Das Haus Zamis 94 - Catalina Corvo - E-Book

Das Haus Zamis 94 E-Book

Catalina Corvo

0,0
1,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Ein vielstimmiges Krächzen hallte wie ein Schrei von den Dächern herab. Dutzende Raben aller Größen stießen wie ein Blitzschlag auf mich zu. Sofort ließ ich mich in den schnelleren Zeitablauf fallen, doch meine Magie gehorchte mir nicht.
Ich stürzte zurück ins Café. Die Tür lag nur wenige Schritte entfernt, und dennoch erschien es mir wie eine Ewigkeit. Harte Schnäbel hackten auf mich ein. Krallen gruben sich in mein Fleisch. Ich schützte meinen Kopf, so gut ich konnte.
Dann hatte ich es geschafft. Das hysterische Krächzen der verfluchten Biester folgte mir bis nach drinnen. Ein paar schwarze Körper knallten gegen die Scheibe und ließen sie scheppern.
Doch folgte mir keines der Tiere ins Haus. Lilian schlug die Tür hinter mir rechtzeitig zu ...


Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 130

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Cover

Was bisher geschah

SONST FRESSEN DICH DIE RABEN!

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

mystery-press

Vorschau

Impressum

Coco Zamis ist das jüngste von insgesamt sieben Kindern der Eltern Michael und Thekla Zamis, die in einer Villa im mondänen Wiener Stadtteil Hietzing leben. Schon früh spürt Coco, dass dem Einfluss und der hohen gesellschaftlichen Stellung ihrer Familie ein dunkles Geheimnis zugrundeliegt. Die Zamis sind Teil der Schwarzen Familie, eines Zusammenschlusses von Vampiren, Werwölfen, Ghoulen und anderen unheimlichen Geschöpfen, die zumeist in Tarngestalt unter den Menschen leben. Die grausamen Rituale der Dämonen verabscheuend, versucht Coco den Menschen, die in die Fänge der Schwarzen Familie geraten, zu helfen. Ihr Vater sieht mit Entsetzen, wie sie den Ruf der Zamis-Sippe zu ruinieren droht. So lernt sie während der Ausbildung auf dem Schloss ihres Patenonkels ihre erste große Liebe Rupert Schwinger kennen. Auf einem Sabbat soll Coco zur echten Hexe geweiht werden. Asmodi, das Oberhaupt der Schwarzen Familie der Dämonen, hält um Cocos Hand an, doch sie lehnt ab. Asmodi kocht vor Wut und verwandelt Rupert Schwinger in ein Ungeheuer.

Seitdem lässt das Oberhaupt keine Gelegenheit aus, gegen die Zamis-Sippe zu intrigieren. Michael Zamis sucht indes Verbündete unter den Oppositionsdämonen, die sich Asmodis Sturz auf die Fahnen geschrieben haben. Als Cocos Mutter Thekla von Michaels Liaison mit einer Kämpferin des Widerstands erfährt, tötet sie diese. Es kommt zum Bruch mit den Oppositionsdämonen. Letztlich einigen sich Asmodi und Nocturno und teilen in der Charta Daemonica die Herrschaftsbereiche unter sich auf. Michael Zamis jedoch wird in eine krötenartige Kreatur verwandelt.

Während eines Schwarzen Sabbats wird Asmodi von Thekla Zamis vorgeführt. Aus Angst vor seiner Rache flüchten die Zamis aus Wien. Während Thekla verzweifelt versucht, Verbündete zu gewinnen, sind ihnen die Verfolger dicht auf den Fersen. Am Ende kehren alle ohne Ergebnisse zurück nach Wien. Der Grund: Michael Zamis hat sich in seiner Freakgestalt ebenfalls auf den Weg dorthin gemacht.

Schließlich erlöst Asmodi Michael Zamis von seinem Freak-Dasein. Allerdings verlangt er dafür eine Gegenleistung: Coco soll Asmodis missratenen Sohn Dorian Hunter töten. Es gelingt Coco, Dorian zu becircen – doch dann verliebt sie sich in ihn. Gleichzeitig stößt sie auf ein geheimnisvolles Café, das nur auf sie gewartet zu haben scheint.

Coco beschließt, das Café zu übernehmen, um es fortan als neutralen Ort zu etablieren, in dem Menschen und Dämonen gleichermaßen einkehren. Allerdings kann sie es nicht verlassen, denn Asmodi und ihr Vater trachten ihr nach dem Leben – hat sie doch Dorian Hunter verschont und damit Asmodi hintergangen. Zur Strafe verwandelt der Fürst der Finsternis Hunter in einen seelenlosen Zombie, der fortan als Hüter des Hauses in der Villa Zamis sein Dasein fristet. Unterdessen verschwindet Cocos Bruder Volkart.

SONST FRESSEN DICH DIE RABEN!

von Catalina Corvo

Wien (Vergangenheit)

»Der kleine Georg. Na, du bist aber groß geworden. Pass bloß auf, Thekla, dass er nicht zu fett wird.«

Georg verzog das Gesicht und sah nicht glücklich aus. Aber er blieb brav stehen, wie Vater es befohlen hatte, und erduldete, dass Tante Sandra ihm über die Wange strich. Coco hatte niemand gesagt, wo sie stehen sollte, und so hatte sie sicherheitshalber hinter ihrer Mutter Schutz gesucht und beobachtete die Ankunft der Verwandten mit Aufregung. Georg hatte erzählt, dass sie bestimmt Geschenke dabei hatten, weil Onkel und Tanten so etwas für ihre Nichten und Neffen mitbrachten. Die Kinder hofften auf Schokolade, die ihnen ihre Mutter viel zu selten erlaubte.

Die anderen Geschwister waren alle aus dem Haus, und so konnte die Beute zu zweit aufgeteilt werden.

Darum presste Georg bloß die Lippen zusammen, als Tante Sandras lange blutrote Fingernägel dünne rote Linien auf seiner Haut hinterließen.

1. Kapitel

Coco mochte Tante Sandra nicht besonders. Sie war fremd und sagte seltsame Sachen zu Papa, die Coco nicht verstand. Darüber wurde Mama ärgerlich. Coco bemerkte, wie sie die hinterm Rücken gekreuzten Hände zu Fäusten ballte.

Onkel Behemoth aber war noch schlimmer. Er lachte zu laut und zu brüllend und würdigte die Kinder keines Blickes, bevor er sich mit Vater in die Bibliothek verzog, um dort etwas zu trinken. Coco begriff nicht, warum man dazu in die Bibliothek gehen musste. Die Milch und der Saft waren doch im Kühlschrank in der Küche.

Tante Sandra und Mutter blieben im Wohnzimmer zurück, und das bedeutete, dass auch Coco und Georg bleiben mussten. Die Tante musterte Georg mit einem abschätzenden Blick. So ähnlich wie der gruselige alte Skarabäus Toth immer Coco anschaute, wenn er Vater besuchen kam. Sie hatte dieses Starren in Gedanken den Durchleuchte-Blick getauft, weil er sich so ekelhaft anfühlte. Zum Glück kamen solche Besuche selten vor. Diesmal bekam Georg den Ekelblick ab.

»Er macht sich ganz gut für einen kleinen Bastard.« Das Lob der Tante klang freundlich, aber Coco spürte genau, dass irgendwo verborgen in dem seidig glatten Lächeln der Tante eine spitze Nadel lauerte, die nur darauf wartete, zuzustechen.

»Wie sehr ich doch dein Interesse an meinen Kindern zu schätzen weiß«, gab Mutter zurück.

Die Frauen tranken Tee.

»Schließlich bin ich vom Fach«, sagte die Tante, nachdem sie einen Keks geknabbert hatte.

»Ach ja, richtig. Du bist Kindermädchen.«

»Ausbilderin.«

»Gouvernante.«

»Lehrerin!«

Die beiden Frauen sahen einander streng an.

Schließlich lachte die Tante auf. Der Laut war unecht, aber trotzdem lustig. Die Kinder kicherten mit. Das wiederum freute Tante Sandra.

»Wo habe ich nur meine Manieren und meinen Kopf?«, murmelte sie. »Hier, ihr Süßen. Ein kleines Geschenk. Esst nicht alles auf einmal.«

Eine Handbewegung zauberte zwei kleine Schüsseln hervor. Darin war eine Art Creme, die verdächtig nach Schokolade aussah und auch so roch.

Wie hungrige Harpyien stürzten sich die Kinder auf die Süßigkeit. Sie hatte einen besonderen Geschmack nach Eisen und einer anderen Süße, die nichts mit Schokolade zu tun hatte und ein wenig an Wurst erinnerte. Georg erkannte den Ursprung und hob den Kopf.

»Da ist Blut drin.«

Die Tante lächelte mild. »Eine Spezialität. Sehr delikat. Dein Geschmackssinn gefällt mir, Junge.«

Später spielte sie mit Georg Hoppe-Hoppe-Reiter. Er saß auf ihrem Knie und tat so, als säße er auf einem schnellen Pferd. Gemeinsam sangen sie einen Abzählvers, in dem der Reiter in einen Graben oder Sümpfe fiel und von Raben gefressen wurde. Jedes Mal, wenn der Sumpf Erwähnung fand, stieß ihn die Tante mit einem Zauber von sich. Er flog wie eine Kanonenkugel durch das halbe Zimmer, schaffte es aber immer, sich abzurollen. Mit jeder Runde wurde das Spiel wilder. Einmal knallte Georg sogar mit dem Kopf voran gegen den Geschirrschrank, aber er lachte nur und stürmte sogleich wieder los, um sich erneut fortschleudern zu lassen. Normalerweise mochte er solche Spiele überhaupt nicht. Wenn Coco mit ihm raufen wollte, sagte er immer, dass er für solche Dinge zu alt war. Aber bei Tante Sandra war alles anders.

Mutter verfolgte das Treiben stumm und bediente sich mit Tee und Gebäck. Auch Coco wollte Spaß haben. Nachdem sich die Tante so freundlich Georg gegenüber zeigte, wagte sie sich näher zu den Knien der Tante.

»Ich will auch!«, krähte sie ihren Wunsch heraus.

»Na, ich weiß nicht«, sagte die Tante. »Du bist noch ein bisschen zu klein dafür. Wenn dir später alles wehtut, heulst du uns bloß die Ohren voll.

»Ja, das stimmt«, pflichtete Georg eifrig bei. Er sah Coco streng an. »Du bist noch zu klein dafür.«

»Bin ich nicht!«, wehrte sich das Mädchen.

»Bist du wohl!«

Sie kratzte ihn, er trat ihr auf den Fuß.

»Kinder! Schluss damit!«

Die Tante packte sowohl Georg als auch Coco und zog sie auseinander. Ihre spitzen Fingernägel gruben sich tief in Cocos Oberarme. Georg ging es nicht besser, aber er schwieg trotzig. Coco nahm sich ein Beispiel an ihm und unterdrückte die Tränen des Schmerzes und der Wut.

Erst als sich die Kinder beruhigt hatten, ließ Tante Sandra los. »Gut so«, lobte sie. Dann seufzte sie. »Na gut, komm schon her, du kleine Göre.«

Sie hob Coco auf ihr Knie.

Mutti verzog den Mund zu einem Lächeln, das zugleich auch Verachtung zeigte.

»Na, als Kindergärtnerin bist du nicht schlecht.«

Coco spürte, wie Tante Sandra sie fester packte. »Um Asmodis Kinder und Enkel zu erziehen, reicht es gerade noch. Ist ja nicht so als gäb's davon besonders wenige.«

Mutter schwieg, aber ihre Lippen formten weiterhin das starre Nicht-Lächeln.

Dann fing die Tante mit dem Spielgesang an, und Coco vergaß das unverständliche Gespräch der Frauen.

»... wenn er fällt, dann schreit er ...«

Coco jauchzte. Das Spiel war wirklich lustig. Sonst spielte niemand solche lustigen Sachen mit ihr.

»... fällt er in den Graben ...«

Plötzlich gefror die Luft. Coco quietschte vor Vergnügen. Sie konnte die Kälte des Grabens richtig spüren. So als käme der Winter ins Zimmer geflogen.

»... fressen ihn die Raben ...«

Tante Sandra schüttelte sie immer heftiger und hielt dabei immer weniger fest. Coco hatte keine Angst. Irgendwann würde sie fallen, aber das war der Lauf der Dinge. Bei Georg hatte es so lustig ausgesehen.

Tante Sandra war plötzlich auch ganz begeistert. Sie schrie und riss die Hände hoch wie zum Jubel. Dabei bewegte sie jedoch immer noch ihr Knie. Sie zappelte wie verrückt. Coco kicherte. Plötzlich krächzten Raben in der Ferne. Nein, in der Nähe. Coco hörte sie deutlich. Ganz nah! Oh, war das schön. Bei Georg waren keine Raben gekommen. Die Tante schrie immer noch. Vielleicht gehörte das zum Spiel.

Mutti sprang auf, blieb dann aber wie angewurzelt stehen. Genau wie Georg. Vater stürmte zur Tür herein. Er brüllte etwas, aber Tante Sandras Geschrei übertönte alles.

Coco kreischte glücklich mit. Endlich stand einmal sie im Mittelpunkt. Und alle starrten sie an. Sie lachte. Das war besser als Schokolade.

Im nächsten Augenblick zerbarst das Fenster zum Garten, und die Raben fegten herein. Ein wilder schwarzer Schwarm.

Sie tanzten um Coco und Tante Sandra herum. Coco tanzte mit. Und plötzlich war sie in der Luft, mitten unter ihnen. Flog mit den Krähen um die Wette durchs Zimmer. Der schwarze Schwarm schnatterte aufgeregt, als wollten die Tiere das Lied krächzen, das die Tante schon längst nicht mehr sang. Der Text rollte in Cocos Gedanken weiter wie eine Lawine.

Fällt er in den Sumpf, macht der Reiter plumps.

Sie spürte Schwingen, die sanft gegen ihre Haut peitschten, war eingehüllt in eine Wolke aus Gefieder und Krach, und nur ein paar Flügelschläge später war sie mit den Krähen aus dem Fenster geglitten, hinaus in die Welt und den Himmel.

Zurück in der Villa Zamis, gelang es dem Hausherrn am schnellsten, sich aus dem unbekannten Bann zu lösen. Dann folgte Thekla. Die Eheleute tauschten einen vielsagenden Blick. Wer immer es gewagt hatte, sie in ihrem eigenen Haus anzugreifen und ihre Tochter zu entführen, war des Todes.

Schließlich erwachte auch Sandra Thornton aus dem Zauberbann. Erschöpft glitt die Hexe auf die Couch. Ihre Glieder zitterten. Sie war bleich wie die Insassen einer Leichenhalle.

Behemoth, der die Entführung über die Schulter mit angesehen hatte, genauso zur Untätigkeit verdammt wie alle anderen, setzte sich zu seiner Gespielin. »Was ist passiert?«

Sie zuckte schwach mit den Schultern. Thekla goss ein Glas Scotch ein und drückte es der Thornton in die bebenden Finger, dann genehmigte sie sich selbst ebenfalls einen Schluck, bevor sie ihrem Mann ein Glas anbot. Er nahm es stirnrunzelnd entgegen.

»Ich konnte nichts tun«, fauchte die Thornton. »Ein fremder Wille hat mich kontrolliert. Ich war seinem Zwang völlig ausgeliefert.«

»Das waren wir alle«, knurrte Behemoth.

Plötzlich landete Michaels Glas in den Splittern des zertrümmerten Fensters. »Vorgeführt! In meinem eigenen Haus!«

Thekla leerte ihren Scotch mit stoischer Ruhe. »Wem haben wir das zu verdanken?«

»Das werden wir herausfinden!« Michael fauchte wie ein verwundeter Panther. »Los! Bewegt eure Ärsche in den Keller. Wir werden ritualisieren und den Feind ausspähen.«

»Falls es ein Feind ist, der deine Tochter entführt hat«, gab die Thornton zu bedenken.

»Wer sonst soll mir das Balg stehlen?«, brummte Michael unwirsch.

Niemand wagte es, ihm zu widersprechen. Die Erwachsenen suchten den Ritualkeller auf. Dabei vergaßen alle Georg, der während des Krähenangriffs ebenso in Starre verfallen war wie alle anderen.

Nun sah sich der Junge aufmerksam um. Neben der Couch, auf der Coco und Tante Sandra gesessen hatten, lag eine einzelne schwarze Feder. Nachdenklich nahm der Junge sie an sich, drehte sie in den Fingern. Dann legte er sie in eine Zigarrenkiste in seinem Zimmer. Stumm und in sich zurückgezogen wie immer verbrachte er den Rest des Tages allein.

Michael leitete das Ritual und auch alle folgenden, die sie in den nächsten Tagen unternahmen. Doch obwohl vier mächtige Hexer ihre magischen Sinne aufs Äußerste strapazierten, konnten sie nicht in Erfahrung bringen, wer die Krähen geschickt hatte.

Alle Versuche der Divination und des magischen Ausspähens scheiterten, als ob ein mächtiger Schleier die Identität des Attentäters verbarg.

Doch nach genau achtundvierzig Stunden war Coco zurück. Georg stolperte beinahe über seine Schwester, als er nach draußen wollte, um ein wenig durch die Straßen Wiens zu streunen.

Coco spielte vor der Haustür. Sie sammelte Kiesel aus der Einfahrt und türmte sie zu kleinen Haufen auf.

Sofort alarmierte der Junge die Eltern.

Coco war gesund und unverletzt. Sie konnte sich an nichts erinnern, was seit ihrer Entführung geschehen war. Gut gelaunt spielte sie mit ihren Voodoo-Puppen und zeigte keinerlei Anzeichen eines Traumas oder einer Besessenheit.

Die Erwachsenen testeten das Kind auf allen magischen Ebenen, aber weder lag ein Zauber auf Coco, noch stand sie anderweitig unter einem fremden Bann. Das Mädchen war geradezu erschreckend normal.

Einige Wochen lang beäugten die Mitglieder des Hauses Zamis die kleine Coco argwöhnisch, aber da das Kind keinerlei ungewöhnliche Anzeichen zeigte, geriet der Vorfall nach und nach in Vergessenheit.

2. Kapitel

Wien (Gegenwart)

Ich schloss die Tür zum Café Zamis auf. Pünktlich wie jeden Morgen. Karl wischte meiner Anweisung gemäß noch einmal über die Theke. Lilian schrieb das aktuelle Tagesangebot auf eine Schiefertafel, die ich dann vor den Laden stellte.

Dabei fiel mir der Rabe auf. Er hockte auf dem Bordstein. Wahrscheinlich flügellahm. Selbst in diesem erbärmlichen Zustand umgab ihn eine Aura des Majestätischen, die seine kleineren Verwandten, die Krähen, längst verloren hatten. Sobald er mich sah, sperrte er den Schnabel auf und stieß ein paar klägliche Krächzlaute aus.

Ich wunderte mich, dass das Tier niemand anderem auffiel. Ein echter Kolkrabe mitten in Wien? Das scheue Tier musste entweder einem Zoo entwichen sein oder sich gründlich verflogen haben. Oder aber ...

Unwillkürlich stand mir die Erinnerung an Demians Tod wieder vor Augen. Der schwarz gefiederte Schatten. Wie er sich auf düsteren Schwingen in die Lüfte erhoben hatte. Sein Krächzen hallte in meiner Seele nach und mischte sich mit den Rufen des anderen Tieres, das in der Gegenwart vor meiner Schwelle hockte. Ich glaubte nicht an so große Zufälle.

Mit gebührender Vorsicht streckte ich meine magischen Fühler aus. Noch stand ich mit einem Fuß in der Tür. Ich musste mich erst vergewissern, dass mir niemand magische Fallen stellte, bevor ich mich ganz aus meinem sicheren Heim wagte.

Der Rabe schien selbst für meine magisch geschulte Wahrnehmung nur ein gewöhnliches Tier zu sein. Ihn umgab keinerlei dämonische Aura. Mittlerweile traute ich mir zu, selbst einen Zauber des Verbergens zu durchschauen. Ich suchte gründlich nach versteckter Magie oder unsichtbaren Beobachtern.

Aber es blieb bei dem verletzten Tier, das hilflos auf dem Pflaster hockte. Unbeachtet von den Passanten, die ohne jedes Interesse an ihm vorbeischlenderten.

Ich wog die möglichen Risiken ab, hielt noch ein weiteres Mal gründlich Ausschau, dann wagte ich es. Mit einem Schritt war ich aus der Tür und mit zwei Schritten bei dem Raben. Er sah mich ruhig an, plusterte seine Flügel, zeigte aber sonst keine Zeichen von Furcht oder Aggression. Möglicherweise stand er unter Schock.