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Sie kamen auf uns zu, die Arme weit ausgestreckt. Ein Mann berührte mich, streifte mich - und sofort breitete sich ein selten gekanntes Gefühl in mir aus. Es versprach Lust jenseits aller Vorstellungskraft, aber auch Hoffnungslosigkeit, Schwäche, Trauer ...
Der Cocktail an Emotionen, dem ich und die anderen Mitglieder der Familie Zamis ausgesetzt war, beinhaltete all das, was während eines sexuellen Aktes empfunden wurde, in völlig willkürlicher Reihenfolge und hundertfach verstärkt.
Dies waren zweifelsfrei die Diener der Todsünde der Wollust, und sie hatten etwas an sich, das es schwer machte, auch nur einen vernünftigen Gedanken zu fassen.
»Zurück!«, rief mein Vater. »Achtet auf ...«
Weiter kam er nicht ...
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Seitenzahl: 133
Cover
Was bisher geschah
DIENER DER WOLLUST
1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
4. Kapitel
5. Kapitel
6. Kapitel
mystery-press
Vorschau
Impressum
Coco Zamis ist das jüngste von insgesamt sieben Kindern der Eltern Michael und Thekla Zamis, die in einer Villa im mondänen Wiener Stadtteil Hietzing leben. Schon früh spürt Coco, dass dem Einfluss und der hohen gesellschaftlichen Stellung ihrer Familie ein dunkles Geheimnis zugrundeliegt. Die Zamis sind Teil der Schwarzen Familie, eines Zusammenschlusses von Vampiren, Werwölfen, Ghoulen und anderen unheimlichen Geschöpfen, die zumeist in Tarngestalt unter den Menschen leben. Die grausamen Rituale der Dämonen verabscheuend, versucht Coco den Menschen, die in die Fänge der Schwarzen Familie geraten, zu helfen. Ihr Vater sieht mit Entsetzen, wie sie den Ruf der Zamis-Sippe zu ruinieren droht. So lernt sie während der Ausbildung auf dem Schloss ihres Patenonkels ihre erste große Liebe Rupert Schwinger kennen. Auf einem Sabbat soll Coco zur echten Hexe geweiht werden. Asmodi, das Oberhaupt der Schwarzen Familie der Dämonen, hält um Cocos Hand an, doch sie lehnt ab. Asmodi kocht vor Wut und verwandelt Rupert Schwinger in ein Ungeheuer.
Seitdem lässt das Oberhaupt keine Gelegenheit aus, gegen die Zamis-Sippe zu intrigieren. Michael Zamis sucht indes Verbündete unter den Oppositionsdämonen, die sich Asmodis Sturz auf die Fahnen geschrieben haben. Sein Unternehmen scheitert, und er wird von Asmodi zur Strafe in eine krötenartige Kreatur verwandelt. Während eines Schwarzen Sabbats wird Asmodi von Thekla Zamis vorgeführt. Aus Angst vor seiner Rache flüchten die Zamis vorübergehend aus Wien, kehren schließlich jedoch dorthin zurück. Asmodi erlöst Michael Zamis von seinem Freak-Dasein. Im Gegenzug soll Coco Asmodis missratenen Sohn Dorian Hunter töten. Es gelingt Coco, Dorian zu becircen – doch anstatt den Auftrag sofort auszuführen, verliebt sie sich in ihn. Zur Strafe verwandelt Asmodi Dorian Hunter in einen seelenlosen Zombie, der fortan als Hüter des Hauses in der Villa Zamis sein Dasein fristet.
In Wien übernimmt Coco ein geheimnisvolles Café. Sie beschließt, es als neutralen Ort zu etablieren, in dem Menschen und Dämonen gleichermaßen einkehren. Zugleich stellt Coco fest, dass sie von Dorian Hunter schwanger ist. Bald erhält das Café Zamis Besuch von Osiris' Todesboten. Sie überbringen die Nachricht, dass Coco innerhalb einer Woche sterben wird. Ebenso erhalten ihr Vater Michael und Skarabäus Toth die Drohung. Alle drei bitten Asmodi um Hilfe, müssen dafür jedoch das für sie jeweils Wertvollste als Pfand hinterlegen. So wird Coco ihr ungeborenes Kind entrissen. Mit Hilfe ihres Bruders Volkart gelingt es Coco, die Todesboten zu besiegen, doch Asmodi gibt das Kind zunächst nicht wieder her. Im Gegenteil, er erpresst Coco. In seinem Auftrag reist sie nach Moskau, zusammen mit dem zwielichtigen Dämon Helmut von Bergen. Coco trifft dort auf Theodotos Wolkow, einen dämonischen Oligarchen, der in Besitz des Schwarzen Zimmers sein soll. Er besitzt aber nur einen Teil davon. Wolkow wird vom Schwarzen Zimmer verschlungen, während Michael Zamis den Zugang für immer verschließt ...
DIENER DER WOLLUST
von Michael M. Thurner
»Ich habe Hunger, und dieser lange Lulatsch in der Ecke rechts hinten käme mir gerade recht«, sagte Vindobene. Er leckte sich verlangend über die Lippen und entblößte zwei fehlerhafte, braungelbe Zahnreihen.
»Wie oft habe ich dir schon gesagt, dass du gefälligst auswärts speisen sollst? Das Café Zamis ist tabu für dich.« Ich hielt den Kleinen zurück, bevor er verschwinden konnte.
»Warum? Der Kerl hat ohnedies schon bezahlt. Jetzt sitzt er bloß noch da, bei einem Glas Leitungswasser, dreht sich eine Zigarette nach der anderen und stiert aus dem Fenster.« Vindobene rieb sich über den Bauch. »Wenn du bloß seine Aura schmecken könntest ...«
»Ja?«, fragte ich, mäßig interessiert, während ich Teller und Gläser reinigte.
»Er ist voll Widerwillen dem Leben gegenüber. Er hasst seine Mitmenschen. Er übersieht alles Schöne. Er würde sich selbst gerne in Stücke schneiden, wenn er nur den Mut dazu hätte.«
Vindobene keuchte, während er immer schneller redete, das Maul weit aufriss und ihm Tentakel aus der Kleidung wuchsen. »Ich muss ihn haben, Coco, ich muss ...«
»Noch einmal: Du wirst meine Kunden in Ruhe lassen. Das Café Zamis ist neutrales Gebiet.«
»Aber es sollte Ausnahmen geben. Für Kleindämonen zum Beispiel, die schon längere Zeit nicht mehr richtig diniert haben. Ich sehne mich so sehr nach diesem ganz besonderen Wiener Sud. Und dieser Kerl ist vollgestopft damit.«
Ich packte Vindobene am Schlafittchen und zog ihn zu mir hinter die Theke. »Dann nimm das. Das wird dein Mütchen kühlen.« Ich drückte ihm ein Tablett mit Gläsern in die Hände. Mehrere Dämonen alteingesessener Wiener Sippen hatten Geburtstag gefeiert und waren eben erst gegangen. Sie hatten den Sittenkodex des Café Zamis gerade noch befolgt; die Überreste ihres Wütens bestanden aus Schleim, Eiter, Urinlachen, Knochenresten und gelbem Auswurf. »Da hast du etwas zu tun.«
»Aber ...«
»Sag noch einmal aber, und ich schmeiße dich aus dem Café Zamis!«
Vindobene zuckte zusammen. Er wusste, was das für ihn bedeutete: Er würde aus dem Fokus der Aufmerksamkeit verschwinden und sich wieder in den Wiener Untergrund zurückziehen müssen, den er jahrzehnte- oder jahrhundertelang bewohnt hatte.
»Ist ja gut, Coco«, sagte er mürrisch, packte das Tablett und begann mit der Arbeit. Die Aufräumarbeiten würden ihn eine oder eineinhalb Stunden lang beschäftigen.
Ich warf einen Blick auf den Kerl, nach dem Vindobene so sehr gelüstete. Er hielt die Beine übereinandergeschlagen und zog an seiner Zigarette. Die Finger waren vom Nikotin gelb gefärbt, die Wangen eingefallen, der Kopf beinahe kahl geschoren. Ich schätzte sein Alter auf etwa fünfzig Jahre.
Wann hatte er das Café Zamis betreten? – Ich erinnerte mich nicht.
»Karl?«
»Hm?« Der ehemalige Wirt und mein Vorgänger als Pächter des Café Zamis drehte sich gelangweilt zu mir um.
»Kennst du den Mann?« Ich deutete in Richtung des Hageren.
»Hab ihn über die Jahre hinweg ein paarmal gesehen«, antwortete Karl knapp. »Er kommt, trinkt eine Melange, starrt auf die Mariahilfer Straße hinaus und geht irgendwann wieder. Manchmal ist er in Begleitung eines Freundes hier, der ebenso wortkarg wie er selbst ist. Ist mir nicht sonderlich sympathisch, der Typ.«
»Ist dir denn überhaupt jemand von unseren Gästen sympathisch, Karl?«
»Alle, die nicht zu viel Arbeit machen. Die mich nicht anquatschen. Die keine Getränke ausschütten. Die nicht zu laut und nicht zu leise sind. Die nicht auf gut Freund machen. Und solche, die mich einfach nur in Ruhe lassen.« Karl ließ sich behäbig auf einem der alten Thonet-Stühle nieder, faltete die Hände vor dem Bauch und begann, leise vor sich zu schnarchen.
Schrecklich. Ich war die Tochter eines der bedeutendsten Dämonen der Schwarzen Familie – und dennoch brachte ich es nicht übers Herz, diesen Menschen vor die Tür zu setzen. Ich hätte ihn ebenso wie Vindobene längst loswerden sollen.
Manchmal bereute ich es, gut zu sein.
Der Hagere stand auf, rückte die Nickelbrille sorgfältig zurecht, packte seine Siebensachen zusammen und kam auf mich zu. Bedeutete seine Anwesenheit Probleme?
Ich witterte und suchte nach Anzeichen dämonischer Unruhe. Nein. Der da war ein Mensch. Er würde mir keinerlei Schwierigkeiten bereiten, zumal ich die Geschehnisse im Café Zamis ohnedies kontrollierte. Dies hier war mein Bereich, mein eigenes Terrain.
Meine Heimat.
»Fräulein Zamis?«, fragte er und deutete eine förmliche Verbeugung an.
»Dieselbe.« Ich imitierte das hölzerne Auftreten meines Gegenübers. »Und Sie sind ...?«
»Ein Freund, der die Zeiten überdauert hat. Einer, der ganz genau weiß, wann er sich verabschieden sollte.«
»Wie darf ich das verstehen?«
Der Hagere beugte sich vor, griff ungefragt nach meiner Rechten und hauchte einen Kuss auf den Handrücken. »Ich bin ein treuer Stammgast dieses Etablissements seit mehr als hundert Jahren. Ich habe mich mit Karl Kraus, Peter Altenberg, Friedrich Torberg und vielen anderen Größen der Wiener Kaffeehausliteratur unterhalten, habe Schach mit Rechtsanwalt Sperber gespielt – Sie kennen gewiss seinen Wahlspruch: Räuber, Mörder, Kindsverderber gehen nur zu Doktor Sperber –, und habe für Kokoschka Porträt gesessen. Der übrigens ein nicht sonderlich freundlicher Zeitgenosse war.«
Der Mann verbeugte sich abermals und schlug dabei die Hacken zusammen wie ein Offizier längst vergangener Tage. »Verzeihen Sie, dass ich Sie mit meinen alten Geschichten langweile. Aber ich wollte Ihnen mitteilen, dass ich trotz zweier Kriege, der Februar-Unruhen 1934 und all der anderen schwierigen Zeiten dem Café Zamis stets die Treue gehalten habe. Einerlei, wie entsetzt ich über die Leitung des Betriebs auch war.« Er trat einen Schritt zurück. »Aber nun muss ich gehen, gnädiges Fräulein. Womöglich für immer.«
»Ich verstehe nicht ...« Meine Gedanken rasten. Wer war der Kerl? Ein Verrückter, der eine Geschichte herbeifantasierte, von der besonderen Aura des Café Zamis irritiert? Oder steckte mehr hinter seinen Worten?
»Das werden Sie, wenn es so weit ist. Ich möchte Ihnen für die nächsten Monate alles erdenklich Gute und viel Glück wünschen, Fräulein Zamis. Machen Sie's gut.«
»Warten Sie!« Ich wollte ihn festhalten, nach ihm greifen. Doch er entglitt mir, und auch sein Geist blieb für mich unantastbar. »Wer sind Sie? Wovor haben Sie Angst?«
Er nahm die Brille ab, hauchte auf die Gläser und ließ das Glas über lederne Schoner an einem Ellenbogen gleiten. Kurzsichtig blinzelte er mich an. »Ich bin ein Reisender, Fräulein Zamis. Ich bin dankbar, dass ich so lange Zuflucht in Wien finden durfte und niemals von der Großen Macht entdeckt wurde. Doch meine Zeit hier ist zu Ende. Auf Wiedersehen.« Er setzte einen altmodisch wirkenden Hut mit hochgezogener Krempe auf und ging auf den Ausgang zu, um sich vor der Tür nochmals umzudrehen: »Achten Sie insbesondere auf die Wahrheit hinter der Wahrheit«, sagte er leise.
Dann verließ er das Café Zamis, und als ich ihm auf die Straße hinaus nachlief, konnte ich ihn nirgendwo mehr entdecken.
Ich betastete meinen Bauch und meinte, eine Art Leere zu spüren. Ich hatte ein Ungeborenes in mir getragen. Ein Ungeborenes, das Asmodi als sein Eigen bezeichnete. Obwohl ich hoffte, dass es das Kind Dorian Hunters war.
Doch konnte ich meinen eigenen Gefühlen denn vertrauen? In den letzten Wochen hatte sich das Sein nur sehr selten vom Schein unterscheiden lassen. Ich war Spielball mächtiger Dämonen gewesen – und war es immer noch. Ich musste nach Asmodis Pfeife tanzen, war ein Bündnis mit Skarabäus Toth eingegangen, war von meinem Vater unter Druck gesetzt worden und hatte kaum eine freie Entscheidung treffen können.
War dies die Form der Selbstständigkeit, die ich mir stets gewünscht hatte? In Momenten wie diesen wünschte ich mir, in den Schoß der Familie zurückkehren zu dürfen und Michael Zamis, dem Oberhaupt der Familie, alle Entscheidungen zu überlassen.
»Du denkst zu viel nach. Das macht Falten, und Falten machen dich weniger begehrlich.«
Ich drehte mich der Callas zu. Sie war eine der treusten Stammgäste des Café Zamis und unterhielt mich fast jeden Tag mit Zoten aus ihrem Leben, das sie unter dem Motto »Liebe, Lust und Leidenschaft« führte.
»Ich habe kein Interesse daran, begehrt zu werden.«
»Ach, hast du von deinem Leben schon genug?« Sie zündete sich eine Zigarette an, ein fürchterlich stinkendes Kraut, und inhalierte tief. »Ich verstehe. Du bist kaum einmal deinen Teenagerjahren entwachsen und glaubst, schon alles gesehen und erlebt zu haben.«
»Ich denke, ich hab schon das eine oder andere spannende Abenteuer erlebt, auf das ich lieber verzichtet hätte.«
»Natürlich, Pupperl.« Sie lachte und hustete gleich darauf, tief und kehlig. Mit heiserer Stimme sprach sie weiter. »Du hast mir bereits einige Schwänke aus deinem Leben erzählt. Ich bin froh, nicht an deiner Stelle zu sein. Aber du hast auch Dinge ausgespart.«
»Redest du von Liebe?« Ich schüttelte den Kopf. »Mit dem Thema bin ich durch.«
»Und wie steht's mit der Wollust? Mit hemmungslosem Begehren, bei dem es kein Nachdenken gibt, bei dem man sich einfach nur treiben lässt?« Die Callas leerte ihr Glas und schob es mir rüber. Ich füllte ihr nach. Heute bevorzugte sie Ouzo.
»Ich habe gelernt, mich niemals ganz gehen zu lassen und schon gar nicht, zu viel Gefühl in eine Liebesangelegenheit zu investieren. Es schadet mir, und es schadet dem Partner.«
Die Callas lächelte mich an. Hinter vollen Lippen kamen dunkle Zähne zum Vorschein. »Ich verstehe, Pupperl. Enttäuscht vom Leben, enttäuscht von der Liebe ...«
»Ach, was weißt du schon!« Ich wandte mich verärgert ab und kümmerte mich um andere Gäste. Es gab viel zu tun, die Geschäfte liefen gut.
Sonderbare Wirrnisse spülten immer wieder Menschen eines bestimmten Schlags ins Café Zamis. Es war ein Biotop für all jene, die mal Ruhe von der Hektik des Lebens haben wollten, die sich sammelten, die eine neue Perspektive gewinnen wollten. Die Mitglieder Wiener Dämonenhäuser fühlten sich aus unterschiedlichsten Gründen vom Café angezogen. Einige von ihnen wollten sich über mich lustig machen. Über die Angehörige eine der stolzesten Sippen, die einem bürgerlichen Beruf nachging. Andere waren froh, sich mal austauschen zu können, ohne den Gesetzen des Intrigenspiels gehorchen zu müssen. Im Café Zamis gab es keine Rangunterschiede. Jener Dämon, der als einzige Gabe Furunkel auf den Rücken seines Opfers zaubern konnte, war genauso viel wert wie Asmodi, unser Herrscher.
Eine alte Frau winkte mir, ihr Arm zitterte schwer. Angie war ein Freak. Dank erstaunlicher Selbstkontrolle schaffte sie es, beinahe wie ein Mensch auszusehen und zu wirken.
»Wie geht's dir?«, fragte ich und putzte einen Teil der weißen Fäden weg, die sie einzuhüllen begannen. In den Resten des Fruchtsaftes, den sie aus einer breiten Schnabeltasse getrunken hatte, trieb eine fingergroße Spinne. Eines jener Tiere, die sie auf Schritt und Tritt verfolgten und Teil jenes Fluchs waren, den jemand über sie gelegt hatte.
»Wie immer.« Angie nickte ernst und legte mir einige Münzen auf den Tisch. »Ich muss gehen, muss woandershin ...«
»Du kannst gerne noch eine Weile bleiben. Du bist hier in Sicherheit. Zumindest weitgehend.«
»Kann nicht. Muss weiter. Habe Dinge zu erledigen. Wichtige Dinge.« Ihre Finger waren arthritisch und verkrümmt. Sie schlug mit der Rechten in ihren Nacken und traf. Den grünbraunen Batzen mit langen Beinen daran streifte sie mithilfe einer der vielen Servietten ab, die ich vor ihr hingelegt hatte.
»Du weißt, dass du im Café Zamis jederzeit willkommen bist?« Ich half Angie in den speckigen Mantel, den sie zu jeder Jahreszeit trug.
Sie wandte sich mir zu, und in den oft vom Wahnsinn gezeichneten Augen sah ich seltenes Erkennen: »Du meinst es gut mit mir, kleine Zamis. Aber ich muss weiter, muss rennen, muss fliehen. Es ist mein Schicksal. Asmodi wollte es so.«
Zwei Spinnen krochen an ihrem Gewand nach oben. Eine schlüpfte in ihr Ohr. Aus dem Afterbereich des Tiers zischte weißer Schaum in die Ohrmuschel und verteilte sich rasch dort, wie ich mit Entsetzen feststellte. Das andere Tier begann indes mit wahnwitziger Geschwindigkeit ein Netz zu weben, ein Netz, das von Angies Brust bis zu den Knien hinabreichte.
Sie zerriss die Fäden und versuchte das Vieh zu erwischen, das sich rasch in den Falten ihres Mantels versteckte. Irgendwann ließ sie es bleiben. Sie entkam den Spinnen niemals. Wo auch immer sie hinkam – Hunderte, ja, Tausende der Viecher warteten auf sie, um sie zu befallen und zu quälen.
»Asmodi hat hier drinnen nichts zu sagen. Dies ist neutraler Boden.« Ich zog die Spinne zwischen zwei abstehenden Lederlappen hervor und ließ sie in die Schnabeltasse plumpsen. Sie zappelte wie wild und flüchtete schließlich auf den leblos dahintreibenden Leib ihrer Artgenossin, um ihn wie ein winziges Floß inmitten eines riesigen Ozeans zu nutzen.
»Soso, er hat hier nichts zu sagen?«, hörte ich jene Stimme, die ich so sehr hasste. »Wenn du dich da mal nicht irrst, Coco.«
Angie huschte davon, hin zum Ausgang, bevor ich sie aufhalten konnte. Ihr Kopf war vornüber gebeugt, der Körper verkrampft. Alles an ihr war Furcht und Panik.
»Ich mag theatralische Auftritte«, sagte Asmodi. »Ich liebe es, wenn man sich einnässt, sobald man meiner ansichtig wird.« Er deutete auf Angie, die eben die Straße überquerte und sich zwischen den Massen der Touristen verlor. »Warum gibst du dich bloß mit einem derartigen Gesindel ab, Coco? Du wirst dem Weib hinterherputzen müssen. Oder möchtest du, dass andere Kunden auf den gut sichtbaren – und auch gut riechbaren – Spuren ihrer Angst ausrutschen?« Asmodi rümpfte in gespielter Angewidertheit die Nase.