Das Kairos-Prinzip - Ursula M. Wagner - E-Book

Das Kairos-Prinzip E-Book

Ursula M. Wagner

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Beschreibung

Kairos, das ist der rechte Moment für eine Entscheidung. Innere und äußere Umstände passen dann optimal zusammen, und wer den Kairos ergreift, der hat richtig gehandelt. Wie man es lernt, den ganz persönlichen Kairos in seinem Berufsleben zu erkennen, das vermittelt Ursula Wagner mit ihrem Buch. Sie präsentiert eine neue Karrieremethode, die jedem unter Bezug auf seine individuelle Biografie die besten Karriere- und Berufsentscheidungen ermöglicht.

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Ursula M. Wagner
Das Kairos-Prinzip
So finden Sie den richtigen Zeitpunkt für den beruflichen Wechsel
Campus Verlag Frankfurt/New York
Über das Buch
»Kairos«, das ist der rechte Moment für eine Entscheidung. Innere und äußere Umstände passen dann optimal zusammen, und wer den Kairos ergreift, der hat richtig gehandelt. Wie man es lernt, den ganz persönlichen Kairos in seinem Berufsleben zu erkennen, das vermittelt Ursula Wagner mit ihrem Buch. Sie präsentiert eine neue Karrieremethode, die jedem unter Bezug auf seine individuelle Biografie die besten Karriere- und Berufsentscheidungen ermöglicht.
Über die Autorin
Dr. Ursula M. Wagner, Dipl.-Psych., ist Geschäftsführerin des Coaching Centers Berlin. Zusammen mit Guido Fiolka begründete sie dort den Integralen Coachingansatz und bildet darin Coachs nach internationalem Standard aus. Das KAIROS-Biografie-Coaching entwickelte Ursula M. Wagner auf Basis ihrer langjährigen Coachingpraxis in der Karriereberatung.

Inhalt

Einleitung
Teil 1 Das KAIROS-Biografie-Coaching – die KBC-Methode
Die KBC-Methode: Selbstcoaching auf der Basis von Wissenschaft und Weisheit
Hase und Igel: Von der Hetzjagd zum Jetztgefühl! Die Bedeutung des Kairos in der Karriereorientierung
Die fünf Phasen der Karriereorientierung
Die Fallbeispiele: Christina, Stefanie und Thomas
Die Umsetzung der KBC-Methode
Die Auswertungselemente der KBC-Methode
Die Basis der KBC-Methode: Die Arbeit mit dem KAIROS-Datenchart
Die Auswertungsschritte des KAIROS-Datencharts
Lifestory: Das gesamte Leben betrachten
Fallbeispiele: Die Überschriften der Lebensphasen von Christina, Stefanie und Thomas
Lebensstranganalyse: Der rote Faden in der Berufsbiografie
Die Karriereanker
Fallbeispiele: Karriereanker als roter Faden in der Berufsbiografie
Kompetenzen: Was ich im Laufe meines Lebens alles gelernt habe
Wie filtern Sie Ihre Kompetenzen heraus?
Kompetenzen auswählen und überprüfen
Resümee: Von der Kompetenzanalyse zur »Fahrstuhl-Akquise«
Werte: Was mir wichtig ist
Werte erkennen
Werte auf ihren Kern überprüfen – essenzielle Werte
Die Werteerfüllung
Auswertung Erfüllungsgrad von Werten – nächste Ziele
Resümee aus der Wertearbeit: Die Stunde der Wahrheit …
Fallbeispiele: Die Werte von Christina, Stefanie und Thomas
Lebensthemen entdecken: Vom roten Faden und von dem, was jetzt aktuell ist
Lebensthemen in der Berufsbiografie: Auswertungsbeispiele
Intergenerationale Lebensthemen
Charakterstärken aufspüren: Was mir hilft, voranzugehen
Erlernt oder wirklich »meins«? Signaturstärken versus erlernte Stärken
Fallbeispiele: Die Charakterstärken von Stefanie und Thomas
Den eigenen Rhythmus erkennen: Von günstigen und anderen Momenten
Fallbeispiele: Die Zyklusjahre in den Datencharts der Protagonisten
Das Jobangebot annehmen oder nicht? Ein Beispiel aus der Coachingpraxis
Fazit aus der KAIROS-Rhythmusanalyse
Teil 2 Von der Zielvision zur Handlung
Bestandsaufnahme und erste Zielvision
Das KAIROS-Gesamtdatenchart
Erlauben Sie sich zu träumen: Mein idealer Job
Vision und Ziele – auf die richtige Formulierung kommt es an
Die erste Zielvision
Innere Mentoren und Saboteure
»Was spricht da alles in mir?« Bestandsaufnahme mit dem »Inneren Team«
Hinderliche Glaubenssätze als Saboteure
Veränderung von Konzepten und Glaubenssätzen
Fazit: »Love it, leave it or change it«
Die Berufungs- und die Karrierefalle
Berufung und Berufungsfalle: Meine eigene Geschichte
Die Karrierefalle: Wie gelingt die Flucht aus dem goldenen Käfig?
Vorwärts, es geht zurück: Prominente Beispiele für den Ausstieg aus der Karrierefalle
KAIROS-Karriereplanung: Meine nächsten Schritte
Typische Szenarien für Karrierewechsel
Szenario 1: Ich kann meine Kompetenzen im derzeitigen Job nicht (mehr) leben
Szenario 2: Ich kann meine Werte mit meinem Job nicht mehr vereinbaren
Szenario 3: Ich fühle mich überfordert in meinem der- zeitigen Job
Szenario 4: Ich fühle mich unterfordert in meinem Job
Szenario 5: Ich will mehr Geld
Szenario 6: Ich will in meiner Laufbahn vorankommen und/oder meine Fachexpertise stärken
Szenario 7: Ich plane einen echten Jobwechsel, einen Quer- einstieg oder will mich selbstständig machen
Wenn Sie nicht »in die Gänge kommen«: Umgang mit heimlichen Widerständen gegen Ihr Ziel
Resümee: Ihr Commitment für die nächsten Schritte der KAIROS-Karriereplanung
Trainieren Sie Ihr Kairos-Gefühl! Das Kurztrainingsprogramm
Teil 3 Anhang
Die Kairos-Datenchart-Vorlagen
Liste der Lebensthemen
Allgemeine Lebensthemen der »Rush-Hour des Lebens« (28–35, 35–42)
Berufliche Lebensthemen – erste Karrierephasen
Berufliche Lebensthemen ab 35+
Allgemeine Lebensthemen der Lebensmitte (42–49, 49–56)
Übungsverzeichnis
Dank
Literatur und weiterführende Adressen
Allgemeine Literatur
Literatur zu speziellen Themen
Weiterführende Adressen und Internetlinks
Anmerkungen

Einleitung

Sind Sie reif für den Wechsel? Möchten Sie weg aus dem Job, den Sie gerade machen? Weg aus dieser Firma und weg von dem neuen Chef? Oder ist es einfachn Zeit für etwas Neues? Haben Sie ein Plateau erreicht, von dem aus Sie den Blick auf die nächsten beruflichen Gipfel oder Rastplätze genießen und nun dorthin aufbrechen wollen? Möchten Sie einen lang gehegten beruflichen oder privaten Traum verwirklichen?
Dann ist es Zeit. Zeit für Sie, herauszufinden, ob Sie diesen Wechsel jetzt wirklich umsetzen sollten. Oder ob es sich um eine Stimmung handelt, die bei näherer Prüfung ergibt, dass Sie sich in Summe doch ganz wohl fühlen und ein Wechsel keine Verbesserung bringen würde. Egal wie Ihre Entscheidung ausfällt: Es ist Zeit für Sie, eine Bestandsaufnahme zu wagen, um den richtigen Zeitpunkt für eine Veränderung zu erkennen. Oder sich klar und ruhig für Ihre jetzige berufliche Situation zu entscheiden und vielleicht nur kleinere Änderungen vorzunehmen. In jedem dieser beiden Fälle handeln Sie in Einklang mit dem KAIROS-Prinzip.
Kennen Sie solche Momente? Sie rufen eine Freundin an, und ihre ersten Worte sind: »Wie gut, dass du anrufst, ich muss dir noch wichtige Änderungen zu unseren Reiseplänen mitteilen!« Oder Sie haben das Gefühl, dass Sie gerade jetzt noch einmal in das kleine Geschäft gehen sollten, wo Sie neulich noch diese hübsche Uhr gesehen haben. Kaum betreten Sie den Laden, sagt der Verkäufer: »Gut, dass Sie gerade heute kommen, wir haben nur noch ein Exemplar da und werden keine neue Ware mehr in diesem Design erhalten.« Solche Momente nennt man »Kairos« – den günstigen Augenblick abpassen, das Richtige zur richtigen Zeit tun. Das Wort »Kairos« stammt aus dem Altgriechischen und bezeichnet den günstigen Augenblick, den rechten Moment. Nach diesem Begriff ist meine Coachingmethode zur beruflichen Orientierung benannt. In der chronologisch verlaufenden Zeit, die für uns immer schneller dahinzurasen scheint, sind solche Kairos-Momente eine glückliche Fügung. Die Zeit steht still. Gemeint ist mit Kairos ein Zeit- und Lebensgefühl großer Übereinstimmung zwischen unserem inneren Wollen und Wünschen auf der einen und der Summe unserer äußeren Lebensumstände auf der anderen Seite. Plötzlich ergeben sich die Dinge »wie von selbst«, alles scheint einer inneren Logik zu folgen. Unser Bedürfnis nach Orientierung und Sinn ist dann erfüllt. Viele Menschen wünschen sich das zunehmend auch in beruflicher Hinsicht. Und genau da setzt das KAIROS-Biografie-Coaching an, das ich über viele Jahre entwickelt habe. Zu Ihrer Orientierung: Ich schreibe das Wort »Kairos« jeweils in kleinen Buchstaben, wenn ich den aus der griechischen Mythologie stammenden Begriff für den günstigen Augenblick meine; bei »KAIROS« in Großbuchstaben handelt es sich um die von mir entwickelte Coachingmethode.
Und Sie selbst können lernen, solche Fügungen für Ihre beruflichen Entscheidungen in Ihrer aktuellen Lebensphase wahrzunehmen und willkommen zu heißen. Denn neben dem Zeitaspekt hat Kairos vor allem damit zu tun, das Wesentliche, das wirklich Wichtige zu erkennen und dann umzusetzen. Und den nächsten richtigen Schritt in der aktuellen Lebensphase zu erkennen, ist gerade in der Berufsorientierung ein zentraler Punkt. Unabhängig davon, ob Sie mit Mitte 30 einen Aufstieg planen, mit Mitte 40 neue Motivation suchen oder zur 50-plus-Generation gehören und noch einmal neue Ufer erreichen und mehr Sinn im Beruf finden möchten.
Ist Ihnen auch schon in einschneidenden Momenten Ihres Lebens blitzartig bewusst geworden, was Ihnen wirklich wichtig ist, wer Sie sind und in welche Richtung es weitergehen soll? Und haben Sie sich dann auf die Suche gemacht, wie Sie die Veränderung angehen könnten, wie Sie an ihr Ziel kommen? Solche Situationen haben etwas Einschneidendes und gehen meist mit einer grundlegenden Veränderung unserer Identität einher.
Ebenso verhält es sich bei Ihrer beruflichen Neuorientierung – ob Sie sich auf eine höhere Position bewerben, den Arbeitgeber oder die Branche wechseln möchten, Ihnen gekündigt wurde, Sie Ihr Abitur oder ein Studium nachholen oder Teilzeit arbeiten wollen, weil Sie mehr Zeit mit Ihren Kindern verbringen möchten. Ganz unabhängig davon, ob Sie den Umbruch selbst herbeiführen oder nicht: Letztlich beantworten Sie sich in der beruflichen Orientierung genau drei Fragen: Wer bin ich? Was ist mein Ziel? – Und welcher Weg führt mich dorthin? Viele Menschen, die in einer beruflichen Orientierungsphase zu mir kommen, sind sich dieser Fragen nicht wirklich bewusst, reagieren aber erleichtert, wenn sie endlich einmal in Worte gefasst werden. Als Coach habe ich die Erfahrung gemacht, dass sich jede Berufsorientierung oder Karriereplanung letztlich auf diese drei Kernfragen zurückführen lässt. Die individuellen Ausgangsfragen für eine anstehende Veränderung im Job können dabei noch vage sein oder auch ganz akut durch ein äußeres Ereignis hervorgerufen werden.
Welche Fragen stellten Sie sich gerade für Ihr berufliches Leben, als Sie zu diesem Buch gegriffen haben? Obwohl jeder Fall ganz eigene Voraussetzungen aufweist, gibt es doch typische Ausgangssituationen:
Mein Arbeitsplatz ist bedroht von Umstrukturierungen oder Arbeitsplatzabbau – was soll ich jetzt tun? Mich aktiv wegbewerben, mich selbstständig machen?
Ich habe seit Jahren schon das Gefühl: Das ist es nicht … Jetzt werde ich zunehmend lustlos und bin öfter als früher krank.
Ich bin völlig überlastet, so geht es nicht weiter. Ich muss dringend etwas an meiner beruflichen und privaten Situation ändern.
Mir bietet sich plötzlich die Gelegenheit, eine Führungsposition zu übernehmen. Hilfe! Kann ich das denn überhaupt?
Ich wurde gerade bei einer längst überfälligen Beförderung übergangen. Das frustriert mich, denn damit hatte ich nicht gerechnet.
Mein neuer Chef passt mir nicht. Eigentlich will ich weg – wenn da nicht das »Aber« wäre …
Ich habe da schon immer so eine Idee, mich selbstständig zu machen. Soll ich es wagen?
Was Menschen in diesem Prozess brauchen, ist eine ganzheitliche Antwort. Zu der Frage der Identität, dem »Wer-bin-ich?«, gehört dabei auch ganz wesentlich der bisherige Lebensweg. »Zukunft braucht Herkunft«, sagt der Philosoph Odo Marquardt. Die Antwort auf die Frage nach der eigenen Identität, nach dem, was zu mir gehört und mir wichtig ist, lässt sich zum großen Teil in der eigenen Biografie finden. Hier liegen auch alle Ressourcen, um den Weg in eine sinnvolle und erstrebenswerte Zukunft zu gehen. Doch für die Freilegung dieser Ressourcen braucht es ein wenig Zeit. Viele meiner Klienten stecken schon seit längerer Zeit in einer Phase beruflicher Unzufriedenheit, und das kann lähmend wirken. Aber auch äußere Auslöser wie eine Umstrukturierung oder ein Konflikt mit dem Vorgesetzten können zu plötzlicher Überaktivität führen. Öfter schon ist es mir passiert, dass ein Klient zur ersten Coachingstunde mit bereits geschriebenen Initiativbewerbungen erscheint und von zahlreichen, eher hektischen Aktionen in diversen sozialen Netzwerken berichtet. »Können Sie meine Bewerbung einmal durchchecken?«, werde ich dann gefragt. Doch häufig kehrt bereits am Ende dieser ersten Stunde Ruhe ein, und die Bewerbungsmappe wird erst einmal wieder zugeklappt. Es ist im Gespräch klar geworden, dass zunächst in Ruhe die zentralen Fragen für den nächsten Schritt in der eigenen Karriere beantwortet werden müssen: »Wer bin ich – jetzt?«, »Woher komme ich – und was davon kann ich mitnehmen?«, »Wohin will ich – jetzt – wirklich gehen?«
Wenn Klienten sofort sehr viele Bewerbungsaktivitäten starten wollen, dann erinnert mich das an einen Cartoon, den ich einmal in einer Zeitschrift gesehen habe: Ein Strichmännchen mit Pfeil und Bogen steht vor einer Zielscheibe, die über und über mit Pfeilen übersät ist – alle weit entfernt vom innersten Ring. Unter der Zeichnung steht, was das Männlein denkt: »Mehr Pfeile, das ist die Lösung!« Wenn ich dieses Bild mit meinen Klienten teile, müssen auch diese schmunzeln. Denn es liegt ja auf der Hand, dass mehr Pfeile nicht die Lösung sind. Oder um es mit dem Diktum des römischen Philosophen Seneca zu sagen: »Wer den Hafen nicht kennt, in den er segeln will, für den ist kein Wind der richtige.« Genau bei dieser Suche nach dem »richtigen Hafen«, kann das KAIROS-Biografie-Coaching (oder kurz KBC) Sie wirkungsvoll unterstützen. Es fasst als strukturierte Methode das zusammen, was ich über mehrere Jahre im Coaching mit vielen Klientinnen und Klienten sowie in unserer Coachausbildung erprobt und entwickelt habe. Damit Sie Ihr berufliches Ziel erfolgreich ansteuern, beantworten Sie sich mit der KBC-Methode konkret Schritt für Schritt die drei grundsätzlichen Fragen der Berufsorientierung »Wer bin ich?«, »Wohin will ich gehen?« und »Wie komme ich dahin?«.
Sie erschließen sich über Ihr biografisches Datenchart die Fragen nach Ihrer Identität, Ihrer aktuellen Lebensphase, Ihren Werten und vor allem Ihren Kompetenzen und Stärken. Daran schließt sich die Frage nach dem richtigen Zeitpunkt zum Losgehen an – die Frage nach dem Kairos. Konkret untersuchen Sie dafür Ihre ganz individuellen Lebensrhythmen. Im zweiten Teil des Buches finden Sie dann die motivierende, individuelle Formulierung für Ihr berufliches Ziel, Sie erfahren, wie Sie mit mentalen Hindernissen umgehen, und Sie legen die ersten konkreten Aktionen für Ihren Weg fest.
Basis der KBC-Methode ist immer Ihre eigene Biografie. Den Erkenntnisgewinn, den die Beschäftigung mit der eigenen Biografie ermöglicht, beschreibt ein Satz des dänischen Philosophen Sören Kierkegaard: »Das Leben leben kann man nur vorwärts, das Leben verstehen kann man nur rückwärts.« Das Wort »Biografie« setzt sich übrigens aus den griechischen Wortstämmen bios, das Leben, und graphein, schreiben bzw. beschreiben, zusammen. Im biografischen Karrierecoaching, wie es die KBC-Methode darstellt, betrachten Sie zuerst Ihr Leben im Rückblick. Und schreiben es dann weiter in die Zukunft fort.
Aus vielen Jahren Erfahrung mit Berufsbiografien weiß ich, dass Patentrezepte Sie dabei nicht weiterbringen und dass Sie zum Glück auch nicht nach einer exotischen »Berufung« suchen müssen, um einfach zufrieden zu sein. Ich selbst steckte einmal mit Anfang 20 in einer »Berufungsfalle«, wie ich dies nenne, als ich mein Hobby, Tanzen, zum Beruf machen wollte. Natürlich gibt es tatsächlich Berufungen, die spät entdeckt werden oder nur wieder aufgespürt werden müssen. Spät erfolgreiche Schriftstellerinnen wie die Krimiautorin Ingrid Noll oder Joanne K. Rowling, die Schöpferin von HarryPotter, sind gute Beispiele dafür. Ja, auch ich habe schon erstaunliche Veränderungen in den Berufswegen von Klienten erlebt und unterstütze sie auch sehr gerne. Außerdem bin ich selbst das beste Beispiel dafür, wie einige Umwege in der Laufbahn immer weiter ins Zentrum führen können. Heute bin ich genau da, wo ich immer zu sein träumte. Und meine Vision steht mit beiden Beinen auf dem Boden der Realität.
Fakt ist: Man nimmt sich als Person immer selbst mit auf den Lebensweg, egal wohin man geht. Und so spielen auch in einem neuen beruflichen Umfeld die eigene Lebensgeschichte und zentrale Lebensthemen eine große Rolle, die nicht zu vernachlässigen ist.
Und dabei können Sie viel Wertvolles entdecken. Denn nicht immer braucht es radikale Umbrüche in der Berufsbiografie. Viele bereits vorhandene Kompetenzen, Erfahrungen und Talente lassen sich mitnehmen auf den neuen Lebensabschnitt. Die Arbeitsmarktforscherin Lynda Gratton nennt dieses Prinzip »Meisterschaft in Serie«.1 Das ist die gute Nachricht, wenn man mit Anfang oder Mitte 30, 40 oder sogar erst 50 dem beruflichen Weg noch einmal eine neue Richtung geben will. Manchmal allerdings sind auch größere Umbrüche notwendig, damit man sich selbst treu bleiben kann oder nicht auf eingefahrenen Gleisen stecken bleibt und womöglich krank wird.
Sie können die KBC-Methode mit diesem Buch eigenständig, ohne Unterstützung, durchführen, denn ich erkläre Ihnen Schritt für Schritt, wie Sie am besten vorgehen. Zur Illustration werde ich immer wieder auf Beispiele aus meiner Coachingpraxis zurückgreifen und die Biografien von drei Protagonisten exemplarisch vorstellen. Bei Bedarf können Sie für Ihre eigene Arbeit zur Vertiefung natürlich einen Coach oder eine andere Person Ihres Vertrauens heranziehen. Kontaktadressen professioneller Coachs, die nach meiner Methode arbeiten, finden Sie im Anhang.
Die KAIROS-Methode möchte Sie darin unterstützen, Ihren eigenen Weg zu finden, den neuen Hafen zu erkennen, in den Sie segeln möchten. Wenn Sie Ihren Weg erkannt und die mentalen Barrieren gegen Ihr Ziel überwunden haben, dann ist es Zeit. Zeit, um loszugehen!
Teil 1
Das KAIROS-Biografie-Coaching – die KBC-Methode
In den folgenden Kapiteln finden Sie eine Einführung in die KBC-Methode.
Bevor Sie starten, sind mir zwei Hinweise wichtig. Dieses Buch ist als Anleitung für einen Coachingprozess konzipiert, den Sie mit sich selbst durchführen können. Meine KBC-Methode ist ein biografischer Coachingansatz, keine Therapie und kein Therapieersatz. Die Methode verspricht andererseits auch keine schnellen Tipps oder Patentrezepte für den »Traumjob«.
Sie werden von der KAIROS-Methode am meisten profitieren, wenn Sie auf der Suche nach einer fundierten, ganzheitlichen Antwort auf Ihre beruflichen Fragen in Ihrer spezifischen Lebensphase sind. Das erläutere ich Ihnen im gleich folgenden Abschnitt.
Welche besondere Bedeutung der Kairos in der Berufsbiografie hat, lesen Sie im darauf folgenden kurzen Kapitel. In Die fünf Phasen der Karriereorientierung finden Sie einen Überblick über die Phasen der Karriereorientierung.
Dort können Sie sich orientieren, in welcher Phase Sie gerade den größten Klärungsbedarf haben und von welchen Auswertungsschritten der KBC-Methode Sie am meisten profitieren können. Außerdem stelle ich Ihnen im Anschluss die drei Protagonisten vor, an deren Biografien ich die Coachingmethoden exemplarisch vorstelle.
Danach starten Sie dann mit der KBC-Methode für Ihre eigene Arbeit. Sie finden im Kapitel Die Umsetzung der KBC-Methode die Elemente der Methode und die Anleitung zum Ausfüllen des KAIROS-Datencharts beschrieben.
Wenn Sie ganz schnell anfangen möchten, blättern Sie gleich dahin vor!

Die KBC-Methode: Selbstcoaching auf der Basis von Wissenschaft und Weisheit

Als ich die KAIROS-Methode entwickelt habe, war mir besonders wichtig, dass sie ganzheitlich orientiert ist, um den Bedürfnissen meiner Klienten in den unterschiedlichen Lebensphasen gerecht zu werden. Daneben habe ich den Anspruch, Menschen Werkzeuge an die Hand zu geben, die effektiv und wissenschaftlich fundiert sind. Hier wird also eine strukturierte Basis – die Arbeit mit dem biografischen Chart – mit intuitiven Zugängen zur eigenen Geschichte wie dem Einsatz von Bildern, Metaphern und Erzählungen der Biografie kombiniert. Bereits etablierte Aspekte der Biografiearbeit habe ich dafür neu aufgearbeitet und mit Methodiken des Integralen Coachings zu einem eigenen biografischen Coachingansatz für die Karriereorientierung verbunden. Darin integriert sind wissenschaftliche und ganzheitliche Verfahren aus den Weisheitstraditionen wie das Stärken-Inventar VIA-IS aus der Positiven Psychologie. Ebenso fließen Erkenntnisse zur Ziel- und Motivationsforschung aus den Neurowissenschaften ein. Aus dem Bereich des Business-Coachings greife ich auf meine Kenntnisse von Kompetenzmodellen und der Karriereberatung zurück, wie beispielsweise die Karriereanker.
Ein zentraler Bestandteil meines Coachingansatzes ist jedoch die Sinn- und Wertedimension. Nur wenn wir umsetzen, was uns wichtig ist, erleben wir Sinn. Unsere Werte sind ein elementarer Teil von uns, sie sind untrennbar mit uns verbunden und prägen unser Handeln. Möchte man sich beruflich neu orientieren, sind Werte für die Entscheidungsfindung und den weiteren Prozess unerlässlich. Zusammen mit unseren Kompetenzen stellen sie einen Schatz dar, den jeder bereits in sich trägt. Ihn gilt es zu bergen, damit Sie den Job finden, der jetzt zu Ihnen passt.
Dass Sie sich dabei Ihrer Vergangenheit zuwenden, heißt übrigens keinesfalls, dass Sie therapeutisch arbeiten. Die Arbeit mit Ihrer Biografie ist in der KBC-Methode rein auf Ihre Ressourcen hin orientiert. Sie schauen immer, was Sie können, was Sie wollen, was gelungen ist. Und Sie ändern, was Ihnen im Weg stehen könnte. Sie erhalten einen Überblick über Ihr Leben, statt in alten Geschichten zu versinken, und Sie werden für sich viele Fragen stellen und beantworten. Viele meiner Klienten nehmen durch solche Fragen häufig zum ersten Mal die Wechselbeziehungen zwischen einzelnen Lebensbereichen und auch vom Früher zum Jetzt wahr. Eine Klientin, eine äußerst kompetente Finanzmanagerin, erkannte plötzlich, dass ihre Angst vor einem Branchenwechsel biografische Ursachen hatte und letztlich mit der häufig geäußerten Überzeugung ihres Vaters zusammenhing: »Schuster, bleib bei deinem Leisten«. Solche Sätze werden Sie sich in dem Kapitel Innere Mentoren und Saboteure auch für Ihr Leben näher anschauen.
Auch wenn ich Ihnen, liebe Leserin, lieber Leser, natürlich kein direktes Feedback geben kann, werden Sie durch das, was Sie zusammentragen, ein Gefühl für die Stimmigkeit der Interpretation Ihrer beruflichen und persönlichen Biografie entwickeln. Das erleichtert Ihnen das Verlassen der Komfortzone Ihrer bisherigen Sicht der Dinge. Im Coaching habe ich zum Beispiel schon oft erlebt, dass Klienten aufhören, Außenstehenden die Schuld für verpasste Chancen zu geben, und stattdessen aktiv Verantwortung übernehmen. Während des ganzen Prozesses sind Sie führend und bleiben Experte Ihres Lebens. Je nach Lernstil und Lerntempo geht Ihr Erkenntnisgewinn so weit, wie Sie gehen wollen und können.
In einer Therapie hingegen werden verdrängte und negative Erfahrungen aufgedeckt, wiedererlebt, aufgearbeitet und dem Bewusstsein zugänglich gemacht. Verschüttete Ressourcen werden in einer Therapie erst wieder aufgebaut. Meine Aufgabe als Coach ist es jedoch, auf bereits bestehenden Ressourcen aufzubauen. Das heißt auch, dass ich anders als der diagnostizierende Therapeut keine »Expertin« für das Leben meiner Klienten bin. Sie selbst sind das und entscheiden auch eigenverantwortlich über Ihre nächsten Schritte. Das bedeutet außerdem, dass das KAIROS-Biografie-Coaching kein Ersatz für eine Psychotherapie sein kann oder sein will. Weder ein biografisches Coaching noch dieses Buch können die professionelle Unterstützung eines Psychotherapeuten ersetzen. Sicher befinden Sie sich in einer Umbruchphase, wenn Sie zu diesem Buch gegriffen haben, und dazu gehören auch Phasen von Niedergeschlagenheit oder Zukunftsangst. Aber solche Stimmungen unterscheiden sich deutlich von den lähmenden Blockaden, die jemand erlebt, der therapeutischer Hilfe bedarf. An welchem Punkt Sie gerade stehen, sollten Sie für sich eigenverantwortlich entscheiden oder im Zweifelsfall eine fachlich versierte Person für ein klärendes Gespräch aufsuchen.

Hase und Igel: Von der Hetzjagd zum Jetztgefühl! Die Bedeutung des Kairos in der Karriereorientierung

Das richtige Timing und das Gefühl für das Wesentliche sind gerade in der heutigen Zeit wichtige Parameter dafür, zufrieden im Beruf zu sein oder immer wieder zu werden. Dabei ist ein Paradox des Kairos, dass wir uns zu bestimmten Zeitpunkten verändern müssen, um wir selbst zu bleiben.
Bildlich wird die Personifikation des rechten Moments, der altgriechische Gott Kairos, mit einer höchst eigenwilligen Frisur dargestellt: mit einer mächtigen Haartolle an der Stirn, aber kurz geschorenem Hinterkopf. Sicher ist Ihnen der Ausdruck »die Gelegenheit beim Schopfe packen« geläufig: Verpasst man den richtigen Augenblick, kann es zu spät sein, man greift ins Leere. Manche meiner Klientinnen beklagen dies bitterlich, wenn sich beispielsweise ein später Kinderwunsch nicht erfüllt und die Chance auf eigene Kinder für immer vorbeigezogen ist.
Aber zu Ihrer Beruhigung: Natürlich bedeutet das Verpassen eines rechten Moments nicht, dass man fortan kein sinnvolles Leben mehr führt. Denn gerade darin liegt die Kraft der Biografie – Ihrer ganz persönlichen biografischen Lebenserzählung –, dass sich immer wieder neue Chancen ergeben, dass sich neue Wege auftun. Wir müssen sie nur sehen – und dann auch beschreiten. Der deutsche Philosoph Hans-Georg Gadamer verbindet Kairos vor allem mit Wahrnehmungsfähigkeit, Achtsamkeit und daraus folgender Intuition. Er sieht im Kairos-Prinzip eine der wichtigsten Fähigkeiten des Menschen im 21. Jahrhundert.2
In der Regel kann man einen Kairos-Moment rückblickend erkennen, denken Sie an den Satz von Sören Kierkegaard. Das hat auch etwas Tröstendes: Die Retrospektive ermöglicht uns nämlich Annahmen über Zukünftiges. Das heißt, indem Sie herausfinden, welcher Zeitpunkt in der Vergangenheit angemessen war für Entscheidungen, können Sie dieses Wissen für die Beantwortung aktueller Fragen nutzen. So erkennen Sie: Ich bleibe oder komme wieder in den mir gemäßen Rhythmus, wenn ich diese Beförderung annehme oder ablehne. Ich muss mich nicht hetzen (lassen), aber ich darf auch notwendige und überfällige Entscheidungen nicht verschleppen.
Wie geht es Ihnen bei diesem Gedanken? Als ich das für mich herausgefunden hatte, war ich sehr erleichtert. Manche Jahre sind Jahre des Winters, wo kein Grün sprießen wird. In anderen Jahren bricht die volle Pracht des Frühlings aus. Die Sorge aber, möglicherweise eine falsche Wahl zu treffen, hat etwas Bedrohliches. Sie treibt einen dazu, überstürzt zu handeln. Oder sie hält einen unter Umständen davon ab, eine Veränderung anzugehen. Im besten Fall bleibt man dadurch unter seinen Möglichkeiten. Sich in einer Komfortzone einzurichten, kann ganz gemütlich sein, manchmal macht sich vielleicht eine latente Unzufriedenheit bemerkbar, doch das geht ja wieder vorüber und eigentlich ist es hier doch ganz schön … Der Preis, den man am Ende zahlt, kann jedoch hoch sein. Wie viele Menschen verbiegen sich oder werden dabei unglücklich und verbittern, weil sie auf etwas verzichten, elementare Bedürfnisse vernachlässigen oder letztlich feststellen, etwas verpasst zu haben? Das führt nicht selten zu Beeinträchtigungen und es kann Menschen schaden und mitunter krank machen. Die angstbedingte Vermeidung von Entscheidungen nennt man in der Psychologie übrigens Kairophobie.
Hinsichtlich der Entscheidungsfindung, wie ich sie im Berufsorientierungs-Coaching erlebe, spielen beide Aspekte von Zeit eine wesentliche Rolle: der chronologische Verlauf und der rechte Moment. Die Intuition für Kairos, den richtigen Augenblick, verschafft dabei das gute Gefühl, im Fluss der Zeit zu sein, anstatt in seinen Fluten zu versinken oder bei Ebbe zu stranden.
Jeder Mensch beginnt seinen Weg von einem anderen Punkt aus. Damit Sie, liebe Leserin, lieber Leser, wissen, wie Sie dieses Buch am besten nutzen können, gebe ich Ihnen zunächst einen Überblick über die einzelnen Kapitel und die dort beschriebenen Schritte der Karriereorientierung.

Die fünf Phasen der Karriereorientierung

In meiner jahrelangen Arbeit als Karrierecoach hat sich die Einteilung der Karriereorientierung in fünf Phasen als sinnvoll erwiesen. Für jede dieser Phasen habe ich Methoden entwickelt und ausgesucht, die ich Ihnen im Verlauf dieses Buches vorstelle. Zunächst gebe ich Ihnen aber schon hier einen ersten kurzen Überblick – so können Sie gegebenenfalls direkt dort starten, wo Sie für sich das größte Informationsbedürfnis ausmachen.
Die Phasen der Karriereorientierung sind:
0. Die Vorlauf- oder Unruhephase
1.Die Explorationsphase
2.Die Visionsphase – wohin will ich und was hindert mich eigentlich?
3.Die konkrete Planungsphase
4.Die Umsetzungs- und Überprüfungsphase (spezielle Schritte)

Die Vorlauf- oder Unruhephase

Die Vorlaufphase, eine Art »Phase 0«, ist der Zeitraum, in dem Sie wahrnehmen, dass sich in Ihrem Berufsleben »irgendetwas« ändern sollte oder müsste. Das können externe Anlässe sein wie die erneute Umstrukturierung in Ihrem Betrieb, bei der Sie Kompetenzbereiche verlieren werden oder umziehen müssten. Es kann das verlockende Jobangebot sein, intern oder bei einem anderen Arbeitgeber. Es kann die nagende, schleichende Unzufriedenheit mit Ihrem Job sein, von der Sie wissen, dass sie Sie mehr Energie kostet als die eigentliche Arbeit – und die Sie schließlich krank werden lässt.

Die Explorationsphase

Wenn Sie zu diesem Buch gegriffen haben, sind Sie vermutlich schon in Phase 1: Sie möchten explorieren, herausfinden, was eigentlich alles möglich ist. Die KAIROS-Methode unterstützt Sie ganz besonders wirkungsvoll in genau dieser Phase. Mit insgesamt sieben Auswertungsmethoden werden Sie Ihre Biografie analysieren. Speziell dafür habe ich das KAIROS-Datenchart entwickelt, in dem Sie Ihre biografischen Daten stichwortartig für jeden Lebensabschnitt und alle Lebensbereiche notieren. Denn Sie wollen Ihre Persönlichkeit ja gerade nicht »beim Pförtner abgeben« (müssen), sondern möglichst vollständig Job und Privatleben in Einklang bringen können.
Alle Auswertungsmethoden zu Ihrer Biografie sind im ersten Teil ausführlich beschrieben. Es handelt sich dabei um nichts anderes als um eine Bestandsaufnahme: wer Sie sind, woher Sie kommen, was Ihnen derzeit im Leben wichtig ist und was Sie wirklich können – auch jenseits offizieller Abschlüsse. Die Analyse Ihres individuellen »Rhythmus« gibt Ihnen eine Idee, wann der beste Zeitpunkt zur Umsetzung großer Pläne oder kleiner Schritte ist – eben der besondere Kairos.
Ich empfehle Ihnen, alle sieben Auswertungsschritte zu durchlaufen. Wenn Sie jedoch vorher schon einmal Ihre Werte, Ihre Kompetenzen oder Stärken systematisch erfasst haben, können Sie diese Ergebnisse einfach in die KAIROS-Gesamtauswertung integrieren. Allerdings sollten Sie, um von der KAIROS-Methode zu profitieren, unbedingt das biografische Datenchart einmal ausgefüllt haben. Das KAIROS-Datenchart und die KAIROS-Gesamtauswertung finden Sie als Vordrucke zum Kopieren am Ende des Buches bei den Arbeitsblättern.

Die Visionsphase – wohin will ich und was hindert mich eigentlich?

Mit Ihren bisherigen Ergebnissen sind Sie für die nächste Phase der Karriereorientierung, die Visionsphase, gut gerüstet. Für die Visionsphase gebe ich Ihnen im zweiten Teil spezielle Coachingmethoden an die Hand. Die Visionsphase dreht sich um die grundlegenden Fragen: Wohin soll ich gehen? Und: Wie komme ich dahin? Was steht eigentlich im Weg?
Im zweiten Teil werden Sie eine erste motivierende Zielvision für Ihren nächsten, idealen Job entwickeln. Vielleicht hatten Sie schon eine Art »Vision« Ihres neuen beruflichen Lebensabschnitts, bevor Sie zu diesem Buch gegriffen haben? Aber etwas hat Sie zögern lassen? In der KAIROS-Methode erwächst Ihre Zielvision aus Ihrer Biografieanalyse. Sie entsteht aus einer neuen Kombination Ihrer Werte, Kompetenzen, Stärken und Lebensthemen und bleibt somit nicht nur eine Utopie. Eine Utopie ist eine falsche Vision, der jegliche Umsetzungswahrscheinlichkeit fehlt, weil sie nicht auf den eigenen Kompetenzen beruht. Solcherlei Träumereien fallen wie ein Kartenhaus in sich zusammen, sobald das erste Lüftchen einer Realitätsprüfung aufkommt. »Eine Strandbar auf Teneriffa eröffnen« und »meinen eigenen kleinen Laden aufmachen« könnten solche Utopien sein. Wenn Sie allerdings durch Ihre Biografieanalyse herausgefunden haben, dass Ihnen genau so ein Projekt entspricht, dann können Sie es schaffen!
Wenn nicht das »Aber …« wäre. In zwei Kapiteln werden Sie sich mit Hindernissen beschäftigen, die Ihrer Zielvision im Wege stehen könnten. Das sind einerseits aus unserer Biografie stammende hinderliche Gedanken, ich nenne sie »Saboteure«, die wir mitschleppen und die uns hemmen. Solche Überzeugungen oder Glaubenssätze kann man zum Glück systematisch zu Verbündeten umformulieren. Es gibt jedoch auch Vorstellungen in uns, die positiv aussehen, uns aber trotzdem in die Irre leiten, wenn es um den wirklich passenden Job geht. Die »Berufungsfalle« gaukelt uns vor, dass wir nur das Hobby zum Beruf machen müssten, um glücklich zu sein. Die zweite Falle ist die »Karrierefalle«. In ihr sind manche Menschen gefangen, die »doch eigentlich alles erreicht haben«. Sich von Jobs zu verabschieden, um die man von anderen beneidet wird, kann besonders schwer sein. Doch manchmal ist genau das notwendig, damit man wieder zufrieden wird oder glücklich bleibt.

Die konkrete Planungsphase

Nach den ersten drei Phasen wissen Sie, was Sie wollen, was Sie können und in welche Richtung Sie gehen möchten. Sie haben mentale Hindernisse aus dem Weg geräumt und sind bereit, die Ärmel hochzukrempeln und gezielt loszulegen. Es ist Zeit für die konkrete Planungsphase Ihrer Karriereorientierung.
Sie werden jetzt auch präziser wissen, in welcher grundlegenden Richtung Ihr Ziel liegt: Haben sich Ihre Werte verändert und wollen Sie sie im neuen Job verwirklichen können? Langweilen Sie sich, weil ein Teil Ihrer Kompetenzen brachliegt? Oder sind Sie über- und/oder fehlgefordert? Haben Sie Ihre generelle Karrierepräferenz, den »Karriereanker«, vernachlässigt? Oder wollen Sie einfach mehr Geld für Ihre gute Arbeit?
Für jede dieser Fragestellungen zeige ich Ihnen einige grundlegende Richtungen oder auch Pfade auf, für die Sie die nächsten Handlungsschritte formulieren können. Das kann etwas so Naheliegendes sein wie die Anfertigung neuer Bewerbungsfotos. Oder etwas so Fundamentales wie die Kontaktaufnahme zu einem Headhunter und die Terminierung eines Gesprächs mit Ihrem Vorgesetzten über einen Aufhebungsvertrag. Jetzt kann der richtige Zeitpunkt sein, Ihre Bewerbungsmappe hervorzuholen und verstärkt die Social Media zu nutzen. Diesmal starten Sie Ihre Aktionen auf der Basis dessen, wer Sie sind – und mit dem Wissen darum, wer Sie zukünftig sein wollen.

Die Umsetzungs- und Überprüfungsphase (spezielle Schritte)

Die Umsetzungs- und Überprüfungsphase ist zeitlich ganz eng mit der konkreten Planungsphase verbunden. In dieser letzten Phase der Karriereorientierung werden Sie die unterschiedlichsten Schritte unternehmen. Und Sie werden basierend auf Ihren Erfahrungen dann auch wieder Schritte umplanen, das ist ganz normal. Daher endet mein Buch auch hier. Die KAIROS-Methode bringt Sie genau an den Punkt, wo Sie wissen, was Sie umsetzen wollen und wie Sie die ersten Schritte gehen können.
Aufbauend auf Ihrem durch die KAIROS-Methode erarbeiteten persönlichen Wissen können Sie für die nächsten Schritte Spezialwissen in anderen Büchern, Online-Communitys oder bei Freunden finden. Möchten Sie eine Initiativbewerbung auf den Weg bringen, das richtige soziale Netzwerk für Ihre Branche herausfinden? Brauchen Sie ein Training in Wirkung und Auftreten für Bewerbungsgespräche? Für alle diese Themen gibt es bereits gute Bücher und Coachs (auch im Team meiner Firma), die solche Schritte passgenau begleiten.

Die Fallbeispiele: Christina, Stefanie und Thomas

Immer wieder werden Ihnen in den folgenden Kapiteln drei fiktive Personen begegnen, die ich Ihnen nun kurz vorstellen möchte: Christina, Stefanie und Thomas. Die Biografien meiner Protagonisten sind selbstverständlich konstruiert und entsprechen zum Schutz der Privatsphäre nicht eins zu eins realen Lebensgeschichten meiner Klienten. Dennoch enthalten die biografischen Beispiele typische Fragestellungen, die mir im Karrierecoaching immer wieder begegnen. Sicher erkennen auch Sie sich in dem einen oder anderen Aspekt meiner Protagonisten wieder.
Christina, Jahrgang 1968, 45 Jahre (2013), Diplomsozialpädagogin (FH), Master of Arts, Sozialmanagement. Christina ist verpartnert mit einer sieben Jahre jüngeren Frau, gemeinsam haben sie zwei Pflegekinder. Zu Beginn des Coachings, 2011, war Christina 43 Jahre alt und stellvertretende Geschäftsführerin einer gemeinnützigen Stiftung zur Förderung sozialer Projekte im Bereich der Generationengerechtigkeit. Anlass für Christina, zu mir ins Coaching zu kommen, war die gerade geplatzte interne Bewerbung auf die Stelle der Geschäftsführung. Sie hatte sich sehr gute Chancen ausgerechnet und war nun damit konfrontiert, dass eine sieben Jahre jüngere externe Bewerberin vorgezogen worden war – unter »fadenscheinigen« Begründungen, meinte Christina. Entsprechend frustriert und wenig motiviert war sie, weiter für ihren Arbeitgeber tätig zu sein. Die Frage, die sich in Christinas Coaching schnell stellte, war die nach einer eigenen Firmengründung. Heute ist Christina Unternehmerin und Geschäftsführerin einer gemeinnützigen GmbH im Bereich Finanzierung und Beratung von Sozialprojekten.
Stefanie, Jahrgang 1977, 36 Jahre (2013). Stefanie hat nach der mittleren Reife eine Ausbildung als Bürokauffrau absolviert. Zusatzqualifikationen besitzt sie als Touristik-Fachwirtin und geprüfte Bilanzbuchhalterin. Durch einen Auslandsaufenthalt in New York spricht sie fließend Englisch und hat überhaupt ein Faible für Sprachen. Zu Beginn des Coachings im Jahr 2010 war Stefanie 33 Jahre alt, arbeitete als Bilanzbuchhalterin in einem internationalen Touristikkonzern und führte drei Mitarbeiter. Anlass für Stefanie, ein Coaching aufzusuchen, war eine sehr erfüllende berufliche Erfahrung als interne Trainerin in einem Qualifizierungsprogramm zum Thema Kommunikation für die Standorte ihres Konzerns. Doch dies war nur ein zeitlich befristetes Projekt. »Ich weiß jetzt eigentlich, was ich will, aber ich weiß nicht, ob ich mich trauen soll, aus meinem Job auszusteigen«, meinte sie sichtlich niedergeschlagen. Nach dem Coaching absolvierte Stefanie Zusatzausbildungen auf eigene Kosten als Trainerin, dann mit ihrem neuen Arbeitgeber in interkultureller Konfliktklärung und als Moderatorin von Großgruppen. Heute ist Stefanie Trainerin für Kommunikation, Konfliktlösung und Gruppen-Events bei einem internationalen Trainingsanbieter.
Thomas war ein bundesweit bekannter Fernsehschauspieler. Doch was will jemand, der bereits einen Traumberuf verwirklicht hat, bei einem Karrierecoach? Hier sein Profil: Thomas, Jahrgang 1973, heute (2013) 40 Jahre alt, staatlich ausgebildeter Schauspieler, geboren in Waren an der Müritz (Mecklenburg-Vorpommern). Zu Beginn des Coachings, 2010, mit 37 Jahren, war Thomas als Schauspieler für Fernsehen, Bühne und Film sowie als Synchronsprecher tätig. Anlass für das Coaching war eine familiäre Veränderung. Thomas war Vater geworden, das zweite Kind geplant. Thomas empfand die Film- und Fernsehwelt immer mehr als oberflächlich und die zum Teil langen Abwesenheiten von zu Hause deckten sich nicht mehr mit seinem Lebensentwurf, als Vater auch anwesend zu sein für seine Kinder. Die Ausgangsfrage für Thomas lautete: »Wie kann ich meine Talente und Neigungen in einen Beruf integrieren, der mir Spaß macht und die Familie ernährt?« Heute ist Thomas Logopäde, Trainer für Synchronsprecher und teilweise selbst noch als Synchronsprecher tätig. Nächste Berufsziele: Trainings- und Coachingtätigkeit für Führungskräfte zum Thema Sprechen und Sprache, Auftreten und Wirkung.

Die Umsetzung der KBC-Methode

In der Einleitung habe ich Ihnen bereits kurz die Grundzüge und den großen Nutzen des KAIROS-Biografie-Coachings (KBC) skizziert. Jetzt wenden wir uns der Umsetzung der KBC-Methode für Ihre ganz persönliche berufliche Orientierung und Ihre Karrierepraxis zu. Um Ihre Biografie zur Kraftquelle für Ihre beruflichen und persönlichen Entscheidungen zu machen, arbeiten Sie in der KBC-Methode mit dem KAIROS-Datenchart: eine systematische und strukturierte Sammlung biografischer Fakten, aufgegliedert in Lebensbereiche, die sogenannten Lebensstränge. Das Grundelement des Datencharts ist jeweils eine Lebensphase. Unter einer Lebensphase verstehen wir in der KBC-Methodik Abschnitte von sieben Lebensjahren: Lebensphase 1 mit den Lebensjahren eins bis sieben, Lebensphase 2 mit den Lebensjahren acht bis 14 und so weiter. Jede Lebensphase wird auf einem Blatt dargestellt.
Das ordnende Prinzip der Siebenergliederung bietet zunächst in grafischer Hinsicht die optimale Übersicht. Die psychologische Forschung zur menschlichen Wahrnehmung hat herausgefunden, dass sieben Elemente einer Dateneinheit weder unser Auge noch unseren Arbeitsspeicher überfordern. Ein Zehnerraster wäre zu umfangreich für den Überblick, weniger Elemente als sieben wiederum würden den Verlauf des Lebens zu kleinteilig abbilden und somit verhindern, dass man sich einen guten Überblick verschaffen kann. Die Aufteilung der Biografie in Lebensabschnitte von sieben Jahren geht außerdem auf eine verbreitete Tradition in der Biografiearbeit zurück; diese lässt sich wiederum auf die religiöse Zahlenmystik sowie die Biologie des Menschen zurückführen (siehe Kasten). Ganz zentral in der KBC-Methode ist jedoch der individuelle Rhythmus, sprich eine freie Interpretation des jeweiligen Biografieverlaufs. Das bedeutet nichts anderes, als dass Sie in Ihrer Biografie unbedingt Ihre persönlichen Zeitmuster erkennen sollen. Sie werden individuelle Subrhythmen innerhalb der Siebenjahresabschnitte finden, und manchmal auch übergreifende Zeitraster. Eine spezielle Übung, »Die KAIROS-Rhythmusanalyse«, wird Sie beim Aufspüren Ihres individuellen Lebensrhythmus unterstützen.
Die anthroposophische Auffassung, dass bestimmte Themen zu einem bestimmten Zeitpunkt im Leben »anfallen« oder »an der Reihe sind«, teile ich allerdings aus meiner Erfahrung als Coach so nicht uneingeschränkt. Angesichts des »Verschwindens der Normalbiografie«3 sind in den Lebensphasen meiner Coachees so manche Lebensthemen wild durcheinandergewürfelt. Das Thema »Kinder bekommen« erleben Menschen mit 21, aber auch 20 Jahre später. »Ein Karriereplateau erreichen« mag für viele Mittvierziger ein Thema sein, die bereits seit 15 oder 20 Jahren in der gleichen Firma oder einer ähnlichen Position arbeiten. Andere hingegen, wie ich selbst, wagen in diesem Alter einen völligen Neubeginn und brechen beispielsweise in die Selbstständigkeit auf: Mit Mitte vierzig steckte ich wieder mitten in einer aufregenden Aufbauphase!
Die Zahl 7 in der Biografiearbeit