihrer Freundin Mut. Doch diese scheint zu wissen, dass Elara recht hat.
»Das Wichtigste ist, dass wir weitermachen. Auch wenn die Situation aussichtslos zu sein scheint«, versucht Zade uns zu ermutigen.
Damian nickt.
Sein Halbbruder räuspert sich und kommt dann zum Thema zurück. »Ich habe die Nacht damit verbracht, dass Smartphone durch die Nummer zu orten. Hatte aber keinen Erfolg. Es ist ein einfaches Wegwerfhandy und schon längst zerstört.«
»Das heißt, er holt sich immer wieder ein Neues, um uns zu kontaktieren? Und er muss es nach seiner Antwort an Grayson kaputt gemacht haben?«, fragt Harper.
»Ja. Bisher hat das alles zu nichts geführt.« Harper fährt Dylan nachdenklich über die Hand. Wenn Dylan sagt, dass er durchs Hacking keine Chance hat, dann ist es auch so.
Doch auch diese neue Information schockiert mich nicht. Ich wusste, seitdem ich das Video von Emilia gesehen habe, dass Ángel kein Anfänger ist. Kein Wegwerfhandy zu benutzen, wäre viel zu leicht gewesen.
Und er wird es uns nicht leicht machen.
Immerhin hat er nicht vor, Emilia wieder herzugeben.
»Gibt dem Burschen eine Belohnung dafür, dass er uns die Infos über das Auto geliefert hat«, durchbricht Damian die Stille.
»Höheres Gehalt?«, fragt Zade.
»Einen Scheck von tausend Euro sollte genügen.