Das Gefühlsleben der Tiere - Marc Bekoff - E-Book

Das Gefühlsleben der Tiere E-Book

Marc Bekoff

0,0

Beschreibung

Marc Bekoff schreibt wie kein anderer über die Gefühle der Tiere, denn er argumentiert wissenschaftlich korrekt und emotional engagiert. Wer glaubt, dies widerspreche sich in sich, der lese dieses Buch und lasse sich vom Gegenteil überzeugen. Bekoff zögert dabei auch nicht, die ethischen Folgerungen aus seinen Überlegungen und Forschungsergebnissen zu ziehen und sich konsequent für einen rücksichtsvollen, mitfühlenden und respektvollen Umgang mit unseren Mitbewohnern auf diesem Planeten, den Tieren, auszusprechen. Ein wichtiges Buch, das zum Nachdenken anregt und zum Handeln auffordert. "Als ich als Kind in Tibet den Buddhismus studierte, wurde mir beigebracht, wie wichtig eine liebevolle Geisteshaltung gegenüber anderen ist. Diese Praxis der Gewaltlosigkeit ist auf alle fühlenden Lebewesen anzuwenden - auf jegliches lebendes Ding, das ein Bewusstsein hat, denn wo Bewusstsein ist, da sind auch Gefühle wie Schmerz, Trauer, Freude und Heiterkeit. Kein fühlendes Lebewesen will Schmerz - im Gegenteil, alle wollen glücklich sein. Da wir alle diese Gefühle auf einem Grundniveau teilen, haben wir als vernunftbegabte Menschen die Pflicht, zum Glücklichsein anderer beizutragen und uns so weit es geht zu bemühen, ihre Ängste und ihr Leiden zu vermindern. Ich glaube fest daran, dass, je mehr wir uns um das Glücklichsein der anderen bemühen, unser eigenes Wohlbefinden umso größer sein wird. Daher begrüße ich Marc Bekoffs Buch 'Das Gefühlsleben der Tiere' sehr." Seine Heiligkeit der Dalai Lama "In klarer und überzeugender Sprache bietet Marc Bekoff eine rationale Begründung für das, was viele von uns schon längst glauben - dass Tiere Sorge, Freude, Wut, Vergnügen und andere Gefühle ganz ähnlich wie wir selbst empfinden. Bekoff beweist, dass diese Vorstellung nicht nur mit den Fakten der Evolution übereinstimmt, sondern dass sie sich sogar durch sie bedingt. Sobald die Wissenschaft die Argumentation dieses genau recherchierten Buches berücksichtigt, wird sie nie mehr dieselbe sein." David Rothenberg, Professor der Philosophie am New Jersey Institute

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 350

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Marc Bekoff

Das Gefühlsleben der Tiere

Ein führender Wissenschaftler untersucht Freude, Kummer und Empathie bei Tieren

Mit einem Vorwort von Jane Goodall

© 2008 Marc Bekoff/animal learn Verlag

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung, Verbreitung und Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werks darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

3. Auflage 2014

ISBN 978-3-936188-42-4

Übersetzung ins Deutsche: Elke Franz

Lektorat: Petra Schmidt, Susanne Artmann

Fotos: Cliff Grassmick, istockphoto, fotolia, pixelio

Satz & Layout: Annette Gevatter, Riegel a. K.

eBook-Herstellung und Auslieferung: readbox publishing, Dortmundwww.readbox.net

Alle Rechte der deutschen Übersetzung:

animal learn Verlag

Am Anger 36, 83233 Bernau

Email: [email protected]

www.animal-learn.de

INHALTSVERZEICHNIS

VORWORT von Jane Goodall

EINFÜHRUNG

Das Geschenk der Gefühle von Tieren

DANKSAGUNG

KAPITEL 1

Argumente für die Gefühle der Tiere und weshalb sie von Bedeutung sind

KAPITEL 2

Kognitive Ethologie: Das Studium des Verstandes und der Herzen von Tieren

KAPITEL 3

Tierische Leidenschaften: Was Tiere fühlen

KAPITEL 4

Wilde Gerechtigkeit, Empathie und Fairplay: Tiere und Ehrgefühl

KAPITEL 5

Schwierige Fragen: Antworten für Skeptiker und das Ansprechen der Unsicherheit in der Wissenschaft

KAPITEL 6

Ethische Entscheidungen: Was wir mit unserem Wissen tun

QUELLENHINWEISE

LITERATURHINWEISE

ÜBER DEN AUTOR

Für Jasper, den Sprecher der Bären für Hoffnung und Freiheit, und Pablo, den Schimpansen CH-377

– zwei von viel zu vielen.

VORWORT

Es freut mich sehr, das Vorwort für dieses wichtige Buch schreiben zu dürfen, denn es befasst sich mit einem Thema – den Gefühlen von Tieren – das für das richtige Verständnis von Tieren und ihre Beziehung zu uns entscheidend ist. Schon während meiner Kindheit faszinierten mich alle Tiere – ich beobachtete sie, lernte von ihnen und liebte sie. Im Alter von zehn Jahren entwickelte ich eine ganz besondere Beziehung zu dem außerordentlich intelligenten Mischlingshund Rusty, der zu meinem ständigen Begleiter wurde. Er und drei aufeinander folgende Katzen, zwei Hängebauchschweine, ein Goldhamster, ein Kanarienvogel und zwei Schildkröten, mit denen wir unser Haus und unsere Herzen teilten, lehrten mich, dass Tiere, zumindest solche mit ziemlich komplexen Gehirnen, starke und unverwechselbare Persönlichkeiten sind und über einen Verstand verfügen, der sie zu einem gewissen rationalen Denken befähigt – und insbesondere dazu, Gefühle zu haben.

Später, im Jahr 1960, erhielt ich die außerordentliche Gelegenheit, die Schimpansen im Gombe National Park in Tansania zu beobachten. Ich hatte keine Ahnung von wissenschaftlichen Methoden und hielt einfach alles fest, was ich sah. Glücklicherweise war ich geduldig, denn während der ersten paar Monate flüchteten sie, wann immer sie dieses merkwürdigen weißen Affens ansichtig wurden, der so plötzlich in ihrer Mitte aufgetaucht war. Das erste Tier, das seine Angst vor mir verlor, nannte ich David Greybeard. Er war ein auffallend schöner, erwachsener Schimpansenmann mit großen, weit auseinander liegenden Augen. Ich fand schließlich heraus, dass er mit seiner freundlichen, aber entschlossenen Art eine echte Führungspersönlichkeit war. Davids ruhige Akzeptanz meiner Anwesenheit half anderen Mitgliedern seiner Gemeinschaft zu erkennen, dass ich letztlich doch keine so Furcht erregende Kreatur war. Dennoch wurden viele von ihnen aggressiv und unternahmen Einschüchterungsversuche, wie sie üblicherweise Leoparden oder großen Schlangen zu Teil werden. Doch schließlich entspannten sie sich, und nachdem ich Stück für Stück ihr Vertrauen gewonnen hatte, erlaubten sie mir, mich in ihrer Welt zu bewegen – immer nach ihren Regeln. Ich lernte die vielfältigen starken Persönlichkeiten kennen: Davids engen Gefährten Goliath, bei dem es sich, wie ich schließlich erkannte, um das Alpha-Männchen handelte; die hochrangige, bestimmte Flo und ihre große Familie; die schüchterne Olly und ihre alles andere als schüchterne Tochter Gilka; den reizbaren JB; Jomeo, den unabsichtlichen Clown – und all die anderen.

Nach einem Jahr ermöglichte es mir Louis Leakey, mich an der Universität von Cambridge auf meine Doktorarbeit in Ethologie vorzubereiten. Dort wurde ich dafür kritisiert, nicht nach wissenschaftlichen Methoden gearbeitet, den Schimpansen Namen statt Nummern zugeteilt und ihnen damit Persönlichkeit „verliehen“ zu haben – und dafür, zu behaupten, sie hätten Verstand und Gefühle. Dies, so wurde mir mit strengen Worten mitgeteilt, seien Attribute, die ausschließlich für das Tier Mensch reserviert seien. Ich wurde sogar dafür getadelt, einen männlichen Schimpansen mit „er“ und eine weibliche Schimpansin mit „sie“ zu bezeichnen: Wusste ich denn nicht, dass die korrekte Weise, mit der ein Tier zu bezeichnen war, „es“ lauten musste? Ein nichtmenschliches Tier, selbstverständlich. Und so wurden meine Beobachtungen größtenteils als die einer naiven jungen Frau ohne universitäre Bildung abgetan. Und doch war es gerade diese „fehlende Qualifikation“ in Verbindung mit meiner Leidenschaft, etwas über Tiere in freier Wildbahn zu erfahren, was meinen Mentor, den inzwischen verstorbenen Louis S. B. Leakey, für mich eingenommen hat. Er wünschte sich einen Beobachter, dessen Verstand unbeeinflusst war vom begrenzten Denken der Wissenschaft der frühen Sechziger Jahre. Tatsächlich vertraten Ethologen sowie zahlreiche Philosophen und Theologen den Standpunkt, Persönlichkeit, Verstand und Gefühle seien einzig menschliche Attribute und das Verhalten nichtmenschlicher Lebewesen sei lediglich auf umweltbedingte oder soziale Einflüsse zurückzuführen.

Das konnte ich jedoch nicht akzeptieren – es widersprach allem, was ich in den Jahren mit Rusty sowie während meiner Zeit mit den Schimpansen gelernt hatte. Glücklicherweise hatte ich in Professor Robert Hinde einen weisen Doktorvater. Er war selbst bekannt für seinen streng wissenschaftlichen Verstand und seine Intoleranz gegenüber verschwommenen Denkmodellen. Trotzdem hatte er allen Rhesusaffen, mit denen er gearbeitet hatte, Namen gegeben und schrieb über sie ohne Scham als „er“ und „sie“. Robert Hinde lehrte mich, meine Ideen, denen zwar gesunder Menschenverstand zugrunde lag, die ethologisch jedoch revolutionär anmuteten, in einer Weise auszudrücken, die mich vor allzu feindseliger wissenschaftlicher Kritik schützte. Ich konnte zum Beispiel nicht sagen „Fifi war glücklich“, da ich das nicht beweisen konnte. Stattdessen konnte ich sagen: „Fifi verhielt sich auf eine Weise, dass man, wäre sie menschlich, sagen würde, sie war glücklich.“

In den späten Sechziger Jahren gingen immer mehr Biologen ins Feld und begannen mit Langzeitstudien an allen möglichen tierischen Spezies: Affen, Menschenaffen, Elefanten, Wale, Delfine, Wölfe usw. Diese Studien machten deutlich, dass das Verhalten von Tieren wesentlich komplexer ist, als ursprünglich von der Wissenschaft der westlichen Welt zugegeben worden war. Es gab immer mehr zwingende Beweise dafür, dass wir nicht allein sind in unserem Universum, dass wir nicht die einzigen Kreaturen mit Verstand sind – fähig, Probleme zu lösen, Liebe und Hass ebenso zu verspüren wie Freude und Trauer, Angst und Verzweiflung. Sicher sind wir nicht die einzigen Tiere, die Schmerz und Leid empfinden. Mit anderen Worten: Es gibt keine klare Grenze zwischen dem Tier Mensch und dem Rest des tierischen Königreichs. Die Grenzen sind fließend und mit der Zeit werden sie immer fließender.

Doch gibt es leider zahllose Menschen, darunter sowohl Laien als auch Wissenschaftler, die immer noch aufrichtig davon überzeugt sind, dass Tiere lediglich Objekte sind, die durch äußere Einflüsse aktiviert und zu Reaktionen veranlasst werden. Und nur zu oft weisen diese Menschen bewusst oder unbewusst unsere Versuche zurück, sie vom Gegenteil zu überzeugen. Letztlich ist es einfacher, an unbeseelten Objekten unangenehme Handlungen zu vollziehen – sie schmerzhaften Experimenten auszusetzen, sie in industrieller Massenzucht aufzuziehen, sie zu jagen, zu fangen, zu essen und auf andere Weise auszubeuten –, als diese Dinge lebendigen, fühlenden Wesen anzutun. Ein Affe, Hund oder Schwein erfährt Angst wahrscheinlich auf dieselbe Art und Weise wie ein menschliches Wesen. Jungtiere, ob menschlich oder nicht, zeigen ganz ähnliche Verhaltensweisen, wenn sie gut gefüttert und beschützt werden – sie spielen, tollen, drehen sich im Kreis, hüpfen, schlagen Purzelbäume –, so dass es schwer ist, nicht zu glauben, dass sie damit auch ganz ähnliche Gefühle ausdrücken. Mit anderen Worten: Sie sind voller Lebensfreude – sie sind glücklich. Ich sah bei Schimpansenkindern nach dem Tod ihrer Mütter ein ähnliches Verhalten, das der klinischen Depression trauernder Menschenkinder gleichkommt: gekrümmte Haltung, Schaukeln des Körpers, stumpf starrende Augen, Interesselosigkeit gegenüber den Vorgängen rundherum. Wenn menschliche Kinder aus Trauer leiden können, dann können dies auch Schimpansenkinder. In diesem Stadium der Trauer können Schimpansenwaisen – wie Flint und Kristal – sogar sterben.

Es wird immer offensichtlicher, wofür nun auch hervorragende wissenschaftliche Belege existieren, dass Tiere einen sehr großen therapeutischen, heilenden Einfluss ausüben können. Bei der Senkung des Blutdrucks, dem Reduzieren asozialen Verhaltens Gefangener und der Unterstützung von Kindern mit Leselernschwäche spielen sie eine wichtige Rolle. Ältere, allein lebende Menschen können vor Depressionen bewahrt werden, die durch Einsamkeit oder durch das Gefühl von Nutzlosigkeit entstehen, wenn sie ihr Leben mit einem geliebten Tier wie einer Katze oder einem Hund teilen. Dies liegt nicht allein daran, dass Tiere weich, pelzig und warm sind. Es liegt daran, dass diese heilenden Tiere mit ihren Menschen mitfühlen, ihre Nöte zu verstehen scheinen – und sie lieben. Mit anderen Worten: Diese Tiere sind sehr viel mehr als Objekte, deren Verhalten durch Stimulus und Reaktion beeinflusst wird. Ein ausgestopftes, mechanisches Spielzeugtier, egal wie kunstvoll gearbeitet und wie lebensecht in seiner Erscheinung, kann niemals den Platz eines lebenden, fühlenden und liebenden Tieres einnehmen.

Je mehr Menschen begreifen, dass Tiere, besonders in Gruppen lebende Säugetiere mit komplexen Gehirnen, ein reiches Gefühlsleben besitzen und darüber hinaus auch fähig sind zu leiden – sowohl mental als auch physisch – desto eher wird es uns gelingen, die unangemessene Behandlung, die so vielen Millionen von Tieren zu Teil wird, zu ändern. Tatsächlich haben die meisten Menschen keine Ahnung davon, was sich in den medizinischen Forschungslabors abspielt. Und sie wissen nichts – und wollen auch gar nichts wissen – von den Milliarden von Tieren, die in stinkenden, schmutzigen Zuchtfabriken, auf engstem Raum zusammengepfercht, geboren werden. Genauso wenig begreifen sie, welche Grausamkeit hinter dem Training von Tieren steckt, die im Zirkus oder auf andere Weise der Unterhaltung der Menschen dienen sollen. Solange Wissenschaftler (zumindest in ihrem Berufsleben) die falsche Ansicht aufrecht erhalten, dass nichtmenschliche Wesen bloß Dinge sind, wird dies leider dazu führen, auch weiterhin stillschweigend über dieses unmenschliche Verhalten hinwegzusehen.

Aus diesem Grund freue ich mich so sehr darüber, dass Marc dieses Buch geschrieben hat. Unbeeindruckt von der manches Mal bösartigen Kritik seiner Kollegen, die er praktisch während seines gesamten Berufslebens erfahren musste, fuhr er fort, die Persönlichkeiten und Gefühle nichtmenschlicher Tiere zu studieren und über sie zu schreiben. Nun hat er im Gefühlsleben der Tieredas stetig wachsende Datenmaterial wissenschaftlicher Beweise zusammengefasst, das die These von der Existenz vielfältiger Emotionen bei anderen Tieren unterstützt, reich illustriert durch seine eigenen sorgfältigen Beobachtungen und Schlüsse. Er vertritt eindringlich den Standpunkt, dass die Zeit gekommen ist, diesen Komplex an Informationen allgemein zu akzeptieren. Tatsächlich weist er darauf hin, dass es einer Zeitverschwendung gleichkommt, auch nur zu fragen, ob Schimpansen, Elefanten, Hunde usw. Gefühle wie Glück, Traurigkeit, Verzweiflung und Ärger erleben – und dass dies für Menschen, die auf sinnvolle Weise Zeit mit Tieren verbracht oder mit ihnen gelebt haben, offensichtlich ist. Statt weiterhin zu versuchen, das Offensichtliche zu beweisen, ist nun ganz sicher die Zeit gekommen zu akzeptieren, dass tierische Wesen – wie menschliche Wesen auch – Gefühle ausdrücken, und somit die Zeit, andere Fragen zu stellen, so wie er es mit diesem Buch tut. Wie entwickeln sich Gefühle überhaupt? Welchem Zweck dienen sie?

Das Gefühlsleben der Tiere ist eine weitere Stimme im wachsenden Chor derjenigen, die versuchen, die Haltung gegenüber den tierischen Wesen, mit denen wir uns diesen Planeten teilen, zu verändern. Die Verbindung sorgfältiger wissenschaftlicher Methodik mit Intuition und gesundem Menschenverstand wird dieses Buch zu einem großartigen Werkzeug für diejenigen machen, die dafür kämpfen, das Leben der Tiere in einer Umwelt zu verbessern, in der ein nahezu vollständiges Unverständnis herrscht. Ich hoffe nur, dass es viele Menschen dazu bringen wird, die Art und Weise, wie sie mit ihren Tieren umgehen, noch einmal zu überdenken.

Jane Goodall, PhD, DBE,

Gründerin des Jane Goodall Institute

und Friedensbotschafterin der Vereinten Nationen

EINFÜHRUNG

Das Geschenk der Gefühle von Tieren

Willkommen in der faszinierenden Welt der Gefühle der Tiere. Als Wissenschaftler, der seit mehr als 30 Jahren die Leidenschaften und Tugenden von Tieren studiert, sehe ich mich selbst als einen sehr glücklichen Menschen. Ich liebe, was ich tue. Ich liebe es, etwas über Tiere zu erfahren, und ich liebe es, meine und die Entdeckungen meiner Kollegen mit anderen zu teilen. Wann immer ich Tiere beobachte oder mit ihnen arbeite, leiste ich einen Beitrag für die Wissenschaft und gehe gleichzeitig soziale Beziehungen ein. Für mich liegt darin kein Widerspruch.

Bevor ich beginne, möchte ich einen wichtigen Punkt in Bezug auf die Terminologie ansprechen. Wenn wir über „tierische Gefühle“ diskutieren, vergessen wir manchmal, dass auch Menschen Tiere sind. Die Phrase „nichtmenschliche Tiere“ für Wesen zu verwenden, die wir gewöhnlich als „Tiere“ bezeichnen, ist jedoch sehr umständlich. Deshalb verwende ich in diesem Buch das Wort Tiere, wenn ich mich auf „nichtmenschliche Tiere“ beziehe – selbstverständlich in dem Wissen, dass wir alle Tiere sind, und in der Hoffnung, dass diese sprachliche Abkürzung nicht dazu beiträgt, gewisse „Nachlässigkeiten“ aufrecht zu erhalten.

Das Gebiet der tierischen Emotionen – bei dem es sich um einen spezifischen Bereich innerhalb der größeren wissenschaftlichen Disziplin der kognitiven Ethologie bzw. der Studien in Hinsicht auf den tierischen Verstand handelt – hat sich in den letzten 30 Jahren enorm gewandelt. Als ich mit meinen Studien begann, waren nahezu alle Forscher Skeptiker, die ihre Zeit damit verbrachten sich zu fragen, ob Hunde, Katzen, Schimpansen und andere Tiere etwas fühlen. Da man Gefühle nicht unter ein Mikroskop legen kann, fanden diese Forscher für gewöhnlich auch keine – und ich möchte sagen, ich bin froh, nicht ihr Hund gewesen zu sein! Zum Glück finden wir heute immer weniger Skeptiker; doch während die Debatten um die Frage, ob Tiere Gefühle haben oder nicht, zwar weiterhin geführt werden, lautet die Frage von wirklicher Bedeutung nun, weshalb sich die Gefühle der Tiere so und nicht anders entwickelt haben. Tatsächlich haben sich die Denkmuster auf eine Weise verändert, dass die Beweislast nun immer öfter denen zufällt, die immer noch behaupten, dass Tiere keine Gefühle haben. Meine Kollegen und ich müssen Worte wie glücklich oder traurig nicht mehr in vorsichtige Wendungen verpacken, wenn wir über das gefühlsmäßige Innenleben eines Tieres schreiben. Wenn unser Hund Fido dabei beobachtet wird, wie er ärgerlich oder ängstlich reagiert, können wir dies mit der gleichen Selbstverständlichkeit ausdrücken, mit der wir menschliche Gefühle diskutieren. In Wissenschaftsmagazinen und anderen Publikationen werden regelmäßig Geschichten und Berichte veröffentlicht, die sich mit der Freude von Ratten und der Trauer von Elefanten befassen, und niemand schreit mehr auf.

Gegen die Existenz tierischer Emotionen zu argumentieren, ist schlechte Biologie. Die wissenschaftliche Forschung in evolutionärer Biologie, kognitiver Ethologie und in den sozialen Neurowissenschaften unterstützt die Ansicht, dass zahlreiche unterschiedliche Arten ein reiches und tief empfundenes Gefühlsleben haben. Emotionen haben sich bei zahlreichen Spezies als Adaptionen entwickelt. Sie dienen als sozialer Kitt, der Tiere miteinander verbindet. Zusätzlich katalysieren und regulieren Gefühle eine Vielzahl sozialer Begegnungen zwischen Freunden, Liebenden sowie Konkurrenten und sie erlauben es Tieren, sich angepasst und flexibel selbst zu schützen, indem sie vielfältige Verhaltensmuster auf eine breite Palette von Situationen anwenden.

Charles Darwins anerkannte Theorie zur evolutionären Kontinuität, dass Unterschiede zwischen Spezies eher gradueller Natur, nicht aber grundsätzlicher Art sind, weist nachdrücklich auf die Präsenz von Gefühlen, Empathie und moralischem Verhalten bei Tieren hin. In der Praxis erlaubt uns diese Kontinuität, „die evolutionären Punkte unterschiedlicher Spezies miteinander zu verbinden“, um Ähnlichkeiten zwischen sich entwickelten Eigenschaften hervorzuheben, die auch individuelle Gefühle und Leidenschaften umfassen. Was wir bisher über tierische Emotionen und Empathie gelernt haben, passt gut zu dem, was wir über die Lebensweise unterschiedlicher Spezies wissen – nämlich wie komplex ihre sozialen Interaktionen und sozialen Netzwerke sind. Gefühle, Empathie und das Wissen um „Richtig“ oder „Falsch“ sind die Schlüssel zum Überleben, ohne die alle Tiere – sowohl menschliche als auch nichtmenschliche – untergehen würden. Das ist der Grund, weshalb sie so wichtig sind.

Und es gibt immer wieder Überraschungen. Immer dann, wenn wir meinen, alles gesehen zu haben, tauchen neue wissenschaftliche Daten und Berichte auf, die uns dazu zwingen, unser bisher erworbenes Wissen neu zu überdenken und unsere Klischeevorstellungen zu revidieren. Ein Beispiel: Nachdem ich gerade die Korrekturfahnen zu diesem Buch erhalten hatte, stieß ich in der Zeitschrift New Scientist vom 02. Dezember 2006 auf einen Artikel über die Gefühle von Walen. Man hat herausgefunden, dass Buckelwale, Finnwale, Orcas und Pottwale über Spiegelzellen bzw. Spiegelneuronen in derselben Gehirnregion verfügen wie wir Menschen. Diese Gehirnregion wird mit sozialer Organisation, Einfühlungsvermögen, Intuition in Bezug auf die Gefühle anderer sowie raschen gefühlsmäßigen Reaktionen in Verbindung gebracht. Von Spiegelzellen, einst als einzigartig bei Menschen und Großaffen angesehen, glaubt man, dass sie für die Verarbeitung von Gefühlen wichtig sind. Und Wale haben in der Tat mehr Spiegelzellen als Menschen.

Alle Säugetiere (auch die Menschen) verfügen über neuroanatomische Strukturen und neurochemische Bahnen, die für das Fühlen wichtig sind. Doch fühlen alle Tiere dasselbe? Die Forschung hat bewiesen, dass Mäuse empathische Nagetiere sind, und darüber hinaus stellte sich heraus, dass sie gerne Spaß haben. Wir hören Geschichten über vergnügungssüchtige Leguane, ein Pferd mit Sinn für Humor, verliebte Wale, Elefanten, die unter psychischen Flashbacks (Wiedererleben psychischer Traumata) und posttraumatischen Stress-Störungen leiden, über einen trauernden Otter, einen verwitweten Esel, unleidliche Paviane, empfindungsfähige Fische und einen sehenden Hund, der seinem blinden Hundefreund als „Auge“ zur Seite steht.

Wir wundern uns nicht, enge, dauerhafte und liebevolle emotionale Bindungen zwischen Mitgliedern einer Art zu finden, doch entstehen oftmals auch ungewöhnliche Beziehungen zwischen Tieren völlig unterschiedlicher Arten, ja, sogar zwischen Tieren, die sonst Jäger und deren Beute sind! So zum Beispiel Aochan, eine Schwarze Erdnatter, die sich im Mutsugoro Okoku Zoo in Tokio mit dem Zwerghamster Gohan anfreundete.

Wenn eine Schlange und ein Hamster Freunde werden können, warum dann nicht auch Menschen und andere Tiere? In vielerlei Hinsicht ist dies schon so, doch spielen in diesen Beziehungen nicht nur die menschlichen Emotionen eine Rolle. Die Gefühle der Tiere ziehen uns an, faszinieren uns. Im Verlauf einer Vortragsreihe, die ich im August 2006 am Assistance Dog Institute in Santa Rosa, Kalifornien, hielt, konnte ich die Interaktionen zwischen Menschen mit ganz unterschiedlichen Behinderungen und ihren Hunden, die ihnen lebensnotwendige Begleiter sind, beobachten. Als ich die nuancierten, auf den Punkt gebrachten Details der Kommunikation mit Hilfe von Stimme und Bewegungen sah, erkannte ich, dass jede Person mit ihrem Hund eine starke soziale Bindung hatte, die eindeutig auf gegenseitigem Respekt und Gefühl basierte. Beide Wesen, Mensch und Hund, teilten eine dauerhafte emotionale Zugehörigkeit, die weit über „bloßes Training“ hinausging.

Ich beginne meine Vorträge oft mit der Frage: „Gibt es irgend jemanden im Publikum, der denkt, Hunde haben keine Gefühle und empfänden keine Freude oder Trauer?“ Ich erhielt bisher nie eine enthusiastische Reaktion auf diese Frage, nicht einmal bei wissenschaftlichen Zusammenkünften, wenn auch gelegentlich ein oder zwei Hände zögerlich in die Höhe gehalten wurden (für gewöhnlich nur auf halbe Höhe, während sich die Person umsah, ob irgend jemand sie beobachtete). Wenn ich jedoch frage: „Wie viele von Ihnen glauben, dass Hunde Gefühle haben?“, wedeln nahezu alle Anwesenden wild mit der Hand, lächeln und nicken eifrig ihre Zustimmung. Das Zusammenleben mit einem Hund bedeutet, aus erster Hand zu wissen, dass Tiere Gefühle haben. Darüber müssen wir nicht einmal nachdenken. Wir messen ihre Gefühle anhand ihres Verhaltens, indem wir zum Vergleich unsere eigenen Gefühlsmuster als Schablone anlegen und wir tun dies sehr zuverlässig. Und ich bin glücklich, sagen zu können, dass heute sogar die Mehrheit der Wissenschaftler dem zustimmt, was allen anderen der gesunde Menschenverstand ohnehin zu sagen scheint.

Anzuerkennen, dass Tiere Emotionen haben, ist wichtig, denn die Gefühle der Tiere sind von Bedeutung. Tiere sind empfindungsfähige Wesen, die die Hochs und Tiefs des täglichen Lebens erfahren. Dies müssen wir respektieren, wenn wir mit ihnen interagieren. Tiere sind nicht nur die Gefährten, mit denen wir leben, für die wir sorgen und die wir lieben. Da sind außerdem noch die Milliarden anderer domestizierter Tiere, die in Mastbetrieben leben, in Schlachthäuser gebracht werden und uns mit Nahrung und Kleidung versorgen. Und wildlebende Tiere, die ständig versuchen müssen, unsere überbevölkerte Welt mit uns zu teilen.

Unsere Beziehung zu anderen Tieren ist eine komplexe, vielschichtige, herausfordernde und frustrierende Angelegenheit und wir müssen ununterbrochen überdenken, wie wir mit unseren nichtmenschlichen Verwandten umgehen sollten. Ein Teil dieses Denkprozesses beinhaltet das Stellen schwieriger Fragen und das Sicherstellen dessen, dass unsere Handlungen mit unserem Verständnis und Glauben übereinstimmen. So frage ich immer wieder Wissenschaftler, die Tierversuche durchführen, und Menschen, die in Massenzuchtanlagen arbeiten: „Würden Sie das Ihrem Hund antun?“ Manche erschreckt diese Frage, doch es ist sehr wichtig, sie zu stellen. Wenn wir täglich Mäusen, Ratten, Affen, Schweinen, Rindern, Elefanten, Schimpansen oder nicht zu uns gehörenden Katzen und Hunden etwas antun, das wir mit unseren Gefährten niemals machen würden, dann müssen wir uns dringend fragen, warum das so ist.

Der Mensch hat eine enorme Macht, die Welt auf jede erdenkliche und von ihm erwünschte Weise zu beeinflussen. Täglich bringen wir die Empfindungen zahlloser Tiere zum Schweigen. Und doch sind wir uns dessen bewusst, dass wir nicht die einzigen empfindungsfähigen Kreaturen mit Gefühlen sind. Mit diesem Wissen geht die enorme Verantwortung und Verpflichtung einher, anderen Wesen mit Respekt, Wertschätzung, Mitgefühl und Liebe zu begegnen. Wenn wir uns die Frage stellen, was wir Tieren antun können und was nicht, sind es ohne Zweifel ihre Emotionen, die unsere Diskussionen und Handlungen in ihrem Interesse bestimmen sollten, und wir können für sie immer noch mehr tun. Dies ist ein Buch der Hoffnung, in dem großer Wert darauf gelegt wird zu betonen, dass wir in unseren Interaktionen mit anderen Tieren fantasievoll sein müssen.

Emotionen sind ein Geschenk unserer Vorfahren. Wir haben sie – und alle anderen Tiere auch. Das dürfen wir niemals vergessen.

DANKSAGUNG

Zuallererst danke ich all den wundervollen tierischen Wesen, die ich das Glück hatte, in den verschiedensten Situationen kennen zu dürfen. Ihre Bereitschaft, ihr Leben und ihre Leidenschaft mit mir zu teilen, war es, die mich vor über 35 Jahren zu der Entscheidung brachte, mich mit ihren Gefühlen und Weltbildern auseinanderzusetzen. Moses, Mishka, Inuk, Sasha, Jethro, Zeke, Maddy, Sukie, Willie, Scrap, Max, Toso und weitere Hundefreunde haben geduldig gelauscht, wenn ich über ihre Gefühle sprach, und mich zu einem besseren Hund gemacht.

Jan Nystrom, Jaak Panksepp, Jessica Pierce, Michael Tobias und Nancy McLaughlin kommentierten zahlreiche Teile dieses Buches. Sie und Colin Allen, Jonathan Balcombe, Iain Douglas-Hamilton, Michael W. Fox, Jane Goodall, Lori Gruen, Dale Jamieson, Mary Midgley, Cynthia Moss, Jill Robinson und Sue Townsend haben mein Denken hinsichtlich der Emotionen der Tiere und warum sie von Bedeutung sind beeinflusst und ich lernte viel aus ihrer Weisheit. Jim McLaughlin machte mich auf die Vorstellung von Fischen als „Ströme von Protein“ aufmerksam.

Jill Robinson, Betsy Webb, Mim Rivas Eichler, Michael Tobias, CeAnn Lambert, Louis Dorfman, Scott Coleman und Marty Becker ließen mich an Geschichten teilhaben, die ich in diesem Buch verwendet habe. Jim und Jamie Dutcher, deren gemeinnützige Organisation Living with Wolves (www.livingwithwolves.org) der erzieherischen Aufklärung und der Zerstörung gefährlicher Mythen hinsichtlich der Wölfe und anderer Raubtiere gewidmet ist, ließen mich an ihrem großen Erfahrungsschatz teilhaben.

Als Boniface Zakira, mein Führer in Tansania, ein winziges Chamäleon auf einem Grashalm entdeckte, während er mit 24 Kilometern in der Stunde durch den Serengeti Nationalpark fuhr – ein winziger Fleck, den ich nicht eher sehen konnte, bis ich mich ihm bis auf 15 Zentimeter genähert hatte – wurde mir erst vollständig bewusst, wie viel eifrige Beobachter tierischen Verhaltens übersehen können, selbst wenn sie sich völlig auf ihr Tun konzentrieren. Danke, Boniface, für diese Lektion in Demut.

Kristen Cashman von der New York Library half sehr dabei, die endgültige Herstellung des Buches zu organisieren. Monique Muhlenkamp half liebenswürdigerweise bei der Publicity, während ich die Welt mit Autos, Flugzeugen, Schiffen und Zügen bereiste. Jeff Campbell war ein wunderbarer Lektor und mein Erstlektor Jason Gardner war sehr geduldig und freundlich. Indem er eine frühe Fassung dieses Buches überarbeitete und umorganisierte, bevor Jeff es in die Hände bekam, tat er mehr als seine Pflicht! Mit ihnen zu arbeiten war eine echte Freude.

Jan Nystrom, meine beste Freundin, ist immer für mich da. Sie hat das ganze Ding gelesen und kann immer noch sehen! Jans anhaltende und unerschütterliche Freundschaft, ihre Leidenschaft, ihre Herzenswärme, ihre Liebe und ihre köstlichen selbstgemachten Salsas, Suppen, Eintöpfe und Pasteten machen mich sehr, sehr glücklich.

KAPITEL 1

Argumente für die Gefühle der Tiere und weshalb sie von Bedeutung sind

Viele Tiere zeigen ihre Gefühle ohne Scheu in der Öffentlichkeit, für alle sichtbar. Und wenn wir aufmerksam sind, sagt uns das, was wir von außen sehen, viel darüber, was in Kopf und Herz eines Individuums vorgeht [1]. Wir werden feststellen, dass sorgfältige wissenschaftliche Forschung bestätigt, was wir intuitiv wissen: Tiere fühlen und ihre Gefühle sind für sie ebenso wichtig wie unsere Gefühle für uns.

Vor ein paar Jahren waren mein Freund Rod und ich mit unseren Fahrrädern in der Gegend von Boulder, Colorado, unterwegs, als wir Zeugen eines sehr interessanten Verhaltens von Elstern wurden. Elstern sind Rabenvögel und sehr intelligent. Eine Elster war offensichtlich von einem Auto erfasst worden und lag tot am Straßenrand. Vier weitere Elstern standen um sie herum. Eine näherte sich dem Leichnam, pickte sanft mit dem Schnabel an ihm – genau wie ein Elefant den Leichnam eines anderen Elefanten mit dem Rüssel berührt – und trat zurück. Eine weitere Elster tat es ihr nach. Als nächstes flog eine der Elstern auf, kam mit einigen Gräsern im Schnabel zurück und legte diese neben den Leichnam. Eine andere Elster tat dasselbe. Dann standen alle vier Elstern für einige Sekunden still, bevor eine nach der anderen davonflog.

Hatten diese Vögel über das, was sie da taten, nachgedacht? Zeigten sie dem Freund ihren Elsternrespekt? Oder hatten sie nur gehandelt, als ob sie Anteil nehmen würden? Waren sie lediglich tierische Roboter? Ich möchte diese Fragen gerne in ihrer Reihenfolge beantworten: ja, ja, nein und nein. Rod war sehr erstaunt, wie überlegt die Vögel gehandelt hatten. Er fragte mich, ob das normales Elsternverhalten sei, und ich erklärte ihm, dass ich so etwas noch nie zuvor gesehen und auch noch nichts über trauernde Elstern gelesen hatte. Wir können nicht wissen, was sie tatsächlich gedacht oder gefühlt haben, doch die Interpretation ihres Verhaltens gibt uns keinen Grund, nicht daran zu glauben, dass diese Vögel sich von ihrem Freund mit einem Elstern-Lebewohl verabschiedet haben.

Trotz der mehr als drei Jahrzehnte, die ich nun mit dem Studium von Tierspezies verbringe, habe ich nie aufgehört, von den Tieren zu lernen, auf die ich treffe. In der Nähe meines Hauses in den Bergen außerhalb von Boulder, Colorado, leben Rotfüchse. Wenn ich in die Augen eines Rotfuchses schaue, der vor dem Fenster meines Büros sitzt und mich beim Tippen beobachtet, oder wenn ich Rotfuchs-Welpen beim Spielen zusehe oder wenn ich eine Rotfüchsin dabei beobachte, wie sie sich von ihrem toten Partner verabschiedet, kann ich nicht anders, als ernsthaft darüber nachzudenken, wie es wäre, eines dieser Tiere zu sein, die sich mein Hanggrundstück mit mir teilen. Viele Tiere leben auf dem umliegenden Land – Kojoten, Berglöwen, Stachelschweine, Waschbären, Schwarzbären, eine Vielzahl von Vögeln und Eidechsen neben vielen Hunden und Katzen. In all den Jahren waren sie mir Freunde und Lehrer.

Wenn ich über die Gefühle von Tieren nachdenke, kann ich ebenfalls nicht anders, als mich zu fragen: Was ist mit den Insekten? Haben sogar Moskitos ein Gefühlsleben? Natürlich sind die Gehirne von Moskitos nur winzig und verfügen nicht über den Nervenapparat, der für die Entwicklung von Emotionen notwendig ist, deshalb ist es sehr zweifelhaft, ob sie fühlen können. Doch ehrlich gesagt wissen wir es nicht. Eines Tages werden wir vielleicht einen Weg finden, es herauszufinden. Noch wichtiger jedoch ist, ob es für uns einen Unterschied machen würde, wenn es so wäre, und das sollte es. So wie es einen Unterschied für uns macht, dass andere Tiere Gefühle haben. Das Wissen, dass Tiere fühlen – und unsere Fähigkeit sie zu verstehen, wenn sie Freude, Trauer, Eifersucht und Ärger ausdrücken –, erlaubt es uns, mit ihnen in Verbindung zu treten und außerdem ihre Sichtweise der Dinge zu bedenken, wenn wir mit ihnen interagieren. Das Wissen um die Leidenschaften der Tiere sollte einen Unterschied machen in dem, wie wir unsere Mitlebewesen sehen, vertreten und behandeln.

DICKE HAUT UND EIN WEICHES HERZ

Babyl, die Elefantendame, und ihre bedingungslosen Freunde

Eine Reise nach Kenia und Tansania öffnete mir kürzlich die Augen in Bezug auf die Welt der Elefanten, die zu den erstaunlichsten Geschöpfen zählen, die ich je gesehen habe. Als ich große Gruppen wilder Elefanten aus nächster Nähe beobachtete, konnte ich ihre majestätische Präsenz, ihr Bewusstsein und ihre Emotionen spüren. Diese Erfahrungen aus erster Hand unterschieden sich vollständig von der Beobachtung von Elefanten in Gefangenschaft, die oftmals allein leben, in den eng begrenzten und unnatürlichen Gehegen von Zoos. Mein Besuch bei ihnen war zutiefst spirituell, inspirierend und transformierend.

Während wir eine Gruppe wilder Elefanten im Samburu Reservat in Nord-Kenia beobachteten, bemerkten wir, dass einer von ihnen, Babyl, nur sehr langsam ging. Wir erfuhren, dass sie verkrüppelt war und sich nicht so schnell fortbewegen konnte wie der Rest der Herde. Wir sahen jedoch, dass die Elefanten in Babyls Gruppe sie nicht zurückließen; sie warteten auf sie. Als ich unseren Führer, den Elefanten-Experten Iain Douglas-Hamilton, danach fragte, erklärte er, dass diese Elefanten immer auf Babyl warteten und das bereits seit Jahren. Sie gingen eine Weile, hielten dann an und schauten zurück, um zu sehen, wo Babyl sich befand. Je nachdem, wie sie vorankam, warteten sie entweder oder zogen weiter. Iain erzählte uns, die Leitkuh würde Babyl gelegentlich sogar füttern. Weshalb verhielten sich die anderen Elefanten der Herde auf diese Weise? Babyl konnte nicht viel für sie tun, also schien es keinen Grund oder praktischen Nutzen zu geben, ihr zu helfen. Der einzige offensichtliche Schluss, den wir daraus ziehen konnten, lautete, dass die anderen Elefanten sich um Babyl sorgten und aus dem Grund ihr Verhalten anpassten, damit Babyl bei der Gruppe bleiben konnte.

Freundschaft und Mitgefühl reichen weit. Babyls Freunde bilden da keine Ausnahme. In Ostindien stürmten im Oktober 2006 14 Elefanten auf der Suche nach einem Herdenmitglied, das in eine Grube gefallen und ertrunken war, durch ein kleines Dorf [2]. Anwohner hatten die 17 Jahre alte Elefantenkuh bereits beerdigt, trotzdem mussten Tausende von Menschen fluchtartig ihre Häuser verlassen, weil die anderen Elefanten mehr als drei Tage suchten und randalierten.

DAS HERZ IST DAS THEMA

Im September 2006 fand unter der Überschrift „Das Herz des Themas“ ein Meeting statt, das sich mit dem Wohl der Tiere beschäftigte. Es ist schön, Wissenschaftler zu erleben, die das Wort Herz benutzen, denn das Herz ist tatsächlich das Thema.

Ich befasse mich mit den Emotionen von Tieren und liebe, was ich tue. Im Verlauf meiner Karriere studierte ich eine Vielzahl von Tieren – Kojoten, Wölfe, Hunde, Adelie-Pinguine, Schützenfische, Abendkernbeißer und Diademhäher – und bin dabei einer Vielzahl von Fragen nachgegangen. Fragen über Sozialverhalten, Sozialordnung und soziale Entwicklung bis hin zu Kommunikation, Spiel, nichträuberisches Verhalten, Aggression, elterliches Verhalten und Moral. Ich kann die Beweise für Emotionen bei Tieren unmöglich leugnen und diese werden auf breiter Front durch unser derzeitiges Wissen in den Bereichen Verhalten, Neurobiologie und Evolutionsbiologie bei Tieren gestützt.

Tatsächlich ist das Studium der tierischen Emotionen ein dynamisches und sich rasch entwickelndes Feld der Wissenschaft und es besteht großes Interesse an diesem Thema, sowohl von Seiten der Wissenschaftler als auch bei „normalen“ Menschen. Im März 2005 trafen sich in London rund 600 Menschen aus 50 Nationen zu einem Grundlagen-Meeting, finanziert von Compassion in World Farming Trust, um mehr über das Empfindungsvermögen, Bewusstsein und Gefühlsleben von Tieren zu erfahren. Im Oktober 2006 organisierte die World Society for the Protection of Animals eine Konferenz in Rio de Janeiro, um zu diskutieren, wie das Wohl der Tiere auf Farmen und in Forschungslabors verbessert werden kann. Die Organisatoren erwarteten etwa 200 Menschen, doch es kamen rund doppelt so viele, vornehmlich aus Brasilien und den umliegenden Ländern. Die positive Reaktion auf diese Meetings in London und Rio zeigt, dass nun tatsächlich die Zeit für uns gekommen ist, das Gefühlsleben von Tieren anzuerkennen und aus dieser Erkenntnis Konsequenzen zu ziehen.

Geschichten über die Emotionen der Tiere und unsere komplexen Beziehungen zu ihnen erscheinen in wachsender Zahl in der Presse, angefangen von prestigeträchtigen wissenschaftlichen Magazinen wie Science, Nature, Trends in Ecology and Evolution und Proceedings of the National Academy of Sciencebis hin zu New York Times, Psychology Today, Scientific American, Time, The Economist und sogar Reader’s Digest. Das Gefühlsleben der Tiere war auch Thema eines überraschenden Film-Kassenschlagers: Der Marsch der Pinguine. Der im Sommer 2005 erstmals veröffentlichte Dokumentarfilm beschreibt in eindringlichen Bildern die Gefühle von Pinguinen und zeigt, wie sie leiden und auch wie sie bei der Versorgung ihrer Eier und ihrer Jungen extremsten Herausforderungen trotzen.

Doch trotz zunehmender wissenschaftlicher Beweise und einer breiten öffentlichen Überzeugung bleibt eine kleine Minderheit innerhalb der wissenschaftlichen Gemeinschaft skeptisch. Einige bezweifeln noch immer, dass tierische Emotionen überhaupt existieren, und viele, die glauben, dass sie existieren, neigen zu der Ansicht, tierische Emotionen müssten unbedeutender sein als menschliche. Dies scheint mir eine überholte und sogar unverantwortliche Sichtweise und mein Hauptziel in diesem Kapitel – und tatsächlich im ganzen Buch – ist es, zu zeigen, dass tierische Emotionen existieren, dass sie für die Menschen wichtig sind und dass dieses Wissen unser Verhalten gegenüber unseren tierischen Freunden beeinflussen sollte.

Bei der Erörterung tierischer Emotionen beziehe ich mich in der Hauptsache auf Datenmaterial zum Verhalten und anekdotische Berichte, um zu zeigen, wie eine Kombination aus gesundem Menschenverstand und wissenschaftlichen Daten – was ich als „wissenschaftlichen Verstand“ bezeichne – starke Argumente für die Existenz tierischer Leidenschaften liefert. Einzelne Geschichten bilden also die Basis für meine Erörterung, ich bringe jedoch auch wissenschaftliche Studien mit ein, da sie zur Untermauerung meiner Thesen notwendig sind.

Sobald wir uns jedoch darüber einig sind, dass Emotionen bei Tieren existieren und dass sie von Bedeutung sind – wovon sehr viele Menschen bereits überzeugt sind – was dann? Dann müssen wir uns über Ethik Gedanken machen. Wir müssen unsere Handlungen betrachten und überlegen, ob sie mit unserem Wissen und unserer Überzeugung übereinstimmen. Ich bin der festen Ansicht, dass Ethik die Wissenschaft durchdringen sollte. Wir sollten immer darum bemüht sein, Wissen, Handlung und Mitgefühl miteinander zu verbinden. Dies ist tatsächlich das Herz des Themas.

WAS SIND EMOTIONEN?

Diese Frage zu beantworten, ist sehr schwierig. Die meisten von uns erkennen Emotionen, wenn sie sie sehen, haben jedoch Probleme damit, sie zu erläutern. Sind sie physischen oder mentalen Ursprungs oder beides? Als Wissenschaftler kann ich sagen, dass Emotionen psychische Phänomene sind, die das Verhalten regulieren und kontrollieren; sie sind Phänomene, die uns ausdrücken und die uns bewegen. Oftmals wird zwischen „emotionalen Antworten“ auf physische Reaktionen und „Gefühlen“, die aufgrund von Gedanken entstehen, unterschieden. Emotionale Antworten zeigen, dass der Körper auf bestimmte externe Stimuli reagiert. Sehen wir zum Beispiel ein Auto auf uns zu rasen, fühlen wir Angst – was zu erhöhtem Herzschlag, Blutdruck und einem Anstieg der Körpertemperatur führt. Doch tatsächlich wird die Angst erst empfunden, wenn das Gehirn auf die physischen Veränderungen reagiert, die eine Reaktion auf das herannahende Auto sind.

Andererseits sind Gefühle psychische Phänomene, Ereignisse, die sich ausschließlich im Gehirn eines Individuums zutragen. Ein äußeres Ereignis kann eine Emotion wie Ärger oder Trauer hervorrufen, doch nach einer gewissen Reflexion mag es sein, wir entscheiden, dass wir anders fühlen. Wir können unsere Emotionen interpretieren. Gefühle drücken sich in unterschiedlichen Stimmungen aus. Sie helfen uns und haben Einfluss darauf, wie wir in einer Vielzahl von Situationen mit anderen umgehen.

Charles Darwin, der erste Wissenschaftler, der Tieremotionen systematisch untersuchte, erkannte sechs allgemein gültige Emotionen: Ärger, Glück, Traurigkeit, Ekel, Angst und Überraschung [3]. Er vertrat die Ansicht, dass diese sechs Kernemotionen uns dabei helfen, mit einer Vielzahl von Umständen und in einer komplexen sozialen Umwelt zurechtzukommen. Diese Liste wurde inzwischen ergänzt. Stuart Walton fügt in seinem Buch A Natural History of Human Emotions Eifersucht, Verachtung, Scham und Verlegenheit zu Darwins Kerngruppe hinzu, der Neurowissenschaftler Antonio Damasio (in seinem Buch Descartes’ Irrtum. Fühlen, Denken und das menschliche Gehirn) stellt fest, dass zu den sozialen Emotionen außerdem Sympathie, Schuld, Stolz, Neid, Bewunderung und Entrüstung gehören. Es ist interessant, dass keiner dieser Wissenschaftler die Liebe erwähnt.

Welche dieser Emotionen, wenn überhaupt, verspüren Tiere? Und empfinden Tiere irgendwelche Emotionen, die Menschen nicht haben? Dies ist eine sehr interessante Frage. Die Ethologin Joyce Poole, die viele Jahre lang Elefanten studierte, erläutert: „Ich bin überzeugt, dass Elefanten einige Emotionen haben, die wir nicht kennen und umgekehrt [4]. Ich glaube allerdings auch, dass wir viele Emotionen miteinander gemein haben.“ Wenn Poole Recht hat, dann könnte es bei Tieren einige Emotionen geben, die wir niemals verstehen werden, andererseits gibt es aber viele, die wir verstehen. Sind Tiere, menschliche und nichtmenschliche gleichermaßen, nicht glücklich, wenn sie spielen oder wieder mit einem geliebten Wesen zusammenkommen? Sind Tiere nicht traurig, wenn sie einen geliebten Freund verloren haben? Wenn sich Wölfe wieder begegnen, heftig mit der Rute wedeln, winseln und springen, zeigen sie dann keine Freude? Was ist mit Elefanten, die beim Wiedersehen eine Begrüßungszeremonie vollführen, mit den Ohren schlagen, sich drehen und Töne von sich geben, die als „Begrüßungsgrollen“ bezeichnet werden – ist das keine Freude? Und mit welchem Wort außer Trauer sollen wir eine Emotion bezeichnen, die Tiere zeigen, wenn sie selbst ihren Sozialverband verlassen, nach dem Tod eines Freundes niedergeschlagen sind, aufhören zu fressen und sogar sterben? Trotz aller Unterschiede teilen alle Spezies ganz sicher einen Kern an Emotionen.

PRIMÄR- UND SEKUNDÄREMOTIONEN

Forscher erkennen für gewöhnlich zwei unterschiedliche Formen von Emotionen, die Primär- und die Sekundäremotionen. Primäremotionen werden als angeborene Grundemotionen bezeichnet. Dazu gehören generalisierte schnelle, reflexähnliche („automatische“ oder auch fest verdrahtete) Emotionen wie Angst und Angriffs- oder Flucht-Reaktionen auf Stimuli, die eine Gefahr darstellen. Sie erfordern kein bewusstes Nachdenken und beinhalten Darwins sechs universelle Emotionen: Angst, Ärger, Ekel, Überraschung, Traurigkeit und Glück. Tiere können eine primäre Angstreaktion zeigen, zum Beispiel das Meiden des reaktionsauslösenden Objekts, und dies nahezu unbewusst, noch bevor sie überhaupt erkannt haben, dass dieses Objekt die Reaktion hervorruft. Laute Geräusche, bestimmte Gerüche, über den Kopf hinwegfliegende Objekte: Diese und andere ähnliche Stimuli sind oftmals angeborene Signale für „Gefahr“, die eine automatische Meidereaktion hervorrufen. Bei der Konfrontation mit einem gefährlichen Stimulus gibt es nur wenig oder gar keinen Raum für Fehlreaktionen. Deshalb hat die natürliche Selektion zu angeborenen Reaktionen geführt, die für das Überleben eines Individuums entscheidend sind.

Primäremotionen sind evolutionär gesehen mit dem alten limbischen System (besonders der Amygdala, dem Mandelkern) verbunden. Dies ist der „emotionale“ Teil des Gehirns (so benannt durch Paul McLean im Jahr 1952). Die physischen Strukturen des limbischen Systems und ähnlicher emotionaler Bereiche existieren bei vielen verschiedenen Arten und liefern ein Nervensubstrat für Primäremotionen. In seiner Theorie vom „dreieinigen Gehirn“ (Triune brain) identifiziert McLean das Reptilien- oder primitive Gehirn (wie bei Fischen, Amphibien, Reptilien, Vögeln und Säugetieren), das limbische oder Zwischenhirn (paleomammalian) bei allen Säugetieren und das neokortikale oder „rationale“ Großhirn (neomammalian) bei wenigen Säugetieren, darunter Primaten und Menschen – alle in einen Schädel gepackt. Jedes ist mit den anderen beiden verbunden, hat jedoch seine eigenen Funktionen. Während das limbische System der Hauptbereich des Gehirns zu sein scheint, in dem viele Emotionen wohnen, lässt die derzeitige Forschung darauf schließen, dass nicht notwendigerweise alle Emotionen in einem einzigen System bestehen und möglicherweise mehr als ein System innerhalb des Gehirns für Emotionen zuständig ist.

Sekundäremotionen sind komplexere Emotionen. Diese beziehen höhere Hirnzentren im cerebralen Kortex (Hirnrinde) mit ein. Es kann sich dabei um Kernemotionen wie Angst und Ärger handeln, sie können aber auch nuancierter sein wie Reue, Verlangen oder Eifersucht. Sekundäre Emotionen sind nicht automatisch. Sie entstehen im Gehirn und das Individuum denkt über sie nach und entscheidet, wie es mit ihnen umgehen soll – welche Handlung ist die beste in einer bestimmten Situation. Bewusstes Überlegen und sekundäre Emotionen können beeinflussen, wie wir auf Situationen reagieren, die Primäremotionen hervorrufen. Wir mögen uns ducken, wenn ein Objekt ungesehen über uns hinwegfliegt, doch sobald wir feststellen, dass es sich lediglich um einen Schatten handelt, werden wir uns das Wegrennen verkneifen und eine leichte Verlegenheit verspüren. Wir werden uns rasch wieder aufrichten und so tun, als sei nichts gewesen.

Das Nachdenken über die Emotion verleiht Flexibilität in der Reaktion auf sich verändernde Situationen, nachdem die Entscheidung getroffen ist, welche der verschiedenen möglichen Reaktionen auf eine spezielle Situation angebracht ist. Manchmal, wenn man belästigt wird, mag es angebracht sein, der Person aus dem Weg zu gehen, doch manchmal mag gerade das eine noch schlimmere Situation heraufbeschwören – abhängig davon, um wen es sich bei dieser Person handelt und welche Konsequenzen man befürchtet. Auch wenn die meisten emotionalen Reaktionen unbewusst entstehen – sie entstehen, ohne dass darüber nachgedacht wird –, versuchen wir zu lernen, zu denken bevor wir handeln. Das Nachdenken erlaubt uns, Verbindungen zwischen Gefühlen und Handlungen herzustellen. Dies wiederum ermöglicht es uns, in unserem Verhalten variabel und flexibel zu sein, so dass wir, abhängig von der sozialen Situation, immer das Richtige tun. So gesehen ist der Nachweis von Emotionen bei Lebewesen auch ein wichtiger Schritt, Empfindungsfähigkeit und Ich-Bewusstsein zu bestimmen.

HUNDE SIND GLÜCKLICH, NICHT „GLÜCKLICH“

Der Grund, weshalb ein Hund so viele Freunde hat, ist der, dass er mit dem Schwanz wedelt statt mit der Zunge.

– Verfasser unbekannt –

Wir hatten es alle gesehen. Maddy und Mickey, zwei Hunde von Freunden, haben regelmäßige Spielstunden bei mir zu Hause, wenn ihre menschlichen Gefährten unterwegs sind. Bei der Ankunft springen sie wild im Spiel umher, hecheln und bellen, und ihre wedelnden Ruten scheinen sie vorwärts zu treiben. Sie versuchen, mit jedem Anwesenden zu spielen, wirbeln im Kreis herum im Versuch, ihre eigenen Ruten zu fangen, sie „laufen amok“ und rennen dabei alles und jeden in ihrem Weg über den Haufen. Sie stoppen lediglich einmal, um den anderen damit zu foppen, nur um sogleich wieder weiterzuspielen. Es ist überhaupt keine Frage: Diese Hunde haben Spaß!

Für die meisten Menschen reicht eine halbe Stunde zusammen mit einem Hund als Beweis dafür, dass Tiere Emotionen haben, völlig aus, da Hunde ihre Gefühle nicht verstecken. Der Ethologe und Nobelpreisträger Konrad Lorenz lieferte uns ein sehr einfaches und weit verbreitetes Beispiel, als er bemerkte, wie offensichtlich emotional Hunde sind, wenn sie erwarten, gleich Gassi gehen zu dürfen. Lorenz schrieb in So kam der Mensch auf den Hund: „Der Hundebesitzer sagt ohne besondere Betonung und ohne den Namen des Hundes zu nennen, ‚Ich weiß nicht, ob ich ihn mitnehmen soll oder nicht.’ Sofort steht der Hund auf der Matte, wedelt mit der Rute und tanzt vor Aufregung herum… Sollte sein Herrchen sagen ‚Ich glaube, ich gehe doch nicht mit ihm’, werden die erwartungsvoll aufgestellten Ohren traurig herabsinken… Und bei der endgültigen Ankündigung: ‚Ich werde ihn zu Hause lassen’, wendet sich der Hund niedergeschlagen ab und legt sich wieder hin.“ [5]