Das Abenteuer Hingabe - Gerrit Winter - E-Book

Das Abenteuer Hingabe E-Book

Gerrit Winter

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Beschreibung

Gerrit Winter hat viele Jahre in der Entertainmentindustrie gearbeitet, bis eine persönliche Krise ihn zwang, seinem Leben eine neue Richtung zu geben. Hingabe nennt er das Prinzip, das seither sein Leben beeinflusst und das er erfolgreich als zertifizierter Coach vermittelt. In seinem Buch beschreibt er anhand seiner persönlichen Geschichte und seinen Erfahrungen als Berater, wie wir durch das Abenteuer Hingabe zu einem Leben mit mehr Leichtigkeit, Freude und Erfolg finden können. Grundlage ist die Überzeugung, dass wir mehr und Ungeahntes erreichen, wenn wir feste Konzepte und Pläne loslassen und uns auf das einlassen, was das Leben für uns bereithält! Ein junger, sympathischer Ratgeber von einem gern gesehenen TV-Gesicht. Der Autor verbindet als Anthropologe, Musikwissenschaftler und Entertainer unterschiedliche Kompetenzen, gibt gesellschaftlich relevanten Themen eine Stimme und bietet einen neuen Ansatz im Bereich Mental Health. Mit Impulsen zur Selbstreflexion und Anleitungen, wie das eigene Abenteuer Hingabe funktionieren kann!  

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Gerrit Winter

Das Abenteuer Hingabe

Gerrit Winter

DAS ABENTEUER HINGABE

Was wir gewinnen, wenn wir das Leben nehmen, wie es kommt

© Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2022

Alle Rechte vorbehalten

www.herder.de

Illustrationen: Gestaltungssaal, Sabine Hanel

Umschlaggestaltung: Gestaltungssaal, Rohrdorf

Umschlagmotiv: © kevin koelker photography, Köln und Mallorca

E-Book-Konvertierung: Röser MEDIA GmbH & Co. KG, Karlsruhe

ISBN Print 978-3-451-03396-4

ISBN E-Book (EPUB) 978-3-451-82774-7

INHALT

Widmung

Einleitung

Kapitel 1 Ein Leben auf dem Beifahrersitz

Kapitel 2 Mein Weg zur Hingabe

Kapitel 3 Pilgern und Busfahren

Kapitel 4 Das Streben nach Glück und andere Einbahnstraßen

Kapitel 5 Warum es reicht zu reichen

Kapitel 6 Die hohe Kunst des Loslassens

Kapitel 7 Wie wäre es mal mit Ja?

Kapitel 8 Bedingungslos. Ein Wort mit weitreichenden Folgen

Kapitel 9 Wie wir Beziehungen mit Hingabe führen

Kapitel 10 Die Sache mit den Gefühlen

Kapitel 11 Werte und ihre Inflation

Kapitel 12 SOS der Psyche: Mental Health

Kapitel 13 Zwei Leben von Emily

Danke!

Über den Autor

WIDMUNG

Dieses Buch widme ich meiner Mom, Evelin Winter.

Sie ist mein Fels in der Brandung, von ihr habe ich gelernt, was Hingabe bedeutet, ohne es zu wissen. Die Erkenntnis kam mir erst im Kontext dieses Buches. Die Erkenntnis, dass meine Mom bedingungslos liebt und bedingungslos annimmt – nämlich mich. Und damit ist sie der einzige Mensch in meiner Welt, der mir das Prinzip Hingabe vorgelebt hat. Egal, was oder wie ich mich veränderte, egal, was das Leben mit mir vorhatte und wohin die Wellen mich trugen, sie stand immer an meiner Seite. Das ist bedingungslose Liebe, das ist Hingabe – das ist meine Mutter. Ich liebe dich über alles. Unsere Liebe bleibt. Danke, Mom!

EINLEITUNG

Du hast dich also für ein Abenteuer entschieden? Für das Abenteuer Hingabe? Dann sind wir schon zwei! Wahrscheinlich wagst du dich jetzt in fremde Gewässer. Du brichst zu einer Reise mit unbekanntem Ziel auf – und wirst ein Abenteuer erleben, das in der Form, wie du es erleben wirst, noch niemand erlebt hat. Denn es ist dein Abenteuer Hingabe. Etwas Einmaliges. Ich hoffe sehr, dass es dich bereichern und inspirieren wird und dir zu mehr Leichtigkeit und Ruhe, zu mehr Gelassenheit und Resilienz im Leben verhilft.

Wahrscheinlich hast du wie viele andere Menschen mit dem Begriff Hingabe noch nicht viel Berührung gehabt. Vielleicht hast du dieses Buch gesehen und dich gefragt, warum ein Typ wie ich sich mit einem so oldschoolig klingenden Wort befasst und bist neugierig geworden. Wann hast du das Wort Hingabe zuletzt benutzt oder gar gedanklich unter die Lupe genommen? Schon lange her? Noch nie? Dann befindest du dich – darauf wette ich eine Tasse Kaffee – in sehr guter Gesellschaft.

Seit über zehn Jahren arbeite ich als Coach und habe die wunderbare Aufgabe, Menschen dabei zu unterstützen, bewusster, gesünder, selbstbewusster und autonomer durchs Leben zu gehen. Ein wichtiger Teil meiner Arbeit besteht darin, Menschen zu sensibilisieren und zu motivieren, Altbewährtes auf den Prüfstand zu stellen und fest eingebrannte Muster und Gewohnheiten zu hinterfragen. Das tue ich – mit Hingabe. Egal, ob beim Thema Stimme und Kommunikation oder beim Thema Mental Health.

Hingabe ist zum Kompass meines Lebens geworden. Das hängt mit den Erfahrungen zusammen, die ich vor ungefähr zehn Jahren gemacht habe. Mit zwanzig war ich als äußerst zielstrebiger und fast schon kompromissloser junger Mann in die große und wilde Entertainmentindustrie eingestiegen und hatte mir als Popstar und Teenieschwarm einen Weg erkämpft. Ich war in den Charts gelandet, hatte mit Weltstars performt. Doch dann geriet ich auf diesem stetigen Weg nach oben aus dem Gleichgewicht. Mit achtundzwanzig Jahren und nach fünf Hörstürzen wurde mir klar, dass es so nicht weitergehen konnte.

Während meiner ersten Karriere als Sänger bin ich vielen Träumen, Wünschen, Normen und Erwartungen hinterhergelaufen, seien sie nun gesellschaftlich auferlegt oder selbsterschaffen. Irgendwann habe ich angefangen, dieses Hinterherlaufen zu hinterfragen. Denn an mir selbst habe ich gespürt und erfahren, was für einem unglaublichem Stress wir uns aussetzen, wenn wir all den ach so guten Vorbildern folgen und uns abverlangen, ein glückliches, gutes, perfektes oder sinnvolles Leben zu führen. Wir werden zu Sklaven unserer guten Absichten, Ziele und Optimierungsansätze, und das macht uns nicht zufriedener und gesünder. Gibt es einen anderen Weg? Ich sage ja, den gibt es. Er hat mit Hingabe zu tun und ich habe mich auf diesen Weg gemacht. Hingabe hat mein Leben verändert: Es ist mir gelungen, einen neuen Weg einzuschlagen und wieder Zuversicht, Leichtigkeit und Vertrauen zu finden. Ich habe gelernt, mich dem hinzugeben, was das Leben mit mir vor hat.

In diesem Buch wirst du erfahren, wie ich meinen Weg zur Hingabe gefunden habe. Vor allem aber soll dir dieses Buch zeigen, wie du das Prinzip Hingabe für dich testen und vielleicht für gut und hilfreich befinden kannst. Dazu gebe ich Tipps und Denkanstöße, sozusagen einen „Kurs in Hingabe“, der dir deutlich macht, wie die ersten Schritte auf dem Weg zu diesem großen Wort und zu seiner neuen Bedeutung für das Leben aussehen können. Ohne dabei dich und dein bisheriges Leben vollständig infrage zu stellen und alles zu verraten, an das du geglaubt hast oder an dem du dich festhältst.

Hingebungsvoll zu leben klappt nicht von Anfang an, denn gerade unsere Ziele, Wünsche und Vorstellungen sind von großen Emotionen geprägt. Sie resultieren aus Sehnsüchten und Bedürfnissen. Deshalb ist es nicht leicht, plötzlich zu sagen: Ich nehme die Dinge ab jetzt einfach mal so, wie sie kommen. Aber es klappt immer besser, jeden Tag, und sogar in sehr herausfordernden Situationen. Wenn wir Hingabe „geübt“ haben, gelingt es uns auch in schwierigen Momenten, unser Strahlen und Leuchten nicht zu verlieren und mental gesund und zuversichtlich zu bleiben. Man übt also an den guten Tagen für nicht ganz so gute Tage, um dann nicht umgeworfen zu werden. So wie man sich einen Regenschirm einpackt, bevor es regnet, jedenfalls im besten Fall. Man hat ihn einfach immer dabei, just in case. Man kann es auch wie ich machen und Hingabe inmitten des krassesten Regenschauers lernen.

Obwohl ich mich schon lange mit dem Prinzip Hingabe beschäftige, bin ich nie fertig damit – man muss es einfach tun, ohne je Profi-Status zu erlangen. Es ist eben kein Wochenendkurs, sondern ein Sich-Zuwenden, ein tagtägliches Entscheiden dafür, das Leben passieren zu lassen und nicht um und für alles zu kämpfen. Nicht immer aktiv eingreifen, sondern mit dem Flow gehen. Ein Knopf, den man tagtäglich bewusst drücken muss, immer wieder neu. Denn jeden Morgen wird es Anteile in einem geben, Stimmen, die einem suggerieren, dass man das Leben doch lieber fester in die Hand nehmen, noch mehr kontrollieren und steuern sollte. Und dagegen gibt es eigentlich auch nichts einzuwenden, denn meist kommen auf dem Etappenziel sehr engagierte und „ziel-strebige“ Menschen an, die im wirtschaftlich und gesellschaftlich verstandenen Sinn sehr erfolgreich sind.

Ich wollte mich immer gerne zu diesen Zielstrebigen zählen, weil es schön ist, etwas erreicht und es sich erkämpft zu haben. Das kennen und fühlen wir alle, das ist normal und deshalb wohl völlig „gesund“, könnte man meinen. Unser Ego, besser gesagt, der Leistungsträger in uns, ist dann total happy. Aber, was ich durch meine eigene Geschichte und durch meine zweite Karriere als Coach gelernt habe, ist, dass es unfassbar anstrengend ist und müde macht. Findest du nicht auch? Immer alles kontrollieren, immer anstoßen, einen Schubs geben, immer das Glück suchen und finden wollen, immer alles tun, damit es so kommt, wie man es sich vorgestellt hat, immer wieder aufstehen und weitermachen, immer das Möchten und Wollen an die erste Stelle setzen und nie nachgeben, loslassen und sich dabei gut fühlen.

Wir haben es selbst in der Hand, neue Wege einzuschlagen. Ich gebe dir in diesem „Kurs in Hingabe“ gedankliche Anstöße und auch mal eine praktische Übung, die dir hilft, im Alltag öfter mal den Gang rauszunehmen, es rollen zu lassen und zu schauen, was dann passiert. Als Beispiele dienen Erfolgsgeschichten und Heldenreisen mitten aus dem Leben und aus meiner täglichen Arbeit mit Menschen in Krisen oder in Change-Prozessen.

Ich möchte dir außerdem zeigen, wie sehr uns die Suche und das Streben nach Glück an unserem Leben hindert und wie wir ein Leben aus der Fülle und nicht aus dem Mangel heraus führen können. Und was das mit Hingabe, mit der Wahrheit und dem Loslassen von Träumen zu tun hat.

Darüber hinaus wird es in diesem Buch um Wörter wie „genügen“ oder „bedingungslos“, „Menschlichkeit“ und „Verbindlichkeit“ und um „Sinnhaftigkeit“ und „mentale Gesundheit“ gehen und ich hoffe, dass sie dich genauso inspirieren und motivieren wie mich und du Lust bekommst, ihnen neues Leben einzuhauchen.

Ich bin überzeugt davon, dass die Themen dieses Buches eine gesellschaftliche Relevanz haben, gerade in der strukturierten und durchdigitalisierten Welt, in der wir leben. Hingabe und das Sein im Hier und Jetzt sind nach meiner Überzeugung die wichtigsten Faktoren, um im Leben Balance zu erreichen.

Dieses Buch soll – wie alles, was ich tue – sensibilisieren statt optimieren und uns zeigen, wie wir ein Leben erreichen können, das uns nicht zu Opfern, sondern zu Schöpfern macht. Wir können lernen, unsere Zeit auf Erden zu genießen, anstatt uns permanent hinterherzulaufen. Leben statt überleben.

Du hast es verdient! Auf geht’s in dein Abenteuer Hingabe …

KAPITEL 1

EIN LEBEN AUF DEM BEIFAHRERSITZ

Wenn man nach Definitionen des Wortes Hingabe sucht, wird diese als eine Bewegung beschrieben, die dem Engagement, der Anstrengung oder der Leidenschaft verwandt ist, jedoch nicht ein „aktives Drängen“ bedeutet, sondern ein „Sich-Zuwenden, Sich-Öffnen und Empfangen“. An anderer Stelle kann man lesen, dass Hingabe ein „Akt der vollständigen Überantwortung an das Leben, eine Einwilligung in das Leben“ ist. Ich finde, das sind starke Worte! Für manche vielleicht auch Worte, die eher Widerstand auslösen. Was mich am Begriff Hingabe fasziniert, ist, dass er die Aufforderung beinhaltet, sich dem Leben mit all seinen Herausforderungen entgegenzuwerfen. Sich hinzugeben und dabei bewusst die Entscheidung zu treffen, das Leben so zu nehmen, wie es kommt, anstatt immer nur die Pfade des Wollens und Möchtens zu beschreiten. Denn – das ist meine Erfahrung und Überzeugung – selten führen uns diese Pfade zu Veränderungen oder Verbesserungen. Im Gegenteil: Oft kämpfen wir immer wieder dieselben Kämpfe, die uns nicht glücklicher machen, und übersehen dabei, wozu das Leben uns gerade einlädt. Das Prinzip Hingabe hat einen anderen Grundgedanken: Zuerst bin ich aktiv in meiner Haltung, mich hinzugeben, und dann erfolgt alles ohne mein Zutun. Es geht also um ein aktives Nicht-Handeln, ein Empfangen, eine passive Geste. Das Leben passiert einfach, das ist es, was aus meiner Sicht die Magie ausmacht. Und gleichzeitig ist es das, was es uns so schwer macht, weil wir Menschen ja durchaus zur Kontrolle neigen. Wir lieben es, an Dingen und Gegebenheiten, an Menschen und Beziehungen festzuhalten. Wobei der Begriff „lieben“ nicht ganz passt, denn rein evolutionär ist es eher ein Wesenszug unseres menschlichen Gehirns, dass wir Veränderungen nicht mögen, dazu später mehr.

AUF DEM BEIFAHRERSITZ

Wenn ich im Coaching darüber spreche, wie wir Hingabe praktizieren und dem Leben vertrauen können, benutze ich immer gerne das Bild eines Autofahrenden und eines Beifahrers oder einer Beifahrerin. Wer ist wohl der Fahrende und wer der Beifahrende? Richtig. Seit ich zur Hingabe gefunden habe, bin ich in meinem Leben – zumindest meistens, denn ich kann nur mein Bestes geben – der Beifahrer. Ich lasse das Leben fahren. Die Lektion, die ich in den letzten Jahren gelernt habe, lautet: Es passiert das, was für dich richtig ist und nicht das, was du dir wünschst. Das ist nicht zwingend dasselbe.

Für die Autofahrt bedeutet das: Ich kann Vorschläge machen, was die Route angeht, aber der Fahrer entscheidet. Ich kann mit in den Spiegel gucken, auf alles achten, vorausschauend sein (nach dem Motto: Vier Augen sehen mehr als zwei!), ich kann ein wirklich guter Beifahrer sein – aber das Fahrzeug führt der Fahrer. Ich kann das Bodenblech durchdrücken und versuchen, zu bremsen, so wie es viele Menschen tun, die ich kenne, und sich damit die ganze Fahrt versauen. Denn wir sitzen nicht in einem Fahrschulwagen, wo es eine zweite Bremsvorrichtung gibt. In unserem Auto fährt das Leben. Wir können mit auf die Geschwindigkeitsbegrenzung achten, auf Verkehrsschilder hinweisen, den Verkehr im Blick haben, aber ändern können wir durch ständiges Geschnatter und Gemeckere nur wenig, denn wenn das Leben meint, es würde gerne mal das Tempolimit überreizen und den Tacho mal so richtig glühen lassen, dann sollten wir angeschnallt sein und uns hingeben.

GANG RAUS UND rollen LASSEN!

Das Gute daran ist, dass wir uns auf diese Weise auch über den Stau, über den Regen, über Gaffer und über Gott und die Welt aufregen können und trotzdem an unser Ziel kommen. Wir können aus dem Fenster schauen, uns die Sonne ins Gesicht scheinen lassen und mit einem kleinen, zufriedenen Lächeln einfach mal wegdösen und die Sicherheit und Geborgenheit unserer Autofahrt genießen. Wir können es uns auf unserem Sitz gemütlich machen, das Radio einschalten, unsere Playlists abfeuern, dabei schreien, laut mitsingen (das empfehle ich dringend!), weinen, mal richtig „abspacken“ und den anderen auf der Autobahn und unserem Wagenführer oder unserer Wagenführerin mal eine ordentliche Show bieten. Am Ende kommen wir trotzdem an und haben keinen Unfall gebaut, sondern unterwegs vielen Menschen auf der Straße ein Lächeln ins Gesicht gezaubert oder sie ins Staunen versetzt. Geben wir uns der Autofahrt des Lebens hin, dann können wir sie einfach mehr genießen.

LOSLASSEN BRAUCHT MUT

Für wen klingt das jetzt beruhigend? Vielleicht schreist du jetzt laut oder nur innerlich: „Hier!“ Dann freut es mich, dass dir dieses Bild für unsere „Fahrt des Lebens“ gefällt und es dir einen Aha-Moment beschert hat. Denjenigen – und ich bin mir sicher, dass es da draußen viele von euch gibt –, die sich jetzt als Opfer und ihrem Schicksal ausgeliefert fühlen und denen das viel zu willensstarke Leben am Steuer Angst macht, versichere ich: Ich kann euch mehr als verstehen! Auch ich habe den Gedanken, bis ich 28 Jahre alt war, nicht in mein Leben gelassen. Und auch innerhalb der letzten zehn Jahre habe ich immer wieder ordentliche Rückschritte gemacht, phasenweise versucht, mein Leben wieder ganz alleine und völlig autonom zu steuern, ohne das „olle Leben“ neben mir, das die Richtung vorgibt.

Es hat zeitweise auch immer wieder gut geklappt, aber immer nur bis zu einem bestimmten Punkt. Nämlich dem Punkt, an dem man merkt: Diese Tür geht einfach nicht auf. Zumindest von dieser Seite nicht, oder vielleicht noch nicht. Auf meiner Couch liegt ein Kissen, das ich mir kürzlich in einer meiner Lieblingsstädte, New York, gekauft habe, und es erinnert mich täglich daran, loszulassen und mich dem Fluss des Lebens hinzugeben. Auf dem Kissen steht der Satz: If it doesn’t open, it’s not your door. Dieses Hingabe-Kissen musste ich mir einfach in meinen ohnehin schon viel zu prallen Koffer quetschen, weil ich es so großartig finde. Es hat mich daran erinnert, was alles in meinem Leben passiert ist, oder besser: was endlich passieren konnte, als ich die Zügel mal losgelassen habe und mit dem Leben durch die Prärie galoppieren konnte. Das Kissen erinnert mich daran, wie sehr ich es immer und immer versucht habe, mich durch Fleiß, Arbeit, Schweiß und Tränen durchzukämpfen, und nicht weiterkam. Und es erinnert mich daran, dass – seitdem ich dem Prinzip Hingabe folge – alles zu mir kommt, was ich mir je erträumt habe. Und ehrlich gesagt, noch viel mehr als das.

KAPITEL 2

MEIN WEG ZUR HINGABE

Genau vor zehn Jahren wurden mein Leben und all meine Pläne, wie dieses zu laufen hat, komplett über den Haufen geworfen. Seit meinem fünften Lebensjahr hatte ich nur den einen Traum, auf den Bühnen dieser Welt zu stehen und zu singen. Mit siebzehn Jahren machte ich einige große Schritte und schraubte aktiv an meiner Karriere, bis sich die ersten Plattenverträge und Erfolge in den Charts einstellten. Natürlich habe ich damals geglaubt, mich meinem Traum zu singen wirklich hinzugeben, aber mit dem, was ich heute unter Hingabe verstehe, hatte das nicht viel zu tun. Denn ich hatte die Zügel immer so fest in der Hand und arbeitete so zielstrebig, dass nichts von dem passieren konnte, was das Leben mit mir vorhatte. Stattdessen lebte ich wie in einem Tunnel, hörte und sah nichts um mich herum und folgte nur den Prinzipien, die ich verinnerlicht hatte: „Wer nicht blutet, hat sich nicht angestrengt“, „Du musst kämpfen, um an dein Ziel zu kommen!“, oder: „Du musst härter sein als der Schmerz!“. Das konnte ich gut und wurde nach Erfolgen in einer TV-Gesangsshow Schritt für Schritt zu einer „Popstar-Maschine“ erzogen. Als Model übte ich dann außerdem, zu lächeln und zu funktionieren, und als mein erstes Album dann auf den Markt kam, lernte ich, mich perfekt zu vermarkten und Menschen glücklich zu machen.

Das klingt jetzt alles sehr „böse“, war es natürlich nicht nur. Ich habe es geliebt und würde keine dieser Erfahrungen missen wollen. Es war ja mein Traum. Ich schildere hier nur, was mir im Nachhinein bewusst geworden ist. Es war meine Programmierung. Meine einzige. Wir Menschen drehen buchstäblich durch, wenn wir mit dem Rücken zur Wand stehen. Wir brauchen Wahlmöglichkeiten. Die hatte ich damals nicht oder ich wollte und konnte sie nicht sehen. Ich wollte alles festhalten, kontrollieren und mich nicht dem Unaufhaltbaren hingeben. Mein Körper und meine Seele befanden sich im permanenten Alarmzustand, um den Traum unter allen Umständen weiterzuführen, und bald stellte sich das traurige, unausweichliche Ergebnis ein: Ich hatte einen totalen körperlichen und psychischen Breakdown und musste das so hart Erarbeitete loslassen. Meine Erfolg versprechende Karriere als junger Sänger stand vor dem Aus. Außerdem hatte ich meine erste Beziehung nach fünf langen Jahren endlich beendet. Ich trennte mich von meinem Management und dem Rest meines Teams und fand mich im Krankenhaus wieder.

AM SCHEIDEWEG

Schmerzlich musste ich in den folgenden Wochen und Monaten lernen, was wahre Hingabe bedeutet. Wie ich das schaffte und meine mentale Gesundheit wiederfand, kann ich heute in meinen Tagebucheinträgen von damals nachlesen. Nach meinem Zusammenbruch fasste ich den Entschluss, den Jakobsweg zu gehen. Denn dass ich mein Leben ändern musste, hatte mein Körper mir allzu deutlich gezeigt. Ich wusste nur noch nicht, wohin mich das führen würde. Mittendrin in der Negativspirale meines Lebens schrieb ich: