Yoga - Neun Schritte in die Freiheit - R. Sriram - E-Book

Yoga - Neun Schritte in die Freiheit E-Book

R. Sriram

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Beschreibung

Yoga hat tiefgreifende heilende Wirkungen auf Körper und Geist. Der indische Yoga-Lehrer R. Sriram - er lehrt in der Tradition von Krishnamacharya und T. K. V. Desikachar - zeigt in seinem Buch, dass Yoga weit mehr beinhaltet als Körpertechniken zur Verbesserung unserer Gesundheit. Yoga zielt in umfassendem Sinne darauf, dass wir uns einen Frei-Raum schaffen, in dem unser Atem ungehindert fließt, wir in unserem Körper verankert sind und sich in unserem Geist Ruhe und Klarheit einstellen. In neun Schritten behandelt R. Sriram die wichtigsten Konzepte des Yoga und illustriert sie durch Geschichten aus der indischen Mythologie. Jedes Kapitel enthält einen umfangreichen Übungsteil, in dem R. Sriram deutlich macht, worauf es bei der Übung besonders ankommt, was beim Üben genau geschieht und welche Prinzipien des Yoga dabei eine Rolle spielen. Sein Buch, für Anfänger und Erfahrene gleichermaßen inspirierend, ist ein von Lebensklugheit, yogischer Erfahrung und indischer Weisheit sprühendes, spannendes Yoga-Buch, das über eine bloße Anleitung weit hinausgeht.

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Seitenzahl: 198

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Für Ambu,meine Mutter,die mir half, die ersten Schritte zu tun.

R. SRIRAM

YOGA

Neun Schritte in die Freiheit

Mit einem Geleitwort vonT. K. V. Desikachar

Theseus im Internet: www.Theseus-Verlag.de

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Originalausgabe

Lektorat: Dirk Nümann / Ursula Richard

© 2001 Theseus in J. Kamphausen Mediengruppe GmbH, Bielefeld

Alle Rechte der Verbreitung, auch durch Funk, Fernsehen und sonstige Kommunikationsmittel, fotomechanische oder vertonte Wiedergabe sowie des auszugsweisen Nachdrucks vorbehalten.

Umschlaggestaltung: Morian & Bayer-Eynck, Coesfeld unter Verwendung eines Titelfotos: © Volkhard Sobota

Illustrationen: © R. Sriram

Aquarell-Untermalungen: © Ilse Kory

Illustrationen auf Seite 65, 92, 114: © Ilse Kory

Yogafotos: © C. P. Satyajit

Foto des Autors/Umschlag: © Wolfgang Schmidberger

Gestaltung und Satz: Ingeburg Zoschke

E-Book Gesamtherstellung: Bookwire GmbH, Frankfurt a. M.

ISBN Print 978-3-89901-417-4

ISBN E-Book 978-3-95883-193-3

Inhalt

Zum Geleit von Sri T. K. V. Desikachar

Vorwort

ERSTES KAPITEL

Zwischen Kraft und Leichtigkeit – Der Körper in Not

Yogalehre: Asanam – Die Haltung

Yogatechnik: Gleichmäßigkeit der Bewegungen

Allgemeine Hinweise für die Übungen

Übungen

ZWEITES KAPITEL

An die Wurzel von Krankheit

Yogalehre: Sraddha – Das Vertrauen

Yogatechnik: Koordinierte Bewegung

Übungen

DRITTES KAPITEL

Macht mein Wille mich krank?

Yogalehre: Abhyasa und Vairagya – Der innere Antrieb

Yogatechnik: Blockaden lösen

Übungen

VIERTES KAPITEL

Wer bin ich?

Yogalehre: Dharma – Identität

Yogatechnik: Üben für die Wirbelsäule

Übungen

FÜNFTES KAPITEL

Jenseits von Schuld

Yogalehre: Avidya – Das Trugbild

Yogatechnik: Die Kunst der Atemregulierung – Pranayama

Übungen

SECHSTES KAPITEL

Im Schritt mit der Zeit

Yogalehre: Parinama – Der große Wandel

Yogatechnik: Ausgleichende Übungen

Übungen

SIEBTES KAPITEL

Die Wucht des Mitgefühls

Yogalehre: Ahimsa – Gewaltlosigkeit

Yogatechnik: Die Schritte zum Erfolg beim Üben

Übungen

ACHTES KAPITEL

Die Stille im Sturm

Yogalehre: Dhyanam – Meditation

Yogatechnik: Wie passe ich mir die Übungen an?

Übungen

NEUNTES KAPITEL

Die Annäherung von Theorie und Praxis – Der Körper im Lot

Yogalehre: Yoga – Transformation

Yogatechnik: Die Wirkungsweise der Übungen

Übungen

Asanas, die in diesem Buch vorkommen

Glossar

Literatur

Dank

ZUM GELEIT

Viele Jahre sind vergangen, seit ich Sriram – damals war er Student der Technischen Hochschule Madras – kennen gelernt habe. Beeindruckt haben mich seine vielfältigen Interessen: Musik, Theater, gesellschaftliche und politische Fragen, Tanz und Sprachen. Wirklich erstaunt hat mich damals aber die Ernsthaftigkeit seiner spirituellen Suche; sie erschien mir sehr ungewöhnlich für sein Alter. Vielleicht hat seine Suche ihn zu Yoga geführt. Mittlerweile ist er zu einem wahren Botschafter indischer Spiritualität geworden, nicht nur weil er die verschiedenen Aspekte von Yoga lehrt, sondern weil er uns auch an seiner Yoga-Erfahrung auf allen Ebenen des Daseins teilhaben lässt – dem sozialen, persönlichen, körperlichen, mentalen und geistigen Bereich. Dies hat ihn weit über seine Heimat hinaus bekannt gemacht. Ebenso sein Beitrag zur Kunst, insbesondere der Musik und des Vedic Chant.

Ich habe immer gehofft, dass er eines Tages sein Wissen und seine Erfahrung durch das Schreiben eines Buches einem breiten Leserkreis zugänglich machen würde. Mit dem Ihnen vorliegenden Buch hat das eine Form angenommen. Sein Buch kommt zur richtigen Zeit. Es beschreibt alle wichtigen Aspekte des Yoga und enthält in jedem Kapitel sowohl die geistigen als auch die Übungsaspekte. Dies entspricht Srirams eigener Entwicklung und den Tiefen der Lehre, die Yoga vermittelt.

Ich bin sicher, dass die Leserinnen und Leser durch dieses Buch inspiriert werden, die Schritte zu gehen, die in die Freiheit führen. Der Name Sriram bedeutet unter anderem »wertvolles Glück«. Kein Wunder, dass dies der Sinn des Buches ist.

SRI T. K.V. DESIKACHAR

Vorwort des Autors

Yoga ist im Westen inzwischen als Praxis sehr verbreitet, doch seine wachsende Bekanntheit beruht im Wesentlichen auf der grob vereinfachten Sicht, beim Yoga handle es sich nur um eine Reihe von Techniken, die Körper und Geist entspannen. Tausende von Menschen meinen, Yoga zu »machen«, dabei aber reduzieren sie Yoga auf eine Sequenz von Übungen, die vermeintlich Energiezonen im Körper beleben und Verspannungen entgegenwirken. Wenn Yoga noch etwas mehr und anderes beinhaltet, so wird das als Bestandteil einer anderen Kultur betrachtet, die nichts mit Europa und unserer modernen Zeit zu tun hat.

Beim Yoga geht es aber um weit mehr als um Techniken, die Körper und Geist entspannen. Yoga ist ein jahrtausendealter indischer Übungsweg und eine traditionelle Philosophie. Die Weisheit einer ganzen Zivilisation verbirgt sich in den Übungen, die darauf zielen, die eigene »Mitte« zu finden. Das Anliegen von Yoga ist es, einen Weg zu weisen, wie wir aus dem Labyrinth von Leiden und Konditionierungen in jenen Freiraum gelangen, in dem wir fest in unserem Körper weilen, ohne Vorurteile die Welt wahrnehmen und Klarheit und Ruhe gewinnen.

Yoga ist keine festgelegte Methode und bietet keine statische Technik, an die sich der Mensch anpassen soll. Der erste Grundsatz des Yoga, den ich von meinem Lehrer Sri T. K.V. Desikachar gelernt habe, ist der, dass die Technik dem oder der Übenden angepasst werden muss und nicht der Übende der Technik. Dieser Grundsatz bildet einen Eckpfeiler der Yogatradition von Sri T. Krishnamacharya. Die Hilfsmittel in Form von verschiedenen Übungen und Einstellungen liegen nicht wie Waren in einem Ladenregal, aus dem wir uns nach Bedarf bedienen können. Vielmehr sollten die Techniken wie formbare Stoffe betrachtet werden, die unseren Bedürfnissen und Schwierigkeiten angepasst werden müssen. Durch diese Art der Anpassung lernen wir auf eine lebendige Weise unseren Körper und Geist, unsere Stärken und Schwächen kennen. Es ist diese Lebendigkeit, die mich begeisterte und zu Yoga führte.

Drei Lehrern aus drei Lehrer-Schüler-Generationen verdanke ich meine Yogakenntnisse. Mein Lehrer T. K.V. Desikachar gab mir mein gesamtes Wissen. Er nahm mir die Angst, dass das Erlangen von Wissen eine »kopfzerbrechende« Anstrengung sei, und zeigte mir die Nähe zwischen Wissen und Leben. Ihm verdanke ich, dass ich heute so viel Erfahrung gesammelt zu haben meine, dass ich diese Erfahrungen in einem Buch niederlege.

Sein Lehrer Sri T. Krishnamacharya war eine ganz große Inspiration für meinen Yogaweg. Die Stunden bei ihm über Yoga, Ayurveda und die Veden waren nicht nur inhaltlich kostbar; T. Krishnamacharya war ständig »angeschlossen«, das heißt, er war in einer Sichtweise, die jenseits von »gut« und »schlecht« war, verankert, denn die Macht der Welt prallte ab an der Intensität seines Innenlebens. Es ist eine unersetzbare Bereicherung für mein Leben, von seiner Kraft und Ausgerichtetheit genährt worden zu sein.

R. Prabhakar war Schüler von T. K. V. Desikachar. Er lehrte mich in den ersten Jahren Asanas und Pranayama. Seine unendliche Begeisterungsfähigkeit für Yoga und unsere späteren gemeinsamen Zeiten als Kollegen und Freunde haben mir viele Zweifel genommen und mir geholfen, den Yogaweg zu genießen.

Seit 1988 bin ich als Yogalehrer in Deutschland tätig. Anfangs stand ich dieser Aufgabe mit einer gewissen Skepsis gegenüber, denn ich fürchtete, mein Wissen und meine Erfahrung in Yoga in einer fremden Kultur nur oberflächlich vermitteln zu können. Rückblickend waren es für mich herausfordernde, kreative Jahre, in denen ich selbst zum Lernenden wurde und meine Lehrmethode stetig verändert und verfeinert habe. Das vorliegende Buch ist Ergebnis dieses wechselseitigen Prozesses des Gebens und des Nehmens.

Das Buch enthält neun Kapitel, die jeweils zentrale Begriffe des Yoga behandeln. Der erste Teil jedes Kapitels, der mit einer Geschichte eingeleitet wird, gibt Einblick in die Weltanschauung des Yoga und reflektiert über eine Frage unserer Zeit. Im zweiten Teil führe ich die Lesenden schrittweise in die Prinzipien ein, die für die richtige Ausübung der Yogatechniken wichtig sind. Der dritte Teil enthält Übungssequenzen. Illustriert werden die Übungsabläufe durch »Strichmännchen«. Dies soll die Leserinnen und Leser ermutigen, Yoga zu üben – ohne falschen Ehrgeiz, denn bewusst habe ich bei den Übungssequenzen auf Fotos von jungen, schönen, schlanken, athletischen Menschen in akrobatischen Haltungen verzichtet. Um Yoga zu praktizieren, muss man all dies nicht sein. Man muss die Übungen nicht perfekt wie ein Akrobat ausführen können und sollte sich dies auch nicht zum Ziel machen, denn wichtig ist vor allem der Geist und die innere Haltung, mit der wir üben. Die Fotos bringen jeweils eine zentrale Idee aus jedem Kapitel visuell zum Ausdruck. Auch hier geht es nicht um eine Vorstellung von Perfektion, sondern darum zu zeigen, dass Positionen nicht »perfekt« sein müssen, wenn sie in einer ruhigen inneren Haltung eingenommen werden.

Yogabücher verbreiten oft unbeabsichtigt ein großes Missverständnis: Eine Beschwerde ließe sich durch eine Übung heilen. Das ähnelt dem Glauben, mit einem Medikament eine Krankheit heilen zu können. Dieses Eins-zu-Eins-Lösungsmodell ist aber überholt. Wenn wir etwa lesen, die Yogaübung »Kopfstand« sei gut gegen niedrigen Blutdruck und Trägheit, und ihn ausprobieren, bekommen wir unter Umständen Nackenschmerzen. Es kann auch vorkommen, dass der Kopfstand gar nicht den Kreislauf anregt und die Wachsamkeit fördert, weil der Körper sich bei dem Versuch verkrampft, still in der Haltung zu bleiben, und hinterher eher unruhig und müde wird. Yoga hat auf jeden Fall eine tiefgreifende therapeutische Wirkung, diese entwickelt sich aber anders. Das Buch will einen Einblick in die Entwicklung eines solchen Heilprozesses geben.

Im Yoga bilden Körper, Atem und Geist eine untrennbare »Dreiheit«. Die Schulung des Atems – ein zentrales Anliegen der Yogatradition, in der ich lehre – ist unerlässlich, körperliche Beschwerden nachhaltig zu verringern und geistiges Ungleichgewicht zu beheben. Dieses Buch soll helfen, etwas über die Funktion des Atems zu lernen und den richtigen Umgang mit ihm zu finden.

Yoga – Neun Schritte in die Freiheit behandelt die Philosophie und Praxis des Yoga. Es wendet sich an Anfänger und Erfahrene. Es vermittelt die traditionelle yogische Weltsicht, und zugleich zeigt es Übungswege, die den Bedürfnissen der westlichen Schülerinnen und Schüler angepasst sind. Mit diesem Buch möchte ich dazu beitragen, dass wir lernen, unser Leben heilsamer zu gestalten.

Das Ziel der Übung ist nicht eine perfekte Haltung, sondern eine gleichmäßige und langsame Bewegung der Glieder von der Ausgangsposition bis zur Endhaltung und dann wieder genauso zurück zur Ausgangsposition.

Erstes Kapitel

ZWISCHEN KRAFT UNDLEICHTIGKEIT –DER KÖRPER IN NOT

Urvasi

Vor langer Zeit, als in Indien die Künste in ihrer Hochblüte standen und als Pfad auf dem Weg zur Erleuchtung angesehen wurden, fanden immer wieder Wettbewerbe statt, um dies Ziel nicht aus den Augen zu verlieren. Rambha und Urvasi galten als die besten Tänzerinnen im ganzen Land. Jedes Auftreten von ihnen war ein Ereignis, denn sie wurden als Botschafterinnen aus dem Reich der Götter verehrt. Selbst der große Asket Visvamitra wurde von ihrer leidenschaftlichen Kunst in Bann gezogen und gab seine Askese auf, um sich mit Urvasi zu vermählen. Welche der beiden Tänzerinnen war nun aber die Vollkommenste? Vollkommen war beider Tanz, und sie tanzten in einem solchen Gleichklang, dass es nicht möglich war, der einen oder der anderen den Vorzug zu geben; trotzdem sollte ein Preis verliehen werden. Man rief Kenner aus dem ganzen Land zusammen; sie konnten jedoch keine Entscheidung treffen. Da schlug der weise König vor, beide mit Blumengirlanden tanzen zu lassen. Siegerin sollte jene sein, deren Blumen auch nach dem Tanz noch frisch und unbeschädigt waren. Und siehe da, nach dem Tanz wirkten zwar die Blumen fast gleich schön, aber alle Bienen flogen zu Urvasis Girlande. Durch die Genauigkeit und die Mühelosigkeit ihres Tanzes war ihr Körper in vollkommener Ausgewogenheit geblieben. So gewann Urvasi den Preis.

Grundlagen der Yogalehre:Asanam – Die Haltung

Asanam ist der Zustand desstabilen und glücklichen Verweilens in einer Haltung.(Yoga Sutra II. 46)In Asanam vereinen sich Körper und Geist.(»as« – Sitz, Bleibe)

Asanam ist einer der wichtigsten Begriffe im Yoga. Durch Asanam verleiht Yoga wie keine andere Lehre dem Körper einen festen Platz in der geistigen Weltsicht. Der Körper ist hier keine Hülle für den Geist, sondern ein dem Geist gleichwertiges Instrument für die menschliche Vervollkommnung. Er spricht die gleiche Sprache und verfeinert sich oder verfällt im gleichen Maße. Er ist nicht das untergeordnete Anhängsel des Geistes, sondern sein aktiver Gefährte. Als Gespann erleben Körper und Geist die gleichen Höhen und Tiefen während ihrer Fahrt durch das Leben. Sie werden gleichermaßen zittrig oder stabil, steif oder frei, bedrückt oder glücklich, obwohl dies mal mehr am Körper und mal stärker im Geist spürbar wird.

Diese Tatsache zeigt sich fortwährend in der Verhaltensweise des Körpers im alltäglichen Leben. Jeder Mensch ist immer wieder in verschiedenster Weise aufgefordert, wach zu sein, Verantwortung zu tragen, Pflichten zu erfüllen oder Widerstand zu leisten. Dafür braucht er einen stabilen, kraftvollen Körper. Um den Anforderungen des Alltags gerecht zu werden, spannt sich der Mensch an. Kaum hat er sich aufrecht hingesetzt, um bei einer Diskussion wach zu bleiben, schon wird sein Rücken zu stark angespannt. Will er nur einmal kräftig seine Meinung sagen, schon ziehen sich Gesichts- und Nackenmuskeln zusammen. Während er aufgeregt seinen Standpunkt niederschreibt, greifen seine Finger den Stift zu fest. Im normalen Alltag wird viel mehr Kraft als nötig eingesetzt, um den Anforderungen zu genügen. Um diese Spannung loszuwerden, wirft der Berufstätige sich abends auf die Couch und legt die Beine auf den Tisch.

Unter der Anspannung, die durch Leistungsdruck im Klassenzimmer ausgelöst wird, sitzen die Schüler zu aufrecht und werden früh müde. Sie verspannen ihren Nacken oder ihre Augen, um die schwierigen Aufgaben zu verstehen, und bekommen Kopfschmerzen. In dieser Weise reagiert der Körper auf eine Aufforderung zur Konzentration mit überhöhter Spannung und Steifheit. Es ist, als ob der Körper zu leisten versuchte, was der Geist leisten sollte, aber gerade nicht kann. Eine solche Reaktion ist eine unangemessene Anspannung, die leicht zu einer Verspannung wird, welche wiederum nach Entspannung verlangt. Der Schüler fährt nach Hause und »krümmt sich« im Sitz des Schulbusses. Er sucht Stellungen, um sich körperlich zu entspannen, und sackt in Haltungen hinein, in denen der Körper sein Gleichgewicht verliert.

Ist der Körper schlaff und unangespannt, wird es schwierig, den Geist wach zu halten. Es wird unmöglich, ein bestimmtes Thema zu verfolgen oder eine Aufgabe zu lösen. Ein solcher Körperzustand fördert eher den Verlust der geistigen Ausrichtung und den Wunsch nach Ablenkung. Das führt dazu, dass der Mensch fernsieht, träumt, in einer Illustrierten blättert oder sich treiben lässt. Die Alltagshaltung schwankt oft zwischen überhöhter, wachsamer Körperanspannung, die in Verspannung mündet, und einer übermäßigen Entspannung, in der der Körper erschlafft. Wie finden wir zu jener Haltung, in der die Stabilität und die Entspanntheit sich ergänzen, statt sich zu behindern?

Sich zu entspannen wird im Yoga als aktive Tätigkeit begriffen, die zu einem Zustand körperlichen und geistigen Wohlbefindens führt. Dieser Zustand gleicht weder aufgeregter Anspannung noch dumpfer Schlaffheit. Asanam zielt auf Ausgleich und Vereinigung dieser beiden Haltungen. Wer dies durch das Üben erreicht, übt im Sinne von Yoga. Dadurch werden die einzelnen Bewegungen und Stellungen zu Asanas. Der Körper findet zu Haltungen, in denen Ruhe nicht verloren geht durch zu viel Wachheit und Festigkeit nicht aufgelöst wird durch Gelassenheit. Entspannung und Anspannung verschmelzen zu einem harmonischen Zustand. Diese Empfindung des Körpers nennt man im Yoga Sthirasukham-Asanam, die »glückliche« Haltung. In dieser Haltung sind wir stabil; es gelingt uns, darin zu verweilen, ohne Schmerzen zu verspüren, die zu negativen Gedanken führen können. Weder Anspannung noch Verspannung, weder Schlaffheit noch Müdigkeit stören diesen Zustand. Wir möchten diese Haltung nicht aufgeben; wir sind darin glücklich. Wenn diese Haltung der stillen körperlichen Stabilität mit einem friedlich konzentrierten Geist einhergeht, ist die Grundlage für den Yogazustand vorhanden. Im Gegensatz zu seiner alltäglichen Wirkungsweise ist der Körper hier ein fein gestimmtes Instrument, das harmonisch im Körper-Geist-Ensemble spielt. Nur in einem solchen Zustand der Körper-Geist-Einheit kann sich der innere Wesenskern offenbaren.

Durch regelmäßiges Üben wird diese »Feinstimmung« erreicht und körperliche Gelassenheit auf natürliche Weise auch im Alltag erlebbar. Der Körper wird widerstandsfähig. Veränderungen, äußere Einflüsse und unvermeidbare Überforderungen, auf die er sonst empfindlich reagiert hat, meistert er jetzt mit Leichtigkeit. Der Mensch wird fähig, die Folgen von Alter und Krankheit, von Unfällen und persönlichem Leid körperlich besser zu ertragen und schneller zu bewältigen. Diese »Feinstimmung« führt auch dazu, dass der Geist aktiv und ausgleichend zum Erhalt der allgemeinen Vitalität beiträgt, wenn die körperlichen Kräfte schwinden. Der Geist wird nicht mehr durch den Körper in Mitleidenschaft gezogen, sondern er setzt seine Kräfte ein, um die Körper-Geist-Einheit im Gleichgewicht zu halten. Diese Fähigkeit ist die beste Grundlage für lang anhaltende Gesundheit und menschliche Vervollkommnung.

Einführung in die Yogatechnik:Gleichmäßigkeit der Bewegungen

Wenn Gedanken und Eindrücke imgleichmäßigen Strom den Geist durchfließen,sammelt sich der Mensch – das ist Yoga.(Yoga Sutra III. 12)

Die Natur lebt im Rhythmus: Wasser und Wind und Sonne, selbst das menschliche Leben – alles bewegt sich in Rhythmen. Ein Sturm, eine Sonnenfinsternis oder ein »unzeitiger« Tod sind deshalb schockierend, weil sie zum üblichen rhythmischen Spiel nicht zu passen scheinen. Es ist die Harmonie der vielen Rhythmen, die Gleichmaß in die Welt und ins Leben bringt. Je mehr die Menschen sich von solchen Rhythmen entfremden, desto weniger spüren sie diese Harmonie. Je mehr sie die Anbindung an ihre inneren Rhythmen verlieren, desto weniger fühlen sie sich harmonisch. So entfernen sich Menschen vom Gleichmaß.

Yoga beginnt mit dem Versuch, Gleichmäßigkeit zu finden. Mit einfachen Bewegungen fangen wir an. Ziel dieser Bewegungen ist es nicht, eine perfekte Position zu erreichen, sondern die Glieder gleichmäßig und langsam von der Ausgangsposition bis zur Endhaltung und dann wieder zurück zur Ausgangsposition zu bewegen und diesen Ablauf im gleichmäßigen Rhythmus zu wiederholen.

Für die Bewegung ist eine stabile Ausgangshaltung erforderlich. Beginnen Sie die Bewegung langsam aus dieser Position heraus und führen Sie den Körper sanft in die Endhaltung. Wenn Sie bewusst in dieser Endhaltung angekommen sind, warten Sie einen Augenblick und kehren in der gleichen Weise zur Ausgangsposition zurück. Achten Sie darauf, dass der Körper darin zur Ruhe kommt, bevor Sie die Übung fortsetzen. Wichtig ist auch, die Bewegung ohne einen »Ruck« zu beginnen; alles sollte fließend ausgeführt werden.

Am Beispiel von Tadasana sehen wir die Umsetzung dieses Übungsprinzips. Sie stehen so, dass das Körpergewicht relativ gleichmäßig auf beiden Füßen verteilt ist, sowohl auf den Ballen als auch auf den Fersen. Wenn Sie die Arme heben, achten Sie darauf, dass Körper und Kopf nicht schwanken und dass sie sich im Einklang mit der Armbewegung aufrichten. Heben Sie die Arme so, dass der Schulterbereich nicht in Spannung gerät, die Ellbogen sollten leicht gebeugt sein, so dass die Bewegung im Schultergelenk gleichmäßig bleibt. Die Endhaltung ist überschritten, wenn der Nacken sich spannt oder wenn Sie das Gleichgewicht verlieren. Wenn Sie die Arme senken, beugt oder senkt sich der Körper nicht; allein der Kopf senkt sich und mit ihm der Blick.

Während Sie aufrecht stehen, sollten die Augen offen bleiben, in anderen Haltungen können sie auch geschlossen werden. Wenn die Gleichmäßigkeit der Bewegung nicht mehr eingehalten werden kann, weil Sie sich versteifen oder Schmerzen empfinden, begrenzen Sie die Bewegung und kehren Sie zur Ausgangsposition zurück. Die Arme müssen nicht so weit wie möglich nach oben geführt werden. Die angestrebte Endhaltung dient lediglich als Orientierung. Das Ziel sollte nicht eine abgebildete Körperstellung sein, sondern Gleichmäßigkeit beim Üben. Wenn Sie den Körper zu einem Ziel hin bewegen, ist die Qualität des Bewegungsflusses maßgeblich.

Versuchen Sie, während der Bewegung den Atem nicht zu unterdrücken. Wichtige Grundlage für die Yogapraxis ist eine gleichmäßig fließende Atmung.

Allgemeine Hinweisefür die Übungen

Jeder Mensch kann Yoga üben. Dieses Buch hilft Ihnen, das Übungsprogramm individuell zu gestalten: Es sollte Ihrer Kraft, Ihrem Alter und Ihrem Leistungsvermögen angepasst werden. Wer gesundheitliche Probleme hat oder unter ärztlicher Behandlung steht, sollte nur in Absprache mit dem Arzt und unter Anleitung eines Yogalehrers üben.

Jeder Ort kann zum Übungsort werden. Sie brauchen nur einen windstillen Raum, der vorher gelüftet wurde, und eine saubere Decke, die gegen die Bodenkälte isoliert. Schuhe sind vor dem Üben auszuziehen.

Yoga lässt sich fast zu jeder Zeit üben. Nur nach dem Essen sollte man dem Körper ein bis zwei Stunden Pause gönnen. Durch regelmäßiges Üben lernen Sie, die Übungsweise zu verfeinern, und können die Wirkungen spüren. Es ist wünschenswert, einmal täglich oder wenigstens drei- bis viermal in der Woche zu üben und sich dafür anfangs mindestens zwanzig Minuten Zeit zu nehmen.

Die Yogasequenzen dieses Buches sollten Sie erst üben, nachdem Sie das jeweilige Kapitel gelesen haben. Auch ist es ratsam, die Sequenzen nicht zu zerstückeln. Wer nicht genügend Zeit hat, kann die Anzahl der vorgeschlagenen Wiederholungen leicht und gleichmäßig reduzieren. Wie Sie die Sequenzen umgestalten können, beschreibe ich ab Kapitel fünf.

Die Illustrationen mit den »Strichmännchen« dienen der Orientierung; sie geben keinesfalls geometrisch genau wieder, wie eine Haltung auszusehen hat. Führen Sie die Bewegungen in Pfeilrichtung aus: Sie bewegen sich von links, der Ausgangshaltung, nach rechts, zur Endhaltung, und in den meisten Fällen wieder zurück nach links, zur Ausgangsposition. Wie Sie während der Bewegung atmen sollten, erkennen Sie an den Worten »ein« und »aus«, die für »einatmen« und »ausatmen« stehen:Wenn beispielsweise »ein« über dem Pfeil steht, der die Bewegung von der Ausgangshaltung zur Endhaltung anzeigt, sollten Sie während dieser Bewegung einatmen. Steht »aus« unter dem Pfeil, der Sie von der Endhaltung zurück zur Ausgangsposition führt, so sollten Sie während dieser Bewegung ausatmen.

Pausen zwischen den einzelnen Übungen sind manchmal wichtig. Diese Pausen sind hier nicht eingetragen. Prüfen Sie nach jeder Übung, ob der Körper oder der Atem eine Pause braucht, bevor Sie zur nächsten Übung schreiten.

Das Bedürfnis nach freiem Atemfluss sollten Sie nicht unterdrücken. Benötigt der Körper eine Pause von der geführten Atmung, gönnen Sie sich Zwischenatmungen. Auch zwischen den Übungen sollten Sie den Atem frei fließen lassen.

Die Augen sollten geöffnet bleiben in Haltungen mit aufgerichtetem Oberkörper im Stand, sonst können sie geschlossen sein. Auch in der Bauchlage sowie bei intensiver Atmung sollten Sie die Augen schließen. Bei den Asanas können Füße und Arme generell, soweit nicht anders angegeben, etwa hüftweit auseinander sein, um Hüfte, Schultern, Beine und Arme locker zu halten und um sich mehr auf den Rücken konzentrieren zu können. Bewegen Sie sich gleichmäßig und langsam, ohne den Körper unnötig zu verspannen. Verweilen Sie einen Augenblick in jeder Ausgangs- und Endhaltung.

Bei den Atemübungen im Liegen oder im Sitzen ist es wichtig, eine gute vollständige Ausatmung und eine ruhige Einatmung anzustreben. Die angegebenen Zeiteinheiten sind als Richtwerte zu betrachten, die nicht jedes Mal genau eingehalten werden müssen.

Das Leitmotiv für jede Sequenz hilft, während der Übung konzentriert zu bleiben. Wer die hier enthaltenen Ideen alle nach und nach in das regelmäßige Üben integriert, vertieft die Übungsweise.

Sequenz 1

Leitmotiv

Bewegen Sie sich gleichmäßig, langsam und ohne sich zu verspannen; verweilen Sie einen Augenblick in jeder Ausgangs- und Endposition.

1.• Setzen Sie sich auf einen Stuhl: Rücken aufrecht, Hände auf den Oberschenkeln, Füße etwa hüftweit auseinander, Unterschenkel etwas nach vorne, Schultern entspannt, Arme locker, Kopf leicht geneigt, Augen offen.

• Heben Sie die Arme und den Kopf gleichzeitig, langsam und gleichmäßig hoch. Führen Sie die Arme dabei seitlich nach oben. Verweilen Sie einen Augenblick in der Haltung. Senken Sie dann gleichzeitig, langsam und gleichmäßig die Arme und den Kopf zurück in die Ausgangsposition. Halten Sie während der Bewegung den Atem nicht an. Schultern, Ellbogen und Handgelenke sollten locker bleiben, um unnötige Verspannungen zu vermeiden.

6-mal

2.• Stellen Sie sich aufrecht hin: Arme seitlich am Körper, Füße etwa hüftweit auseinander, Körpergewicht gleichmäßig auf die Füße verteilt, Kopf leicht geneigt, Augen offen.

• Heben Sie die Arme und den Kopf gleichzeitig, langsam und gleichmäßig hoch; die Arme seitlich vom Körper. Die Füße sollten während dieser Bewegung fest mit Ballen und Fersen auf dem Boden bleiben. Verweilen Sie einen Augenblick in der Haltung. Senken Sie dann gleichzeitig, langsam und gleichmäßig die Arme und den Kopf zurück in die Ausgangsposition.

6-mal

3.• Stellen Sie sich aufrecht hin: Arme seitlich am Körper, Füße etwa hüftweit auseinander, Körpergewicht gleichmäßig auf die Füße verteilt, Kopf leicht geneigt, Augen offen.

• Heben Sie die Arme und den Kopf gleichzeitig, langsam und gleichmäßig hoch; die Arme vor dem Körper, etwa schulterbreit auseinander. Verweilen Sie einen Augenblick in der Haltung.