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Mitraten ist angesagt: Findest du den Dieb? Das Buch mit dem Karfunkelstein ist weg. Und wer wird des Diebstahls bezichtigt? Niemand anderes als der junge Klosternovize Paul. In seiner Not wendet er sich an seine Freunde Agnes, Jakob und Hannes. Doch die Klostermauer stellt für sie eine kaum zu überwindende Barriere dar – niemand darf rein, niemand heraus. Aber die Freunde halten zusammen und dann gibt es ja auch noch die Mithilfe der wissbegierigen, schlauen Leser!
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Seitenzahl: 138
Christa Holtei
Das Buch mit dem Karfunkelstein
Ein Mitratekrimi aus dem Mittelalter
Mit Illustrationen von Volker Fredrich
Deutscher Taschenbuch Verlag
Originalausgabe 2011© Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG, München
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eBook ISBN 978-3-423-40644-4 (epub)ISBN der gedruckten Ausgabe 978-3-423-71440-2
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Personen der Handlung
1. Ein böser Verdacht
2. Paul bekommt Hilfe
3. Agnes hat eine Idee
4. Ein seltsamer Mönch
5. Geheime Zeichen
6. Die Siedlung im Wald
7. Eine Spur!
8. Wut vernebelt den Kopf
9. In tausend Stücken
10. Der unsichtbare Dieb
Lösungen
Erlenburg und sein Kloster
Lesenswerte Internetseiten
»O glücklichster Leser, wasche Deine Hände und fasse
so das Buch an, drehe die Blätter sanft, halte die Finger
weitab von den Buchstaben. Der, der nicht weiß zu
schreiben, glaubt nicht, dass dies eine Arbeit sei. O wie
schwer ist das Schreiben: Es trübt die Augen, quetscht
die Nieren und bringt zugleich allen Gliedern Qual.
Drei Finger arbeiten und der ganze Körper plagt sich.
Groß ist die Mühe, aber größer der ewige Lohn. Den,
der dieses Buch liest, bitte ich, er möge in seinen Gebeten
des unwürdigen Peregrinus gedenken.«
(Randnotiz in einem lateinischen Manuskript,
8.Jahrhundert, aus dem Skriptorium des
Bischofs von Freising)
JOSEF STEINHAUS: Gewürzkrämer, Agnes’ Vater
ADELGUNDE: seine Frau, Agnes’ Mutter
CASPAR ZWOLLE: Tuchhändler, Pauls Vater
SUSANNA ZWOLLE: Schwester von Josef Steinhaus, Pauls Mutter
JAKOB BRAUER (»KÖBES «): »Drei Kronen«-Wirt, Jakobs Vater
HILDA: seine Frau, Jakobs Mutter
GRAF WILHELM VON ERLENBURG: Stadtherr
GRÄFIN ELISABETH: seine Frau
MARKUS VON THALBACH: Stadtvogt
BASTIAN GRIMMEL: Stadtschreiber
VATER AMBROSIUS: Stadtpfarrer
DIE MÖNCHE DES KLOSTERS VON ERLENBURG:
URBAN VON ANGEBERG: Abt des Klosters
BRUDER THEOBERT: Prior
BRUDER LAMBERT: Subprior
BRUDER MELCHIOR: Cellerar
BRUDER BERNHARD: Klosterpförtner
BRUDER MARTINUS: Krankenbruder im Klosterhospital
BRUDER GISBERT: junger Mönch im Hospital
BRUDER ANSELM: Apotheker
BRUDER GREGOR: Bibliothekar
BRUDER HILDEBERT: Schreiber im Skriptorium
BRUDER HUBERTUS: Novizenmeister
MEISTER STEFFEN: Hüttenmeister der Glashütte
BERTRAM: Hannes’ Großvater
Die Geschichte spielt im Oktober 1390 in Erlenburg.
Um die alten Mauern des Klosters von Erlenburg tobte der erste Herbststurm, rüttelte an den Toren und ließ die Schieferdächer klappern. Fröstelnd wickelte Paul sich fester in seinen wollenen Umhang und schlug die Kapuze über den Kopf. Er warf noch einen Blick über die Schulter ins Skriptorium. In der Schreibstube des Klosters sah alles aus wie immer. Niemand würde die verklecksten Pergamentbögen finden. Er hatte sie gut versteckt.
Vorsichtig öffnete er die kleine Pforte. Kalter Regen klatschte ihm ins Gesicht. Er blieb stehen und lauschte angespannt in die Dunkelheit. Vom Stadttor her hörte er die uralte Toreiche im Sturm ächzen. Der Wind fegte ihre Blätter über die Klostermauern bis vor seine Füße. Aus der Kirche klangen Fetzen von Gesang zu ihm herüber. Das abendliche Gebet zur Vesperstunde war schon fast vorbei.
Da hätte er jetzt auch sein müssen! Hoffentlich merkten die Mönche nicht, dass er fehlte! Er würde einen Verweis bekommen, aber das war bestimmt nicht so schlimm wie die Stockschläge, die ihn wohl für die verdorbenen Pergamentbögen erwarteten. Er hatte sich so geärgert, als die Tinte in hohem Bogen darauf spritzte und auf drei der teuren Bögen hässliche Flecken hinterließ. Da half kein Wischen. Und Bruder Gregor, der freundliche alte Bibliothekar, hatte ihm doch genau erklärt, wie wertvoll Pergamentbögen waren und wie lange es dauerte, Tinte herzustellen! Und jetzt das!
Leise zog Paul die Tür hinter sich zu und blickte sich rasch um. Bewegte sich da nicht ein Schatten? Nein, er hatte sich wohl getäuscht. So schnell er konnte, rannte er durch den strömenden Regen zu dem gegenüberliegenden Haus. Dort stand sein Bett in einem Saal, wo auch die anderen Jungen schliefen. Wie er waren sie Oblaten. Sie waren Kinder, die von ihren Eltern aus den verschiedensten Gründen dem Kloster übergeben worden waren, damit sie zu Mönchen erzogen wurden. Die älteren Jungen waren sogar schon Novizen und würden bald zu Mönchen geweiht werden.
Paul wollte gerade die Tür öffnen, als er heftig am Arm gepackt wurde.
»Quid facis hic?«
Paul fuhr erschrocken zusammen. Er erkannte Bruder Lambert an seiner hohen, nörgelnden Stimme. Jetzt hörte sie sich auch noch zornig an.
»Ach, du verstehst ja noch kein Latein. Also, was machst du hier? Und wieso bist du nicht zur Vesper in der Kirche?«
Aufgebracht zerrte Bruder Lambert den Jungen am Arm zu sich herum.
Lambert war der Subprior des Klosters, der Stellvertreter des Priors. Immer, wenn der Abt sich auf Reisen befand, vertrat Prior Theobert ihn mit Bruder Lamberts Hilfe. Der ehrgeizige Lambert genoss sein Amt in solchen Fällen besonders.
Paul rutschte das Herz bis in die Kniekehlen. Was sollte er tun? Er konnte Bruder Lambert nicht ausstehen, aber er musste ihm antworten. Nur: Was sollte er sagen? Gerade der übellaunige Lambert durfte nicht wissen, was geschehen war!
»Also?«, fragte Bruder Lambert noch einmal scharf.
Paul senkte die Augen und biss sich auf die Lippen.
»Verstockt, wie? Es wird dir nichts nutzen. Morgen früh nach der Morgenandacht wirst du sprechen. Das rate ich dir wenigstens.«
Lambert warf Paul einen drohenden Blick zu, drehte sich auf dem Absatz um und verschwand in Richtung Kirche.
Morgen früh? Was sollte das heißen? Pauls Magen verkrampfte sich. Er fühlte sich plötzlich müde und hilflos. Das Leben hier war so… so beängstigend anders als zu Hause.
Seufzend zog er die Tür zum Schlafsaal hinter sich zu und sperrte den Sturm aus. Eine Fackel neben einer schmalen Holztür tauchte den Raum in flackerndes Licht. Bruder Hubertus, der Novizenmeister, schlief hinter dieser Tür. Er unterrichtete die jungen Oblaten und auch die älteren Novizen. Er passte auch nachts auf seine Schüler auf und weckte sie pünktlich zu den nächtlichen Stundengebeten.
Paul lehnte sich erschöpft an die Wand. Wie sollte er es schaffen, hier sein ganzes Leben zu verbringen? Als er Anfang Oktober, das war vor zwei Wochen, ins Kloster gekommen war, hatte noch eine spätsommerlich warme Sonne geschienen. Damals war ihm der Ritt mit seinen Eltern hierher nach Erlenburg wie ein Abenteuer vorgekommen.
Der Gewürzkrämer Josef Steinhaus hatte die Familie seiner Schwester Susanna herzlich aufgenommen. Sogar Tante Adelgunde hatte ihren »lieben Neffen Paul« in den Arm genommen. Und Agnes, seine Cousine, mochte er sowieso.
Zwei Tage später waren seine Eltern mit ihm zum Kloster gegangen und sein Vater hatte ihn mit einem feierlichen Gelübde den Benediktinern übergeben.
Paul hatte bald gemerkt, dass Bruder Lambert die Oblaten genau beobachtete. Ständig verfolgte er sie mit seinen scharfen Raubvogelaugen und wartete darauf, dass sie einen Fehler machten. Die Kleinen fürchteten sich vor ihm, aber sie waren auch gerade erst sieben oder acht Jahre alt. Und die Größeren wie Paul lernten schnell, Lambert aus dem Weg zu gehen. Manchmal sehnte sich Paul danach, einfach die Pforte zur Stadt zu öffnen und zu seiner Cousine zu gehen. Agnes würde ihn bestimmt verstehen. Und ihr Freund Jakob auch. Er würde endlich wieder so viel reden und lachen dürfen, wie er wollte. Aber niemand durfte das Kloster ohne Erlaubnis verlassen, nicht einmal die Mönche.
An die vielen Gebote im Kloster konnte er sich am schlechtesten gewöhnen. Niemand sprach hier, außer im Unterricht und an Orten, wo Sprechen erlaubt war. Niemand lachte übermütig, wie er es daheim mit seinen Freunden getan hatte. Er musste eine lange Kutte aus kratziger Wolle tragen, die ihm beim Laufen überall im Weg war. Zu Hause hatte er die feine, weiche Kleidung eines Kaufmannssohns gehabt. Man war ihm gegenüber höflich gewesen, denn sein Vater Caspar Zwolle war ein reicher Tuchhändler und hatte Einfluss in seiner Stadt.
Alle seine Schätze hatte Paul zu Hause lassen müssen: eine Münze aus dem fernen Land der Kalifen, die sein Vater ihm geschenkt hatte, ein kleines, fein gearbeitetes Stundenbuch mit Gebeten für jeden Tag und sogar das goldene Medaillon, das er seit seiner Geburt getragen hatte, mit dem winzigen Bild seines Namenspatrons, des Heiligen Paulus.
Langsam ging Paul hinüber zur anderen Seite des Raumes, wo ein Bett neben dem anderen an der Wand entlang stand. Er hängte den nassen Umhang an den Haken neben seinem Bett und merkte, dass wieder jemand an seiner Truhe gewesen war. Am Morgen hatte er sie verschlossen, aber jetzt schaute ein Zipfel seiner dünnen Sommerkutte heraus. Niemand durfte in der Truhe eigenen Besitz aufbewahren, denn den gab es im Kloster nicht. Es wurde regelmäßig kontrolliert, ob jemand trotzdem etwas versteckte und deshalb eine Strafe verdiente.
Seufzend zog Paul die Kutte über den Kopf, faltete sie zusammen, wie der Novizenmeister es ihm gezeigt hatte, und legte sie auf die Truhe. Dann kroch er unter die warme Felldecke auf der Strohmatratze und schlief sofort ein. Er hörte noch nicht einmal, dass die anderen aus der Kirche zurückkamen.
Am nächsten Morgen strahlte die Sonne aus einem tiefblauen Herbsthimmel, als hätte es nie einen Sturm gegeben. Nach der Morgenandacht glaubte Paul schon fast, Bruder Lambert hätte seine Drohung vom Abend zuvor vergessen. Erleichtert ging er mit den anderen Oblaten zum Unterricht ins Novizenhaus hinüber. Aber da holte Lambert ihn am Arm aus der Gruppe. Schweigend zog er ihn mit sich in die Kirche zurück und weiter durch eine Pforte in den Kreuzgang, der um einen viereckigen, schön bepflanzten Innenhof führte. Um ihn herum standen die Gebäude, in denen die Mönche abgeschlossen vom Rest des Klosters lebten, aßen und schliefen.
Bruder Lambert öffnete eine Tür und Paul fuhr erschrocken zurück. Es war der Kapitelsaal. Er hieß so, weil sich der Abt und alle Mönche täglich nach der Morgenandacht hier versammelten, um ein Kapitel aus der Ordensregel des Heiligen Benedikt oder aus einem geistlichen Buch zu hören. Außerdem diskutierten sie in diesem Raum wichtige Entscheidungen für das Kloster. Aber hier wurden auch Übeltäter bestraft!
Jetzt war der Kapitelsaal voller Mönche, die ihn schweigend anblickten. Paul war es mulmig zumute. Vielleicht hätte er sich doch schnell eine kluge Ausrede einfallen lassen sollen, als Bruder Lambert ihn erwischt hatte. Aber der hätte ihm sowieso nicht geglaubt und ihn dann auch noch bei einer Lüge ertappt. Jetzt konnte Paul nur noch abwarten, was passieren würde. Er hatte keine Ahnung, aber Lamberts zorniges Gesicht verhieß nichts Gutes.
Der Subprior zerrte ihn in den Raum und schloss leise die Tür. Er machte Paul ein Zeichen, stehen zu bleiben, wo er war. Plötzlich verschwand der zornige Ausdruck wie von Zauberhand von seinem Gesicht. Er drehte sich um und senkte demütig den Kopf. Langsam ging er an seinen Mitbrüdern vorbei zu seinem Platz auf der langen Holzbank, die sich an den Wänden entlang rund um den Raum zog. Erschrocken blickte Paul in die eisblauen Augen des Abtes, der ihm gegenüber in der Mitte der Bank thronte. Paul merkte, wie seine Knie weich wurden.
Urban von Angeberg war ein hagerer, strenger Mann. Von seinen Entscheidungen hing das Wohl des Klosters ab. Er musste auch dafür sorgen, dass die Ordnung nach der Regel des Heiligen Benedikt eingehalten wurde. Dazu gehörte, dass es keinen Streit, keinen Hochmut, Trotz oder Ungehorsam in der Gemeinschaft gab. Wer sich nicht an die Regel hielt und damit Unruhe stiftete, wurde bestraft. Auch die Strafen hatte der heilige Ordensgründer Benedikt aufgeschrieben. Abt Urban hatte jedoch den Ruf, in seinen Urteilen stets streng, aber gerecht zu sein.
Fragend blickte der Abt nun auf Paul, dann auf Bruder Lambert, der sofort aufsprang und der Versammlung mit lauter Stimme verkündete: »Es geht um den Oblaten Paul, den ihr hier vor euch seht. Ich beschuldige ihn, ein kostbares Buch aus der Bibliothek gestohlen zu haben. Das Buch mit dem Karfunkelstein, die wertvolle Schenkung seines Vaters an das Kloster.«
Paul wurde bleich vor Entsetzen. Was? Das war ja ungeheuerlich! Empört blickte er den Abt an. Urban sah ihm jedoch so streng in die Augen, dass Paul den Kopf senkte. Er durfte nicht sprechen, wenn der Abt ihn nicht dazu aufforderte.
»Weiter!« Der Abt wandte sich wieder Bruder Lambert zu. »Worauf gründet sich deine Anschuldigung, Bruder?«
Lambert berichtete nun, dass Bruder Gregor vor der Morgenandacht das Fehlen des Buches in seiner Bibliothek bemerkt und ihn sofort davon unterrichtet hatte. Und Lambert war gleich eingefallen, dass Paul am Abend zuvor nicht bei der Vesper gewesen war, sondern heimlich aus dem Skriptorium, das direkt unter der Bibliothek lag, geschlichen war. Vermutlich hatte er da das Buch unter seinem Umhang versteckt.
Paul wirbelte der Kopf. Schlagartig wurde ihm klar, dass er sich nicht verteidigen konnte, ohne von den Pergamentbögen zu erzählen. Was würde dann Bruder Gregor von ihm denken? Wie würde die Strafe aussehen, die ihn erwartete? Er war in einer schrecklichen Lage.
Der Abt blickte den Bibliothekar fragend an.
»Ja, Ehrwürdiger Vater«, nickte Bruder Gregor. »Das Buch ist verschwunden. Es ist ein großer Verlust für unsere Bibliothek. Ich glaube allerdings nicht, dass Paul…«
»Wahrscheinlich ist das Buch jetzt in der Truhe des Oblaten«, unterbrach Lambert ihn verächtlich. »Dort verstecken sie ja meistens Dinge, wenn sie auf unerlaubten Besitz nicht verzichten können. Solche Menschen haben im Kloster nichts zu suchen!«
Aber der Mönch, der von Abt Urban geschickt wurde, um Pauls Truhe zu untersuchen, kam mit leeren Händen zurück.
»Warst du in der Bibliothek?«, fragte Urban den Jungen.
»Nein, Ehrwürdiger Vater!«, antwortete Paul wahrheitsgemäß. Seine Stimme zitterte, dabei stimmte es ja wirklich. Er war der Treppe zur Bibliothek noch nicht einmal nahe gekommen.
»Hast du das Buch gestohlen?«
»Nein, Ehrwürdiger Vater!«
»Was hattest du dann zur Zeit der Vesper im Skriptorium zu suchen?«
Hilfe suchend blickte Paul zu Bruder Gregor, dem Bibliothekar, hinüber. Aber der sah ihn nur traurig an. Er durfte das Verhör des Abtes nicht unterbrechen.
»Nichts«, flüsterte Paul und wurde rot.
»Warum warst du dann dort?«
Paul schüttelte den Kopf und schwieg.
»Verstockt und widerspenstig!«, warf Lambert dazwischen und erntete einen missbilligenden Blick des Abtes. Urban hatte ihn nicht aufgefordert zu sprechen. Sofort senkte Lambert wieder demütig den Kopf.
Der Abt schwieg, bis die Stille auf allen lastete. Pauls Magen verkrampfte sich immer mehr. Jetzt konnte er unmöglich von den Pergamentbögen erzählen! Es hätte seine Lage unerträglich gemacht. Und seine Strafe wahrscheinlich auch.
Endlich brach Urban sein Schweigen.
»Nun, du hattest Gelegenheit, dich vor allen Brüdern zu erklären. Da du die Anschuldigung nicht entkräften kannst, muss ich sie für richtig halten. Du bist erst seit zwei Wochen hier und vieles fällt dir noch schwer, aber du musst es lernen. Du wirst zur Buße bei Wasser und Brot fasten und dein Essen allein zu dir nehmen, bis du das gestohlene Buch freiwillig wieder herausgibst. Außerdem findest du dich jeden Nachmittag zur dritten Stunde im Refektorium ein, wo die Brüder ihr Essen einnehmen, und wirst der Tischlesung zuhören. Ich bestimme Bruder Gregor zu deinem geistlichen Vater. Wenn dir also etwas auf der Seele lastet, dann sprich mit ihm darüber.«
Paul warf einen raschen Blick auf den Bibliothekar und bemerkte ein kurzes Lächeln in seinem freundlichen Gesicht. Einen Freund hatte er also wenigstens!
»Du kannst gehen.«
Paul verbeugte sich vor dem Abt, wie er das bei den Mönchen beobachtet hatte, und ging hinaus. Fassungslos machte er sich auf den Weg zum Unterricht im Novizenhaus.
Was für eine furchtbare Anschuldigung! Wenn er doch nur mit Agnes hätte sprechen dürfen! Er brauchte dringend Hilfe, denn allein kam er aus der Sache nicht heraus. Ihm graute davor, Bruder Gregor von den Pergamentbögen zu erzählen. Vielleicht durfte er ihm dann nicht mehr im Skriptorium helfen – und das war das Einzige, was ihm hier wirklich Spaß machte! Es gab nur eine Möglichkeit, die ihn retten konnte: Er musste das Buch wiederfinden. Das bedeutete aber auch, dass er den wahren Dieb entlarven musste. Aber das konnte er nicht allein. Wer konnte ihm helfen? Was sollte er nur tun?
Verzweifelt ging er durch den Innenhof des Novizenhauses und öffnete die Tür zur Inneren Schule. Hier wurden sie im Lesen, Singen, Rechnen und Schreiben unterrichtet und lernten lateinische Gebete und Gesänge auswendig.
Bruder Hubertus, der Novizenmeister, hatte bereits mit dem Unterricht begonnen und wies ihn streng an, auf seinen Platz zu gehen. Die Schüler saßen vor seinem Pult auf dem Boden und wiederholten gehorsam den lateinischen Satz, den er ihnen vorgesprochen hatte. Hubertus wippte dazu mit seiner Rute, die auch schon mal auf einen Rücken fuhr, wenn jemand einen Fehler machte oder nicht aufpasste.