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Sehr merkwürdige Geschehnisse und dann auch noch ein Mord werden aus der Villa Wisteria gemeldet: Mr. Eccles, der von einem spanischen Freund eingeladen wurde, muss mit Erstaunen feststellen, dass er am nächsten Morgen allein in dem großen Haus aufwacht. Wo sind sein Gastgeber und dessen Angestellte bloß hin? Als der Spanier mit einer Nachricht in der Hand tot aufgefunden wird und dann auch noch ein dem Teufel ähnelnder Mann durchs Fenster schaut, sind Holmes und Dr. Watson mal wieder im Einsatz.-
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Seitenzahl: 61
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Sir Arthur Conan Doyle
Saga
Das Geheimnis der Villa Wisteria ÜbersetztJohannes Hartmann Copyright © 1908, 2019 Arthur Conan Doyle und SAGA Egmont All rights reserved ISBN: 9788726372304
1. Ebook-Auflage, 2019
Format: EPUB 2.0
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Erster Teil: Die Erlebnisse des Herrn John Scott Eccles
Unter meinen Notizen finde ich die Aufzeichnung, dass es ein frostiger, windiger Tag gegen Ende März war. Holmes hatte ein Telegramm erhalten, während wir beim Frühstück sassen, und hatte schnell einige Worte auf das Rückantwortformular geworfen. Er sprach nicht darüber, aber die Angelegenheit lag ihm im Sinn, denn er stand nach dem Frühstück gedankenverloren vor dem wärmenden Feuer, paffte stark mit seiner Pfeife und warf ab und zu einen Blick auf das Telegramm. Plötzlich wandte er sich mir zu mit einem schelmischen Augenzwinkern.
„ Ich glaube, Watson, das schlägt in dein Fach als Schreibersmann und Schriftgelehrter,“ sagte er. „Welche Bedeutung gibst du dem Wort ,grotesk‘?“
„ Seltsam, — merkwürdig, — auffallend in der Form,“ versuchte ich, den Begriff zu umschreiben.
Aber er schüttelte den Kopf dazu.
,,In dem Wort liegt noch etwas mehr, als nur das“, sagte er; „da ist noch so eine Andeutung von ,tragisch‘ und ,schrecklich‘. Wenn du deine Gedanken zurücklenkst auf einige deiner Erzählungen, mit denen du ein langmütiges Publikum angeblich unterhalten hast, so wirst du entdecken, dass häufig, das Groteske sich zum Kriminellen vertieft hat. Denke nur an die sonderbaren Erlebnisse mit dem Bund der Rothaarigen. Das war grotesk genug im Anfang und endete schliesslich mit einem verzweifelten Raubversuch. Oder denke an die mehr als groteske Geschichte von den fünf Apfelsinenkernen 1 , die uns geradenwegs in eine Mordverschwörung führte. Das Wort beunruhigt mich.“
„ Steht es da?“ fragte ich, auf das Telegramm deutend.
Er las es laut: ,,Hatte soeben ganz unglaublich groteskes Erlebnis. Darf ich Euren Rat einholen? — Scott Eccles, pestlagernd Charing Cross.“
„ Mann oder Frau?“ fragte ich.
,,Oh, ein Mann natürlich. Keine Frau würde ein Telegramm mit bezahlter Antwort geschickt haben, Sie wäre selber gekommen.“
„ Willst du den Fall annehmen?“
,,Mein lieber Watson, du weisst, wie ich mich gelangweilt habe, seit wir den Oberst Carruthers festnahmen. Mein Geist ist wie eine sausende Maschine, die sich in Stücke reisst, wenn sie nicht mit Arbeitsleistung verkoppelt ist. Das Leben ist einförmig; die Zeitungen langweilig; Kühnheit und Romantik scheinen für immer aus der Welt der Verbrechen geschwunden. Magst du da noch fragen, ob ich Lust habe, mich mit dem Fall des Herrn Eccles zu befassen, wie unbedeutend er auch sein mag? Aber, hier kommt unser neuer Klient.“
Ein gemessener Schritt wurde auf der Treppe vernehmbar, und kurz darauf wurde ein grosser, breiter Mann, mit grauen Bartkoteletten, ein sehr würdiger Herr von einer gewissen feierlichen Ehrwürdigkeit, in unser Zimmer gewiesen. Seine Lebensgeschichte stand deutlich in seinen charakteristischen Gesichtszügen geschrieben und sprach aus seiner ganzen etwas pomphaften Art, sich zu geben. Von seinen Stiefeln bis hinauf zu seiner goldenen Brille war er der Kirchenmann, konservativ, orthodox, ein guter Bürger, konventionell und ehrbar bis zum äussersten. Aber ein unerhörtes Erlebnis hatte seine gemessene Haltung, die ihn sonst nie verliess, erschüttert und seine Spuren zurückgelassen in seinem wirren Haar, seinen geröteten, ärgerlichen Backen und in seinem hastigen, aufgeregten Wesen. Er sprang gleich mit beiden Beinen in seinen „Fall“.
„ Ich habe ein höchst eigenartiges und peinliches Erlebnis gehabt, Herr Holmes“, begann er. „All mein Lebtag bin ich noch nicht in einer derartig unerfreulichen Lage gewesen. Es ist höchst verletzend für mich, — einfach ungeheuerlich, und ich muss auf einer Erklärung bestehen.“ Er schnaufte und kollerte vor Ärger.
„Bitte, Herr Scott Eccles, setzen Sie sich“, sagte Holmes mit sanfter Stimme. ,,Darf ich Sie zunächst fragen, was Sie zu mir führt?“
„Ja, Herr Holmes, es schien mir kein Anlass zu sein, die Geschichte bei der Polizei anzuzeigen, und doch, wenn Sie alle Tatsachen kennen, so werden Sie zugeben, dass ich die Sache nicht einfach auf sich beruhen lassen konnte. Privatdetektivs sind eine Klasse von Menschen, die sich meiner Sympathie in keiner Weise erfreuen, aber trotzdem, nachdem ich Ihren Namen gehört habe —”
,,Ganz richtig. Aber sagen Sie mir, bitte, warum sind Sie dann nicht sofort gekommen?“
„Wie soll ich das verstehen?“
Sherlock Holmes sah auf seine Uhr.
,,Es ist jetzt ein Viertel nach zwei“, sagte er. ,,Ihr Telegramm wurde um ein Uhr aufgegeben. Aber niemand kann Sie, Ihren Anzug und Ihre ganze ,Aufmachungʻ, wenn ich so sagen darf, überfliegen, ohne zu bemerken, dass Sie schon seit dem Aufwachen sich in jener Lage befanden, die Sie jetzt zu mir trieb.“
Unser Klient fuhr sich mit der Hand über sein ungebürstetes Haar und fühlte nach seinem unrasierten Kinn.
„ Sie haben recht, Herr Holmes. Ich hatte keinen Gedanken mehr für meine Toilette. Ich war nur zu froh, ein solches Haus verlassen zu können. Aber ich bin herumgelaufen, um einige Tatsachen aufzuklären, bevor ich zu Ihnen kam. Ich ging zu der Mietsagentur, wissen Sie, und da sagten sie mir, dass Herrn Garcias Miete richtig bezahlt und mit der Villa Wisteria alles ganz in Ordnung sei.“
„ Sachte, sachte, mein Herr“, sagte Holmes lachend. „Sie sind ja wie mein Freund Doktor Watson, der die schlechte Gewohnheit hat, seine Geschichten vom verkehrten Ende zu erzählen. Bitte, ordnen Sie Ihre Gedanken und lassen Sie mich genau wissen, in der richtigen Aufeinanderfolge, was für Ereignisse es sind, die Sie ungekämmt, unrasiert, mit falsch zugeknöpfter Weste und in ungeputzten Schuhen zu mir als Hilfesuchenden geführt haben.“
Unser Kunde sah mit einem betrübten Blick an sich hinunter und Knöpfte seine Weste richtig.
„ Ich zweifle nicht, — ich sehe recht übel aus, Herr Holmes, und ich darf Ihnen die Versicherung geben, dass mir in meinem ganzen Leben so etwas noch nicht passiert ist. Aber ich werde Ihnen die ganze tolle Geschichte erzählen, und wenn ich damit zu Ende bin, so werden Sie mir gewiss zugeben, dass es mehr als genügend ist, um mich zu entschuldigen.“
Sein Bericht wurde jedoch schon im Keime erstickt. Es wurden draussen Stimmen laut, und Frau Hudson öffnete die Tür, um zwei robuste und beamtenmässig aussehende Männer hereinzuführen. Der eine war uns gut bekannt als Inspektor Gregson von Scotland Yard, ein energischer, kühner und, innerhalb seiner Grenzen, fähiger Offizier. Er gab Holmes die Hand und stellte seinen Kollegen vor, den Inspektor Baynes von der Konstablerschaft in Surrey.
„ Wir sind gemeinsam auf der Fährte, Herr Holmes, und die hat uns hierher zu Ihnen geführt.“ Dabei richtete er seine Bulldoggenaugen auf unsern Klienten. „Sind Sie Herr John Scott Eccles, wohnhaft zu Popham House, Lee?“
,,Der bin ich.“
„ Wir haben Sie den ganzen Morgen schon gesucht.“
,,Sein Telegramm hat Sie vermutlich hierher gewiesen, nicht wahr?“ fragte Holmes.
,,Sie haben es erraten“, erwiderte Inspektor Gregson. „Wir haben die Fährte am Postamt von Charing Cross aufgenommen und sind direkt hierhergekommen.“
„ Aber warum verfolgen Sie mich denn, was wollen Sie von mir?“
„ Wir wünschen von Ihnen Aufklärung über die Ereignisse, Herr Scott Eccles, die vergangene Nacht den Tod des Herrn Aloysius Garcia, wohnhaft in Villa Wisteria, bei Esher, herbeigeführt haben.“
Unser Klient hatte sich bei diesen Worten steif aufgerichtet, mit starren Augen, und jede Spur von Farbe war aus seinem verblüfften Gesichte gewichen.