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In H.P. Lovecrafts "The Thing on the Doorstep" wird der Leser in ein unheimliches Abenteuer voller Mysterien und dunkler Geheimnisse entführt. Die Geschichte folgt dem Protagonisten, der durch seinen alten Freund Edward Derby in Kontakt mit einer geheimnisvollen und düsteren Macht gerät, die mit dem okkulten Erbe einer alten Familie aus Innsmouth verbunden ist. Als bizarre Ereignisse und übernatürliche Phänomene seinen Verstand bedrohen, beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit, um das Unheil abzuwenden. Lassen Sie sich von Lovecrafts meisterhaftem Erzähltalent und der düsteren Atmosphäre fesseln – eine unvergessliche Reise in die Abgründe des Unbekannten erwartet Sie!
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Seitenzahl: 57
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Das Ding auf der Türschwelle
The Thing on the Doorstep
von H. P. Lovecraft (1933)
Übersetzung: Stefan Gresse (2024)
1)
Es stimmt, dass ich sechs Kugeln in den Kopf meines besten Freundes gejagt habe, und trotzdem hoffe ich, mit diesen Erläuterungen zeigen zu können, dass ich nicht sein Mörder bin. Zunächst wird man mich einen Irren schimpfen – noch verrückter als der Mann, den ich in seiner Zelle im Arkham Sanatorium erschossen habe. Später werden einige meiner Leser jede meiner Aussagen genau abwägen, sie mit den bekannten Fakten überprüfen und sich fragen, ob ich etwas anderes als das, was ich damals dachte, hätte glauben können, nachdem ich mit den Beweisen für dieses Grauen konfrontiert war – diesem Ding auf der Türschwelle.
Bis zu diesem Zeitpunkt erkannte ich auch nichts als Wahnsinn in den wilden Geschichten, auf denen meine Taten beruhten. Selbst jetzt noch frage ich mich, ob ich in die Irre geführt wurde – oder ob ich am Ende nicht vielleicht doch verrückt bin. Ich weiß es nicht – aber auch andere Personen wissen seltsame Dinge über Edward und Asenath Derby zu berichten, und selbst die sturen Polizisten sind ratlos, was diesen letzten schrecklichen Besuch betrifft. Sie haben versucht, eine Theorie zu aufzustellen, die sich um die entlassenen Bediensteten drehte, die entweder einen grässlichen Scherz aufführen oder eine Warnung hinterlassen wollten; doch die Polizisten wissen in ihrem tiefsten Inneren, dass die Wahrheit unendlich viel schrecklicher und unglaublicher ist.
Also erkläre ich, dass ich Edward Derby nicht ermordet habe. Vielmehr habe ich ihn gerächt, und indem ich dies tat, habe ich die Erde von einem Grauen gesäubert, dessen Überleben unaussprechliche Schrecken über die gesamte Menschheit hätte bringen können. Ganz nah neben unseren alltäglichen Pfaden existieren dunkle Reiche der Schatten, und gelegentlich gelingt es einer bösen Seele, einen Durchgang zu finden. Wenn so etwas passiert, muss derjenige, der eine Ahnung davon hat, sofort zuschlagen, und zwar noch ehe er die Konsequenzen abwägt. Ich kannte Edward Pickman Derby sein ganzes Leben lang. Acht Jahre jünger als ich war er so frühreif, dass wir seit seinem achten und meinem sechzehnten Lebensjahr über viele Gemeinsamkeiten verfügten. Er war das verblüffendste Kind, das ich während meiner Schulzeit kennenlernte, und mit sieben Jahren verfasste er zum Erstaunen seiner vielen Tutoren bereits Verse von düsterer, fantastischer, beinahe morbider Natur. Vielleicht hatte seine private Erziehung und die umsorgte Abgeschiedenheit etwas mit seinem vorzeitigen Aufblühen zu tun. Er war Einzelkind und hatte gewisse körperliche Gebrechen, die seine hingebungsvollen Eltern beunruhigten und sie dazu veranlassten, ihn besonders eng an sich zu binden. Er durfte nie ohne seine Krankenschwester ausgehen und hatte selten die Möglichkeit, ungehindert mit anderen Kindern zu spielen. All dies förderte zweifellos ein eigenartiges und geheimnisvolles Innenleben in dem Jungen, mit der Vorstellungskraft als seinem einzigen Ausweg in die Freiheit.
Wie dem auch sei, sein kindlicher Lerneifer war erstaunlich und bizarr zugleich; und seine leichthändigen Schriften vermochten es, mich trotz meines höheren Alters zu fesseln. Zu dieser Zeit neigte ich zu einer etwas grotesken Kunst und fand in diesem jüngeren Kind einen seltenen geistigen Verwandten. Der Grund für unsere gemeinsame Vorliebe für das Schattenhafte und Wunderbare war zweifellos die alte, vermodernde und auf subtile Weise beängstigende Stadt, in der wir lebten – dem von Hexen verfluchten und von Legenden heimgesuchten Arkham, deren zusammengedrängte, durchhängende Giebeldächer und bröckelnden georgianischen Balustraden die Jahrhunderte neben dem düsteren Rauschen des Miskatonic überdauert hatten.
Mit der Zeit wandte ich mich der Architektur zu und gab mein Vorhaben auf, ein Buch von Edwards dämonischen Gedichten zu illustrieren, doch unsere Kameradschaft erlitt dadurch keinen Schaden. Derbys ungewöhnliches Genie entwickelte sich bemerkenswert, und in seinem achtzehnten Lebensjahr sorgte seine gesammelte Albtraum-Lyrik bei der Veröffentlichung unter dem Titel ‚Azathoth und andere Schrecken‘ für Aufsehen. Er stand in engen schriftlichen Austausch mit dem berüchtigten Baudelaireschen Dichter Justin Geoffrey, der ‚Die Menschen des Monolithen‘ geschrieben hatte und 1926 brüllend in einer Irrenanstalt verstarb, nachdem er ein düsteres, schlecht beleumundetes Dorf in Ungarn besucht hatte.
In puncto Selbstständigkeit und allen praktischen Angelegenheiten war Derby jedoch stark eingeschränkt, da er so wohlbehütet aufwuchs. Seine Gesundheit hatte sich zwar gebessert, aber seine Angewohnheit kindlicher Abhängigkeit wurde von seinen überfürsorglichen Eltern befördert. Was dazu führte, dass er nie allein reiste, keine unabhängigen Entscheidungen treffen konnte und keine Verantwortung übernahm. Man erkannte bereits frühzeitig, dass er für den alltäglichen Wettstreit im Geschäftsleben nicht tauglich war, aber das Familienerbe war derartig großzügig, dass dies keine Tragödie darstellte. Auch als er zum Mann heranwuchs, behielt sein Äußeres jugendliche Züge. Blond und blauäugig, hatte er die frische Gesichtsfarbe eines Kindes, und seine Versuche, sich einen Schnurrbart wachsen zu lassen, waren nur wenig erfolgreich. Seine Stimme war weich und sanft, und sein entspanntes Leben verlieh ihm anstatt des vorzeitigen Bauchansatzes des mittleren Alters eine gewisse Pausbäckigkeit. Er war mittelgroß und sein attraktives Äußeres hätte ihn sicherlich zu einem erfolgreichen Gentleman machen können, wenn seine Schüchternheit ihn nicht zur Abgeschiedenheit und Bücherliebe verurteilt hätte.
Derbys Eltern nahmen ihn jeden Sommer mit ins Ausland, und so hatte er schnell die markantesten Aspekte der europäischen Denkweise aufgegriffen. Sein schriftstellerisches Talent, das einem Poe nicht unähnlich war, wandte sich mehr und mehr dem Dekadenten zu, und andere künstlerische Vorlieben und Sehnsüchte gerieten dadurch etwas in den Hintergrund. Zu jener Zeit standen wir häufig miteinander im Austausch.
Nach einem Studium in Harvard habe ich in einem Architekturbüro in Boston gearbeitet, habe dort geheiratet und kehrte anschließend nach Arkham zurück, um in meiner Heimatstadt meinem Beruf nachzugehen. Zu diesem Zweck ließ mich im Haus der Familie in der Saltonstall Street nieder, nachdem mein Vater aus gesundheitlichen Gründen nach Florida fortgezogen war. Edward schaute fast jeden Abend vorbei, sodass ich ihn beinahe als Mitglied des Haushalts betrachtete. Er hatte auch eine charakteristische Weise, die Türklingel zu läuten oder den Türklopfer zu betätigen, die zu einer Art von Erkennungscode wurde, sodass ich nach dem Abendessen immer auf die drei vertrauten energischen Schläge lauschte, auf die nach einer kurzen Pause zwei weitere folgten. Ich besuchte sein Haus deutlich seltener, aber wenn ich dort war, beeindruckten mich stets die obskuren Bücher in seiner ständig wachsenden Bibliothek.
Derby studierte an der Miskatonic University in Arkham, da seine Eltern nicht wollten, dass er die Stadt verließ. Er schrieb sich mit sechzehn Jahren dort ein und schloss sein Studium nach drei Jahren, mit dem Schwerpunkt in englischer und französischer Literatur und mit guten Noten in allen Fächern außer Mathematik und den Naturwissenschaften ab. Er mischte sich sehr wenig unter die anderen Studenten, schaute aber neidisch auf die Vertreter der „Bohème“ – deren oberflächlich „gescheite“ Sprache und ironische Pose er nachzuahmen pflegte.