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Warum wird aus einer harmlosen Schatzsuche ein lebensgefährliches Abenteuer? Die erste Liebe ist zum Greifen nah und jetzt? Wie kann einem Mobbingopfer am besten geholfen werden? Wer findet das wirksamste Gegenmittel gegen Langeweile, Lustlosigkeit und Unterforderung? Wie löst der Lehrer das Problem mit einer in ihn verliebten Gymnasiastin? Nach den Sommerferien werden jedes Jahr sechs neue Schüler in das "Internat am Schlossberg" aufgenommen, die natürlich vorher Abschied genommen hatten von einem mehr oder weniger geliebten Zuhause. Das kleine Gymnasium wird sehr modern geführt und liegt in Meersburg, der historischen Stadt am Ufer des Bodensees. Die überraschenden Erlebnisse dieser neuen 'Lebensgemeinschaft auf Zeit' insbesondere von Leyla und Gino, Marlene, Marit und Felix, Carlo und Isabel sowie von den Lehrern Alice und Klaus werden spannend und einfühlsam erzählt. "Diesen Jugendroman habe ich speziell für meine Leserinnen und Leser geschrieben, die auch gerne einmal in sozialer Verantwortung stehen und ein Herz für ihre Mitmenschen haben." Eure Cécile Tourin
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Seitenzahl: 264
Veröffentlichungsjahr: 2014
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Cécile Tourin
Das Internat am Schlossberg
Edelmanns Gold - Das Abenteuer sowie Geschichten von Freundschaft, Liebe und Leid
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Inhaltsverzeichnis
Titel
Kapitel 1
Gino
Empfang am anderen Ufer
Auf Entdeckungstour
Leyla
Erster Schultag
Einladung mit Hindernissen
Isabel
Carlo
Isabels Waterloo
Alice
Carlos großartige Entschuldigung
„Edelmanns Gold“ - Die Legende
Aufregende Neuigkeiten
Das neue Bike
Marit
Das Zisterzienserkloster
Die Nacht der Entscheidung
Die Schatzsuche beginnt
Gino und Leyla allein in der Burg
Marlenes Trauma
Panik im alten Speicher
Kinderstreich macht Todesangst
Schuldig oder unschuldig?
Die Rückkehr
Nur eine Notlüge
Großvaters Rat
Die Wahrheit
Ein neues Abenteuer beginnt
Bei Nora in Konstanz
Marit und Marlene
Marlene trifft Nora
Überraschend Neues vom Goldschatz
Marlenes neue Freiheit
In London offenbart sich die ganze Tragödie
Von Cècile Tourin ist bereits erschienen:
Impressum neobooks
Das Internat am Schlossberg
„Edelmanns Gold“ und andere Abenteuer
Cècile Tourin
„Ihr wollt mich also loswerden!“ „Nein, das ist nicht das richtige Wort für das, was ich gerade sagte!“ „Dann erklär‘s mir noch einmal, denn ich weiß nicht, wie ich es anders verstehen soll, wenn ihr mich wegschickt!“ „Wir schicken dich nicht weg, sondern wir möchten, dass du auf eine neue Schule gehst, drüben in Meersburg, nicht weit von hier, nur über den See. Schau, da kannst du hingucken!“ „Ich weiß schon selber was ich sehe, wenn ich dort rüber nach Deutschland gucke! Aber ich darf nicht mehr bei euch wohnen und soll sogar meine Heimat und meine Freunde verlassen. Ich verstehe das nicht und ich will das Ganze auch nicht!“
Der Junge riss sich zwar zusammen, aber er spürte, wie Tränen in ihm aufstiegen. „Gino, du hast in dem Internat die Möglichkeit, deine Zensuren zu verbessern und du wirst mit Sicherheit dort auch neue Freunde finden. Und dein Zuhause bleibt dir doch hier auch.“ „Was soll das denn für ein Zuhause sein, es ist doch keiner mehr da von euch! Meinst du ich weiß nicht, dass du auf Reisen gehst, sobald ich weg bin? Deine Telefongespräche in der letzten Zeit waren doch deutlich genug, haltet mich doch nicht für so blöd!“ Der Junge begann nun doch zu weinen und war zugleich wütend darüber. Seine Mutter trat zu ihm und wollte ihn in den Arm nehmen, aber er stieß sie weg. Die sollte ihn jetzt bloß nicht auch noch anrühren!
Als das Telefon klingelte, sah sie auf das Display und sagte: „Papa ist es“, und nahm das Gespräch an. „Ja, er ist hier, wir sprechen gerade darüber.“ Die Mutter sah Gino bedeutungsvoll an, während am anderen Ende sein Vater sprach. Dann reichte sie ihrem Sohn das Telefon. Der Junge nahm ihr das Gerät aus der Hand und sagte: „Stimmt das, was Mama mir gesagt hat?“ „Was hat sie denn gesagt?“ „Ich soll weg von euch!“ „Was ist denn das für ein Quatsch!“ Sie hat es aber gesagt, ich soll nach den Ferien drüben in Deutschland auf ein Internat!“
„Hör mal, Gino, in erster Linie wollen wir, dass du dich in deinen Leistungen verbesserst. Wir haben uns erkundigt und die Schule in Meersburg scheint uns sehr geeignet zu sein. Die Leiterin ist übrigens eine Bekannte von mir. Das hat doch Vorteile für uns alle!“ „Aber ich lasse alle meine Freunde zurück, mein Zimmer, meine Sachen. Das könnt ihr doch nicht machen!“
Ginos Mutter hatte sich inzwischen umgedreht und schaute aus dem Fenster in den Garten. Denn plötzlich fiel es ihr schwer, in Ginos verzweifelte Augen zu blicken. Natürlich war das jetzt eine schwere Stunde, das war ihr seit langem bewusst, aber nun gab es kein Zurück mehr. Nach einiger Zeit wird sich ihr Sohn schon wieder beruhigen.
„Gino“, sprach der Vater weiter, „das ist eine neue gute Chance für dich. Mensch, du bist doch kein Kind mehr, du wirst auch wieder Freunde finden. Ich stelle mir das toll vor, mal ein paar neue Leute kennenzulernen. Meersburg ist doch auch super, dort ist immer etwas los. Das Gymnasium hat sogar einen eigenen Segelclub, eine Fußballmannschaft und andere interessante AG`s, also besser geht es doch gar nicht. Schau, meine Arbeit lässt es nicht zu, mich mehr um dich zu kümmern. Ich rufe momentan aus Mailand an. Ab morgen bin ich für zwei Wochen sogar noch weiter im Süden, nämlich in Rom und danach in Palermo auf Sizilien. Und deine Mutter möchte auch mal unbeschwert verreisen können. Das kann sie aber nur, wenn sie weiß, dass du gut aufgehoben bist. Gino, hörst du mir noch zu? --- Gino --- ???“
Der Junge merkte, dass es keinen Zweck hatte. Sein Vater und er redeten aneinander vorbei, wie schon so oft. Wortlos gab er das Telefon der Mutter zurück und rannte hinauf in sein Zimmer. Dort warf er sich auf das Bett und heulte in sein Kissen. Nach einer Weile klopfte es an der Tür und seine Mutter trat zu ihm heran. „Ich will dich nicht sehen!“ „Aber Gino ---.“ „Ich will auch nichts von dir hören. Ich frage mich nur, warum ich überhaupt geboren worden bin, wenn ihr mich jetzt nicht mehr wollt. Ich kann am Allerwenigsten dafür, dass ich da bin! Aber ich bin auch nicht wie ein Buch aus der Leihbücherei, das man zurückgibt, wenn es einem nicht gefällt oder man es ausgelesen hat.“ „Gino, das ist jetzt sehr verletzend, was du sagst.“ „Und wie ist das, was du sagst, und wie es mir dabei geht, und wie ich mich fühle? Was glaubst du wohl, hä?“ Er schluchzte wieder in sein Kissen.
Die Mutter sah ein, dass es keinen Sinn machte, jetzt weiter zu diskutieren und verließ das Zimmer ihres Jungen. ‚Wir werden in dieser Situation alle Federn lassen, das war mir klar‘, dachte sie, aber ihr Entschluss stand fest. Die kurzen Urlaube, die sie zusammen mit ihrem Mann und Gino bisher verbracht hatte, reichten ihr längst nicht mehr. Sie wollte richtig große Reisen unternehmen, Abenteuer, Kreuzfahrten und Fernreisen in andere Kontinente wie Afrika, Indien und Australien, um dort so lange bleiben, wie sie wollte. Fremde Kulturen kennenlernen, interessante Leute treffen, die ganze bunte Welt mit allen Sinnen erleben! Ihr Mann hatte daran weder das Interesse noch die Zeit, sie zu begleiten. Francesco Bertani ist ein erfolgreicher Unternehmer in der Textilindustrie und somit Garant für die finanzielle Unabhängigkeit der Familie. Die Arbeit ist sein Leben. Ihm ist es egal, wie viel und wofür seine Frau Geld ausgibt, deren Traum es seit langem ist, ihre Reiseerlebnisse später einmal als Buch zu veröffentlichen.
In diesem Sommer ist Sonja vierzig Jahre alt geworden und ihr Entschluss stand seit dem unumstößlich fest, die nächsten 5 - 10 Jahre intensiv für sich zu nutzen. ‚Wenn nicht jetzt, wann dann?‘ Das ist ihr Leitsatz, an dem sich ihre Pläne ausgerichtet haben und die Gedanken daran sie nicht mehr loslassen wollen. Deshalb gedieh bei ihr der Plan mit dem Internat.
„Eigentlich müsste ich euch hassen, aber das kann ich leider nicht“, sagte Gino am nächsten Morgen zu seiner Mutter, während sie ihn erwartungsvoll ansah, als er hinunter in die Küche kam. Dann verließ er ohne Frühstück das Haus, fuhr mit dem Fahrrad zu dem kleinen Yachthafen des Ortes und setzte sich an seinen Lieblingsplatz am Ende des Anlegestegs.
Er hatte die ganze Nacht an das gedacht, was jetzt auf ihn zukommen würde. Sein neues Leben würde ja bereits in wenigen Tagen beginnen, denn die Ferien in Deutschland waren bald zu Ende. Im Internet hatte er sich bereits über die Schule informiert. Dort müsste er mit einem anderen Jungen zusammen in einem Zimmer wohnen, auch das noch! Nun ja, manchmal hatte sich Gino schon einen Bruder oder eine Schwester gewünscht, denn zu oft kam es ihm vor, als ob seine Mutter allzu sehr auf ihn fixiert war. Ansonsten hört sich die Beschreibung des Internats wirklich nicht schlecht an. Das Essen wird allgemein gelobt. Bio-Küche mit teilweiser Versorgung aus eigenen Gemüsegärten! Nur ungefähr 50 Schüler gibt es dort, Jungen und Mädchen ab der 9. Klasse. Etwa 10 Lehrer unterrichten und mindestens einer von denen wohnt sogar selbst in der Schule. Die Rektorin heißt Dr. Iris Kern. Also langweilig würde ihm bestimmt nicht werden, da ist er sich ziemlich sicher, denn es gibt tatsächlich viele interessante Sport- und Arbeitsgruppen. Richtig toll fand es Gino, dass man sogar mitgärtnern kann.
Einige seiner Mitschüler von hier hatten ja früher auch schon auf Internate gewechselt, das waren aber oft schwierige Typen, mit wirklich schlechten Zensuren und Störenfriede. Bei ihm ging es ja nur darum, dass seine Eltern keine Zeit mehr für ihn haben! Gut, der beste Schüler war er nicht, aber im mittelgut zu sein, hat ihm ja auch stets genügt. So, aber jetzt will er stark sein, nahm er sich fest vor. Seine Eltern sollen sich über ihn wundern, er schultert das! Und übrigens Zuhause, was bedeutet das schon? Sein Vater ist Italiener, seine Mutter ist Deutsche und er lebt in der Schweiz. Also was oder wo ist sein Zuhause? Gino wird es selbst herausfinden müssen und den schönen Bodensee gibt schließlich auch am anderen Ufer in Meersburg.
Die nächsten Tage nutzte er, um die wichtigsten Sachen zusammen zu suchen, die er für seine neue Schule brauchen wird, und um sich von seinen Freunden zu verabschieden. Natürlich fiel es Gino nicht leicht, seiner vertrauten Umgebung und den anderen Jungs ade zu sagen. Tröstlich für ihn war aber das Gefühl, dass einige von denen ihn sogar darum beneideten, dass er aus dem kleinen Schweizer Ort herauskommt. Zumal am anderen Ufer und weit weg von den Eltern, bestimmt auch manch neue Freiheit winkt. So kann man es natürlich auch sehen und er fühlte sich seinen Freunden gegenüber gleich sehr viel erwachsener. Man traut ihm also was zu, toll!
Am Tag der Abreise gab ihm seine Mutter einen Briefumschlag. „Hier ist Geld drin und eine Bankkarte. Die Geheimnummer ist vierstellig und besteht aus dem Tag und dem Monat von Papas Geburtstag. Du kannst damit an den Geldautomaten in Deutschland und in der Schweiz Bargeld abheben. Pass gut darauf auf! Und pass vor allem gut auf dich auf. Papa und ich lieben dich Gino, denk bitte trotz allem daran.“
Sie fuhren mit dem Auto nach Konstanz und die Mutter half ihm noch dabei, sein Gepäck auf das Schiff zu bringen. “Dein Opa holt dich drüben ab und bringt dich nach oben in die neue Schule.“ Er wurde das Gefühl nicht los, dass sie das hässliche Wort ‚Internat‘ nicht aussprechen wollte. Nach einer kurzen Umarmung, bei der er sich unwillkürlich verkrampfte, ging sie zurück an Land und winkte dem Schiff hinterher, als es abgelegt und Fahrt aufgenommen hatte. Gino stand an der Reling und schaute zurück. Wenigstens etwas traurig kam ihm seine Mutter ja vor. Wieder stiegen Tränen in ihm auf und es bildete sich ein Kloß in seinem Hals. Er wollte nicht winken, nur hier stehen.
Nach einer Weile ging er hinüber zum Vorschiff. Dort lag seine Zukunft also vor ihm. Die Kulisse von Meersburg war ihm ja seit langem vertraut. Links oben der Turm der alten Burg, zum Teil ist sie ja eine Ruine, rechts davon das neue Schloss und daneben das große „Droste-Hülshoff-Gymnasium“. Unten am Wasser schlängelt sich die Uferpromenade mit den vielen kleinen Geschäften und Gasstätten, das Eiscafé. Sein Opa ist der Vater seiner Mutter. Einige Male schon durfte Gino alleine hinüberfahren um ihn zu besuchen. Er ist ein bisschen knorrig, aber eigentlich ganz o.k. Die Oma ist schon so lange tot, dass der Junge sich nicht mehr so recht an sie erinnern konnte. Der alte Mann lebt alleine in einem kleinen Haus am Ortsrand von Meersburg.
Als das weiße Schiff dem Hafen langsam näher kam, konnte Gino ihn schon von weitem erkennen, denn er ist ein großer Mann mit einer sehr aufrechten Körperhaltung. Nachdem das Schiff festgemacht hatte, rumpelte der Junge mit seinen beiden Rollkoffern die Aluminiumrampe hinunter auf den Anleger. Der Großvater drückte ihn kurz an sich und wuselte ihm mit einer Hand über das Haar. Gino nahm den ihm vertrauten Geruch eines Pfeifentabaks wahr. Wieder wollten in ihm Tränen aufsteigen, aber er biss sich tapfer auf die Lippen. Sein Opa nahm sich einen der Koffer und sagte nur „Na, komm.“ Er ging voran, um gleich darauf wieder bei einem freien Tisch vor dem italienischen Eiscafé anzuhalten. „Wir setzen uns hier erst einmal in aller Ruhe hin.“ Sie bestellten sich ein gemischtes Eis und einen Eiskaffee. Der alte Mann war kein Freund von vielen Worten und kam meist schnell auf den Punkt. So auch jetzt, nachdem er an seinem Getränk genippt hatte.
„Sonja hat mich erst vor kurzem informiert, dass du herkommst. Zunächst war es auch für mich eine Überraschung, aber nach einigem Nachdenken fand ich die Idee gar nicht so übel.“ Gino sah in die ehrlichen blauen Augen des alten Mannes und nickte. Er war froh, dass wenigstens sein Opa jetzt hier bei ihm war. Seine Gegenwart hatte auf ihn schon früher immer sehr beruhigend gewirkt. Der Vater seiner Mutter hatte ihm immer das Gefühl gegeben, dass er den Jungen genauso ernst nimmt, als wäre er ein Erwachsener.
„Sie hatten noch an ein Internat in Lausanne und an eines in Italien gedacht“, fuhr der alte Herr ruhig fort, „sich aber dann für dieses hier am Schlossberg entschieden. Dein Vater kennt die Rektorin und vielleicht spielt es ja auch eine kleine Rolle, dass ich hier wohne.“ Er konnte sich natürlich vorstellen, warum sein Schwiegersohn die Schulleiterin kennt, denn es ist ihm wohl bekannt, dass der es mit der ehelichen Treue nicht so genau nimmt, aber seine Tochter hatte sich scheinbar irgendwie mit den sonderbaren Gegebenheiten ihrer Ehe arrangiert.
Der Junge nickte wieder und rührte in seinem Eisbecher herum, dessen Inhalt sich langsam zu verflüssigen begann. „Pass auf, das wird schon“, hörte er noch, dann war Schweigen. Wie immer an den Sommertagen herrschte ein reges Treiben hier im Hafengebiet, besonders wenn die Ausflugsschiffe an- oder ablegten. „Woll’n wir?“, fragte der Großvater, nachdem der Eisbecher leer und auch der Kaffee ausgetrunken war. Gino nickte langsam, atmete tief durch und dann standen die beiden auf.
Sie gingen bis zum Parkplatz und luden das Gepäck in einen alten Geländewagen. Gino hat es immer toll gefunden, dass sein Opa so ein uriges Auto fuhr – nämlich einen betagten dunkelgrünen Land Rover – einen Direktimport aus England, der sogar Lenkrad auf der rechten Seite hatte. Den kaufte er einem englischen Soldaten ab, als der in seine Heimat zurückbeordert wurde. Und das war lange bevor solche Wagen hier allgemein als chic galten. Sie fuhren die kurze Strecke hinauf zum Schlossberg. Dort befand sich das Internat in unmittelbarer Nachbarschaft des anderen großen Gymnasiums oberhalb der Ufermauer. Im Garten des Gebäudes hantierte ein Mann in einer grünen Latzhose mit einer großen Harke. Er hatte ein kariertes Hemd an und auf dem Kopf trug er einen mächtigen Strohhut. Als der Jugendliche und der Ältere aus dem Wagen stiegen und das Gepäck ausluden, kam er auf sie zu und streckte ihnen zur Begrüßung seine Hand entgegen. „Willkommen, ich bin Michael und hier der Hausmeister“, sagte er freundlich. Der Großvater nickte und legte seine Hand auf Ginos Kopf. „Das ist mein Enkel Gino Bertani, er zieht heute hier ein und ich bin Clemens Berger.“ „Sie kommen mir irgendwie bekannt vor.“ Der Gärtner musterte die Ankömmlinge aufmerksam. „Ja, sie mir auch, ist ja kein Wunder, denn ich wohne hier im Ort“, murmelte der Großvater. „Genau – deshalb – ah ja. Ich hole gleich mal den Felix.“ Fragend schauten die beiden Besucher ihn an. „Ach so ja, also Felix ist der Zimmerkollege von dir.“ Michael nahm die beiden Koffer in seine großen Hände, ganz so, als ob sie nichts wiegen würden und trug sie in das Gebäude.
Gino und sein Opa schauten sich abwartend an und blieben mitten in dem großen Garten stehen. „Viel zu tun hier“, sagt der Großvater mit Kennerblick, während er sich interessiert umschaute. Da kam der Hausmeister auch schon wieder und hinter ihm her trottete ein blasser Junge mit struppigen blonden Haaren, beide Hände in den Taschen seiner Jeans versenkt. „Das ist Gino, das ist Felix.“ Der Mann in der Latzhose lächelte die beiden Jungen aufmunternd an. Die begrüßten sich mit einem kurzen ‚Hallo‘ und standen dann, sich etwas verlegen musternd, herum.
Sein Opa gab Gino einen leichten Klaps auf die Schulter. „Also, ich geh‘ dann mal. Mach‘s gut mein Junge. Wenn du mich brauchst, weißt du ja wo du mich findest. Ade Herr …“ „Sagen sie einfach Michael. Das gilt übrigens auch für dich, Gino.“ Der Großvater nickte dem Felix auch noch kurz zu, wandte sich um und verließ langsam das Gelände, ohne sich noch einmal umzudrehen. „Die Koffer sind schon auf deinem Zimmer, lass dir am besten alles von Felix zeigen, o.k.?“ Der Hausmeister klopfte beiden freundlich auf die Schulter und widmete sich wieder seiner Arbeit.
Felix ging auf den breiten hölzernen Treppen in den zweiten Stock voran und öffnete eine Tür am Ende des Ganges. „Das ist eines der besten Zimmer hier, mit Seeblick. Ich habe zuerst woanders gewohnt, aber als das hier frei wurde, bin ich schnell umgezogen.“ „Wie lange bist du schon hier?“ „Ein Jahr, ich komme jetzt in die Zehnte.“ „Und?“ „Was und?“ „Wie ist das hier so?“ „Ganz o.k. soweit.“ Gino sah sich neugierig um. Das gemeinsame Zimmer bestand aus einem großen Raum, der durch Kleiderschränke in zwei Einheiten aufgeteilt wurde. In jeder Hälfte standen ein Schreibtisch vor einem Fenster und ein Bett an der Wand. Über den Fußenden der Betten waren moderne Flachbildfernseher angebracht. Sideboards und zahlreiche Regale sind ebenso vorhanden wie ein bequemer Sessel. „Internet?“ „WLAN.“ Gino nickte zufrieden. Er zeigte auf das große Plakat des Hamburger Sportvereins HSV, das mit Tesafilm an der Wand befestigt war. „Bist du nur Fan oder kommst du auch von da?“ „Aus der Nähe von Hamburg, ja. Und du?“
„Ich wohne eigentlich hier schräg gegenüber, in der Schweiz.“ Gino zeigte mit ausgestrecktem Arm in Richtung des Sees. „Und wieso eigentlich?“ „Na ja, ab jetzt wohne ich eben hier.“ „Darüber scheinst du ja nicht gerade begeistert zu sein, oder?“ „Warst du es denn, als du hier her kamst?“ Felix zuckte lässig mit den Schultern. „Also bei mir herrschte ein ziemliches Chaos zu Hause und ich war froh, von da weg zu kommen.“ Gino nickt nachdenklich. „Spielst du auch Fußball?“ „Na klar, es gibt hier zwei Mannschaften, Allerdings mit nur jeweils acht Leuten. Mehr kriegen wir leider nicht zusammen. Und dann sind auch noch einige Mädchen mit dabei, aber die spielen gar nicht mal so schlecht. Andere sind in der Segel AG, spielen Volleyball oder Tennis. Und ein paar Leute machen gar nichts, außer im Internet zu surfen.“ „Wenn ich auch mit Fußball spielen will, brauchen wir ja noch einen.“ „Wieso?“ „Ja, ungleiche Zahl halt, denn dann wären wir 17.“ „Es kommen ja heute noch 5 andere Neue. Da wird schon noch einer dabei sein oder du kommst auf die Bank.“ Felix lachte. „Auf die Bank gehe ich nicht!“, protestierte Gino. „Na ja, schau‘n wir mal.“ „Ja genau, ich räum‘ erst mal ein.“
Auf seinem Schreibtisch lag eine lederne Mappe. Gino schlug sie auf und las: „Willkommen im „Gymnasium am Schlossberg“. Felix rief ihm zu: „Das ist die Hausordnung, kannste lesen, kannst mich aber auch fragen. Der nächste Programmpunkt heute Nachmittag ist, dass wir uns um 3 Uhr Kuchen und Obst von unten holen können. Wenn ab morgen wieder der Unterricht beginnt, ist um 3 allgemeiner Schulschluss und eine halbe Stunde Kaffeepause. Natürlich gehen die AG‘s danach meist noch weiter, aber um halb 6 ist auch damit Schluss und um 6 gibt es Abendessen. Kaltes und warmes, was das Herz begehrt sozusagen. Um 8 Uhr müssen die, die noch keine sechzehn sind, im Haus - zumindest aber hier auf dem Grundstück - sein. Die 16- und 17-jährigen um 10 und wer 18 ist, muss spätestens um Mitternacht die Haustür von innen zu machen.“
Die Jungen gingen hinunter in das Casino und bedienten sich ausgiebig am Kuchenbüffet. Der Kaffee, der in großen Thermoskannen bereitsteht, ist zwar koffeinfrei, schmeckt aber trotzdem ziemlich gut, erklärte Felix. Außerdem zeigte er, wo und wie man sich Kakao und verschiedene Tees zubereiten kann, ebenso auch den Kühlschrank mit den reichlich vorhanden kalten Getränken.
Der Raum erschien zwar nicht gerade gemütlich, aber solide und zweckmäßig eingerichtet. Viele bodentiefe Fenster ließen das Tageslicht herein und dadurch war es hier angenehm hell. Wie im ganzen Gebäude war Parkett verlegt und die Wände waren in warmen, mediterranen Tönen gestrichen. Moderne Bilder, Plakate und dreidimensionale Phantasiewerke verbreiteten eine frische und moderne Atmosphäre. Felix bemerkte Ginos interessierte Blicke, deutete auf die Deko und sagte: „Von den Kreativ-AG Leuten.“ Gino nickte anerkennend. Sie setzten sich an einen der Tische. Es gab welche mit vier und einige mit sechs Stühlen Drumherum. Alles war aus massivem hellem Holz gefertigt. „Gibt es eine Sitzordnung?“ „Nein, alles ist frei wählbar. Du wirst es morgen früh auch bei der Ansprache von Frau Kern zu hören bekommen. ‚Hier herrscht der Geist der Freiheit‘. Aber es ist wirklich so, nur das Allerwichtigste ist streng geregelt.“
Heute waren nur wenige Schüler hier unten, es ist ja auch der letzte Ferientag. Als sie wieder auf ihrem Zimmer waren, setzte sich Felix an seinen Computer und Gino räumte weiter seine Sachen ein. Als er damit fertig war, half ihm Felix sein Notebook am WLAN-Netz anzumelden. Im Posteingang war bereits sogar eine E-Mail, aber ausgerechnet eine von seinem Vater: „Hallo Gino, ich hoffe, dass du gut in der neuen Schule angekommen bist. Morgen geht der Unterricht los und deshalb wünsche ich dir viel Erfolg und Spaß dabei. Sobald ich einmal in der Nähe bin, werde ich dich besuchen. Für alle Fälle ist ja Opa Clemens in der Nähe. Natürlich kannst du auch Mama oder mich jederzeit anrufen. Mach`s gut mein Junge, bis bald!“
Gino klappte lautstark den Deckel des Notebooks zu und nach einer kurzen Denkpause sagte er zu Felix: „Du ich gehe mal alleine durchs Haus, ja? Ich will mich ein wenig umschauen.“ „Sei kurz vor sechs wieder hier, wir können dann zusammen zum Abendessen runter gehen.“
Gino ging über den Flur und öffnete die Tür zu den Toiletten. Es sah alles sehr modern und sauber aus. Dann betrat er den dahinter liegenden Duschraum. Er hatte natürlich eine Vorstellung von Gemeinschaftsduschen und kannte die aus seiner Schule, aber hier wurde er angenehm überrascht. Es gibt 6 abgeteilte Kabinen. Wie bei manchen Umkleiden in den Klamottenläden sind davor Pendeltüren vom Knie an aufwärts als Sichtschutze angebracht. Das ist Gino sehr recht, denn er mag sich nicht so gerne vor aller Augen ausziehen, geschweige denn duschen.
Zurück auf dem Gang sah er, dass neben jeder Tür der Wohnräume zwei Schilder angebracht sind. Sie zeigten die Vornamen und meist sehr individuell gestaltete Fotos, manchmal sogar gezeichnete Porträts der beiden Bewohner. Er stellte staunend fest, dass auf dem gleichen Flur Jungen und Mädchen wohnen, aber sogleich fiel ihm ein, dass ja auch getrennte Duschräume und Toiletten auf jedem Gang vorhanden sind. Im Treppenhaus stieg er hinauf in die 3. Etage. Auf den ersten Blick sah es hier genauso aus, wie auf seinem Flur. Zwei Mädchen kamen ihm entgegen. Sie waren älter als er, zumindest sahen die beiden so aus. Sie riefen ihm im Vorbeigehen ein freundliches ‚Hallo‘ zu.
‚Ist ja vielleicht gar nicht so schlecht hier‘, dachte Gino und machte sich wieder auf den Weg nach unten. In der ersten Etage sind Unterrichtsräume, das Lehrerzimmer und eine Art Teeküche. Im Erdgeschoss befinden sich außer dem Casino noch die Küche und weitere Klassenräume. In die kleine, an das Hauptgebäude angebaute Turnhalle kommt man durch einen kurzen Laubengang. Der Pausenhof hat eine spezielle Bodenbeschichtung und kann auch als Sportplatz genutzt werden. Rund um das Gebäude befinden sich Gärten, vorne eher mit Blumen, einer Wiese und alten Bäumen. Weiter hinten jedoch ist der für ihn interessantere Teil, dort liegen die Obst- und Gemüsegärten sowie einige Gewächshäuser. Er war begeistert von den Tomatenpflanzen und staunte über die vielen verschieden Sorten, die hier wuchsen. Er probierte hier eine runde gelbe und dort eine längliche grüne und natürlich die kleinen roten Datteltomaten und war mit dem vollen Geschmack der Strauchgemüse sehr zufrieden. Angebaut wurden auch noch allerlei Gurken, grüne und gelbe Zucchini, verschiedene Sorten Kürbisse, Kohlrabi, Möhren, Radieschen, Spinat, viele Salatsorten und eine Menge Küchenkräuter in extra angelegten Beeten. Er entdeckte sogar noch eine späte Sorte Erdbeeren, die er gleich probierte und bereits abgeerntete Johannisbeeren- und Stachelbeerbüsche. Erschrocken fuhr er zusammen, als hinter ihm eine Stimme ertönte, denn er hatte niemanden kommen hören.
„Toll was, gefällt es dir?“ Als er sich umdrehte, sah er, dass es Michael, der zugleich Hausmeister und Gärtner war. Gino nickte sichtlich beeindruckt, denn die Vielfalt in dem großen Garten gefiel ihm sehr. „Kann man hier mittun?“, fragte er vorsichtig. „Ja klar, du kannst dich z.B. für die Garten-AG melden. Das wäre das Beste. Ich glaube da sind so vier, fünf Leute drin, die helfen mir ganz gut. Einmal die Woche kommt auch ein richtiger Bio-Bauer zu uns, gibt Tipps und manchmal bringt er auch neue Pflanzen für einen versuchsweisen Anbau mit.“ Michael führte ihn dann noch durch die Gewächshäuser, dort wo viele junge Gewächse erst einmal keimen und aufwachsen. Und dort waren auch die kälteempfindlichen Gemüse wie Auberginen, Paprika, Gurken und einige neue Tomatensorten, die ihm unbekannt waren. „Ich würde mich freuen, wenn du hier mitmachst, ich denke, dass du echtes Interesse hast.“ Der Hausmeister nickte ihm aufmunternd zu. „Ja und das nicht nur am Gärtnern, auch am Kochen und Essen, natürlich.“ Michael musste lachen. „Wo kommst du her?“ „Von drüben aus dem Thurgau.“ Gino verabschiedete sich dann aber, denn es wurde höchste Zeit, sich zum Abendessen zu begeben.
„Na, wie ist es?“, fragte sein Mitbewohner, als er wieder ins Zimmer kam. „Och, ganz gut so weit, also das was ich bis jetzt gesehen habe, gefällt mir, besonders die Gärten.“ „Dann bist du wohl ganz gut in Bio, oder?“ „Ist mein Lieblingsfach, ja.“ „Meins eher nicht, aber wir können uns ja gegenseitig helfen. Mathe zum Beispiel kann ich gut und auch Physik, Deutsch und Sprachen wieder nicht, wie ist denn das bei dir?“ „Das passt schon“, antwortete Gino, „schön, dass wir uns einig sind.“
Dann gingen sie hinunter in das Casino. Ein munteres Stimmengewirr kam ihnen bereits im Treppenhaus entgegen. Ungefähr die Hälfte der Schüler hatte sich bereits zum Essen eingefunden. Heute gibt es allerdings nur kalte Küche, warme Gerichte werden ab morgen serviert, mit dem Schulbeginn. Aber auch heute schmeckte es Gino schon sehr gut. Eine große Auswahl wurde präsentiert. Es gab viele verschiedene Brotsorten, Schinken, Käse auch aus Ziegen- und Schafsmilch, Lachsforelle, Räucherfelchen sowie schmackhafte vegetarische Aufstriche. Frische Salate standen auch bereit.
Zunächst saßen Felix und Gino alleine an einem Vierertisch. Kurze Zeit später kamen noch zwei Schüler hinzu. „Charlotte und Robin - Gino.“ Felix übernahm das Vorstellen mit den entsprechenden Gesten. Die beiden Hinzugekommenen sagten ‚Hallo‘ und Gino sein schweizerisches ‚Grüezi‘ und gab damit gleich kund, wo er herkommt. Er erfuhr, dass die beiden mit Felix in dieselbe Klasse gehen und auch schon 1 Jahr hier sind. Dann berichteten sie von ihren Ferienerlebnissen. Charlotte war mit ihrem Vater an der italienischen Riviera und Robin in einem Ferienlager auf Spiekeroog, einer Nordseeinsel. Seine Eltern sind vor zwei Jahren bei einer Bergtour in Österreich ums Leben gekommen. Das Sorgerecht haben dann seine Tante und deren Mann bekommen. Allerdings kann er nicht bei ihnen wohnen, da die beiden oft beruflich unterwegs sind. Charlottes Eltern leben getrennt und ihre Ferien verbringt sie abwechselnd bei ihrer Mutter und ihrem Vater. Beide wohnen in München.
Felix versteht sich mit seinen Halbgeschwistern und dem neuen Mann seiner Mutter überhaupt nicht, deshalb war er nur eine Woche zuhause in Hamburg. Er hatte sich im letzten Herbst mit dem Schwiegersohn eines Winzers bei Hagnau angefreundet und in den Sommerferien dort einige Wochen in den Weinbergen mitgearbeitet. Das machte ihm Spaß und er hatte sich auch noch zusätzliches Taschengeld verdient.
Auch Gino erzählte, was ihn hierher verschlagen hat und so haben sich die vier an diesem Abend ein wenig näher kennenglernt. Es herrschte allgemein ein ziemlich munteres Stimmengewirr im Casino und Gino gewann den Eindruck, dass viele Schüler gar nicht mal so traurig sind, nach den Ferien wieder hier zu sein.
Nach dem Essen brachte er zusammen mit Felix die Tabletts zum Förderband, auf dem das gebrauchte Geschirr in die Küche gleitet. Plötzlich krachte es hinter ihnen. Einem Mädchen waren offenbar die Teller und das Besteck heruntergerutscht und auf dem Fußboden gelandet. Der hinter ihr stehende Schüler lächelt sie hämisch an. „Oh, das tut mir jetzt aber leid, ich konnte leider nicht wissen, dass du plötzlich stehen bleibst.“ Das Mädchen drehte sich um und funkelte ihn aus dunklen Augen an. „Das machst du nicht noch einmal, hörst du!“ Es war jetzt sehr still geworden in dem Casino und die meisten Anwesenden schauten herüber. Der Junge hob abwehrend die Hände und rief gespielt weinerlich: „Nicht schlagen, bitte nicht schlagen.“ Einige der Schüler lachten. Gino ging hinüber, bückte sich und hob die größeren Scherben auf, während Felix auf den rempelnden Schüler zuging, ihn am Arm fasste und beiseite zog. „Es reicht, Carlo, deine Scherze sind uns hier ja leidlich bekannt.“ „Spiel dich nicht so auf, Felix. Es ist doch nichts passiert, oder?“ „Ja eben“, antwortete Felix ruhig, zog den weitaus größeren Schüler aber trotzdem weiter hinaus auf den Gang vor dem Speiseraum.
Das Mädchen dankte Gino für seine Hilfe und gab ihm ihre schmale Hand. „Ich bin Leyla.“ „Und ich Gino, bist du auch neu hier?“ „Ja, heute ist mein erster Tag.“ Das Mädchen lächelte ihn freundlich an. Sie trug eine rote Bluse, grüne Jeans und rote Turnschuhe. Sehr dunkle, lange Haare umrahmten ihr Gesicht und fielen in lockeren Wellen über ihre Schultern. „Wir sehen uns“, sagte Gino und wandte sich ab, „ich muss dann mal zu Felix.“ Leyla nickte und verließ dann zusammen mit einem anderen Mädchen den Saal.
Sein Mitbewohner war bereits oben auf dem Zimmer, als Gino hineinkommt. „Was war das denn da unten mit diesem Carlo?“ Felix erzählt ihm, dass der Junge gerne andere provoziert. Nicht deswegen, weil er böse Absichten hat, sondern weil er beweisen möchte, dass er hier gerne das Sagen hätte, oder einfach nur Aufmerksamkeit erringen will. „Und warum ist er dann so friedlich mit dir mitgekommen?“
„Er weiß eben, was er an mir hat.“ Felix lächelte listig und erzählt dann, dass er Carlo im letzten Herbst beigestanden hatte, als dieser sich auf dem Weinfest mit einer Gruppe von auswärtigen Jugendlichen angelegt hatte. „Er hat so eine angeborene Arroganz und fällt dadurch leider immer wieder negativ auf.“ „Aha, übrigens - wie geht es denn morgen früh hier für mich los?“ „Ihr Neuen geht um 8 Uhr in das Zimmer von Frau Kern. Dort sagt sie euch ein paar Worte zur Schulordnung und so hochgestochenes vom „Geist der Freiheit und der Eigenverantwortung“ und so weiter. Wahrscheinlich ist der Vertrauenslehrer der Schule, Herr Ferber, auch mit dabei. Der zeigt euch dann euren Klassenraum. Ihr seid ja nur zu sechst, denn Sitzenbleiber gibt’s hier nicht. Jeder wird während des Schuljahres so getrimmt, dass er versetzt wird. Das soll das skandinavische System sein. Aber es ist schon gut so, wie es ist, finde ich.“