Das Geheimnis des Atmens - R. Sriram - E-Book

Das Geheimnis des Atmens E-Book

R. Sriram

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Beschreibung

Wir atmen tagein, tagaus – meist ganz natürlich, ohne groß darüber nachzudenken. Setzen wir uns jedoch bewusst mit unserem Atem auseinander, werden wir schon bald entdecken, welch erstaunliches Potenzial in ihm schlummert. Die Atmung kann uns nicht nur dabei helfen, unser körperliches und psychisches Befinden einzuschätzen, sie ermöglicht uns auch, aktiv Einfluss zu nehmen. Haben wir erst einmal verstanden, wie unser Atem funktioniert, können wir ihn behutsam lenken – und so einen gesunden Weg zu Kraft und Selbstbewusstsein einschlagen. Was es bei der Schulung des Atems zu beachten gibt, vermittelt der renommierte Yogalehrer R. Sriram präzise, klar und lebensnah. Dabei schöpft er aus seinem tiefen Wissen über Yoga und verbindet wesentliche Grundlagen mit praktischen Übungen und philosophischen Betrachtungen.

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Die in diesem Buch vorgestellten Techniken und Informationen ersetzen nicht den Rat oder die Begleitung durch eine(n) erfahrene(n) Yogalehrer/in, Arzt/Ärztin oder Heilpraktiker/in. Eine Haftung für den Eintritt des Erfolges oder eine Haftung für Personen-, Sach- und Vermögensschäden, die sich aus dem Gebrauch oder Missbrauch der in diesem Buch dargestellten Methoden oder sonstigen Hinweise ergibt, ist für den Verlag, den Autor und/oder deren Beauftragte ausgeschlossen.

© Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2021

Alle Rechte vorbehalten

www.herder.de

Umschlaggestaltung: Verlag Herder

Umschlagmotiv: © David Zydd / shutterstock;

© Digalakis Photography / shutterstock

Konvertierung: Newgen Publishing Europe

ISBN E-Book 978-3-451-83033-4

ISBN Print 978-3-451-60330-3

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Innentitel

Inhaltsverzeichnis

Über den Autor

Impressum

Unserer aller Begleiterin, Freundin und Meisterin, der Luft, gewidmet

Inhalt

Vorwort

TEIL I

DIE GRUNDLAGEN DES ATMENS

1Der gesunde Atem

Atmen für die Gesundheit

Folgen fehlerhafter Atemschulung

Das schlichteste Heilmittel

2Der natürliche Atem

Die Bewegung des Bauches

Eigenschaften der Ausatmung

Pausen, die den Atem im Fluss halten

3Der bewusste Atem

Der atmende Körper: Bauch, Brust und Zwerchfell

Die befreiende Wirkung der Stimme

Ujjāyī – den Luftstrom in der Kehle bremsen

TEIL II

DIE KUNST DER ATEMFÜHRUNG

4Die Verlangsamung des Atems

Grundgedanken des Yoga

Hilfreiche Körperhaltungen

Die Technik der langsamen Ausatmung

Die Technik der langsamen Einatmung

5Die Zäsuren beim Atmen

Die Atemstille üben

6Die Verfeinerung des Atems

Nāḍīśodhana – den Luftstrom in der Nase bremsen

Die Empfindsamkeit gegenüber der Luft

Der erste Moment der Aus- und Einatmung

Der letzte Moment der Aus- und Einatmung

7Die Berührung der Seele

Der Atem im Spiegel der Angst

Die Wut und das Schreien

Das Spüren der eigenen Mitte

In der Leere die Stille finden

Die Leere ist unsere Beschützerin

TEIL III

DIE WELT DER ATEMÜBUNGEN

8Prāṇāyāma – eine Einführung

Die innere Kraftquelle entdecken

Prāṇā, unsere Lebensenergie

Wie Prāṇāyāma-Übungen wirken

Drei Körperpunkte im Fokus

9Die Atemtechniken des Yoga

Ujjāyī Prāṇāyāma – das Schwingen in der Kehle

Nāḍīśodhana Prāṇāyāma – die Wechselatmung

Sūryabhedana und Candrabhedana Prāṇāyāma – die asymmetrischen Atmungen

Śītalī Prāṇāyāma – die kühlende Atmung

Sītkārī Prāṇāyāma – das erfrischende Zischen

Bhrāmarī Prāṇāyāma – das Bienensummen

10Im Rhythmus der Atemphasen

Den Takt finden

Atemtakt 1 – 0 – 2 – 0

Atemtakt 1 – ½ – 2 – ½

Atemtakt 1 – 1 – 1 – 1

Atemtakt 1 – 4 – 2 – 0

Atemtakt 1 – 0 – 3 – 0

11Bandha, ein Höhepunkt

Das Konzept

Die Vorbereitung

Drei Bandhas

Ein Widerspruch

Die Übung

Genauigkeit und Gelassenheit

TEIL IV

DAS PHÄNOMEN ATEM

12Das Geheimnis des Atmens

Leben, Licht und Liebe

Der Hauch und das Wort

Innehalten in Stille

Das Zentrum des Raumes

Das Element Luft

Der Pfad der Mitte

Dank

Literatur

Vorwort

Liebe Leserin, lieber Leser,

wer über sich nachdenkt, sollte den Teil des Selbst kennen, der am verwundbarsten und gleichzeitig am ehesten heilbar ist – den eigenen Atem. Beschäftigen Sie sich ein wenig mit ihm, Sie werden Ihre Zeit definitiv nicht verschwendet haben. Womöglich werden Sie eines Tages, etwa bei akuten Beschwerden oder Sorgen, sehr froh sein, etwas über ihn gelernt und erfahren zu haben. Denn sich der Welt des Atems zu öffnen, ist eine Wohltat für den Körper und bietet Zugang zu tiefem Wissen über das Sein.

Die Atmung ist nicht einfach eine physische Körperfunktion, bei der die Luft im Körper ausgetauscht und gereinigt wird. Die Atmung ist auch eine Quelle unserer Vitalität und Lebendigkeit. Und sie gestaltet in so besonderem Maße unser körperliches und emotionales Befinden mit, dass sie von uns Beachtung und Verständnis verdient.

Würden wir ein Fieberthermometer betrachten und ohne es benutzt zu haben darüber urteilen, ob die Körpertemperatur normal ist oder nicht? Nein! Unser Atem ist wie ein Befindlichkeitsmesser. Und wir haben es in der Hand, ihn zu führen. Mehr noch als die Augen, die Ohren oder jeder andere Sinn kann uns die Atmung helfen, uns zu orten, unsere Verfassung einzuschätzen und über unsere nächsten, gesunden Schritte zu entscheiden. Freunden Sie sich mit Ihrem Atem an und entlocken Sie ihm seine Geheimnisse!

Mit den Händen können wir den eigenen Körper spüren, mit der Imagination sein Inneres visualisieren. Mit dem Atem aber berühren wir tatsächlich das Innere des Körpers. Es liegt am Wesen des Elements Luft, dass sie gespürt werden kann und in uns als Atem das Fühlen, einen der fünf Sinne, anspricht. Das Spürbare des Atems bilden wir uns nicht ein. Die Empfindung des Lufthauchs in unseren Atemwegen ist ein Stück weit reell möglich und kann kultiviert werden. Somit kann die Verlangsamung der Atmung zu einer Liebkosung durch die Luft werden. So können Atemübungen zu etwas Sinnlichem werden, zu etwas, das unsere Sinneserfahrung schärft und uns darin unterstützt, neue Räume des Körpers und der Seele zu entfalten.

Atemübungen sind aus geistigen Praktiken nicht mehr wegzudenken – besonders heute, da uns aufgeklärte Menschen keine einfachen religiösen Vorstellungen überzeugen. Alle Kulturen bieten verschiedene Wege der Meditation, um einen Zustand der Transzendenz zu erfahren. Bei Yoga spielen Atemübungen, Prāṇāyāma genannt, eine Schlüsselrolle. Mit ihnen durchstoßen wir die Grenzen des Geistes und vollenden seine Konzentrationsfähigkeit. Der ehrbare Atem, der göttliche Wind, steht wie ein Auslöser am Anfang und am Ende des Lebens!

Lassen Sie sich einführen in die Welt des Atems, des schlichtesten und persönlichsten Heilmittels, so wie es in den Traditionen des Yoga über mehrere Jahrtausende verstanden und verfeinert wurde. Die Reise kann Ihr Wissen über den Atem vertiefen, Sie inspirieren – und überraschen! Sie werden sich wundern, was Sie nebenbei alles über sich, das Leben und die Welt lernen. Denn der Atem ist ein Spiegel des Selbst.

Zu guter Letzt: In einer Zeit, in der bezüglich der persönlichen Gesundheit, der sozialen Sicherheit und des klimatischen Wandels viele offene Fragen bestehen, ist es für das Individuum und die Gemeinschaft besonders ratsam, sich dem Atem zuzuwenden. Egal aus welchem Grund – wenn für uns die Luft knapper oder schlechter wird, ist es weise, sich intensiv mit ihr beschäftigt zu haben, mit ihrer Eigenart, und damit, wie wir von ihr abhängen und wie wir mit ihr umgehen. Ich hoffe, mit meinem Plädoyer für den Atem auch in diesem Sinn ein breites Publikum anzusprechen und dabei auf das zentrale Thema des Yoga mehr Licht zu werfen.

R. Sriram

Odenwald im Sommer 2021

TEIL I

DIE GRUNDLAGEN DES ATMENS

Der erste Teil des Buches ist dem Zusammenhang zwischen Atem und Gesundheit gewidmet. Er beschreibt die Grundlagen, die uns helfen, den eigenen Atem kennenzulernen und den Umgang mit ihm zu verbessern. Dabei werden einfache Wege aufgezeigt, wie wir unser Befinden mithilfe der Atmung positiv beeinflussen können. Außerdem weist dieser erste Teil auf Fehler in unserem allgemeinen Atemverständnis hin und führt uns in die Übungen ein, die uns darin unterstützen können, natürlicher und bewusster zu atmen.

1Der gesunde Atem

Noch ist es kein Allgemeinwissen, doch müsste es ein solches werden. Und jede und jeder sollte sich selbst regelmäßig daran erinnern: Die eigene Gesundheit hängt vom Atem ab. Lernen Sie in diesem ersten Kapitel das heilsame Potenzial des Atems kennen und machen Sie sich mit seinem natürlichen Rhythmus vertraut.

Atmen für die Gesundheit

Die Naturwissenschaft und die auf ihr basierenden Lehren haben in den vergangenen Jahrhunderten weltweit zur Bekämpfung von Krankheiten und zur Erhöhung der Lebenserwartung beigetragen. Diese Errungenschaften beruhen fast ausschließlich darauf, dass von außen kommende Probleme erfolgreich bekämpft wurden. Probleme jedoch, die nicht durch Armut, Entbehrung, mangelnde Hygiene oder Erreger entstehen, haben in diesem Zeitraum nicht wesentlich abgenommen. Wir modernen, gut versorgten Menschen sind nach wie vor gefährdet und genauso empfindlich gegenüber Krankheiten, wie es die Menschen vor ein paar Jahrhunderten waren. Unsere Widerstandskräfte haben nicht unbedingt Fortschritte gemacht, im Gegenteil: Wir wissen nicht, ob sie teilweise sogar schwächer geworden sind als früher. Wir leben zwar länger, aber die Anzahl und die Art unserer Erkrankungen erzeugen weiterhin viel Leid.

Die Heilung von Krankheiten hat viel mit dem Erkennen von körpereigenen Warnungen und Bedürfnissen zu tun. Gehen wir auf diese Signale ein, können wir unsere Gesundheit nachhaltig verbessern. Die Atmung spielt dabei eine Schlüsselrolle: Sie ist ein grundlegender Indikator für den eigenen Gesundheitszustand und bestimmt unser Wohlbefinden entscheidend mit. Deshalb ist es eine wichtige Aufgabe für uns Menschen, auf den Atem zu achten, ihn zu verstehen und zu lernen, ihn zu gestalten.

Unser Atem ist wie eine Art Seismograph für unser Befinden. Als ständiger Begleiter, Lehrer, Freund und weiser Ratgeber leistet er uns Beistand – und es gibt nichts, worauf wir uns mehr verlassen können. Er ist das A und O des Lebens. Ihn zu spüren, zu verstehen und mit ihm im Dialog zu bleiben, ist wahrscheinlich der sicherste Weg, Vertrauen in den eigenen Körper und in den eigenen Geist zu entwickeln. Die Beschäftigung mit dem Atem ist keine Arbeit, die mit Fleiß und Aufwand getan werden muss. Sie ist vor allem eine Bewusstwerdung, die mit der Zeit genauso selbstverständlich abläuft wie rennen, schwimmen oder handwerklich tätig sein. Sie bewirkt, dass wir uns allmählich, mit jedem richtigen Atemzug, wohler fühlen – so wie beim Trinken von Wasser, wenn wir Durst haben. WENN WIR BEGINNEN, DEN AUS DER BALANCE GERATENEN ATEM WIE DEN DURST ZU EMPFINDEN, UND WENN DIE FEINABSTIMMUNG DER EIGENEN ATMUNG ZU EINEM REFLEX WIRD, DANN KANN UNSERE KÖRPERLICHE UND PSYCHISCHE GESUNDHEIT GROSSE STABILITÄT ERFAHREN.

Wenn es uns gut geht, ist der Atem normal. Und wenn es uns nicht gut geht, ist er nicht normal, er kann und wird nicht normal sein. Jede Störung, sei es ein Kopfschmerz oder ein Ärgernis, ein Körperschmerz, eine Schlafstörung oder Angst, wird sich im Atem widerspiegeln. Der Atem ist betroffen und beeinträchtigt von jeder Imbalance im System. Andersherum ist es genauso: Beeinflussen wir den Atem in einer unangemessenen Weise, wenn auch nur unbewusst, kann unser System aus dem Gleichgewicht geraten. Tun wir irgendetwas im Leben, was den Atem stört, dann können – je nachdem, wo der eigene körperliche oder emotionale Schwachpunkt ist – die Probleme an dieser empfindlichen Stelle deutlicher und stärker auftreten. Es ist nicht möglich, dass der Atem schlechter und die Gesundheit gleichzeitig besser wird. Auch ist es nicht möglich, dass die Gesundheit schlechter und der Atem trotzdem besser wird. Atem und Gesundheit steigen und fallen in ihrer Qualität gemeinsam.

Es ist deshalb wichtig, sich mit der eigenen Atmung auseinanderzusetzen, den Atem zu schulen oder in ihm geschult zu werden. Wird der Atem so in Gleichklang gebracht, werden wir widerstandsfähiger und können uns besser gegen Angriffe auf die Schwachpunkte unseres Systems wehren. Daher hat der Atem für die Gesundheit eine absolut essenzielle, unverzichtbare und primäre Bedeutung.

Die Wichtigkeit des Atems im Leben der Menschen ist keine neue Entdeckung. In der Traditionellen Indischen Medizin, die inzwischen als Ayurveda weltweit bekannt ist, spielt der Atem eine wesentliche Rolle in der Betrachtung und Heilung von Krankheiten. Denn der Atem beeinflusst den sogenannten Wind im Körper, eine Kraft, die sämtliche Körperfunktionen, die mit Bewegungen und Veränderungen zu tun haben, mitgestaltet. Diese Kraft ist laut dem Grundlehrbuch des Ayurveda eng verbunden mit dem Verdauungstrakt, dem Herz- und dem Kopfbereich des menschlichen Körpers.1 Allein eine stabile, ruhige Atmung lässt zu, dass alle Körperfunktionen reibungslos ablaufen können.

Im Yoga ist der Atem für das Verständnis des menschlichen Systems und für dessen Heilung und Vervollkommnung von allergrößter Wichtigkeit. Der Atem ist das wesentliche Instrument, mit dem der Mensch mehr Selbstverantwortung für sein eigenes Leben übernehmen kann. Eine gute und tiefe Atmung schenkt laut Yoga Gesundheit und Kraft einerseits sowie Konzentrationsfähigkeit und Gelassenheit andererseits.

Es lässt sich eindeutig sagen, dass Techniken nur dann den Namen Yoga verdienen, wenn sie im Geist und unter Berücksichtigung des Atems konzipiert und ausgeführt sind. In jedem Quellenbuch des Yoga wimmelt es von Mahnungen und Anregungen zu diesem Thema. Den Atem zu ignorieren, wäre ein wesentlicher Fehler im Yogaverständnis.

Die Verbesserung der Atemfähigkeit ist auch das zentrale Anliegen der Körperübungen des Yoga. Eine Körperertüchtigung, die uns geschmeidig oder muskulös macht, aber nicht auch zu einer verbesserten Koordination zwischen Körper- und Atembewegung führt, ist im Sinne des Yoga nicht von Nutzen. Denn Yoga lehrt vor allem den richtigen Umgang mit dem Atem. Die Körperräume sollen durch die Übungen und Stellungen entkrampft werden, sodass die Luft frei und ungehindert fließen kann. Hierzu lernen wir als Erstes, die Glieder im Einklang mit der Atmung und nie gegenläufig zu ihr zu bewegen. So heben wir einatmend die Arme und senken sie ausatmend wieder – gleichmäßig und gezielt.

Heben Sie die Arme seitlich, während Sie einatmen, und senken Sie sie wieder, während sie langsam ausatmen. Schon das wird Ihnen helfen, ein Gespür für die Koordination von Körperbewegung und Atmung zu bekommen.

In gleicher Weise beugen Sie sich ausatmend nach vorne und richten Sie sich einatmend wieder auf. Bücken Sie sich nie, während Sie einatmen!

Folgen fehlerhafter Atemschulung

Das Leben begann, und wir atmeten – ohne es vorher durch Übung oder Erfahrung gelernt zu haben. Eine völlig unwillkürliche Tätigkeit war unser erster Atemzug jedoch nicht: Wir leisteten unseren kleinen Beitrag und atmeten dann weiter. Natürlich kann es sein, dass wir zu den Kindern gehörten, deren erste Atemzüge durch medizinische Maßnahmen angeregt wurden, weil sie nicht direkt von selbst atmeten. Vielleicht sind wir auch als Erwachsene auf Hilfe beim Atmen angewiesen oder haben uns aufgrund einer Erkrankung des Atemsystems schon mal bewusst mit unserer Atmung auseinandergesetzt.

In der Regel ist es jedoch so, dass die Atmung einfach geschieht und wir nicht an sie denken, während wir atmen. Das lässt uns glauben, dass der Atem von ganz alleine richtig funktioniere und eine Schulung nicht dringend notwendig sei.

Die Realität des Lebens sieht jedoch so aus, dass eine Schulung sehr wohl nötig ist – und zwar, weil wir teilweise schon in den ersten Lebensjahren unbewusst einen Umgang mit unserem Atem erlernt haben, der sich negativ auswirkt. Hierzu ein Beispiel aus dem alltäglichen Verhaltensmuster von uns Menschen: Ich bekomme Angst, erschrecke mich und halte meinen Atem an. Ich verkrampfe mich, lasse die Luft nicht gewähren und halte mich an Bauch und Zwerchfell fest, was meine Verkrampfung lediglich verstärkt. Wer hat mir beigebracht, so zu reagieren und dabei die Atmung kurzzeitig auszuhebeln? Ist es meine eigene Psyche? Sind es Mechanismen, die mit meiner Angst zu tun haben? Oder imitiere ich meine Eltern oder andere Erwachsene, die das ähnlich machen? Haben wir nicht sogar schon kleine Babys gesehen, die in einem Schreikrampf den Bauch völlig verspannen? Reagieren auch Tiere oder andere Lebewesen so, deren Körper oder physiologische Funktionen mit unseren vergleichbar sind? Gehört es einfach zur Natur?

Die Betrachtung der Natur, der Tierwelt oder auch der Menschen, die angstfrei sind und in sich ruhen, bestätigt dieses Verhalten nicht. Im Gegenteil. Eine solche Reaktionsweise löst nicht unser Problem, sondern blockiert uns. Deshalb kann sie sicherlich nicht zu den instinktiv gesunden Reaktionsweisen des natürlichen Systems gehören. Vielmehr hat sie ihren Ursprung in der Psyche und wird vom sozialen Umfeld verstärkt.

Schauen wir erst einmal unsere psychische Struktur an, für die der Atem eine entscheidende Rolle spielt. DIE OHNMACHT GEGENÜBER DEM ALS BEDROHUNG WAHRGENOMMENEN ÄUSSEREN IST EIN WESENTLICHER TEIL UNSERER PSYCHISCHEN SCHWÄCHE. UND DIESE OHNMACHT IST ENG VERBUNDEN MIT DER OHNMACHT GEGENÜBER DER LUFT. Schließlich ist die Luft die im Außen vorhandene Kraft, von der wir in jedem Augenblick abhängig sind. Gleichzeitig ist sie in Form des eigenen Atems Sym