Die magische Maske - Christa Holtei - E-Book

Die magische Maske E-Book

Christa Holtei

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Beschreibung

Unterm Schutz der Göttermaske. Athen 530 v. Chr.: In den Töpferwerkstätten der Keramiker Mikion und Andokides herrscht Hochbetrieb. Die beiden haben das Glück, die Siegeramphoren für die bevorstehenden Panathenäen-Spiele liefern zu dürfen. Ein höchst lukrativer Großauftrag. Doch als der Tag gekommen ist, an dem die Amphoren gebrannt werden sollen, fehlt über dem Brennofen die Göttermaske, die den Brennvorgang schützt. Ohne Maske kann nicht gebrannt werden! Mikion hat einen furchtbaren Verdacht: Hat etwa sein Sohn Hegias damit zu tun? 

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Christa Holtei

Die magische Maske

Ein Abenteuer aus dem Alten Griechenland

Mit Illustrationen von Volker Fredrich

Deutscher Taschenbuch Verlag

Originalausgabe 2009

© Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG, München

Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist nur mit Zustimmung des Verlags zulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.Rechtlicher Hinweis §44 UrhG: Wir behalten uns eine Nutzung der von uns veröffentlichten Werke für Text und Data Mining im Sinne von §44 UrhG ausdrücklich vor.

eBook ISBN 978-3-423-40546-1 (epub)

ISBN der gedruckten Ausgabe 978-3-423-07721-7

Ausführliche Informationen über unsere Autoren und Bücher finden Sie auf unserer Website www.dtv.de/​ebooks

Inhaltsübersicht

Eine schreckliche Neuigkeit

Hegias hat ein Geheimnis

Ein neuer Verdacht

Ein Wink des Himmels

Unter der Platane

Eine bodenlose Frechheit!

Auf falscher Fährte

In Agathons Werkstatt

Das Spiel mit dem Feuer

Ein seltsamer Besuch

Iris hat eine Idee

Der Maskendieb

Die wichtigsten Personen:

Paseas (10) und Iris (9): Kinder des Töpfers Andokides und seiner Frau, der Vasenmalerin Elena

Hegias (10): Sohn des Töpfers Mikion und seiner Frau Daphne

Die Geschichte spielt in Athen um 530 v.Chr.

Eine schreckliche Neuigkeit

»Verschwinde! Geh mir aus den Augen!«

In der Abendstille schallte Mikions aufgebrachte Stimme plötzlich laut über den Hof. Man hörte zwei klatschende Geräusche, dann war es wieder ruhig. Erschrocken drehten sich Paseas und Iris um. Sie hatten gerade stolz die Amphoren aus der Töpferwerkstatt ihres Vaters Andokides betrachtet. Fertig geformt und bemalt standen sie auf den tiefen, überdachten Regalen an der Hofmauer. Sie mussten nur noch gebrannt werden, dann waren sie für das große Geburtstagsfest der Göttin Athene in zwei Wochen bereit: für die Panathenäen-Spiele.

Paseas und Iris waren schon ganz gespannt darauf. Tausende Zuschauer wurden zu den Spielen in Athen erwartet. Acht Tage lang würden Musiker und Sänger um den goldenen Ölzweig wettstreiten. Die besten Sportler Athens und Attikas würden ihre Kräfte im Laufen, Ringen oder Faustkampf messen und als Sieger den begehrtesten Preis von allen bekommen: mit wertvollem Olivenöl gefüllte Amphoren. All diese bauchigen, großen Krüge trugen das Bild der Göttin Athene auf der einen Seite. Und auf der anderen Seite zeigten sie die Sportart, für die sie als Siegespreise vergeben wurden.

Jeder Töpfer Athens, der etwas auf sich hielt, riss sich um einen Auftrag für die Panathenäen-Amphoren. Andokides, der Vater der Geschwister, hatte zu den Glücklichen gehört. Er hatte den Auftrag für den Ringkampf bekommen. Und Mikion, der Vater ihres Freundes Hegias, stellte seit Wochen mit seinen Sklaven Preisamphoren für das Wagenrennen her.

Die Geschwister schauten neugierig hinüber zu Mikions Werkstatt.

»Was ist denn da los?«, fragte Paseas erstaunt.

Iris zuckte die Schultern. »Keine Ahnung. Vielleicht hat ein Sklave was Falsches auf die Amphoren gemalt und Ohrfeigen dafür bekommen?«

Paseas und Iris mussten nicht lange auf eine Erklärung für Mikions Wutanfall warten. Bestürzt sahen sie, dass kein Sklave, sondern die kleine kräftige Gestalt ihres Freundes Hegias aus der Werkstatt kam. Er war mit den Geschwistern aufgewachsen. Die drei Freunde hielten zusammen wie Pech und Schwefel, und Paseas und Iris sahen sofort, dass mit ihrem Freund etwas ganz und gar nicht stimmte.

Sein Gesicht unter den kurz geschnittenen schwarzen Locken war rot und verheult. Einen Moment lang blieb er mit hängenden Schultern vor der Tür stehen. Dann ging er langsam weiter. Als er seine Freunde sah, blickte er nur kurz in ihre Richtung und beeilte sich dann, zum Wohnhaus zu kommen.

»Warte!«, rief Iris und lief über den Hof am Brunnen vorbei zu ihm. Paseas eilte hinter ihr her. Es sah Hegias gar nicht ähnlich, ihnen auszuweichen.

»Was ist los?«, fragte Iris besorgt.

Zögernd blieb Hegias stehen.

»Nichts«, antwortete er kurz angebunden. Er wollte weg. Er wollte nichts erklären, das sah man ihm an. Aber Paseas ließ nicht locker.

»Nichts ist los! Ah ja!« Weil er größer als Hegias war, musste er sich ein wenig vorneigen, um ihm ins Gesicht schauen zu können. »Du hast Ohrfeigen bekommen, du heulst und du willst nicht mit uns reden. Aber es ist nichts! Vollkommen klar!«

Kleinlaut blickte Hegias ihn an.

»Nun sag schon!«, drängte Iris ihren Freund. »Vielleicht können wir dir ja irgendwie helfen!«

»Nein!« Langsam schüttelte Hegias den Kopf.

Iris schaute ihren Bruder hilflos an. Es war sehr schwierig, etwas aus Hegias herauszubekommen, wenn er nicht reden wollte. Sie fing an, eine ihrer langen Locken zwischen den Fingern zu drehen. Das tat sie immer, wenn sie nachdenken musste.

Paseas seufzte und versuchte es noch einmal.

»Gut. Dann sage ich dir jetzt, was los ist. Du hast wieder irgendeine Amphore kaputt gemacht und deshalb ist dein Vater wütend auf dich.«

Es war nicht das erste Mal, dass Hegias ein solches Missgeschick passierte. Vor ein paar Tagen noch hatte es Scherben gegeben. Als Sohn eines Töpfers hätte er es besser wissen müssen und nicht ausgerechnet im Hof Ball spielen sollen. Aber wann immer Hegias Zeit hatte, übte er begeistert für sein Mannschaftsspiel. Es hieß Episkyros. Dabei musste man einen Ball weit schießen und sicher werfen können. Das trainierte man allerdings nicht gerade im Hof einer Töpferei, wo fertig bemalte Amphoren und andere zerbrechliche Gefäße auf den Regalen trockneten.

Das wusste Hegias natürlich genau.

Aber der Ball hatte im Hof gelegen und ihn an den nächsten Gegner erinnert. Da hatte er einfach dagegengetreten. Und dann war es passiert: Drei Amphoren lagen in tausend Scherben auf dem Boden.

Sein Vater hatte keine Entschuldigung gelten lassen. Wenn das so weiterginge, hatte er Hegias angefahren, hätte er in einer Töpferei nichts zu suchen. Er sei vollkommen untauglich für den Beruf. Zornig hatte er seinen Sohn einen ganzen Tag lang nicht beachtet und kein Wort mehr mit ihm gesprochen.

Wieder schossen Hegias Tränen in die Augen. Er liebte es, mit Ton umzugehen, und er wünschte sich sehr, eines Tages so ein guter Töpfer zu werden wie sein Vater. Aber wie sollte er ihm das nur beweisen?

Entschlossen wischte er die neuen Tränen fort.

»Diesmal hab ich aber keine Amphore kaputt gemacht!«, sagte er trotzig.

»Was ist denn dann zu Bruch gegangen?«, fragte Paseas. »Irgendwas musst du doch angestellt haben!«

Iris verlor allmählich die Geduld. »Wie sollen wir dir helfen, wenn du nicht sagst, was du gemacht hast?«

»Nichts!«, rief Hegias empört. »Vater will bloß morgen die Preisamphoren brennen!«

»Ja und?«, fragte Iris. »Das wollen wir doch auch. Wir fangen morgen alle zusammen mit dem Brennen an. Das ist doch so verabredet.«

Die beiden Töpferfamilien hatten den Ofen von Anfang an gemeinsam genutzt. Er stand in der Mitte ihres Hofes und war teilweise in die Erde eingelassen, damit er die Hitze besonders gut hielt. Um ihn herum waren mit der Zeit die übrigen Gebäude entstanden: die beiden Wohnhäuser und die Werkstätten, die Regale zum Trocknen der Gefäße, die Schlämmbecken zum Reinigen des Tons und die Umfassungsmauer mit den beiden Eingangstüren.

»Und dann werden wir auch rechtzeitig fertig«,sagte Paseas. »Wir haben ja noch zwei Wochen Zeit!«

Nur Töpfer, die pünktlich und verlässlich waren, konnten sicher sein, einen der begehrten Aufträge für die Panathenäen-Spiele zu bekommen. Es wäre eine Katastrophe, wenn die ersten und zweiten Preise in einem der Wettbewerbe nicht vergeben werden könnten, weil die Preisamphoren nicht fertig waren. Ganz Griechenland würde über Athen und Attika lachen! Und für die nächsten Spiele in vier Jahren würde der schuldige Töpfer ganz bestimmt keinen der einträglichen Aufträge mehr bekommen.

»Deshalb haben wir doch überhaupt so geschuftet!«, fügte Iris hinzu.

Seit Wochen hatten beide Familien und die Sklaven unermüdlich darauf hingearbeitet, dass sechzig Amphoren für die Sieger im Ringkampf und hundertachtzig Amphoren für die Sieger im Wagenrennen rechtzeitig geformt, bemalt und gebrannt wurden. Auch die Kinder hatten geholfen, wo sie konnten.

Sie hatten die Töpferscheiben gedreht, auf denen die Amphoren gleichmäßig aus einem Klumpen Ton hochgezogen wurden, oder neue Pinsel zum Bemalen besorgt oder Tonbrei mit Wasser zu der Farbe verdünnt, mit der die Vasenmaler arbeiteten.

Hegias seufzte tief und sagte niedergeschlagen: »Wir können aber nicht brennen.«

Paseas und Iris schauten ihn entsetzt an.

»Nicht brennen? Warum denn nicht?«, fragte Iris ungeduldig. »Sind eure Amphoren nicht fertig?«

Die Geschwister warfen einen ungläubigen Blick hinüber zu Mikions langen Regalen, auf denen kein Platz mehr für weitere Amphoren zu sein schien.

»Doch, wir sind fertig. Das ist nicht das Problem.« Unglücklich sah er seine Freunde an.

»So«, sagte Paseas entschieden, »es reicht! Erzähl endlich, was du gemacht hast. Und sag jetzt nicht wieder ›nichts‹!«

»Aber ich habe wirklich nichts gemacht«, verteidigte sich Hegias.

»Und was ist dann los?«, fragte Iris.

»Wir können nicht brennen«, wiederholte Hegias. Und dann sagte er einen so schrecklichen Satz, dass es Paseas und Iris die Sprache verschlug: »Die magische Maske ist verschwunden.«

Hegias hat ein Geheimnis

»Was?«, rief Paseas entsetzt.

»Die Maske ist weg?« Iris konnte es einfach nicht glauben. Sie rannte zum Ofen, um selbst nachzusehen. Tatsächlich! Oben an der Seite des Ofens, auf der auch das Feuerloch war, hätte sie hängen müssen. Aber sie war nicht da.

»Was machen wir denn jetzt?«, fragte Paseas fassungslos. »Wie sollen wir die Amphoren ohne die magische Maske brennen? Ohne den Schutz der Götter?«

Plötzlich schlug Iris sich eine Hand vor die Stirn. »Das gibt es doch nicht!«, rief sie und schaute Hegias zornig an. »Sag bloß, du hast die Maske mit deinem Ball vom Ofen geschossen und jetzt ist sie kaputt!«

Auch Paseas fuhr zu Hegias herum. »Hast du etwa deshalb die Ohrfeigen bekommen?«

Ohne die magische Maske brannte kein Töpfer von Athen seine Gefäße. Sie war aus Ton und trug das bärtige Gesicht eines Satyrs, eines der Geisterwesen, die die Götter begleiteten. Sie schützte Haus und Hof vor Feuer, denn Satyrn gehörten auch zum Gefolge des Gottes Hephaistos, dem Gott des Feuers und der Handwerker.

Und Hephaistos musste man unbedingt besänftigen, damit er den Ofen und die Arbeit der Töpfer in Ruhe ließ und nicht alles in Brand setzte. Manchmal griff das Feuer sogar auf andere Häuser über und im Nu stand eine ganze Straße in Flammen. Ab und zu tat Hephaistos so etwas. Die Götter waren launisch, das wusste jeder in Athen. Und die Maske war der einzige Schutz, den die Töpfer gegen die Launen des Gottes besaßen.

»Seid ihr verrückt?«, wehrte Hegias sich verzweifelt. »Jetzt fangt ihr auch noch an! Es ist schon schlimm genug, dass Vater das glaubt! Das würde ich nie tun! Schon allein wegen Großvater und der Holzkohle!«

Die Familien der Kinder hatten schon immer auf die magischen Kräfte ihrer Maske vertraut. Und bisher hatte sie ihnen auch immer geholfen. Sogar damals, als Hegias noch nicht laufen konnte und über den Hof zu seinem Großvater gekrabbelt war. Der hatte ihn nicht gesehen und auch nicht gemerkt, dass hinter seinem Rücken ein glühendes Stück Kohle aus dem Ofen direkt vor seinen Enkel auf den gestampften