Das Erbe der Zwergenrüstung - Thomas Zinger - E-Book

Das Erbe der Zwergenrüstung E-Book

Thomas Zinger

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Beschreibung

Der Zwergenkrieger Gronn lebt ein einfaches Leben. Seit sein Dienst in der Brandungsfeste endete, verdingt er sich als Kopfgeldjäger für zwielichtige Gestalten. Eines Tages nimmt er einen besonders gefährlichen Auftrag an und der Kampf mit einem Minotauren verändert sein Leben. Es folgen schwere Schicksalsschläge, die ihn in ein tiefes Loch reißen. Nur der Fund eines magischen Artefaktes und ein unerwarteter Freund bieten Gronn die Chance auf ein neues Leben. Unterdessen bedroht ein Orkheer, angeführt von einem uralten Schamanen, seine Heimat, das Donnergebirge. Es ist die Schlacht zwischen Zwergen, Menschen und Orks, die eine noch größere Bedrohung für die gesamte Welt enthüllt. Gronn und sein neuer Freund begeben sich daraufhin auf eine Mission in die Spitzen des Donnergebirges, um seine Heimat zu retten.

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Das Erbe der Zwergenrüstung

 

 

Thomas Zinger

Impressum:

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek. Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Veröffentlicht bei Infinity Gaze Studios AB

1. Auflage

September 2024

Alle Rechte vorbehalten

Copyright © 2024 Infinity Gaze Studios

Texte: © Copyright by Thomas Zinger

Cover & Buchsatz: Valmontbooks

Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung von Infinity Gaze Studios AB unzulässig und wird strafrechtlich verfolgt.

Infinity Gaze Studios AB

Södra Vägen 37

829 60 Gnarp

Schweden

www.infinitygaze.com

 

Kapitel 1

Gronns Abenteuer

 

Laut gähnend und sich die kleinen Augen reibend stand Gronn im Nachthemd auf dem Balkon. Die Aussicht war atemberaubend. Jeden Morgen wieder genoss er den Anblick des Barand-Gebirges, das sich unter ihm erstreckte. Barand, zugleich der Name der westlichsten Stadt des Zwergenreiches, war, wie alle Zwergenstädte, in den Berg getrieben worden. Gleich einer Mine fraßen sich die Gänge und Gewölbe tief in das Gestein. Der Unterschied zu den anderen Städten jedoch war, dass Barand sich bis hoch in die Bergspitzen erstreckte. Und so genossen wohlsituierte Zwerge das Privileg, Wohnungen zu beziehen, die bis zu mehreren tausend Schritten über dem Erdboden in den Flanken des Berges lagen. Es war Brauch, alles aus dem Stein zu hauen, was den Zwergen möglich war, wie Wände, Decken, Türrahmen, Fenster und eben auch einige Balkone. Nur selten ragten hölzerne Verstärkungsvorrichtungen hervor.

Gronns Balkon bestand aus einem Rechteck, er war vier Schritt breit und zwei tief. Die brusthohe Balustrade hatte man simpel und schmucklos gehalten. Eine einfache, kleine Mauer mit angedeuteten Zinnen, an deren zwei Enden zu Wehrtürmen geformte Säulen hervorragten. Und so stand Gronn in seiner eigenen kleinen Festung und überblickte die Welt, welche sich vor ihm ausbreitete. Seine Behausung lag an der Vorderseite des Berges, welche ins Landesinnere zeigte. So bot sich ihm der Anblick des Kohle-Tals, welches seinen Namen vor etwa fünfzig Jahren erhielt, als die hier einstmals wuchernden Wälder abbrannten und das Land für Jahrzehnte geschwärzt war. Inzwischen hatte es sich erholt und ein sattes Grün breitete sich immer weiter aus. Manchen Ortes hatten sich kleine Wälder gebildet, die auf dem besten Wege waren, sich zusammenzuschließen. Es war, als strebten sie nach Zusammenhalt.

An das Kohle-Tal grenzte Myrvidon, das Menschenreich. Thorowald, seines Titels König über die ehemals vier Menschenreiche hatte diese in einem zwölf Jahre andauernden Feldzug vereint. Noch war das Reich nicht stabil und vereinzelt kam es zu Schlachten zwischen den Königlichen Truppen und den Aufständischen. Es war keine sichere Zeit für die Menschen. Immer mehr von ihnen flohen dieser Tage und suchten auch bei den Zwergen Unterschlupf. Von vielen missbilligt, wurden sie aufgenommen und gliederten sich zumeist ein. Einige von ihnen aber schürten Kriminalität und Gewalt in den Bergstädten.

Weit hinter Myrvidon lag ein Land aus endlosen Wäldern, Sümpfen und Höhlen, ein Land ohne Namen. Dort wimmelte es von Räuberbanden, primitiven Stämmen von Orks und anderen niederen Lebewesen. Man erzählte sich, alles Übel, welches sich im Zwergen- und im Menschenreich ausbreitete, stamme von dort. Dazu zählten nicht nur bösartige Wesen, sondern auch, abergläubischer Weise, böse Gedanken, Mord, Raub, Eifersucht und Neid. Es hieß, irgendwo dort im tiefsten und dunkelsten Wald lebte ein Bestiengott. Dieser ernährte sich vom Leid anderer Wesen und würde damit seine Macht schüren, bis er stark genug war, sich aus seinem magischen Kokon zu befreien, in den ihn ein anderer Gott einst einsperrte. Und tatsächlich hatten die Sichtungen von Monstern und Bestien in letzter Zeit zugenommen. Das Leid ihrer Opfer bedeutete Arbeit für Gronn. Denn er verdingte sich mit der Jagd nach ihnen. Er würde später bei Dunerich, dem Sammler, vorbeischauen und nach Arbeit fragen.

Gronn lehnte sich auf die Balustrade und genoss den eiskalten Wind, der mit seinen roten Haaren spielte. Er strich sich eine dicke Strähne aus dem Gesicht und streichelte gedankenverloren seinen zu Zöpfen geflochtenen Bart. Er war ein Zwerg fürs Grobe und redete sich ein, das Herz dennoch am rechten Fleck zu haben. Niemals nahm er unmoralische Aufträge an oder handelte gegen das Gesetz.

Er sah sich um. Auf einigen anderen Balkonen, die teils nur einige Meter, anderen Ortes hundert Meter weit weg waren, standen andere Zwerge. Sie alle genossen wie er den Kontrast zwischen dem kalten Wind und den wärmenden Sonnenstrahlen auf ihrer Haut. Hier und dort wurde die morgendliche Pfeife geraucht, an anderen Orten ein kleines Lied gebrummt.

Am Fuße des Berges stand die Feste „Brandung“, die über den Eingang zum Gebirge wachte. Ihren Namen verdiente sie sich dadurch, dass jede Armee, die es in den letzten eintausend Jahren gewagt hatte, sie anzugreifen, an ihr gebrandet war und sich aufgerieben hatte. Zu jeder Zeit stand eine Besatzung von dreitausend bewaffneten Zwergen bereit, mal mehr, mal weniger, vor Langeweile angetrunken. Auch Gronn hatte zwanzig Jahre im Dienst der Brandungswache gestanden und dabei einen Hang zum übermäßigen Trinken entwickelt. Auch nachdem er den langweiligen Dienst quittieren durfte, trank er weiter, über die üblichen Maße eines Zwerges hinaus. Er hatte nur wieder Halt gefunden, nachdem er in der Jagd nach Monstrositäten eine neue Berufung gefunden hatte und er mit seiner Liebsten ein eigenes Heim bezog. Lysa war die Liebe seines Lebens und er kannte sie nun seit einigen Jahren. Inzwischen lebten sie zusammen und er sparte alles, was er konnte, für einen Ring, den er ihr am dritten Jahrestag ihres Kennenlernens überreichen wollte. Er hatte Börig, den Goldschmied, bereits aufgesucht und einen Ring in Auftrag gegeben. Allerdings fehlte noch ein guter Teil an Münzen für die Bezahlung. Umso mehr hoffte er, dass Dunerich heute einen anständigen Auftrag für ihn hatte. Womöglich hätte er dann genügend zusammen für den Ring und um somit mit Lysa den Rest ihres gemeinsamen Lebens angehen zu können.

 

 

„Guten Morgen Gronn!“, rief jemand von einem anderen Balkon. Gronn sah sich um, bis er den Zwerg fand, der ihn gegrüßt hatte. Es war Bolta, ein ehemaliger Gefährte aus seiner Zeit in der Brandungswache. Er stand auf einem Balkon, etwas tiefer als der von Gronn. „Bolta, du Saufnase!“, antwortete er freudig überrascht. „Was machst du denn hier?“

Bolta lehnte sich demonstrativ auf die Balustrade seines Balkons und hob breit grinsend das Kinn.

Gronn verstand. „Du alter Fuchs, du! Wie viele Kobolde hast du ausgeraubt, um dir hier oben ein Heim leisten zu können?“

„Man muss nur den richtigen Kobold ausrauben“, scherzte Bolta, schelmisch grinsend. Beide lachten herzhaft. „Komm doch später vorbei“, schlug er vor. „Korridor vierzig. Die fünfte Tür“, beschrieb er den Weg.

„Na aber!“, versprach Gronn. Er musste lauter rufen, da der Wind nun stärker pfiff. „Aber erst mal wartet etwas Arbeit auf mich. Womöglich bin ich einige Tage fort. Aber dann sehen wir uns und trinken auf dein Heim.“ Er prostete ihm symbolisch zu. „Oder noch auf etwas anderes“, deutete er verschwörerisch an und zwinkerte. Bolta kannte ihn gut, wusste was Gronn meinte und drückte ihm die Daumen.

„Worauf willst du anstoßen?“ Lysas liebliche Stimme drang von der Balkontür zu Gronn. Er fuhr erschrocken zusammen, entspannte sich aber sofort, als er die Liebe seines Lebens in der Tür sah. Ihre Aura ließ ihn alles vergessen und nur Liebe empfinden. Sie hatte ihr Nachthemd, das leicht im Wind wehte und ihre Silhouette betonte, noch immer an. Sie war schlank für eine Zwergin, aber dennoch muskulös, obwohl sie weder eine Kämpferin war noch schwere körperliche Arbeit vollführte. Ihr gelbes Haar war zu einem dicken Zopf an ihrer linken Kopfseite geflochten. Die Seite, mit der sie nicht auf dem Kissen lag. Er fiel ihr über das herausstehende Schlüsselbein und endete zwischen ihren Brüsten. Gronn musste sich zusammenreißen, um nicht über sie herzufallen wie in der vergangenen Nacht. Sie durchschaute seinen inneren Kampf und neckte ihn, indem sie sich aufreizend streckte und ihm dabei tief in die Augen sah.

Gronn konnte nicht anders und nahm sie in die Arme. „Guten Morgen“, grüßte er sie und küsste sie auf den Hals. Ihre Haut war warm und weich, als er sein Gesicht daraufhin an ihren Hals bettete und die Geborgenheit genoss. Sie streichelte liebevoll seine Haare und wiederholte ihre Frage: „Worauf willst du mit Bolta anstoßen?“ Er hielt sie immer noch fest, sah ihr jetzt aber in die Augen. „Auf den großen Fang, den ich heute hoffentlich machen werde“, sagte er etwas zu beiläufig, um glaubhaft zu wirken. Lysa sah ihm verführerisch in die Augen, als lese sie seine Gedanken wie ein offenes Buch. Als hätte sie eine gesuchte Zeile gefunden, legte sich ein glückliches Lächeln auf ihr Gesicht und sie küsste ihn innig auf den Mund. Gronn schloss die Augen und genoss diesen Moment. Wenn er doch nur ewig dauerte, dachte er.

Als sie ihre Lippen von den seinen löste, vermisste er die Berührung bereits. Aber ihr Anblick, als er die Augen wieder öffnete, entschädigte ihn. „Ich werde gleich zu Dunerich gehen und schauen, was er für mich hat. Er hat da gestern etwas angedeutet. Es klang vielversprechend.“

 

Lysas Ausdruck änderte sich von Liebe zu Sorge. „Vielversprechend?“, wiederholte sie seine Worte langsam. „Das heißt immer gefährlich! Der letzte, vielversprechende Auftrag hat dir das hier eingebrockt.“ Sie schob den rechten Ärmel seines Nachthemdes hoch und strich über die Narben, die den Gebissabdruck eines Trolls formten. Gronns gesamter Unterarm hatte von diesem einen Biss unzählige kleinere und größere Narben abbekommen. Trolle besaßen dutzende, zwergenfingerlange Zähne und Gronn hatte den Arm beinah verloren.

„Ach, das war nichts“, versuchte er, sie zu beruhigen. „Außerdem konnte ich ja nicht ahnen, dass es im Wald Kobolde gibt. Hätten sie mir nicht eine der Armschienen gestohlen, als ich schlief...“

Lysa legte ihm einen Finger auf die Lippen. „Daraus hast du hoffentlich gelernt. Keine goldverzierten Rüstplatten mehr“, neckte sie ihn.

Gronn wusste nicht, was er antworten sollte. Lysa verstand einfach nicht, wie wichtig die Erscheinung einer Rüstung war. Sie war nie eine Kämpferin gewesen. Je prachtvoller die Rüstung, desto höher das Ansehen und der Erfolg im Kampf. Aber er musste eingestehen, dass ihm das Gold in diesem Kampf kein Glück, sondern eher das Gegenteil gebracht hatte. Vor seinen Augen entstand das Bild seiner prachtvollen Schlachtrüstung. Die Rüstung seiner Ahnen...die nun einen Makel innehatte.

Lysa hatte sie noch nie zu Gesicht bekommen, da es seit einigen Jahrzehnten keine Schlacht zu schlagen gab. Ein bisschen hoffte er, dass es das auch nie täte. Denn das hieße, die Gefahr einzugehen, sein Leben zu verlieren und nie wieder zu ihr zurückkehren zu können. Bei seinen Jagdaufträgen sah er trotz so manch schwerer Verletzung, die er bereits erlitten hatte, nie die Gefahr, sterben zu können. Er war ein geübter Kämpfer und Jäger. Im Kampf Zwerg gegen Bestie unterlag immer die Bestie. Aber in einer Schlacht wütete der Zufall unter den Lebenden. Dort gab man sein Schicksal ab. Zu anderen Zwecken als zur Verteidigung seiner Geliebten und seiner Heimat würde er die Rüstung niemals tragen, dachte er. Dafür wog ihr Erbe zu schwer. Doch dieses eine Mal hatte er nicht widerstehen können und wenigstens die Armschienen tragen wollen. Nun fehlte die eine. Er schämte sich für den Verlust.

„Wann gehst du zu Dunerich?“, brachte sie ihn absichtlich auf andere Gedanken, da sie sah, wie sehr er sich mit dem Verlust quälte.

„Ich wollte mich jetzt fertig machen und losgehen. Was hast du geplant?“

 

Lysa dachte kurz nach. „Ich wollte Aronia in der Feste besuchen. Sie hasst den Dienst und langweilt sich zu Tode. Sie ist ein bisschen wie du und würde am liebsten nur kämpfen und Monster jagen.“ Sie machte eine kurze Pause. „Vielleicht mag ich sie deshalb ja so“. Sie küsste ihn. „Ich würde sagen, ich begleite dich zu Dunerich und gehe dann weiter zur Feste. Vielleicht sehen wir uns, wenn du aufbrichst, dort noch einmal?“ Sie sah ihn hoffnungsvoll an.

„So machen wir es.“ Er schloss sie enger in die Arme und drückte seinen Kopf gegen den ihren. Ihre Haare rochen frisch gewaschen und nach ihren Duftölen, mit denen er nichts anfangen konnte, außer dass er sie gerne an ihr roch. Woraus sie gemacht waren, wusste er schon gar nicht.

„Dann ziehen wir uns an und los geht’s“, schlug er vor, und schickte sie mit einem Klaps auf ihr Hinterteil ins Innere ihres Heims. Sie sah ihn gespielt empört über die Schulter an, als sie ging. Bevor er ebenfalls hinein ging, warf er noch einmal einen Blick auf den Balkon seines Freundes Bolta. Dieser unterhielt sich soeben mit einem anderen Zwerg, winkte Gronn aber noch einmal freundlich zu und drückte einen Daumen.

 

 

Ihr gemeinsames Heim bestand aus drei Zimmern, davon ein Schlafzimmer mit einem großen Bett, das aus dem Fels geschlagen worden war. Zwerge schliefen gern auf harten Untergründen, aber dennoch hatten sie viele Decken und Stroh als Unterlage darauf gepackt. Besonders in zweisamen Stunden war es so angenehmer. Beide hatten einen eigenen kleinen Holzschrank für die wenigen Kleidungsstücke, die jeder besaß. In einer Truhe am Fußende des Bettes lag Gronns leichte Rüstung für Reisen und Jagden. Ein gestepptes Wams, dessen Arm noch immer von dem Trollbiss zerfetzt war, Gronn hatte vergessen, es zu flicken. Dann ein Gürtel mit einer Hüfttasche und mehreren Halterungen für Äxte oder Wurfwaffen, ein Helm ohne Visier, dafür aber mit Kettenkragen. Ein Kettenhemd trug Gronn auf solchen Abenteuern nicht. Auch wenn es guten Schutz bot, ein knielanges Kettenhemd wog beinahe so viel wie dicke Stahlplatten. Er hätte in dem Fall auch eine normale Rüstung anziehen können. Aber zu Gunsten der langen Reisen verzichtete Gronn auf Schutz. Das einzige an Metall neben seinem Helm waren die Armschienen, die Unter- und Oberarm vor leichten Waffen schützten. Dazu kam ein Rundschild, den er meist über dem Rücken trug. So war dieser etwas besser geschützt und Gronn hatte die Hände für mehr als nur eine Waffe frei. Ein viereckiges Fenster sowie ein Kamin auf der gegenüberliegenden Seite spendeten Licht und der Kamin im Winter Wärme.

Das zweite Zimmer war Küche und Esszimmer zugleich und das Dritte eine Kammer, in der Gronns Ahnenrüstung und allerhand Krempel, mehr oder weniger wertvoll, lag.

 

 

Als die beiden fertig waren, Lysa trug Alltagsgewandung und Gronn die leichte Rüstung, gingen sie zur Tür. Bevor sie aus ihrem Heim treten konnten, kratzte und klopfte es plötzlich am Portal. Gronn öffnete es und hörte jemanden eilig wegrennen. Klatschend entfernten sich die Schritte, als trüge der Unruhestifter keine Schuhe. Der Gang war dunkler als sonst. Einige Fackeln waren erloschen. Unsicher sahen er und Lysa sich an. „Ich hole die anderen Schlüssel“, sagte sie und ging noch einmal hinein. Das Portal besaß mehrere Schlösser von denen meist nur eines benutzt wurde. Bisher gab es keine Einbrüche oder ähnliches in diesem Teil der Stadt. Dieser war viel zu weit vom großen Tamtam der Märkte und dem Armenviertel entfernt.

Während Gronn auf Lysa wartete, sah er sich aufmerksam um. Die Dunkelheit war für Menschen undurchdringlich, doch seine Zwergenaugen sahen gut. Und dennoch gab es in dem langen, geraden Gang einige dunkle Einlässe in den Wänden die er nicht einsehen konnte. Ein unbehagliches Gefühl machte sich breit, als würde er beobachtet werden.

„So!“, sagte Lysa und zog das Portal lautstark zu. Es krachte und Gronn erschrak. Er stieß einen kurzen Schrei aus und sprang reflexartig vorwärts in den Gang hinein. Dabei ließ er den Schild rumpelnd fallen und Lysa erschrak ebenfalls. Beide atmeten durch und sahen sich belustigt an. „Ok, genug erschreckt“, sagte sie und kicherte, während Gronn etwas beschämt über seinen Ausbruch den Schild aufhob. Lysa schloss drei Schlösser zu und sah dann fordernd zu Gronn. „Was ist?“, fragte er.

„Na den letzten Schlüssel bitte!“, sagte sie gespielt ungeduldig.

 

Gronn kramte verwundert in seinen Taschen. „Ich habe ihn nicht, du musst ihn haben. Wobei ich mir eigentlich sicher war, ihn eingesteckt zu haben.“ Nachdenklich starrte er in die Luft. „Oder nicht? Ich bin mir nicht sicher.“

„Drei Schlösser werden schon genügen“, beruhigte Lysa ihn und ging los, nachdem sie abgeschlossen hatte. Gronn folgte ihr noch immer etwas verunsichert.

 

 

„Schnotz! Komm her“, krächzte eine heisere Stimme aus der Dunkelheit. Schnotz zögerte. Er saß auf der gegenüberliegenden Seite des Ganges im Schatten, wo er mit diesem verschmolzen war. Kobolde waren Meister des Versteckens. Manch einer würde es ihrer Feigheit zusprechen, sich derart gut verstecken zu können. Schnotz jedoch war überzeugt, dass es einfach pures Können war.

„Schnotz, du Stümper! Komm her!“, zischte es noch mal aus dem ihm gegenüberliegenden Schatten. Dieses Mal tat er wie ihm geheißen war und machte einen Satz in den Lichtstrahl, der die Mitte des steinernen Korridors erhellte. Zum Vorschein kam ein kurzbeiniger, drahtiger Kobold mit sehnig grüner Haut und hervorstehenden Knochen. Er trug nur einen Lendenschurz und ein Tuch um den Mund, um sein hässliches Gesicht zu verstecken. Nötig war das nicht, denn ein Kobold im Zwergenreich fiele so oder so auf. Ob man nun sein Gesicht erkannte oder nicht. Für die Zwerge sahen sie alle gleich aus und waren nur Ungeziefer, das sich vor langer Zeit in den verlassenen Bereichen und natürlichen Höhlen in Barand niedergelassen hatte. Einen froschartigen Sprung später war Schnotz im nächsten Schatten verschwunden. Es klatschte leise als seine nackten, viel zu großen Füße auf dem glatten Stein aufkamen. Es klatschte noch einmal als Ukkel ihm eine Ohrfeige gab. „Du hörst gefälligst, wenn ich dir einen Befehl gebe“, meckerte er. Beide waren im Schwarz des Schattens nicht auszumachen. Nur ihre krächzenden, heiseren Stimmen hallten zankend durch den Gang der zwergischen Wohnanlage im Berg. Schnotz war sich noch immer nicht ganz sicher, wie sie es überlebt hatten, in diesen Bereich der Zwergenstadt zu kommen.

Sie waren an einem selbst gebauten Drachen mit Lederschwingen von der Spitze des Berges losgeflogen und nachts auf einem großen Balkon gelandet. Eine Aussichtsplattform der Zwerge, welche nicht damit rechneten, dass jemand von oben käme. Die einsame Wache, müde und lustlos, hatte nur gelangweilt am Felsen hinabgeschaut. Sein Auftrag war es, Kletterer auszumachen und Alarm zu geben. Aber auf einen Flugapparat mit zwei zankenden Kobolden war er nicht eingestellt gewesen. So hatte er viel zu spät nach oben gesehen, als er das Flattern der ledernen Flügel und ein unterdrücktes Kreischen wahrgenommen hatte. Das Fluggerät war direkt mit ihm zusammengeprallt und hatte ihn von der Plattform gestoßen. Durch den Aufprall ohnmächtig geworden, fiel er leise in die Tiefe und war hoffentlich verreckt. Schnotz hatte sich bei dem Aufprall ein paar Zehen gebrochen. Ansonsten waren beide glimpflich und mit einigen blauen Flecken davongekommen. Die Brüche störten ihn gar nicht, da seine Füße einiges gewohnt waren. Den Apparat hatten sie, oder besser gesagt Schnotz, an einem Seil von der Plattform hängend versteckt.

„Klappe halten!“, befahl Ukkel, nachdem Schnotz sich lauthals über die Ohrfeige beschwerte.

„Ja, Herr!“ Schnotz hatte ein Einsehen. Die Hackordnung war klar festgelegt. „Wie geht’s weiter?“, flüsterte er und massierte sich die verformten Zehen. Sie fühlten sich glücklicherweise mehr taub an, als dass sie schmerzten.

„Gib mir den Plan“, forderte Ukkel. Als er das zerfledderte Stück Papier in der Hand hielt, versuchte er zu erkennen, ob sie sich noch immer auf der rot markierten Linie durch die Gänge befanden. Ihr Auftraggeber hatte ihnen einen detaillierten Plan der oberen Zwergenstadt mitgegeben und ihnen ihr Ziel markiert. Da die Beiden aber im Schatten hockten, sah er sich kurz um, ob auch niemand zugegen war, und streckte eine Klaue mit der Karte in den Lichtkegel. Seine gelbe, von grünen Linien durchzogene Haut war in dem Licht kaum auszumachen. Nur das dunkle Stück Pergament mit den schwarzen und roten Linien stach hervor. Aber es war niemand da, um das Papier zu studieren, außer Ukkel.

„Das war schon die richtige Tür, du Nichtsnutz!“, schlussfolgerte er aus den Linien und dem X, welches das Ziel markieren sollte.

„Aber da waren zwei von den Dicken!“, protestierte Schnotz. Ukkel wurde ungewollt lauter. „Weil die hier wohnen, du Dämlack!“ Er zog die Klaue aus dem Licht zurück in den Schatten. Es klatschte wieder und Schnotz beschwerte sich über die neue Ohrfeige.

 

„Jetzt geh noch einmal zur Tür und öffne sie. Nun sind ja alle weg. Das heißt, wir haben leichtes Spiel!“

Schnotz knurrte genervt, tappte aber davon. Die kaputten Zehen zwickten leicht beim Laufen. „Wie du willst, Herr“, sagte er und äffte Ukkel nach.

„Was?“, beschwerte sich der Schatten, den Schnotz gerade verlassen hatte und er entschuldigte sich. Als er wieder an der Tür war, die er vorhin schon zu öffnen versucht hatte, sah er sich um, bevor er wieder zu Werke ging. Er brauchte nicht lange zu rütteln und zu kratzen, bis ihm auffiel, dass sich die Tür diesmal weniger bewegte als vorher.

 

 

Ukkel hockte im Schatten und wartete, dass sein einfältiger Gehilfe mit guten Nachrichten zurückkehrte. Zum Glück war er selbst nicht in der Pflicht, die gefährlichen Aufgaben zu übernehmen. Wenn jemand entdeckt und höchstwahrscheinlich getötet werden würde wäre es Schnotz, diese Ratte. Er überlegte noch, wie sie ihre Beute dann sicher wegbringen würden. Der Gleiter war schon mit zwei Kobolden fast überladen gewesen. Wie sollten sie da noch schweres Metall mit sich führen. Er wusste ja nicht mal genau, wie viel sie zu tragen haben würden. Was wog schon eine Zwergenrüstung?

Jäh wurde er aus seinen Gedanken gerissen, als der Tollpatsch Schnotz in den Schatten gehopst kam und dabei freudig vor sich hin quasselte. Ukkel hörte nicht zu, sondern verpasste ihm die bereits dritte Ohrfeige an diesem Tag. Es klatschte laut und dann herrschte Stille.

„Heulst du?“, fragte er angewidert.

Schnotz schniefte leise.“...nein.“

„Hast du die Tür aufbekommen?“

„Na ja ...“, begann Schnotz und Ukkel wusste schon, dass es wieder nicht geklappt hatte. „...ohne Werkzeug wird das nichts, schätze ich, aber ich habe auch gute Neuigkeiten“, berichtete er und hielt irgendwas in die Höhe. Es war zu dunkel im Schatten, als dass Ukkel erkennen konnte, was es war. Also griff er danach und entriss es Schnotz.

„Ein Schlüssel!“, sagte er begeistert, gefolgt von einer Denkpause. „Warum ist die dämliche Tür dann nicht offen, du hohle Kartoffel?“

„Naja ...“, begann Schnotz erneut.

„Hör mir auf mit deinem „Naja“! Sag, was los ist!“, fiel ihm Ukkel ins Wort.

„Da gibt’s noch mehr Schlösser. Dieser Schlüssel passt nur in ein Schloss rein und dieses ist offen. Die anderen sind aber alle zu.“

Ukkel fasste sich genervt an die Stirn. „Hier, halt das!“ Er gab seinem unnützen Gehilfen die Karte. „Warte hier!“, befahl er ihm und schlich dann selbst zu der Tür. Anders als Schnotz hörte man keinen einzigen Ton während Ukkel sich bewegte. Geschmeidig schlich er vorwärts, presste sich an die Wände und trat nicht auf die kleinen Kieselsteine, die ab und zu herum lagen. Schnotz hingegen hüpfte nur ungestüm umher, wenn er sich fortbewegte. An der Tür angelangt, versicherte er sich, ob jemand zugegen war. Und tatsächlich hörte er schlurfende Schritte nahen. Jemand kam aus einem Seitengang, den Ukkel nicht im Blick hatte. Augenblicklich kroch er tiefer in den Schatten, machte sich klein und presste sich an die Wand. Um die Ecke bog ein munterer Zwerg, der eine Pfeife rauchte. Dummerweise kam er genau in Ukkels Richtung gelaufen. Er machte sich noch kleiner und als der Zwerg ganz nah an ihm vorbeilief, hielt er sogar den Atem an.

Dämliche Zwerge, dachte er. Denken, sie können im Dunkeln sehen, aber gegen einen Meister, wie mich seid ihr nur Kinder. Stolz durchfuhr ihn, gefolgt von Panik. Schnotz! Hoffentlich hatte der Trottel sich wenigstens halb so gut versteckt, wie er. Zu mehr würde der niemals in der Lage sein, aber es dürfte bei der Dunkelheit in diesen Gängen reichen. Eine Wolke aus Pfeifenqualm zog an Ukkel vorbei, genau in dem Moment als er die Luft nicht mehr anhalten konnte und tief einatmete. Der Rauch füllte seine Lungen. Sie waren an diese lästige Angewohnheit der Zwerge, zu rauchen, nicht gewöhnt. Er unterdrückte ein Husten und krümmte sich. Dabei rutschte er von der Wand ab, an die er sich in der Aufregung viel zu stark gepresst hatte und fiel hin. Einige Kieselsteine rollten unter seinen Füßen weg und kullerten dem Zwerg gegen die Stiefel. Dieser blieb abrupt stehen und drehte sich um. Wie aus dem Nichts hatte er eine kurzstielige Axt in den Händen. Ukkel hatte nicht einmal gesehen, dass der Zwerg bewaffnet war.

„Hallo, jemand da?“, erkundigte sich der Zwerg. „Alles, was kein dummes Kind ist, das mich erschrecken will, wird gleich in Stücke gehackt, wenn es sich nicht zu erkennen gibt!“

 

Die Drohung wirkte und Ukkel fing an, ängstlich zu zittern. Aber zeigen wollte er sich nicht. Stattdessen schlich er ganz langsam weg vom Zwerg, ließ ihn aber nicht aus den Augen. Plötzlich sprang die hässliche Gestalt von Schnotz aus dem Dunkel hervor, ließ sich im Nacken des Zwerges nieder und schlitzte ihm den Hals mit seinen Krallen auf. Für die kleinen Klauen eines Koboldes riss Schnotz erstaunlich tiefe Wunden in den fetten Zwerg, gestand Ukkel sich ein.

Mit einem panischen Krächzen und Blubbern ging der Zwerg in die Knie. Sein Blick wurde unstet und schien nichts mehr zu fixieren. Dann fiel er vornüber und landete leise grummelnd im Steinstaub. Schnotz war erstaunlich gut beisammen, denn er nahm sein Halstuch und band es dem Zwerg eng um den offenen Hals, damit das Blut nicht in einer dicken Lache über den Boden floss.

Ukkel überwand seine Angst und hechtete Schnotz zu Hilfe. Gemeinsam drehten sie den Zwerg auf den Rücken und zogen ihn in die dunkelste Ecke, die sie finden konnten. „Gut gemacht!“, lobte Ukkel seinen Helfer. „Ich wollte mich gerade um ihn kümmern, aber das hast du wirklich gut gemacht.“

Schnotz quiekte erfreut.

„Jaja, halt die Klappe!“, mahnte Ukkel ihn, ruhig zu sein. Er sah sich um. Trotz Schnotzs erstaunlichem Verstand hatte sich doch etwas Blut vor der Tür ausgebreitet. „Verdammt“, fluchte er leise.

„Ist doch egal“, sagte Schnotz. „Wenn wir unsere Beute haben, sind wir weg hier!“

„Das sind gute Schlösser. Ich sehe sie jetzt genau.“ Ukkel gingen die Ideen aus. Er wusste, dass er sie mit seinem Werkzeug und seinem Können nicht aufbekommen würde. Jedes andere Schloss könnte er knacken. Nicht, dass Zwergenschlösser besonders gut erdacht waren. Das würde Ukkel niemals zugeben. Aber er hielt sie einfach für zu chaotisch gebaut. „Wir müssen abwarten“, sinnierte er, „bis die Dicken zurückkommen!“.

„Hast du den Dicken gesehen?“, fragte Schnotz ungläubig. „Der hier war ja einfach kalt zu machen. Aber der andere Dicke war... Naja, richtig dick! Muskulöser und so. Das hab ich gesehn.“

„Besonders mit dem Blut auf dem Boden. Wir müssen gehen“, mahnte Ukkel, als Schnotz aufstand und zur Blutlache ging.

„Was machst du, du dämlicher Waldfrosch?“, zischte Ukkel ihm hinterher. Schnotz dagegen hob seinen Lendenschurz an und strullte los.

 

Der Koboldurin vermischte sich mit dem Blut und floss in die Rillen zwischen den Steinen. Schnotz half mit seinem Strahl etwas nach, und als der kleine Wasserfall verebbte, war das Blut in den Rillen verschwunden.

„Gute Idee, du Dämlack, bis auf den Pissegestank!“, tadelte Ukkel ihn.

„Vielleicht denken sie, hier musste einer mal?“, fragte Schnotz. „Oder jemand kann sie nicht leiden? Was ja auch stimmt, oder?“ Er gab Ukkel einen Knuff und kicherte. Für einen Moment vergaß er, wie sie beide zueinander standen, erntete für den Knuff aber eine Ohrfeige. „AUA!“

„Klappe! Aber in Ordnung. Wir werden warten. Versuchen wir solange, den anderen Dicken noch besser zu verstecken. Komm hilf mir!“, forderte er und gemeinsam schleppten sie den toten Zwerg so weit weg wie möglich, bis sie eine geeignete Stelle finden würden. Danach würden sie zurückgehen und warten. Und improvisieren.

 

 

„Bis später.“ Lysa verabschiedete sich von Gronn mit einem Kuss auf die Wange und schlug den Weg zum Haupttor ein. Von dort aus würde sie zur Brandungsfeste gelangen und ihrer Freundin einen Besuch abstatten. Gronn sah ihr noch eine gefühlte Ewigkeit hinterher, stand mitten auf dem Handelsplatz der gewaltigen Kaverne und vergaß für einen Moment das Treiben um ihn herum. Als sie auf dem Hauptweg hinter einer Lagerhalle verschwand, machte Gronn sich auf seine Suche. Dunerichs Stand mit Kopfgeldern und Trophäen, die er handelte, stand nie an derselben Stelle. Er sagte, so würde er mehr Kundschaft finden und es spreche sich somit auch in verschiedenen Kreisen herum.

Quadratische Warenhäuser, aus dem Fels gemeißelt, reihten sich mit Holzhütten und Ladenverschlägen aneinander. Zwerge tummelten sich zu Hunderten auf dem mehrere hundert Schritt breitem Platz und ihre unzähligen Gespräche formten sich zu einem durchgängigen Brummen und Brabbeln. Ab und zu durchbrach ein Ruf den Lärm. Waren wurden zu tausenden feilgeboten. Es gab oftmals mehrere Läden nebeneinander, welche dieselbe Ware anboten. Sie wetteiferten um den attraktivsten Preis oder schimpften einander an, wenn ihr Widersacher den Preis derart drückte, dass daraus bald gar kein Gewinn mehr zu erzielen war. Dieser wurde folglich als unzwergisch angesehen. Denn Zwerge waren nicht nur Schmiede, Bergarbeiter und vor allen Dingen großartige Krieger, sie waren auch leidenschaftliche Händler, die Münzen und andere Wertsachen als Bezahlung annahmen und horteten. Die meisten Zwerge trachteten nach Reichtum. Man galt erst dann als reich, wenn die Kammern vor Gold nur so überquollen. Da ein gut betuchter Zwerg allerdings größere Heime und damit größere Kammern kaufen konnte, war dieser Standard schwer zu erreichen. Und in den störrischen Köpfen der Zwerge hatten Sprichwörter mehr Gewicht als Gesetze und Tatsachen.

Wenn der Zwerg sein Gold nicht mehr lagern kann, so sehe ihn als glücklich an. Gronn lächelte, als er die Augen eines Schmieds sah, der gerade einen großen Auftrag abgeschlossen und die Prämie kassiert hatte. Seine Münzkiste quoll über vor Gold und Silber und man reichte sich eifrig die Hände. Die ausgelegte Ware erregte auch Gronns Aufmerksamkeit. Also machte er einen kurzen Schlenker zum Holzanbau der aus Fels gemeißelten Schmiede. Sabatons, Schulterplatten, Panzerhandschuhe und Kettenhemden waren zu dutzenden ausgelegt. Darunter gab es viel Ramsch und instand gesetzte, ältere Ware, aber auf roten Seidenkissen lagen die Prachtstücke des Schmieds. Ein paar Panzerhandschuhe, Fäustlinge mit spitzen Knöcheln. Goldene Runen schmückten die großen Plattenstücke auf der Handfläche und über den Knöcheln waren verschiedenste Edelsteine in allen Farben eingesetzt. Die drei Platten, welche die Finger schützten blieben blank. Der innere Handschuh bestand aus leicht gefüttertem Material mit edlem Leder überzogen. Jeder Faustschlag würde bösartige Wunden in nacktes Fleisch reißen und Knochen reihenweise brechen, und dabei in allen Farben des Sonnenlichtes glänzen.

„Zweitausend“, flüsterte der Schmied ihm ins Ohr, der ein Geschäft witterte. Sein Tonfall ließ vermuten, dass dieser Preis ein Schnäppchen sei. Oder wollte es zumindest so klingen lassen.

Gronn atmete erschrocken aus. Der Preis war unverschämt hoch, dachte er. Außerdem war ihm der Schmied etwas zu sehr auf die Pelle gerückt. „Das ist ...mal ein Preis“, sagte er und wusste nicht, wie er seine Meinung diplomatisch ausdrücken sollte, während er einen ausufernden Schritt zurück machte, um etwas Raum zwischen sich und den fremden Zwerg zu bringen. „Aber ich habe kein Interesse. Danke. Sie waren nur sehr schön anzusehen.“

„Sie schützen auch hervorragend und zerschmettern Koboldschädel ohne ...“

Gronn fiel ihm ins Wort. „Ich habe bereits anständige Fäustlinge daheim. Und hat es nicht eher mit meinem Arm, als mit dem Fäustling zu tun, ob ein Schädel platzt oder nicht?“

„Nun ja ...“, der Schmied schien zu überlegen, wie er Gronn die Ware schmackhaft machen könnte.

„Nein danke!“, verneinte Gronn noch einmal. „Ich habe ein paar schöne Erbstücke daheim. Sie stammen von meinem Urgroßvater. Er trug sie in der Schlacht bei Bleichheim.“

„Bleichheim!“, entfuhr es dem Schmied erstaunt. Man erzählte sich, dass dort das prächtigste und edelste Zwergenheer aller Zeiten gekämpft hatte. Jede Rüstung war ein einzigartiges Meisterwerk gewesen. Viele Zwerge hatten sich verarmt, um in dieser Schlacht gut auszusehen. „Dann kann ich nur davon ausgehen, dass sie es wert sind, sie nicht auszutauschen. Aber was haltet ihr von ...“, er zeigte auf ein goldenes Kettenhemd und wollte gerade anfangen, davon zu schwärmen.

Gronn unterbrach ihn erneut. „Nein, danke! Zum letzten Mal. Ich wollte nur schauen!“ Schon sah er, dass der Schmied das nächste Rüstteil anpreisen wollte. Er hob ein paar Sabatons auf und öffnete den Mund, als ein Ruf ihn unterbrach.

„Gronn. Komm her! Ich hab anständige Arbeit für einen wie dich“, rief jemand.

Gronn sah sich um. Das war die Stimme Dunerichs gewesen. Sein mobiler Stand war nicht weit weg gewesen und hatte ihn gerettet. „Entschuldige mich. Gute Arbeit übrigens“, verabschiedete er sich und ging hinüber zu Dunerich. Dessen Stand war einst ein Lastkarren gewesen. Er hatte ihn zu einer Art Kutsche mit abnehmbaren Wänden umbauen lassen. Die zwielichtige Gestalt des Menschen saß im Inneren, etwas erhöht und sah auf die vorbeilaufenden Zwerge herab. Er saß an einem Schreibtisch, auf dem Karten, Kopfgelder und einige Bücher lagen. Unter dem Fenster, durch das er schaute, hingen einige Trophäen erlegter Monster. Orkköpfe, Trollzähne, Wolfsfänge und sogar ein langes Horn, dem Gronn kein Tier oder keiner Bestie zuordnen konnte. Trophäen, die andere für ihn erbeutet hatten, als sie ein Kopfgeld für Dunerich erledigten. Jetzt verkaufte er die Trophäen weit teurer als das, was er den Jägern dafür bezahlt hatte. Dennoch wurden sie recht anständig bezahlt. Deshalb kam Gronn immer wieder zu ihm.

„Was heißt hier „einer wie dich“?“, übersprang Gronn die Begrüßung. Er war sich nicht sicher, was er von dem Menschen halten sollte.

Eine gekrümmte Gestalt mit zerzausten, aber leuchtenden, roten Haaren. Die Wangen eingefallen, blaue, aufgerissene Lippen und ein armseliges Kinnbärtchen zierten sein Gesicht. Die leuchtend gelben Augen fixierten Gronn und Dunerich wartete einen Moment, ehe er antwortete. „Einen mit Biss“, spielte er auf Gronns Erlebnis mit dem Troll an und lachte. „Viele andere wären verblutet oder hätten den Arm verloren. Aber du... du bist zäh. Deshalb will ich dir heute eine besonders fette Beute vorschlagen.“

„Die Bezahlung?“, erkundigte Gronn sich, ehe er wusste, was er zu tun hatte. Genügend Münzen zusammenzubekommen, um Lysas Ring bezahlen zu können, war alles, was ihn interessierte.

„Halt. Halt, mein Freund! Die wird anständig sein, das verspreche ich dir. Aber es ist keine leichte Aufgabe. Allerdings verspreche ich dir, wenn du sie erledigst, und mir den Kopf und den linken Huf des Biestes bringst, habe ich noch eine ganz besondere Aufgabe für dich. Danach wirst du nie mehr arbeiten müssen“. Dunerich sah verschwörerisch aus seinem Wagen und wartete Gronns Reaktion ab.

„Huf?“, fragte Gronn und hob verwundert eine Augenbraue. „Kein Fuß, Schwanz, Klaue oder Ähnliches? Soll ich etwa eine Kuh töten?“

„So ähnlich. Einen Minotauren. Er wurde im Dorf kurz hinter der Grenze zu Myrvidon gesehen und hat dort angeblich ein Massaker angerichtet. Danach ist er in irgendeinem Wald in der Nähe verschwunden. Vielleicht solltest du die Bauern im Dorf nach seinem Verbleib fragen. Vielleicht wissen sie mehr.“

„Na gut ...“ Gronn war willig, den Auftrag anzunehmen, wurde aber unterbrochen.

„Ich habe eine Bedingung“, sagte Dunerich verschwörerisch.

„Nun?“

„Du musst diesen Auftrag alleine erledigen. Sonst kann ich dir die besondere Aufgabe nicht zuteilen.“

Gronn sah ihn verwundert an, dachte aber daran, dass er doch ohnehin jeden Auftrag allein erledigte.

„Es ist eine Art ... Test“, erklärte Dunerich.

Dass die ohnehin schon zwielichtige Gestalt auch noch seltsame Anforderungen stellte, machte Gronn doch etwas stutzig. Dunerich tat alles, nicht verschwörerisch dreinzublicken. Doch er versagte. Gronn würde den Auftrag annehmen und sich dann Gedanken darüber machen. Gutes Geld war es ohnehin. Und eine Gefahr würde er sowieso eingehen, wenn er gegen einen Minotauren kämpfte. Er wusste nicht, wann je einer so weit südlich gesehen wurde. Gegen sie zu kämpfen bedeutete, sich einem intelligenten Wesen mit brutaler Kraft, Geschick und Schläue zu stellen. Trolle, Orks und die drahtigen Tümpelbora waren ungestüm und wild. Sie setzen allein auf ihre Kraft und Größe. Sie mit Geschick zu kontern war ein Leichtes. Kobolde zertrat man unter seinen Stiefeln, dachte Gronn gehässig. Er ärgerte sich noch immer über den Diebstahl seiner Unterarmrüstung und merkte nicht, wie sehr er sich in seine Gedanken verloren hatte.

„Hey!“ Dunerich wedelte mit Papieren vor ihm herum. „Angst bekommen?“, fragte er herausfordernd.

„Niemals!“, antwortete Gronn empört. Mundwinkel und Augenbrauen verzogen sich zu einer wütenden Grimasse.

„Immer mit der Ruhe, ich scherze doch nur. Hier ist der Vertrag!“ Das Papier flatterte vor Gronns Gesicht hin und her. Er nahm es an sich und las kurz darin.

„So ein Quark auch immer“, kommentierte Gronn das Rechtswirrwarr auf dem Papier. Verfallene Ansprüche im Todesfall, Vertragsgegenstand und so weiter. Der einzige Punkt, der ihn interessierte, war die „Prämie“. Gronn pfiff erstaunt. „Fünftausend Silberlinge. Das ist wahrlich anständig.“ Er nickte zufrieden und fügte hinzu „Ich mach‘s!“

„Das war uns beiden doch schon längst bewusst“, kommentierte Dunerich. Gronn sah ihn verwundert an. „Bis wann willst du es erledigt haben?“

Dunerich beugte sich vor und schob den Arm durch das Fenster. Er tippte auf das Papier in Gronns Händen. „Steht wie immer alles hier drin, mein Freund, der nicht gern liest. Aber meine Auftraggeber sagen, es sei dringend. Das Dorf, in dem das Biest gewütet hat, ist irgendwie wichtig. Aber warum genau, hat man mir nicht gesagt.“

„Warum schicken die Langen nicht selbst einfach einen Trupp Soldaten, der das Viech zur Strecke bringt?“, fragte Gronn.

Dunerich kratzte sich am Kinn. „Darüber habe ich auch noch nicht nachgedacht, aber wahrscheinlich können sie niemanden erübrigen. König Thorowald, er möge gesegnet sein, hat vielleicht zu viel an der Ostgrenze zu tun. Ein Orkheer wurde dort gesehen. Vielleicht schlägt er Schlachten gegen sie?“

„Ach!“, brachte Gronn erstaunt hervor. Eine Schlacht wäre ja auch mal wieder was, dachte er wehmütig. Und vergaß dabei seine Angst, zu sterben und Lysa nicht wiederzusehen. Wenn sie nicht zugegen war, brannte Gronns Herz für das Abenteuer und den Kampf. Sah er ihr in die Augen, spürte ihren Atem und ihre warme Haut, bestand das Leben und alles drum herum nur aus ihr!

„Bitte was?“ Dunerich sprach beiläufig, da er bereits wieder mit seinen Unterlagen und Büchern beschäftigt war. Gronn wollte sich abwenden und losmarschieren, da hielt ihn Dunerich doch noch auf. „Warte, du musst hier noch dein Siegel draufsetzen. Beinah hätt ich`s vergessen!“

„Nanu? Seit wann denn sowas?“ Gronn hatte noch nie unterschreiben oder ein Siegel für einen von Dunerichs Verträgen setzen müssen. Das machte ihn nur noch stutziger als ohnehin schon.

„Neues Verfahren. Auch ich habe Vorgesetzte, die möchten, dass alles seinen geordneten und verfolgbaren Gang geht“, entschuldigte Dunerich sich. Er hielt Gronn ein anderes Dokument hin, auf dem bereits flüssiges Kerzenwachs vorbereitet war. Schnell legte er es auf Holz ab, damit das Wachs nicht zerfloss und Gronn seinen Ring mit dem Familiensiegel dort eindrücken konnte.

Zufrieden blies Dunerich über das Wachs, damit es härtete und besah das Siegel des Zwergs. Es formte einen Rundschild, in dessen Mitte ein Beil mit dem Blatt nach links abgebildet war und auf der rechten Seite hingen einige Federn vom Stiel der Waffe. Gronn beobachtete Dunerich, als dieser das Siegel studierte. Ihm gefiel nicht, wie zufrieden der Lange plötzlich wirkte. Irgendwas war anders, dachte er. Nachfragen würde ohnehin nichts bringen. Also verabschiedete er sich wortlos und warf sich in das Treiben von Zwergen und vereinzelten Menschen auf dem Markt.

 

 

Als er so durch die Masse an kräftigen Leibern und bärtigen Gesichtern schlenderte, dachte Gronn über die Mission nach. Was für einen speziellen Auftrag könnte er wohl gemeint haben? Und wieso wäre es wichtig, den Minotauren allein zu bekämpfen? Es könnte ihm doch egal sein, wie viele Jäger sich um die Bestie kümmerten. Die Jäger müssten die Prämie unter sich aufteilen. Für Dunerich wäre der Ertrag derselbe. Ein seltsames Gefühl der Unsicherheit überkam ihn und zwang Gronn dazu, sich noch einmal nach dem Laden des Menschen umzusehen. Mitten im Getümmel zwischen all den Zwergen blieb er stehen und stellte sich auf die Zehenspitzen. Über die Köpfe der anderen hinweg konnte er gerade so den Wagen Dunerichs ausmachen und beobachten, wie dieser sich gerade mit einem in einen Mantel verhüllten Menschen unterhielt. Zeigte er ihm gerade das Dokument, auf dem Gronn sein Siegel gestempelt hatte?

Nein! entschied er. Ich werde nicht alleine reisen. Irgendetwas gefiel ihm bei der Sache nicht und er würde kein Risiko eingehen. Ja, so würde er die Prämie zwar teilen müssen. Aber sein Leben und die Zukunft mit Lysa waren es wert.

Jemand rempelte ihn derbe an. „Huch, entschul ... Ach Gronn, du Streuner. Was stehst du hier wie eine Statue herum und glotzt vor dich hin?“ Wie ein Zeichen war Bolta ihm in die Arme gelaufen. Gronn fasste es nicht. „Komm her, Dicker.“ Bolta schloss ihn in die Arme. Er war mit einem dicken, blau gefärbten Wollmantel, der bis an die Knie reichte, bekleidet. Um den stattlichen Bauch trug er einen breiten Ledergürtel mit schlichter Schnalle, die zur Hälfte von seinem schwarzen, wilden Bart bedeckt wurde. Die ebenfalls schwarzen Haare trug er größtenteils offen, bis auf einen kleinen Zopf am Hinterkopf, der die nötigste Arbeit tat, damit ihm die Haare nicht ins Gesicht fielen.

„Hey, wer ist hier dick?“, fragte Gronn, gespielt empört. „Sag, bist du gerade beschäftigt?“

„Ach das kann warten.“ Sein Freund winkte ab. „Lass uns was trinken gehen, dann erzähle ich dir, welchen Kobold ich ausgeraubt habe, um in deiner erlauchten Nachbarschaft wohnen zu können.“ Er lachte herzhaft.

Gronn schlug ihm freundschaftlich auf die Schulter. „Ist gut, aber ich habe auch etwas für dich. Aber nicht hier. Hier ist es zu laut.“

Bolta bemerkte Gronns Unsicherheit und wie er sich ab und zu umsah, als fürchte er, beobachtet zu werden. Jetzt konnte er nicht umhin, sich auch umzuschauen und nervös zu werden. „Worum geht es?“, fragte er neugierig.

Gronn sah noch einmal in Richtung Dunerichs Wagen, doch die Läden waren plötzlich verschlossen und niemand war mehr zu sehen. „Nicht hier“, wiederholte er. „Komm, ganz in der Nähe ist die Feuchte Mine.“

„Hui, die kenn´ ich. Der Met dort ist hervorragend!“ Bolta stürmte voran, er schien gewaltigen Durst zu haben. Singend fügte er hinzu „Bier gibt’s da auch.“

Gronn lächelte ob der Unbeschwertheit seines Freundes und ehrlich gesagt brachte der Name der Taverne ihn noch immer zum Kichern, wie ein kleines Kind.

 

 

Die beiden Zwerge hatten sich während der Dienstzeit in der Brandungsfeste kennen gelernt. Und wenn sie Eines zusammengeschweißt hatte, war es neben gelegentlichen Kämpfen das Trinken. Und so hatten sie sich jeder nicht eines, sondern gleich mehrere Humpen voll bestellt. Vor Gronn standen drei Becher Met und ein Humpen mit prickelndem Bier darin. Und Bolta hatte sich ein Horn voll Met bestellt, dessen Inhalt den drei Bechern Gronns locker gleichkam.

Sie saßen an einem runden Tisch in der Taverne Feuchte Mine. Sie saßen etwas abseits der Eingangstür und vom Tresen, damit sie sich in Ruhe unterhalten konnten. Am Tresen saßen zwei weitere Zwerge, die eine würzig riechende Suppe aßen und sich mit dem Wirt, einem alten Zwerg mit weißem Haar und freundlicher Ausstrahlung, unterhielten. Ansonsten war der Raum bis auf einen Menschen, der einsam und schlafend auf seinem Tisch lag, leer. Die restlichen Tische waren sauber, der Boden gewischt und gefegt. Und an den steinernen Wänden hingen einige Fackeln und Bildnisse von Zwergen in heroischer Pose mit einem Humpen Bier oder dicken Hühnerkeulen in den Händen.

„Für Bier ist immer noch Zeit“, sagte Bolta, nahm das Methorn aus einer Halterung und stieß mit seinem Freund auf die gute Neuigkeit an. Gronn hatte ihm offenbart, dass er beabsichtigte, Lysa zur Frau zu nehmen. Beide nahmen tiefe Schlucke. Gronns erster Becher war in einem Zug geleert worden und Bolta hatte ähnlich viel heruntergestürzt, auch wenn einiges in seinem Bart gelandet war. Erst ließ Gronn ein tiefes Röhren erklingen, dann rülpste Bolta und übertrumpfte ihn um Längen.

„Vierhundertzwanzig zu dreihundertfünfundneunzig“, stichelte Bolta.

„Ich hole dich schon ein“, erwiderte Gronn schelmisch. Ihr Ritual war abgeschlossen. „Erzähl, Freund. Wie kommt es, dass du dir so ein Heim leisten kannst? Ich erinnere mich nicht, dass du je so eine profitable Arbeit hattest?“

„Doch doch!“ Bolta nahm noch einen Schluck. Dieses Mal etwas beherrschter. „Ich war auch das eine oder andere Mal auf der Jagd.“

„Wonach? Nach einem Kobold?“, neckte Gronn ihn, wissend, was er als Antwort zu hören bekommen würde. Sein Freund starrte ihm tief in die Augen und sein Gesicht nahm ernste Züge an. Dann stellte er das Methorn in die Halterung und breitete beide Arme zu den Seiten aus. Dann grinste er breit und rief schallend „So einen großen!“ Beide lachten laut los und ihre Gesichter wurden rot, während die Zwerge am Tresen sich verwundert umsahen. Der schlafende Mensch grummelte unverständlich. Ein alter Witz, den sie sich schon seit langem erzählten. Gronn hatte ihn mit seiner Frage zu dieser Antwort gedrängt. Bolta wischte sich Tränen aus den Augen. „Der alte Gorda. Ich werde ihn nie vergessen“, sagte er wehmütig in Gedanken an einen alten Gefährten der Wachmannschaft, der immer die abenteuerlichsten Geschichten von sich gegeben hatte.

Gronn prostete ihm mit seinem zweiten Becher zu. „Ich auch nicht.“ Beide nahmen noch einen kräftigen Schluck. „Jetzt sag, wie bist du zu so vielen Münzen gekommen?“

Bolta druckste etwas herum, bis er sich traute, die Wahrheit zu sagen. „Nun ja, ich hab eine Mine gekauft, weißt du?“, sagte er und trank schnell einen weiteren Schluck.

Gronn ließ demonstrativ den Kopf auf den Tisch fallen. Es knallte laut und die Becher sprangen kurz auf. Als er den Kopf wieder hob, schüttelte er ihn genervt. „Wieso das denn? Und wie kann man genug Münzen für solch ein Heim haben, wenn man alle Münzen für eine Mine ausgibt? Und woher hast du überhaupt die Münzen für die Mine? Was hat dich geritten?“

„Auf welche Frage soll ich jetzt antworten?“, fragte Bolta etwas genervt. „Es ist ja nur eine kleine Mine“, wich er aus. „Und ich hatte genug über für das Heim.“

Gronn schwante Übles. „Du hast doch nicht ... „Er konnte die Frage nicht zu Ende stellen, da allein sie auszusprechen schon unvorstellbar war.

„Doch“, sagte Bolta beschämt. „Wann hätte ich sie je tragen sollen?“

Gronn ließ sich gegen die Rückenlehne fallen und starrte seinen Freund schockiert an. „Die Rüstung deines Vaters. Deines Großvaters und Urgroßvaters! Das Erbe deiner Familie. Ihr Vermächtnis“, tadelte er ihn und sprach lauter als beabsichtigt. Vom Tresen kam Gemurmel herüber. ...Rüstung des Vaters verkauft... Unerhört... eine Schande.

 

„Ruhe da hinten!“, zischte Bolta sie an. Er war aufgesprungen und schlug auf den Tisch. Die Krüge und das Methorn fielen um und verteilten ihren Inhalt.

„Setz dich!“, herrschte Gronn ihn an. „Das hast du dir selbst zuzuschreiben. Wie konntest du nur?“ Der Wirt kam an und selbst jetzt, wo der Tisch und Boden mit Met und Bier bedeckt waren, sah er freundlich drein. „Kann ja mal passieren“, sagte er und fing an, den Alkohol wegzuwischen. „Nehmt euch doch einen anderen Tisch. Ich werde gleich Nachschub bringen.“

Gronn ließ ihm ein paar Münzen auf den Tisch. „Es tut uns sehr leid“, entschuldigte er sich und ging mit Bolta an einen anderen Tisch. Als sie wieder saßen, überwand Gronn seinen Schock und ihm wurde klar, dass dahinter womöglich mehr als reine Gier steckte. „Was ist los?“, fragte er verständnisvoll.

Bolta vergrub das Gesicht in den Händen. „Es ist wegen einer Frau“, sagte er undeutlich. Er hob den Kopf und fuhr fort. „Ich habe sie vor einigen Jahren kennengelernt und wir haben viel Zeit miteinander verbracht. Gute Zeit. Eine Zeit der Liebe. Doch ihre Familie war nicht einverstanden mit mir. Sie sagten, ich wäre ein Tagelöhner und Nichtsnutz. Was hätte ich schon vorzuweisen? Fortan war es ihr nicht mehr gestattet, mich zu sehen. Eine Weile nahm ich jeden Job an, den ich kriegen konnte, um Münzen anzuhäufen. Aber es genügte nicht.“ Gronn hörte aufmerksam zu. Er kannte solche Probleme. Auch er hatte Einiges beweisen müssen, um Lysa kennenlernen und lieben zu dürfen. „Irgendwann fasste ich einen Entschluss“, fuhr Bolta fort. „Und ich schäme mich dafür. Ich glaube, ich hätte sogar noch viel mehr für die Rüstung meiner Ahnen bekommen können. Ich habe sie verschachert. Für nichts!“

„Wieso für nichts? Ja, es war dämlich, das zu tun, aber du hast eine Mine und ein schickes Heim. Und die Frau, die du wolltest, oder etwa nicht?“

Bolta ließ den Kopf hängen, starrte auf den Tisch und pulte abwesend mit einem Finger an einem abstehenden Splitter herum.

„Oder etwa nicht?“, wiederholte Gronn.

„Für nichts. Das sagte ich doch. Sie will mich nicht mehr, da ich das Erbe meiner Familie verraten habe.“

Der Wirt kam an den Tisch und brachte zwei große Krüge kalten Bieres. Bolta leerte seinen in einem Schluck und forderte einen Nachschlag.

Der Wirt nickte freundlich und ging.

„An wen hast du sie verkauft?“, erkundigte sich Gronn.

„Rumelor.“

„Nun gut. Rumelor ist anständig.“ Gronn dachte nach. „Auch wenn er dir auf jeden Fall zu wenig bezahlt haben wird.“

Bolta nickte beschämt.

„Was ist, wenn du Heim und Mine weiterverkaufst und dir die Rüstung zurückholst?“

„Das darf ich nicht. Das weißt du so gut wie ich“, erinnerte Bolta ihn an das Gesetz. Es verbot einfachen Zwergen, die keine Handelslizenz hatten, Waren, Wohnraum oder Vieh zu kaufen und sofort weiter zu verkaufen. Dies erschwerte einfachen Zwergen wie Bolta den Aufstieg in eine bessere Gesellschaft oder in den Handel. „Jetzt besitze ich eine Mine und ein teures Heim, aber kein Werkzeug und keine Arbeiter, um aus der Mine Profit zu schlagen“, erklärte er ratlos. „Und ich habe kein Geld mehr, um das Notwendige in Gang zu bekommen.“

Gronn atmete hörbar aus. „Das hast du heute Morgen und vorhin gut versteckt. Wolltest du es mir überhaupt erzählen?“

Bolta zuckte mit den Schultern. „Ich weiß nicht, was ich wollte. Ich habe mich gefreut, dich wiederzusehen und habe nicht weiter nachgedacht.“

Der Wirt kam herbei und brachte einen weiteren Krug Bier.

„Dann, mein Freund habe ich ein Angebot für dich, das dir vielleicht helfen könnte“, schlug Gronn vor.

Bolta sah sehr interessiert aus. Hoffnung regte sich, seine Umstände zu verbessern.

„Ich habe einen neuen Auftrag angenommen für fünftausend Silberlinge ... „

„FÜNFTAUSEND?“, unterbrach ihn Bolta ungläubig.

„Entschuldige! Sprich weiter.“

„Ich möchte, dass du mich begleitest. Dann teilen wir die Prämie und damit kannst du dir dann wenigstens Werkzeug kaufen und vielleicht einige Arbeiter einstellen, um deine kleine Mine in Gang zu bringen.“

Bolta überlegte nicht lange, sondern bot Gronn seine Hand an. Dieser schlug ein und lächelte zufrieden. „Worum geht’s denn?“, fragte Bolta.

„Wir sollen in Myrvidon einen Minotauren erlegen. Er schlachtet dort Bauern ab und reißt Häuser nieder.“

„Einen Minotauren?“, flüsterte Bolta und seine Augen weiteten sich vor Schrecken. „Hui, das ist gefährlich“. Sein Blick ging plötzlich ins Nichts und abwesend kaute er auf dem Nagel seines Daumens herum. „Das ist gefährlich“, wiederholte er, mehr an sich selbst als an Gronn gerichtet.

„Zweitausendfünfhundert für jeden von uns“, lockte Gronn ihn. Und es wirkte. Bolta sah ihn wieder an. Er war zwar immer noch leicht abwesend, aber er nickte zustimmend. Im Kopf rechnete er schon um, was er dafür alles anschaffen konnte. Und je näher sein Gedankenkonstrukt eine funktionierende und ertragreiche Mine formte, desto motivierter sah er aus.

„Aber das wird gefährlich!“

„Du wiederholst dich“, sagte Gronn belustigt. „Ich muss dir aber noch etwas gestehen.“ Jetzt war Bolta wieder vollständig im Hier und Jetzt. Abwartend sah er Gronn in die Augen. „Ich habe das Gefühl, dass irgendetwas an dem Auftrag nicht stimmt. Dunerich, du kennst ihn, wirkte heute sehr seltsam auf mich. Irgendetwas ist da im Gange. Und, wenn ich den Auftrag allein erledigen würde, versprach er mir einen weiteren, ganz besonderen Auftrag. Aber wer schickt schon einen Zwerg allein gegen einen Minotauren, frage ich dich? Und was soll das für ein ominöser, besonderer Auftrag sein?“, sinnierte er zweifelnd.

„Naja, einen Irren wie dich kann man immer schicken.“ Bolta grinste frech. Auch wenn die Angst, gegen solch eine Bestie zu kämpfen, seine Stimmung dämpfte, nahm die Motivation, sein Leben in den Griff zu kriegen, überhand. Ein wenig Erleichterung machte sich breit. Und ein Plan formte sich in seinen Gedanken. Er würde die Mine in Schwung kriegen, damit viel Geld machen und die Rüstung seiner Ahnen zurückkaufen können. Dann würde Derilla, seine große Liebe ihm vielleicht verzeihen und ihn wieder als ehrwürdigen Zwerg sehen, den sie lieben könnte.

 

 

Es war dunkel und feucht in der Höhle. Thorowald hielt sein Schwert in der rechten und eine Fackel in der linken Hand. Die Flammen erleuchteten die Wände der Höhle und zeichneten flackernde Muster und Schatten darauf. Dünne Wurzeln, mit Spinnennetzen behangen, baumelten von der Decke wie knochige Arme, die nach ihm griffen, ihm die silberne, mit Blut beschmierte Rüstung vom Körper reißen wollten, um ihn dann zu packen und zu verschlingen. Den Topfhelm, den er normalerweise bei einem Ansturm mit der Reiterei trug, hatte er nach hinten geworfen und hing jetzt an einem dicken Lederriemen über seinem Rücken. Tropfen kalten Wassers, das von der Decke und den Wurzeln fiel, klopften auf das Metall und sammelten sich darin. Auf dem Kopf trug er eine einfache Stahlhaube mit Kettengeflecht und einer gepolsterten Haube darunter. Der Schweiß auf den feinen Zügen seines Gesichts glänzte im Schein der Fackel, lief ihm in die Augen und den schwarzen, einst fein gezwirbelten Schnauzbart. Das Kinn und der leichte Kinnbart versteckten sich unter der Haube, die den Hals und das Kinn schützte, damit der Topfhelm bei einem Aufprall nicht zu hart gegen die Knochen schlug. Von oben bis unten war König Thorowald, Herrscher über die ehemals vier Reiche der Menschen, mit Stahl bedeckt. Seine eigentlich drahtige Statur wurde durch die Rüstung verbreitert. Der goldene Prunkgürtel mit der edlen Lederscheide seines schlanken Schwertes schabte leise über die Hüftringe seiner Rüstung, als er einen weiteren Schritt tat.

Wie weit er den Tunneln in die Orkhöhle gefolgt war, wusste er nicht mehr. Zehn Leibgardisten hatten ihn in den Orkbau begleitet. Acht davon waren in einem kleinen Scharmützel mit Orks gestorben. Die zwei anderen waren verschwunden. Allein und vor Anspannung zitternd wagte Thorowald sich dennoch tiefer in die stinkende Höhle. Die wildgesichtigen, mit Hauern und Klauen bewaffneten Orks hatten Eudrita, die Tochter eines Ritters der hiesigen Ländereien, entführt. Thorowald wollte Mut beweisen und war mit seiner Leibgarde auf die Jagd gegangen. Thymo, Eudritas Vater, war ebenfalls im ersten Scharmützel mit den Orks gefallen. Sofern Thorowald sie finden und retten könnte, würde er traurige Nachrichten für sie haben. Ohnehin würde sie Schreckliches durchlitten haben und verarbeiten müssen, wenn er denn mehr als ihre abgenagten Knochen finden würde.

Vor drei Tagen hatte er eine Schlacht gegen eine Orkmeute aus Sytrass geschlagen, die sich ihren Weg nach Süden und von dort aus nach Westen in das Reich der Menschen gebahnt hatte. Eigentlich hatte es geheißen, ein großes Heer von ihnen würde das Land bedrohen. Mehr als einige Hundert waren es jedoch nicht gewesen. Und so hatte man sie ohne große Verluste aufgerieben. Daraufhin hatte Thorowald sein Lager in Thymos Ländereien aufgeschlagen und einige versprengte Orks gejagt. Die ehrenvolle Aufgabe, dessen Tochter zu retten, wollte er sich nicht entgehen lassen. Das würde für viel Gerede im Volk sorgen und seine hart erkämpfte Stellung festigen. Nun jedoch bereute er diese Idee zutiefst. Vor der Höhle warteten weitere zwanzig Ritter und um die fünfzig Soldaten auf ihn und sollten im Notfall zu Hilfe eilen. Im Falle einer großen Gefahr wollte Thorowald einen seiner Leibgardisten nach draußen schicken, doch nun waren sie alle tot oder verschwunden. Woher sollten die Männer draußen wissen, was hier vor sich ging. Er war auf sich allein gestellt.

Wie lange er schon umherirrte, konnte Thorowald nicht sagen. Es könnte sich um Stunden handeln. In dem Fall war er froh, noch immer zu leben. Das hieße, seine Männer waren bestimmt schon auf der Suche nach ihm. Andererseits könnte es auch bedeuten, dass sie ihn nach so langer Zeit nicht finden konnten. Würde er jemals wieder hier herausfinden? Unterwegs hatte er den Weg in mehrere Seitentunnel einschlagen müssen, aus denen er Geräusche vernommen hatte oder wenn er einer Blutspur gefolgt war. Das Blut war frisch und mit den orktypischen grünen Klumpen darin. Es konnte also nicht von Eudrita sein, so hoffte Thorowald.

Er setzte einen Fuß vor den anderen. Langsam und behutsam, keine unnötigen Geräusche von sich gebend. Leider kratzte und klapperte seine Rüstung viel zu sehr. Plötzlich hörte er ein Grunzen nur einige Meter vor sich in der Dunkelheit. Der Schein der Fackel reichte nicht weit genug, um die Dunkelheit dort zu vertreiben, wo Thorowald einen Ork vermutete. Er blieb stehen und die Hand schloss sich fester um den Griff seines Schwertes. Es grunzte erneut, gefolgt von einem Schnüffeln. Etwas scharrte über den Boden und Steine rollten klickend davon. Thorowald musste weit im Inneren des Berges angelangt sein. Er stand vollkommen still da. Außer dem leichten Knistern seiner Fackel gab er keinen Laut von sich. Verdammt. Ob er mich bereits sieht? fragte sich Thorowald und spürte, wie sein Herz immer schneller schlug. Auch der Schweiß rann in Sturzbächen über sein Gesicht, und nahm ihm teilweise die Sicht. Sein rechtes Auge war vollgelaufen und er musste es zusammenkneifen. Hätte er doch nur eine Hand frei! Wieder scharrte etwas über den Boden, gefolgt von einem weiteren Grunzen. Es klang irgendwie erschöpft und niedergeschlagen. Thorowald wog seine Möglichkeiten ab. Langsam weitergehen, sich zurückziehen oder.... Er entschied sich für die dritte Möglichkeit und warf die Fackel in die Richtung, in der er den Ork vermutete.

Der Fackelschaft landete lautstark auf dem Boden und rollte weiter in den Gang hinein. Es hallte hölzern durch den Tunnel. Mit einem verwunderten Grunzen registrierte der Ork die Fackel, als sie gegen seine, in dreckigen Stoff gewickelten Füße stieß. Erschrocken und kurz aufbrüllend sprang er ein Stück zurück. Blieb aber im Licht der Fackel stehen und drehte den Kopf. Hörbar schnüffelte er um sich und schien mit einem Ohr in den Gang zu horchen.

Thorowald konnte ihn jetzt deutlich erkennen und atmete etwas erleichtert aus. Der Ork war von oben bis unten in zerfetzte Ledergewänder gehüllt. Die Kleidung war eindeutig die eines Menschen, da der Ork darin etwas verloren wirkte. Zudem war er sogar für seine Art ein recht kleines Exemplar. Glück für Thorowald! Und noch etwas ließ ihn sich sicherer fühlen, falls es zum Kampf käme. Das graugrüne, hässliche Gesicht mit dem breiten Kiefer, der hervorstehenden Augenbrauenpartie und den abstehenden, leicht spitzen Ohren war mit einem grässlichen Schnitt über der Stirn und dem rechten Auge verunstaltet. Das andere Auge war von blaugrüner, angeschwollener Haut verdeckt und mit Blut verklebt, während ihm frisches Blut in das übrige Auge lief. Er sah rein gar nichts. Scheinbar hatte er eine ordentliche Abreibung in der Schlacht oder im Scharmützel in den Tunneln bekommen. Thorowald meinte beinahe zu erkennen, dass die wulstigen Lippen des Orks jammernd bebten. Aus der zerfetzten Lederweste hingen zwei sehnige, aber muskulöse Arme mit viel zu dicken Unterarmen und großen, klobigen Händen. Die Fingernägel waren zu gekrümmten, kleinen Dolchen gewachsen und gefährliche Waffen im Kampf gegen einen Ungerüsteten. Wenn Thorowald sich nicht täuschte, waren sie über und über mit Blut bedeckt. Allerdings warf das Licht der am Boden liegenden Fackel auch große Schatten von Händen und Beinen auf den Ork, die ihn in dieser dunklen, nassen Höhle noch furchterregender erscheinen ließen. Einzig, dass er nichts sah und gekrümmt im Raum stand, ließ Thorowald hoffen, dass er ihn überrumpeln könnte. Er hatte schon einige Orks erlegt. Diesen würde er mit Leichtigkeit bewältigen.

Bevor er zum Angriff überging, horchte er noch einmal in die Stille des Tunnels. Außer dem gelegentlichen Schnüffeln und Jammerns des Orks vernahm er nichts. Also packte er den Anderthalbhänder mit beiden Händen und stürmte vorwärts. Der Tunnel bot genug Platz, dass er die Klinge weit ausholend schwingen könnte. Und so tat er es als er auf den zusammenzuckenden Ork traf. Dieser wusste nicht, wie ihm geschah. Im Reflex versuchte er, seinen Kopf mit den Armen zu schützen, doch Thorowalds Schwert zerteilte einen davon am Handgelenk und fuhr dem aufschreienden Ork in den Schädel, leider nicht sehr tief. Die Hand fiel platschend auf den Boden und die Finger krümmten sich wie die Beine einer sterbenden Spinne. Sie zuckten noch einige Momente. Mit der anderen Hand und einem tiefen Brüllen griff der Ork nach Thorowalds Waffe. Er umfasste die geschärfte Klinge und Blut lief sofort in Strömen daran hinab. Der König zog ruckartig am Schwertgriff, bekam die Waffe jedoch weder aus dem Griff noch dem Schädel des Orks frei. Als dieser selbst einmal daran zog, knirschte es, als zöge man ein Beil aus einem Baum, den es zu fällen galt. Er hielt die Klinge noch immer umschlossen.