Das Karpatenschloss - Jules Verne - E-Book

Das Karpatenschloss E-Book

Jules Verne.

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Beschreibung

Jules Verne bei Null Papier Komplett neu überarbeitet; reichhaltig illustriert und kommentiert Transsilvanien, das Land der Vampire. Ein eher ungewöhnlicher Verne: eine romantische Schauergeschichte. Ein verlassenes Schloss, das niemand betreten darf, scheint plötzlich wieder bewohnt – aber von wem? Als es dem Förster Nic Deck und dem Doktor Patak gelingt, in das Schloss einzudringen, wird ihnen das Fürchten gelehrt: Unsichtbare Stimmen erklingen und ein geisterhaftes Spukbild scheint im Raum zu schweben. Ist es tatsächlich der Geist der legendären Opernsängerin "la Stilla", die bei ihrem Abschiedskonzert auf der Bühne starb? Wer Verne kennt, weiß, dass es sich hier nur um raffinierte, technische Gerätschaften handeln mag, die ein Geheimnis verbergen sollen – nur, welches? Null Papier Verlag

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Jules Verne

Das Karpatenschloss

Jules Verne

Das Karpatenschloss

Veröffentlicht im Null Papier Verlag, 2019Fußnoten und Übersetzung: Jürgen SchulzeIllustrationen: Léon Benett EV: A. Hartleben, Leipzig, 1893 1. Auflage, ISBN 978-3-962815-19-6

null-papier.de/628

null-papier.de/katalog

Inhaltsverzeichnis

Ju­les Ver­ne – Le­ben und Werk

Ers­tes Ka­pi­tel

Zwei­tes Ka­pi­tel

Drit­tes Ka­pi­tel

Vier­tes Ka­pi­tel

Fünf­tes Ka­pi­tel

Sechs­tes Ka­pi­tel

Sieb­tes Ka­pi­tel

Ach­tes Ka­pi­tel

Neun­tes Ka­pi­tel

Zehn­tes Ka­pi­tel

Elf­tes Ka­pi­tel

Zwölf­tes Ka­pi­tel

Drei­zehn­tes Ka­pi­tel

Vier­zehn­tes Ka­pi­tel

Fünf­zehn­tes Ka­pi­tel

Sech­zehn­tes Ka­pi­tel

Sieb­zehn­tes Ka­pi­tel

Acht­zehn­tes Ka­pi­tel

Ein Nach­wort

Dan­ke

Dan­ke, dass Sie die­ses E-Book aus mei­nem Ver­lag er­wor­ben ha­ben.

Ju­les Ver­ne ge­hört zu den Au­to­ren, die je­der schon ein­mal ge­le­sen hat. Eine Be­haup­tung, die man nicht über vie­le Schrift­stel­ler auf­stel­len kann. Die Ge­schich­ten von Ver­ne sind un­ter­hal­tend, lehr­reich und im­mer sehr at­mo­sphä­risch.

In un­re­gel­mä­ßi­ger Fol­ge wird mein Ver­lag die Wer­ke von Ver­ne ver­öf­fent­li­chen – die be­kann­ten wie die un­be­kann­ten. Im­mer in der über­ar­bei­te­ten Er­st­über­set­zung, um den (sprach­li­chen) Ch­ar­me der Zeit bei­zu­be­hal­ten.

Kor­ri­giert und kom­men­tiert wer­den Orts- und Per­so­nen­na­men oder of­fen­sicht­lich falsche An­ga­ben. Sie fin­den die Er­läu­te­run­gen in Fuß­no­ten.

Ich habe es mir auch nicht neh­men las­sen, die ur­sprüng­li­chen Na­men zu ver­wen­den: Aus dem Jo­hann wird so wie­der der ur­sprüng­li­che Jean, aus Lud­wig wie­der Louis und aus Ma­ri­an­ne wie­der Ma­rie. Ich den­ke, das tut den Ge­schich­ten nur gut.

Soll­ten Sie Hil­fe be­nö­ti­gen oder eine Fra­ge ha­ben, schrei­ben Sie mir.

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Ju­les Ver­ne – Le­ben und Werk

Bei­na­he wäre Klein-Ju­les als Schiffs­jun­ge nach In­di­en ge­fah­ren, hät­te eine Lauf­bahn als See­mann ein­ge­schla­gen und spä­ter un­ter­halt­sa­mes See­manns­garn ge­spon­nen, das ver­mut­lich nie die Drucker­pres­se er­reicht hät­te.

Ju­les Ver­ne

Ver­liebt in die aben­teu­er­li­che Li­te­ra­tur

Glück­li­cher­wei­se für uns Le­ser hin­dert man ihn dar­an: Der Elf­jäh­ri­ge wird von Bord ge­holt und ver­lebt wei­ter­hin eine be­hü­te­te Kind­heit vor bür­ger­li­chem Hin­ter­grund. Ge­bo­ren am 8. Fe­bru­ar 1828 in Nan­tes, wächst Ju­les-Ga­bri­el Ver­ne in gut si­tu­ier­ten Ver­hält­nis­sen auf. Als äl­tes­ter von fünf Spröss­lin­gen soll er die vä­ter­li­che An­walt­spra­xis über­neh­men, wes­halb er ab 1846 in Pa­ris Jura stu­diert.

Viel span­nen­der fin­det er schon zu die­ser Zeit al­ler­dings die Li­te­ra­tur. Ver­ne freun­det sich so­wohl mit Alex­and­re Du­mas als auch mit sei­nem gleich­na­mi­gen Sohn an. Ge­mein­sam mit Va­ter Du­mas ver­fasst er Opern­li­bret­ti und ers­te dra­ma­ti­sche Wer­ke. Nach dem Ab­schluss sei­nes Stu­di­ums be­schließt er, nicht nach Nan­tes zu­rück­zu­keh­ren, son­dern sich völ­lig der Dra­ma­tik zu wid­men.

Zwar schreibt er nicht ganz er­folg­los – drei sei­ner Er­zäh­lun­gen er­schei­nen in ei­ner li­te­ra­ri­schen Zeit­schrift. Doch zum Le­ben reicht es nicht, wes­halb der jun­ge Au­tor 1852 den Pos­ten ei­nes In­ten­danz-Se­kre­tärs am Théâtre ly­ri­que an­nimmt. Im­mer­hin wird die­se Ar­beit zu­ver­läs­sig ver­gü­tet und Ver­ne darf sich als Dra­ma­ti­ker be­tä­ti­gen. In sei­ner Frei­zeit ver­fasst er wei­ter­hin Er­zäh­lun­gen, wo­bei ihn aben­teu­er­li­che Rei­sen am meis­ten in­ter­es­sie­ren.

Als er 1857 eine Wit­we hei­ra­tet, die zwei Töch­ter in die Ehe mit­bringt, muss sich der Li­te­rat nach ei­ner bes­ser be­zahl­ten Ein­kom­mens­quel­le um­se­hen. Wäh­rend der nächs­ten zwei Jah­re schlägt er sich als Bör­sen­mak­ler durch, wo­bei er ge­nug Zeit fin­det, län­ge­re Schiffs­rei­sen zu un­ter­neh­men, be­vor 1861 sein Sohn Mi­chel ge­bo­ren wird.

Ver­liebt ins li­te­ra­ri­sche Aben­teu­er

Letzt­lich ist es ei­ner be­son­de­ren Be­geg­nung im Jahr 1862 ge­schul­det, dass al­les, was der Au­tor bis­her »geis­tig an­ge­sam­melt« hat, in sei­nen künf­ti­gen Ro­ma­nen kul­mi­nie­ren darf: Der Ju­gend­buch-Ver­le­ger Pier­re-Ju­les Het­zel ver­öf­fent­licht Ver­nes uto­pi­schen Rei­se­ro­man »Fünf Wo­chen im Bal­lon«. Die­ses von ihm oh­ne­hin be­vor­zug­te Su­jet wird den Schrift­stel­ler nie wie­der los­las­sen – die aben­teu­er­li­chen Rei­sen, auf wel­cher Rou­te auch im­mer sie ab­sol­viert wer­den. Het­zel ver­legt Ver­nes noch heu­te be­lieb­tes­te Schrif­ten: 1864 »Rei­se zum Mit­tel­punkt der Erde«, im fol­gen­den Jahr »Von der Erde zum Mond«, 1869 »Rei­se um den Mond« und »Zwan­zig­tau­send Mei­len un­ter dem Meer«. Mit »Rei­se um die Erde in 80 Ta­gen« er­scheint 1872 Ju­les Ver­nes er­folg­reichs­ter Ro­man über­haupt.

Die Zu­sam­men­ar­beit mit Het­zel, der gleich­zei­tig als sein Men­tor fun­giert, sorgt in den spä­ten 1860er Jah­ren da­für, dass der höchst pro­duk­ti­ve Schrift­stel­ler sei­ner Fa­mi­lie ei­ni­gen Wohl­stand bie­ten und sich selbst »ju­gend­traum­haf­te« Rei­se­wün­sche er­fül­len kann. Sein Ver­le­ger stellt ihn nam­haf­ten Wis­sen­schaft­lern vor – in Kom­bi­na­ti­on mit den er­wähn­ten Rei­sen ent­steht auf die­se Wei­se ein un­ge­heu­rer Fun­dus der In­spi­ra­ti­on: Ju­les Ver­nes Zet­tel­kas­ten ent­hält an­geb­lich 25.000 No­ti­zen!

Zwar ist er seit »Rei­se um den Mond« glei­cher­ma­ßen wohl­ha­bend und ge­ach­tet; er en­ga­giert sich seit den spä­ten 1880er Jah­ren so­gar als Stadt­rat in Amiens, wo­hin er 1871 mit sei­ner Fa­mi­lie über­ge­sie­delt war. Der »Rit­ter­schlag« aber bleibt aus: In der Aca­dé­mie françai­se möch­te man den Ju­gend­buch­au­tor nicht ha­ben, er gilt als nicht se­ri­ös ge­nug.

Den Ze­nit sei­nes Schaf­fens hat der Li­te­rat be­reits über­schrit­ten, als er 1888 blei­ben­de Ver­let­zun­gen durch den Schuss­waf­fen-An­griff ei­nes geis­tes­ge­stör­ten Ver­wand­ten da­von­trägt. Den­noch ar­bei­tet der Au­tor un­un­ter­bro­chen wei­ter. Als Ju­les Ver­ne im März 1905 stirbt, hin­ter­lässt er ein ge­wal­ti­ges Ge­samt­werk: 54 zu Leb­zei­ten er­schie­ne­ne Ro­ma­ne, wei­te­re elf Ma­nu­skrip­te be­ar­bei­tet sein Sohn Mi­chel nach dem Tod des Va­ters. Er­gänzt wird Ver­nes Œu­vre durch Er­zäh­lun­gen, Büh­nen­stücke und geo­gra­fi­sche Ver­öf­fent­li­chun­gen.

Ge­liebt und miss­ach­tet

Je­nes zwie­späl­ti­ge Ver­hält­nis, das sich be­reits in der Ab­leh­nung der Aka­de­mie­mit­glie­der äu­ßert, kenn­zeich­net die aka­de­mi­sche Re­zep­ti­on bis heu­te: Ju­les Ver­ne ist eben »nur ein Ju­gend­buch­au­tor«. We­ni­ger be­fan­ge­ne Re­zi­pi­en­ten frei­lich schrei­ben ihm eine ganz an­de­re Be­deu­tung zu, die dem Vi­sio­när und lei­den­schaft­li­chen Er­zäh­ler bes­ser ge­recht wird.

Wenn­gleich der al­tern­de Li­te­rat zum Ende sei­nes Schaf­fens durch­aus nicht mehr in gläu­bi­ger Tech­nik­be­geis­te­rung auf­geht, blei­ben uns doch ge­nau jene Wer­ke in lie­be­vol­ler Erin­ne­rung, in de­nen tech­ni­sche und mensch­li­che Groß­ta­ten die Hand­lung be­stim­men: »Rei­se um die Erde in 80 Ta­gen« oder »Zwan­zig­tau­send Mei­len un­ter dem Meer« bei­spiels­wei­se. Wer als Kind von Nemo und sei­ner Nau­ti­lus liest, wird un­wei­ger­lich ge­fan­gen von die­sem tech­ni­schen Wun­der­werk und des­sen Ka­pi­tän. Ver­nes Ro­ma­ne ge­hö­ren zu je­nen Ju­gend­bü­chern, die man als Er­wach­se­ner ger­ne noch­mals zur Hand nimmt – und man staunt er­neut, er­in­nert sich, lässt sich wie­der­um ein­fan­gen und fragt sich, warum man ei­gent­lich so sel­ten Ver­ne liest…

So wie der Au­tor sich selbst durch Rei­sen und Wis­sen­schaft in­spi­rie­ren lässt, die­nen sei­ne Wer­ke seit je­her der In­spi­ra­ti­on sei­ner Le­ser­schaft. Wie prä­sent die­ser ex­zel­len­te Un­ter­hal­ter in den Köp­fen sei­ner Le­ser bleibt, be­le­gen Be­nen­nun­gen in See- und Raum­fahrt: Das ers­te Atom-U-Boot der Ge­schich­te ist die ame­ri­ka­ni­sche USS Nau­ti­lus. Ein Raum­trans­por­ter der Eu­ro­päi­schen Raum­fahr­t­agen­tur heißt »Ju­les Ver­ne«, ein As­te­ro­id und ein Mond­kra­ter tra­gen eben­falls den Na­men des Schrift­stel­lers. Die »Ju­les Ver­ne Tro­phy« wird seit 1990 für die schnells­te Wel­t­um­se­ge­lung ver­lie­hen, was dem be­geis­ter­ten Jacht­be­sit­zer Ver­ne ge­wiss ge­fal­len hät­te.

Der kom­mer­zi­el­le Li­te­ra­tur­be­trieb so­wie die Film­wirt­schaft be­trach­ten den fran­zö­si­schen Va­ter der Science-Fic­ti­on-Li­te­ra­tur eben­falls mit Wohl­wol­len: Un­zäh­li­ge Neu­auf­la­gen der Ro­man­klas­si­ker, Hör­bü­cher und Ver­fil­mun­gen der ra­san­ten, stets mit­rei­ßen­den Hand­lun­gen spre­chen Bän­de. Mitt­ler­wei­le gel­ten die äl­tes­ten Ver­fil­mun­gen selbst als kul­tu­rel­le Mei­len­stei­ne, die kei­nes­wegs nur ein jun­ges Pub­li­kum er­freu­en.

Ju­les Ver­nes Be­deu­tung für die Li­te­ra­tur

Der Ein­fluss Ver­nes auf nach­fol­gen­de Science-Fic­ti­on-Au­to­ren ist gar nicht hoch ge­nug ein­zu­schät­zen: Aus heu­ti­ger Sicht ist er ei­ner der Vor­rei­ter der uto­pi­schen Li­te­ra­tur Eu­ro­pas, der noch vor H. G. Wells (»Krieg der Wel­ten«) und Kurd Laß­witz (»Auf zwei Pla­ne­ten«) das neue Gen­re be­grün­det. Sein­er­zeit gibt es die­sen Be­griff noch nicht, wes­halb Het­zel die Ro­ma­ne sei­nes Er­folgs­schrift­stel­lers als »Au­ßer­ge­wöhn­li­che Rei­sen« ver­mark­tet

Der Fran­zo­se sieht, an­ders als Wells und ähn­lich wie Laß­witz, im tech­ni­schen Fort­schritt das künf­ti­ge Wohl der Mensch­heit be­grün­det. Trotz­dem ist Ju­les Ver­ne vor al­lem Er­zäh­ler: Er will we­der war­nen wie Wells noch be­leh­ren wie Laß­witz, son­dern in ers­ter Li­nie un­ter­hal­ten. Im Ver­gleich zum sprö­den Rea­lis­mus ei­nes Wells wir­ken sei­ne Ro­ma­ne für mo­der­ne Le­ser aus­ufernd, viel­leicht so­gar ge­schwät­zig. Den­noch sind sie leich­ter zu­gäng­lich als das sti­lis­tisch ähn­li­che Schaf­fen des Deut­schen Laß­witz, weil sie Uto­pie und Tech­nik­be­geis­te­rung nicht zum Zweck ih­res In­halts ma­chen, son­dern le­dig­lich zu des­sen Trä­ger: Schließ­lich ist es ein­fach auf­re­gend, in ei­nem Bal­lon eine Welt­rei­se an­zu­tre­ten oder Ka­pi­tän Nemo in sein ge­hei­mes Reich zu fol­gen.

Erstes Kapitel

Die nach­fol­gen­de Er­zäh­lung ist nicht fan­tas­ti­scher, sie ist nur ro­man­ti­scher Art. Es wür­de ein Irr­tum sein, we­gen ih­rer Un­wahr­schein­lich­keit zu glau­ben, dass sie nicht wahr wäre. Wir le­ben in ei­ner Zeit, wo al­les mög­lich … ja man wäre be­rech­tigt zu sa­gen, wo al­les schon vor­ge­kom­men ist. Wenn un­se­re Er­zäh­lung heu­te auch nicht wahr­schein­lich sein soll­te, so ist sie es viel­leicht schon mor­gen, dank der wis­sen­schaft­li­chen Hilfs­mit­tel, die sich der Zu­kunft bie­ten, und dann wür­de es nie­man­dem in den Sinn kom­men, sie als sa­gen­haft zu be­zeich­nen. Heu­te, nahe dem Ab­schluss des so prak­ti­schen, so po­si­ti­ven neun­zehn­ten Jahr­hun­derts, ent­ste­hen üb­ri­gens kei­ne Sa­gen mehr, we­der in der Bre­ta­gne, dem Ge­biet der wil­den Kor­ri­gans, noch in Schott­land, der Hei­mat der Brow­nies (Hein­zel­männ­chen) und der Gno­men; we­der in dem sa­gen­um­wo­be­nen Nor­we­gen, dem Va­ter­land der Asen, El­fen, Syl­phen und Wal­kü­ren, noch auch in Trans­sil­va­ni­en (Sie­ben­bür­gen), wo die mäch­ti­ge Ket­te der Kar­pa­ten für Geis­ter­be­schwö­run­gen und Geis­terer­schei­nun­gen einen so güns­ti­gen Bo­den bie­tet, ob­wohl wir hier­zu die Be­mer­kung nicht un­ter­drücken dür­fen, dass ge­ra­de im trans­sil­va­ni­schen Land der Aber­glau­be frü­he­rer Zei­ten noch in üp­pi­ger Blü­te steht.

Ge­ran­do hat die­ses ent­le­ge­ne Ge­biet Eu­ro­pas be­schrie­ben, Elisée Re­clus hat es be­sucht. Bei­de er­wäh­nen nichts von den Vor­komm­nis­sen, wor­auf un­se­re Er­zäh­lung be­ruht. Vi­el­leicht hat­ten sie da­von Kennt­nis, woll­ten ih­nen aber kei­nen Glau­ben bei­mes­sen. Das ist schon des­halb zu be­dau­ern, weil der eine die­se Er­eig­nis­se mit der Ver­läss­lich­keit des Ge­schichts­schrei­bers wie­der­ge­ge­ben, der an­de­re sie mit dem un­be­wuss­ten poe­ti­schen Schwung ge­schil­dert hät­te, der sei­ne Rei­se­be­rich­te so vor­teil­haft aus­zeich­net.

Da das also bei­de un­ter­las­sen ha­ben, will ich ver­su­chen, es für sie zu tun.

Am 29. Mai ei­nes der letz­ten Jah­re hü­te­te ein Schä­fer sei­ne Her­de am Ran­de ei­nes grü­nen Wie­sen­plans am Fuß des Re­te­zat, der ein mit ge­radäs­ti­gen Bäu­men be­setz­tes und mit rei­chen Acker­fel­dern ge­schmück­tes Tal über­ragt. Über jene of­fe­ne, ganz schutz­lo­se Hoch­flä­che strei­chen zur Win­ters­zeit die Ga­ler­nen, das sind die schar­fen, schnei­den­den Nord­west­win­de, wie das Mes­ser des Bar­biers. Man sagt dann auch dort zu Lan­de, dass die Höhe sich – und zu­wei­len sehr glatt – »ra­siert«.

Je­ner Schä­fer zeig­te in sei­nem Äu­ße­ren nichts Ar­ka­di­sches1 und auch nichts Bu­ko­li­sches2 in sei­ner Hal­tung. Es war kein Daph­nis, Amyn­tas, Ti­ty­ros, Ly­ci­dus oder Me­liböus. Der Li­gnon mur­mel­te nicht zu sei­nen mit plum­pen Holz­schu­hen be­schwer­ten Fü­ßen; die wa­la­chi­sche Sil war es, die mit ih­rem kla­ren, fri­schen Ge­wäs­ser wür­dig ge­we­sen wäre, durch die Win­dun­gen des ma­ze­do­ni­schen Asträ­us zu flie­ßen.

Frik, Frik, aus der Dorf­schaft Werst – so nann­te sich der länd­li­che Hirt – von Per­son eben­so ver­nach­läs­sigt wie sei­ne Tie­re, schi­en wie ge­schaf­fen, mit in dem am Ein­gang des Dor­fes er­rich­te­ten schmut­zi­gen Nest zu woh­nen, in dem auch sei­ne Scha­fe und Schwei­ne in em­pö­ren­dem Schlamm und Un­rat haus­ten, wie das üb­ri­gens für alle Schä­fe­rei­en des Ko­mi­tats3 gleich­mä­ßig zu­trifft.

Das im­ma­num pe­cus4 wei­det also un­ter der Ob­hut des ge­nann­ten Frik … im­ma­ni­or ip­se.5 Auf ei­nem Hau­fen zu­sam­men­ge­tra­ge­nen Gra­ses aus­ge­streckt, schlief er mit dem einen und wach­te mit dem an­de­ren Auge, im­mer die di­cke Ta­baks­pfei­fe im Mund; nur dann und wann rief er sei­ne Hun­de an, wenn sich ein Lamm zu weit von dem Wei­de­platz ver­irr­te, oder ließ er einen schril­len Pfiff er­tö­nen, den das Echo von den Berg­wän­den viel­fach wie­der­hol­te.

Es war jetzt vier Uhr nach­mit­tags. Die Son­ne be­gann zu sin­ken. Ein­zel­ne Fel­sen­gip­fel im Os­ten, de­ren Fuß sich in wal­len­den Dunst­wol­ken ba­de­te, er­glänz­ten schon im Abend­licht. Nach Süd­wes­ten zu lie­ßen zwei Lücken der Berg­ket­te ein schrä­ges Strah­len­bün­del her­ein­fal­len, so wie ein Licht­strei­fen durch we­nig ge­öff­ne­te Tü­ren dringt.

Das Ge­birgs­sys­tem der Ge­gend ge­hör­te zu dem wil­des­ten Teil Trans­sil­va­ni­ens, der im Ko­mi­tat Klau­sen­burg oder Ko­los­var zu su­chen ist.

Ein merk­wür­di­ges Bruch­stück des ös­ter­rei­chi­schen Kai­ser­tums, die­ses Trans­sil­va­ni­en, das »Er­de­ly« in magya­ri­scher Spra­che, d.h. »das Land der Wäl­der«. Nach Nor­den und nach Wes­ten zu wird es von Un­garn be­grenzt; im Sü­den be­rührt es die Walachei und im Os­ten die Moldau. Bei ei­ner Ober­flä­che von sech­zig­tau­send Qua­drat­ki­lo­me­tern oder sechs Mil­lio­nen Hek­t­aren – das ist fast der zehn­te Teil der ös­ter­rei­chisch-un­ga­ri­schen Mon­ar­chie – er­scheint es als eine Art Schweiz, ist aber, ob­wohl um die Hälf­te grö­ßer als der hel­ve­ti­sche Staa­ten­bund, doch nicht volk­rei­cher als jene. Mit sei­nen dem Acker­bau er­schlos­se­nen Ho­chebe­nen, den üp­pi­gen Wei­de­flä­chen, den nach al­len Rich­tun­gen hin strei­chen­den Tä­lern und sei­nen schroff auf­stre­ben­den Fels­rie­sen, wird Trans­sil­va­ni­en, das die vie­len plu­to­ni­schen Hö­hen­zü­ge der Kar­pa­ten fast über­all strei­fig be­de­cken, von zahl­rei­chen Was­ser­läu­fen durch­zo­gen, von Zuf­lüs­sen der Theiß und der stol­zen Do­nau, in der das so­ge­nann­te Ei­ser­ne Tor we­ni­ge geo­gra­fi­sche Mei­len wei­ter im Sü­den den Ab­fall der Bal­kan­ket­te zwi­schen der Gren­ze Un­garns und des os­ma­ni­schen Rei­ches ver­schließt.

So er­scheint das Bild des al­ten Da­ciens, das Tra­jan im ers­ten Jahr­hun­dert der christ­li­chen Zeit­rech­nung er­ober­te. Die Un­ab­hän­gig­keit, de­ren es sich un­ter Jo­hann Za­po­ly und des­sen Nach­fol­gern bis zum Jah­re 1699 er­freu­te, hat­te ein Ende mit Leo­pold I., der das Ge­biet dem der ös­ter­rei­chi­schen Kron­län­der ein­ver­leib­te. Trotz ver­än­der­ter po­li­ti­scher Ver­hält­nis­se ist es aber stets der Wohn­sitz ver­schie­de­ner Ras­sen ge­blie­ben, die hier mit­ein­an­der in Berüh­rung ste­hen, doch nicht ver­schmel­zen, die Hei­mat von Wala­chen oder Ru­mä­nen, von Un­garn, Zi­geu­nern, Sze­klern mol­daui­scher Ab­stam­mung, und auch von Sach­sen, die durch Zeit und Um­stän­de sich zu­guns­ten der trans­sil­va­ni­schen Ein­heit doch schließ­lich »magya­ri­sie­ren« dürf­ten, so hart­nä­ckig sie bis­her auch ihre Stam­mes­ei­gen­tüm­lich­keit be­haup­te­ten.

Wel­chem Ty­pus der Schä­fer Frik an­ge­hör­te und ob er etwa ein ent­ar­te­ter Nach­kom­me der al­ten Da­cier war, das hät­te man an­ge­sichts sei­nes wir­ren Haar­schop­fes, des nicht ge­ra­de sau­be­ren Ant­lit­zes, des strup­pi­gen Bar­tes, der dich­ten, wie aus röt­li­chen Bors­ten ge­bil­de­ten Au­gen­brau­en und der zwi­schen grün und blau schil­lern­den, ste­chen­den, doch am Horn­hau­trand schon den so­ge­nann­ten Grei­sen­bo­gen zei­gen­den Au­gen des Man­nes nur schwer be­stim­men kön­nen. Dass er be­reits fünf­und­sech­zig Jah­re zähl­te, konn­te man schon leich­ter se­hen. Da­bei war er groß, seh­nig und hielt sich straff un­ter dem wei­chen Filz­hut, der frei­lich we­ni­ger Haa­re zeig­te als sei­ne halb ent­blö­ßte Brust – kurz, ein Ma­ler wür­de ihn, wenn er so, auf den lan­gen Stab mit Krä­hen­schna­bel­griff ge­stützt, un­be­weg­lich wie ein Fel­sen da­stand, ge­wiss gern als Mo­dell be­nutzt ha­ben.

Als die Son­nen­strah­len sich durch die Ber­glücke im Wes­ten Bahn bra­chen, dreh­te Frik sich um; dann form­te er aus der halb ein­ge­schla­ge­nen Hand eine Art Fern­rohr – ganz wie er die­se hät­te als Sprach­rohr ver­wen­det, wenn er sich weit­hin ver­nehm­bar ma­chen woll­te – und blick­te auf­merk­sam in je­ner Rich­tung hin­aus. Am hel­len Hin­ter­grund des Ho­ri­zon­tes er­ho­ben sich in der Ent­fer­nung ei­ner Mei­le und des­halb stark ver­klei­nert die Um­ris­se ei­ner Burg. Die­ser al­ter­tüm­li­che Schloss­bau nahm auf ei­nem ein­zeln­ste­hen­den Sei­ten­gip­fel des Ber­ges Vul­kan den mitt­le­ren Teil ei­nes Hoch­pla­te­aus ein, das den Na­men des Pla­te­aus von Or­gall führ­te. Bei dem schim­mern­den Licht ho­ben sich die Um­ris­se des Gan­zen deut­lich und mit der­sel­ben Schär­fe wie ste­reo­sko­pi­sche Bil­der vom Him­mel ab. Nichts­de­sto­we­ni­ger muss­te das Auge des Hir­ten mit sel­te­ner Seh­schär­fe aus­ge­stat­tet sein, um ir­gend­ei­ne Ein­zel­heit der ent­fern­ten Ge­gen­stän­de un­ter­schei­den zu kön­nen.

Plötz­lich rief er, den Kopf in die Höhe wer­fend:

»Al­tes Schloss! … Al­tes Schloss! … Im­mer stüt­ze dich nur auf dei­ne Grund­fes­te! … Noch drei Jah­re, und es ist zu Ende mit dir, denn dei­ne Bu­che hat nur noch drei Äste!«

Die be­tref­fen­de, nahe am Rand ei­ner der Bas­tio­nen der Burg wur­zeln­de Bu­che er­schi­en am Him­mels­grund wie ein fei­ner Pa­pieraus­schnitt, und in die­ser Ent­fer­nung möch­te sie schwer­lich für je­mand an­ders als den Schä­fer Frik sicht­bar ge­we­sen sein. Die Deu­tung je­ner ge­heim­nis­vol­len Wor­te, die mit ei­ner das Berg­schloss be­tref­fen­den Sage in Be­zie­hung stand, wird an pas­sen­der Stel­le nach­fol­gen.

»Ja!« wie­der­hol­te der Mann, »nur drei Äste! … Ges­tern wa­ren es noch vier; der vier­te ist aber im Lau­fe der letz­ten Nacht ab­ge­fal­len … jetzt steht nur noch ein Stumpf des stol­zen Bau­mes da … Ich zäh­le nur noch drei über dem star­ken Stamm … nur noch drei, alte Burg … nur noch drei le­ben­de Äste!«

Stellt man sich einen Hir­ten von sei­ner idea­len Sei­te vor, so er­scheint er ei­nem ge­wöhn­lich als Den­ker oder Träu­mer; er un­ter­hält sich mit den Pla­ne­ten; er spricht mit den Ster­nen und ver­steht sich dar­auf, die Schrift des Him­mels zu le­sen. In Wirk­lich­keit ist er im All­ge­mei­nen ein un­wis­sen­der, ver­na­gel­ter Bur­sche. Trotz­dem dich­te­te ihm die Leicht­gläu­big­keit so oft über­na­tür­li­che Fä­hig­kei­ten an; er ver­steht sich auf Hexe­rei je nach Lau­ne; er wen­det Ver­zau­be­run­gen durch Be­spre­chen ab oder ver­zau­bert selbst Mensch und Tier – was in die­sem Fall ja fast auf ei­nes hin­aus­kommt; er han­delt mit sym­pa­the­ti­schen Pül­ver­chen; man kauft von ihm Lie­bes­trän­ke und Zau­ber­sprü­che. Ja, es geht so weit, dass er die kei­men­de Frucht der Acker­fur­che tö­tet, in­dem er ver­hex­te Kie­sel­stei­ne hin­ein­wirft, oder dass er die Scha­fe un­frucht­bar macht, in­dem er sie mit dem lin­ken Au­gen an­sieht. Ein der­ar­ti­ger Aber­glau­be fin­det sich in al­len Län­dern und fand sich zu al­len Zei­ten. Selbst in mehr zi­vi­li­sier­ten Län­dern ge­hen gar vie­le Leu­te nicht an ei­nem Schä­fer vor­über, ohne die­sem ein paar freund­li­che Wor­te zu­zu­ru­fen, ohne ihm einen her­ge­brach­ten Gruß zu bie­ten, in­dem er spe­zi­ell »Hirt« ge­nannt wird, wor­auf der Mann be­son­de­ren Wert legt. Ein Ab­neh­men des Hu­tes schützt be­reits ge­gen man­ches Übel, und in Trans­sil­va­ni­en ist man des­halb da­mit nicht spar­sam.

Frik wur­de nun als ein sol­cher He­xen­meis­ter be­trach­tet, der Geis­terer­schei­nun­gen her­vor­zu­zau­bern ver­moch­te. Nach Aus­sa­ge der einen ge­horch­ten ihm die Vam­pi­re und die Stry­ges; nach der an­de­rer konn­te man ihn bei ab­neh­men­dem Mond in halb­fins­te­ren Näch­ten, wie in an­de­ren Ge­gen­den das Ge­s­penst des Gro­ßen Schalt­ta­ges, auf dem Schutz­dach von Mühl­rä­dern rei­ten se­hen, von wo aus er mit den Wöl­fen schwatz­te oder träu­me­risch zu den Ster­nen hin­auf­starr­te.

Frik ließ die Leu­te re­den, denn er stand sich ganz gut da­bei. Er ver­kauf­te Zau­ber­mit­tel eben­so wie Schutz­mit­tel ge­gen sol­che. Doch war er, wohl zu be­mer­ken, nicht we­ni­ger gläu­big als sei­ne Kund­schaft, und wenn er viel­leicht auch an sei­nen ei­ge­nen Zau­ber­kräf­ten zwei­fel­te, so galt ihm doch der In­halt der land­läu­fi­gen Sa­gen als un­be­streit­ba­re Wahr­heit.

Hier­nach kann es nicht Wun­der neh­men, dass er sich jene, das bal­di­ge Ver­schwin­den der Burg be­tref­fen­de Vor­her­sa­ge zu­recht­leg­te – da die Schick­sals­bu­che jetzt bis auf drei Äste zu­sam­men­ge­bro­chen war – und dass er sich be­eil­te, die­se Neu­ig­keit in Werst be­kannt­zu­ge­ben.

Nach­dem er also sei­ne Her­de zu­sam­men­ge­ru­fen, in­dem er mit vol­len Ba­cken eine aus weißem Holz ge­schnitz­te Schä­fer­pfei­fe an­blies, schlug Frik den Heim­weg nach dem Dorf ein. Die Tie­re in Ord­nung hal­tend, folg­ten ihm sei­ne Hun­de – zwei Ter­ri­er-Ba­star­de, bis­si­ge, wil­de Kö­ter, die mehr ge­schaf­fen schie­nen, Läm­mer zu zer­flei­schen als sol­che zu be­schüt­zen. Die Her­de be­stand aus etwa hun­dert Wid­dern und Scha­fen; dar­un­ter etwa ei­nem Dut­zend Läm­mern, sonst aber aus drei- bis vier­jäh­ri­gen Tie­ren mit vier und mit sechs Zäh­nen.

Die­se Her­de ge­hör­te dem Orts­rich­ter von Werst, dem Biró Koltz, der der Ge­mein­de einen tüch­ti­gen Wei­de­pacht be­zahl­te und sei­nen Schä­fer Frik hoch schätz­te, weil er ihn als eben­so brauch­bar bei der Schur, wie er­fah­ren in der Be­hand­lung der Schaf­krank­hei­ten, der Dreh­krank­heit, des Le­ber­wur­mes, der Trom­mel­sucht, der Po­cken, der Un­frucht­bar­keit und an­de­rer ähn­li­cher Stö­run­gen kann­te.

Die Tie­re zo­gen in ge­schlos­se­nem Hau­fen da­hin, vor­an der Leit­ham­mel mit der Glo­cke und ein al­tes Mut­ter­schaf mit Schel­len­hals­band, die bei­de in­mit­ten des Ge­blö­kes »den Ton an­ga­ben«.

Von dem Wei­de­platz aus schlug Frik einen brei­ten, von aus­ge­dehn­ten Fel­dern um­ge­be­nen Fuß­weg ein. Hier wog­ten die präch­ti­gen Hal­me ei­nes Ge­trei­des, das eben­so hoch im Stroh, wie lang in den Ähren war; dort wu­cher­ten üp­pi­ge Kul­tu­ren von »Ku­ku­ruz«, dem Mais des Lan­des. Der Weg führ­te nach dem Saum ei­nes aus Fich­ten und Tan­nen be­ste­hen­den Wal­des, der in sei­nem Schat­ten er­qui­cken­de Küh­le bot. Wei­ter un­ten schlän­gel­te sich das spie­geln­de Band der Sil hin, de­ren Was­ser sich an den Kie­seln des Grun­des klär­te, und auf der Stäm­me und Klöt­ze aus den strom­auf­wärts lie­gen­den Sä­ge­müh­len hin­ab­schwam­men.

Hun­de und Scha­fe mach­ten am rech­ten Ufer des Flus­ses halt und still­ten gie­rig ih­ren Durst am stei­len Rand, des­sen Ro­sen­ge­büsch sie durch­bro­chen hat­ten.

Werst lag nur we­ni­ge Flin­ten­schuss weit von hier ent­fernt, und zwar jen­seits ei­nes dich­ten, halb­ho­hen Wei­de­bu­sches mit na­tür­lich ent­wi­ckel­ten Bäu­men, nicht sol­chen ver­krüp­pel­ten Kopf­wei­den,6 de­ren Zweigru­ten nur we­ni­ge Fuß über der Wur­zel aus­strah­len. Die­ses Wei­den­ge­büsch er­streck­te sich bis zu den Ab­hän­gen des Vul­kan, auf dem das gleich­na­mi­ge Dorf den Vor­berg ei­nes nach Sü­den ver­lau­fen­den Zwei­ges des Pleša­ge­bir­ges7 ein­nimmt.

Die Land­schaft war jetzt men­schen­leer. Die Feld­ar­bei­ter kehr­ten erst mit ein­bre­chen­der Dun­kel­heit nach ih­rem häus­li­chen Herd zu­rück, und Frik hät­te jetzt wohl kaum Ge­le­gen­heit ge­fun­den, den alt­her­ge­brach­ten Gu­ten Tag! mit ihm be­geg­nen­den Leu­ten zu wech­seln. Nach­dem sei­ne Tie­re sich ge­sät­tigt, woll­te er eben nach ei­nem ver­schlun­ge­nen Tal­weg ein­bie­gen, als ihm, etwa fünf­zig Schrit­te strom­ab­wärts der Sil, ein dort auf­tau­chen­der Mann in die Au­gen fiel.

»He! Gu­ter Freund!« rief die­ser dem Hir­ten zu.

Es war ei­ner je­ner frem­den Händ­ler, die alle Märk­te des Ko­mi­tats be­su­chen und die man da­zwi­schen in Städ­ten, Fle­cken und selbst in den ge­rings­ten Dör­fern an­trifft. Sich den Leu­ten ver­ständ­lich zu ma­chen, ist ih­nen eine Klei­nig­keit, sie spre­chen eben alle Mund­ar­ten. Nie­mand hät­te sa­gen kön­nen, ob der hier Er­schie­ne­ne ein Ita­lie­ner, Sach­se oder Wala­che sei; man er­kann­te aber leicht, dass er Jude, pol­ni­scher Jude war, an sei­ner lan­gen ha­ge­ren Ge­stalt, der ge­bo­ge­nen Nase, dem spitz aus­lau­fen­den Voll­bart, wie an der vor­sprin­gen­den Stirn und den leb­haf­ten Au­gen dar­un­ter.

Die­ser Hau­sie­rer han­del­te mit Bril­len, klei­nen op­ti­schen In­stru­men­ten, Ther­mo­me­tern, Baro­me­tern, ge­ring­wer­ti­gen Wand­uh­ren u. dgl.

Was nicht in sei­nem, an star­ken Ach­sel­gur­ten hän­gen­den Wa­ren­kas­ten un­ter­ge­bracht war, das hing ihm am Hals und am Leib­gür­tel – ein rich­ti­ger wan­deln­der Kram­la­den.

Wahr­schein­lich heg­te auch die­ser Jude die Ach­tung, viel­leicht die stil­le Scheu, die nun ein­mal alle Schä­fer an­de­ren Leu­ten ein­flö­ßen. So be­grüß­te er denn Frik zu­nächst mit ei­ner Hand­be­we­gung. Dann be­gann er in ru­mä­ni­scher Spra­che, die­sem Ge­men­ge aus La­tein und Sla­visch, mit frem­dem Ton­fall:

»Es geht Euch doch nach Wunsch, gu­ter Freund?«

»Ja­wohl … je nach der Wit­te­rung«, ant­wor­te­te Frik.

»Dann geht’s Euch heu­te also gut, denn es ist schö­nes Wet­ter.«

»Und mor­gen de­sto schlech­ter, denn da wird’s reg­nen.«

»Reg­nen …?« rief der Händ­ler. »Reg­net’s in Eu­rem Land auch ohne Wol­ken?«

»Nun, Wol­ken wer­den die­se Nacht schon kom­men … und zwar von da drau­ßen … von der schlim­men Sei­te des Ber­ges.«

»Woran er­kennt Ihr das?«

»An der Wol­le mei­ner Scha­fe, die starr und tro­cken wie ge­gerb­te Haut ist.«

»Das ist frei­lich eine schlim­me Aus­sicht für die, die drau­ßen im Frei­en ihre Ar­beit ha­ben.«

»Und de­sto an­ge­neh­mer für die, die in ih­rem Haus un­ter Dach blei­ben kön­nen.«

»Ge­wiss, Schä­fer; doch dazu muss man auch ein Haus be­sit­zen.«

»Habt Ihr Kin­der?« frag­te Frik wei­ter.

»Nein.«

»Seid Ihr ver­hei­ra­tet?«

»Nein.«

Die Fra­gen stell­te Frik, weil sie hier lan­des­üb­li­cher­wei­se an je­den ge­rich­tet wer­den, dem man auf der Land­stra­ße be­geg­net.

Dann fuhr er fort:

»Wo­her kommt Ihr, Hau­sie­rer?«

»Von Her­mann­stadt.«

Her­mann­stadt ist eine der be­deu­tends­ten Städ­te Sie­ben­bür­gens. Von die­ser aus ge­langt man in das bis nach Pe­tro­se­ny her­ab­rei­chen­de Tal der un­ga­ri­schen Sil.

»Und Ihr geht …?«

»Nach Ko­los­var.«

Um nach Ko­los­var (Klau­sen­burg) zu kom­men, hat man sich wei­ter­hin im Tal des Ma­ros zu hal­ten und er­reicht dann über Karls­burg, längs der ers­ten Aus­läu­fer der Bil­ar­ber­ge hin­ge­hend, die Haupt­stadt des Ko­mi­tats. Die Weg­stre­cke be­trägt etwa zwan­zig Mei­len (150 Ki­lo­me­ter).

Die­se Händ­ler mit Ther­mo­me­tern, Baro­me­tern und al­ler­hand Klein­kram er­schei­nen im­mer wie Ge­stal­ten be­son­de­rer – nur nicht hof­män­ni­scher – Art. Das liegt in ih­rem Ge­schäft. Sie ver­kau­fen Zeit und Wet­ter, in je­der Form, die Zeit, wie sie ver­fließt, das Wet­ter, wie es eben ist und wie es sein wird, wie an­de­re »zwei­bei­ni­ge Bal­len­tie­re« Kör­be, Strick- und Baum­woll­wa­ren ver­han­deln. Man wäre ver­sucht, sie Rei­sen­de des Hau­ses Sa­turn & Cie. – mit dem »Gol­de­nen Stun­den­glas« als Wa­ren­schutz­mar­ke – zu nen­nen. Zwei­felsoh­ne mach­te der Han­dels­ju­de die­se Wir­kung auf den bie­de­ren Frik, der ver­wun­dert die­se Men­ge von Ge­gen­stän­den be­trach­te­te, die ihm so gut wie ganz neu wa­ren und de­ren Be­stim­mung er nicht kann­te.

»He, Hau­sie­rer«, frag­te er, den Arm vor­stre­ckend, »wozu dient das Ding da, das wie die Zäh­ne ei­nes al­ten Ge­henk­ten an Eu­rem Gür­tel klap­pert?«

»Oh, das sind lau­ter wert­vol­le Sa­chen«, er­wi­der­te der Frem­de, »lau­ter Din­ge, die all’ und je­dem nütz­lich sind.«

»All’ und je­dem«, ent­geg­ne­te Frik mit den Au­gen zwin­kernd … »auch für einen Schä­fer?«

»Auch je­dem Schä­fer und Hir­ten.«

»Und das lan­ge glän­zen­de Ding da …?«

»Dies In­stru­ment«, be­lehr­te ihn der Jude, in­dem er ein Ther­mo­me­ter in der Hand auf und ab glei­ten ließ, »sagt Euch, ob es warm oder kalt ist.«

»Aber, gu­ter Freund, das weiß ich doch al­lein, wenn ich un­ter der dün­nen Ja­cke schwit­ze oder un­ter dem di­cken Flaus­rock frie­re.«

Of­fen­bar ge­nüg­ten sol­che Wahr­neh­mun­gen ei­nem Schä­fer, der sich um das Wa­rum? da­bei nicht küm­mer­te.

»Und die alte di­cke Uhr dort mit dem einen Zei­ger dran?« er­kun­dig­te er sich wei­ter, auf ein Aneroïd­ba­ro­me­ter8 wei­send.

»Das ist kei­ne alte Uhr, son­dern ein In­stru­ment, das Euch vor­her­sagt, ob’s mor­gen schön sein oder reg­nen wird …«

»Ist das wahr …?«

»Ge­wiss, dar­auf könnt Ihr Euch ver­las­sen.«

»Na, ’s mag ja sein; ich möch­te das Ding aber doch nicht, und wenn’s nicht mehr als einen Kreu­zer kos­te­te. Ich brau­che ja nur nach­zu­se­hen, wie die Wol­ken durch die Ber­ge zie­hen oder ob sie hoch über de­ren Gip­feln hin­ge­hen, da weiß ich das Wet­ter auch für vier­und­zwan­zig Stun­den im vor­aus. Da drau­ßen, Ihr seht wohl den Ne­bel, der fast auf der Erde hin­schleicht? … Na, wie ich Euch sage, das be­deu­tet für mor­gen Was­ser.«

Der Schä­fer Frik, ein lang­ge­schul­ter Wet­ter­be­ob­ach­ter, konn­te in der Tat je­des Baro­me­ter ent­beh­ren.

»Da ist wohl die Fra­ge über­flüs­sig, ob Ihr viel­leicht eine Uhr braucht?« nahm der Han­dels­ju­de wie­der das Wort.

»Eine Uhr? … Ach, ich habe eine, die geht ganz al­lein und hängt mir, wo ich gehe und ste­he, über dem Kopf – das ist die Son­ne da oben. Seht Ihr, Freund­chen, wenn die sich über die Spit­ze des Ro­duk da drü­ben stellt, dann ist es Mit­tag, und wenn sie durch das Loch des Egelt guckt, ist es sechs Uhr abends. Das wis­sen mei­ne Scha­fe eben­so gut wie ich; die Scha­fe und die Hun­de erst recht. Da be­hal­tet nur Eu­ren Kram.«

»Frei­lich«, be­merk­te der Händ­ler, »wenn ich nur Schä­fer zu Kun­den hät­te, da würd’ es mir schwer wer­den, et­was zu ver­die­nen. Ihr braucht also gar nichts von mei­nen Wa­ren?«

»Nicht das Ge­rings­te!«

Die bil­li­gen Ramsch­wa­ren des Ju­den wa­ren üb­ri­gens auch wirk­lich nicht viel wert; die Baro­me­ter zeig­ten ge­ra­de dann nicht auf Schön Wet­ter oder Verän­der­lich, wenn es ihre Pf­licht ge­we­sen wäre, und die Uhr­wei­ser be­zeich­ne­ten die Stun­den zu lang oder die Mi­nu­ten zu kurz – mit ei­nem Wort, der Jude trug den rei­nen Aus­schuss trö­deln. Den Schä­fer moch­te auch ein ge­wis­ses Miss­trau­en be­schlei­chen, denn er mach­te gar kei­ne Mie­ne, den Beu­tel zu zie­hen. Da, als er schon den lan­gen Stab zum Wei­ter­ge­hen be­weg­te, tipp­te er noch auf eine Art Röh­re, die am Trag­gurt des Hau­sie­rers hing, und sag­te:

»Wozu dient denn die klei­ne Röh­re hier?«

»Die­se Röh­re ist kei­ne sim­ple Röh­re.«

»Na, ’s ist doch auch kein Ofen­rohr?«

Der Schä­fer ver­stand dar­un­ter eine Art alt­mo­di­scher Pis­to­le mit er­wei­ter­ter Mün­dung.

»Nein«, er­klär­te der Jude, »das ist ein Fern­rohr«.

Es war in der Tat ei­nes je­ner Jahr­markt-In­stru­men­te, die die be­trach­te­ten Ge­gen­stän­de fünf- bis sechs­mal ver­grö­ßern oder sie um eben­so­viel nä­her zu brin­gen schei­nen, was ja in der Wir­kung auf das­sel­be hin­aus­kommt.

Frik hat­te das Fern­rohr los­ge­bun­den; er be­sah es sich ge­nau, dreh­te und wen­de­te es nach al­len Sei­ten und ver­schob die Ein­zel­zy­lin­der über­ein­an­der.

Dann rich­te­te er wie un­gläu­big den Kopf hoch auf.

»Ein Fern­rohr?« frag­te er.

»Ja, Schä­fers­mann, und zwar ein ganz vor­züg­li­ches, das Euch be­fä­higt, viel wei­ter als ge­wöhn­lich zu se­hen.«

»Oho, ich habe sehr gute Au­gen, Freund­chen. Bei kla­rer Luft er­ken­ne ich die ent­le­gens­ten Fel­sen bis zur Spit­ze des Re­te­zat9 und die letz­ten Bäu­me im Grun­de des Tal­we­ges des Vul­kans.«

»Ohne die Au­gen halb zu schlie­ßen?«

»Ohne sol­che Kunst­stück­chen. Das ver­dank’ ich dem heil­sa­men Tau, wenn ich vom Abend bis zum Mor­gen un­ter frei­em Him­mel schla­fe. Glaubt nur, das wäscht die Pu­pil­le rein.«

»Was … der Tau?« er­wi­der­te der Hau­sie­rer. »Der macht ja die Leu­te weit eher blind …«

»Nur die Schä­fer nicht!«

»Mag sein! Doch wenn Ihr auch gute Au­gen habt, so sind mei­ne doch noch bes­ser, so­bald ich sie ans Ende mei­nes Fern­roh­res brin­ge.«

»Das müsst’ ich erst se­hen.«

»Werft doch ein­mal selbst einen Blick, durch das Fern­rohr.«

»Ich?«

»Ver­sucht’s nur.«

»Und das kos­tet nichts?« frag­te Frik, der von Na­tur et­was miss­trau­isch vor­sich­tig war.

»Nichts … gar nichts, we­nigs­tens wenn Ihr das Fern­rohr nicht kauft.«

In die­ser Hin­sicht be­ru­higt, nahm Frik das In­stru­ment, das der Hau­sie­rer für ihn pas­send ein­stell­te. Nach­dem er dann das lin­ke Auge ge­schlos­sen, brach­te er das rech­te nahe an das Ocu­lar.

Erst blick­te er in der Rich­tung des Vul­kans und auf­wärts nach der Pleša hin­aus. Nach­her senk­te er das In­stru­ment und rich­te­te es nach dem Dorf Werst hin­ab.

»Wahr­lich«, rief er, »’s doch rich­tig! Das trägt wei­ter als mei­ne Au­gen … Da die Land­stra­ße … ich er­ken­ne dar­auf die Leu­te! … Rich­tig, Nic Deck, der Forst­wäch­ter, der, die Flin­te auf dem Rücken, vom Rund­gang heim­kehrt, mit …«

»Wie ich’s Euch sag­te!« un­ter­brach ihn der Hau­sie­rer.

»Ja … rich­tig … das ist Nic!« fuhr der Schä­fer fort. »Und wer ist das Mäd­chen im ro­ten Rock und schwar­zen Leib­chen, das aus dem Haus des Meis­ters Koltz tritt, wie um je­nem ent­ge­gen­zu­ge­hen?«

»Seht nur or­dent­lich hin, Schä­fer, und Ihr wer­det das Mäd­chen eben­so gut er­ken­nen, wie den jun­gen Mann …«

»Ja … wirk­lich … das ist Mi­rio­ta … die schö­ne Mi­rio­ta! – Oh, die­se ver­lieb­ten Leu­te! Jetzt mö­gen sie aber auf ih­rer Hut sein, denn ich habe sie hier deut­lich am Ende des Fern­roh­res, und es ent­geht mir kei­ne Zärt­lich­keit.«

»Nun, was sagt Ihr jetzt von dem In­stru­ment?«

»Was soll ich sa­gen? – Dass man da­mit wei­ter se­hen kann als sonst.«

Wenn Frik in sei­nem Le­ben noch nie­mals durch ein Fern­rohr ge­blickt hat­te, muss­te das Dorf Werst doch wohl zu den Ort­schaf­ten des Ko­mi­tats Klau­sen­burg ge­hö­ren, die am wei­tes­ten hin­ter der Zeit zu­rück­ge­blie­ben wa­ren. Und dass es an dem war, wird der Le­ser bald selbst er­ken­nen.

»Jetzt, Schä­fer«, fuhr der Frem­de fort, »schaut noch ein­mal hin­durch, aber wei­ter­hin als nach Werst. Das Dorf liegt viel zu nahe. Sehr dar­über hin­aus, weit, weit hin­aus!«

»Und das kos­tet auch nicht mehr?«

»Kei­nen Hel­ler mehr.«

»Gut. Ich will mich ein­mal in der Ge­gend der un­ga­ri­schen Sil um­se­hen. Aha … da ist der Kirch­turm von Livad­zel! Den er­kenn’ ich an dem Kreuz, wor­an der eine Arm fehlt. Da … und wei­ter drau­ßen seh’ ich den Turm von Pe­tro­se­ny, auch sei­nen Weiß­blech-Wet­ter­hahn mit ge­öff­ne­tem Schna­bel, so als woll­te er sei­ne Glu­cken ru­fen! … Und ganz un­ten … das muss der Turm von Pe­tril­la sein … Doch, nicht wahr, Hau­sie­rer, Ihr sag­tet, das kos­tet des­halb im­mer nicht mehr …«

»Das Hin­durch­se­hen kos­tet nichts, Schä­fer.«

Frik wen­de­te sich jetzt nach dem Pla­teau von Or­gall hin; dann folg­te er mit dem Fern­rohr den Wald­mas­sen im Schat­ten der Ab­hän­ge der Pleša, und schließ­lich trat die Burg in das Ge­sichts­feld des Gla­ses.

»Rich­tig!« rief er. »Der vier­te Ast liegt zu Bo­den … ich hat­te doch recht ge­se­hen! Na, den wird auch kei­ner auf­he­ben, um ihn am Jo­han­nis­fest als hüb­sche Fa­ckel zu ge­brau­chen … Nein, kei­ner … nicht ein­mal ich selbst! Das hie­ße ja Leib und See­le der Höl­le ver­schrei­ben! Doch kei­ne Sor­ge; einen gib­t’s doch, der ihn noch die­se Nacht in sei­ner Höl­len­kü­che ver­bren­nen wird … das ist der Chort!«

Der Chort – so heißt der Teu­fel, wenn er hier im Land ge­sprächs­wei­se er­wähnt wird.

Der Jude hät­te viel­leicht nach ei­ner Er­klä­rung die­ser Wor­te ge­fragt, die für je­den un­ver­ständ­lich sein muss­ten, der nicht aus Werst oder des­sen Nach­bar­schaft her­stamm­te, doch schon rief Frik wie­der mit ei­ner aus Schre­cken und Er­stau­nen ge­misch­ten Stim­me:

»Da … was ist denn das? … Ein Dunst, der über dem al­ten di­cken Turm schwebt? … Ist’s denn wirk­lich nur Dunst? … Nein, das könn­te man für Rauch­wol­ken hal­ten! … Un­mög­lich! Seit lan­gen, lan­gen Jah­ren ha­ben die Schorn­stei­ne der Burg nicht mehr ge­raucht!«

»Wenn Ihr da drau­ßen Rauch seht, Schä­fer, so wird’s schon Rauch sein.«

»Nein, Hau­sie­rer … nein! Wahr­schein­lich ist nur das Glas Eu­res In­stru­men­tes an­ge­lau­fen.«

»So wischt es doch ab.«

»Und wenn ich das täte.«

Frik dreh­te das Fern­rohr um und setz­te es, nach­dem er die Glä­ser mit dem Är­mel ab­ge­rie­ben hat­te, wie­der vor das Auge.

Es war tat­säch­lich eine Rauch­säu­le, die dort aus dem Wart­turm auf­wir­bel­te. Bei der ganz stil­len Luft stieg sie ker­zen­ge­ra­de em­por und ver­schwamm schließ­lich im Dunst der Höhe.

Frik stand wie ver­stei­nert und sprach kein Wort. Sei­ne gan­ze Auf­merk­sam­keit wand­te er der Burg zu, nach der schon der Schat­ten der Tä­ler un­ter dem Pla­teau von Or­gall lang­sam em­por­sch­lich.

Plötz­lich ließ er das Fern­rohr her­ab­sin­ken, griff nach dem klei­nen Qu­er­sack, der un­ter sei­ner Ja­cke hing und frag­te:

»Was soll Euer Rohr kos­ten?«

»An­dert­halb Gul­den«, ant­wor­te­te der Händ­ler.

Er hät­te das Fern­rohr auch schon für einen Gul­den weg­ge­ge­ben, wenn Frik sonst Lust zum Kauf ge­zeigt hät­te. Der Schä­fer feilsch­te aber nicht. Of­fen­bar un­ter dem Druck ei­ner eben­so plötz­li­chen wie un­er­klär­li­chen Ver­blüf­fung, senk­te er die Hand in den Qu­er­sack und brach­te das ver­lang­te Geld her­vor.

»Kauft Ihr das Fern­rohr für Euch selbst?« frag­te der Hau­sie­rer.

»Nein … für mei­nen Herrn, den Orts­rich­ter Koltz.«

»Dann gibt er Euch zu­rück, was …«

»Ja­wohl, die zwei Gul­den, die es mich ge­kos­tet hat.«

»Wie … die zwei Gul­den, sagt Ihr?«

»Na­tür­lich … Nun üb­ri­gens Gute Nacht, Freund­chen.«

»Gute Nacht, Schä­fers­mann!«

Frik pfiff die Hun­de her­an, ließ die­se die Her­de zu­sam­men­trei­ben und zog rasch in der Rich­tung nach Werst da­von.

Der Jude, der ihm nach­schau­te, schüt­tel­te leicht den Kopf, als ob er es mit ei­nem hal­b­en Nar­ren zu tun ge­habt hät­te.

»Hät­te ich das ge­wusst«, mur­mel­te er vor sich hin, »dann würd’ ich ihm das Fern­rohr et­was teu­rer ver­kauft ha­ben!«

Nach­dem er dann sei­ne Wa­ren am Gür­tel und auf den Schul­tern wie­der ge­ord­net, schlug er, am rech­ten Ufer der Sil hin­ab­wan­dernd, den Weg nach Karls­burg ein.

Wo­hin er ging, hat für uns kei­ne wei­te­re Be­deu­tung. Er taucht nur die­ses ein­zi­ge Mal in un­se­rer Er­zäh­lung auf. Der Le­ser wird ihn nicht wie­der zu se­hen be­kom­men.

(hier) ei­gen­tüm­lich  <<<

(hier) idyl­lisch  <<<

Ko­mi­tat ist die deut­sche Be­zeich­nung für eine re­gio­na­len Ver­wal­tungs­ein­hei­ten Un­garns.  <<<

(Hof)vieh  <<<

(Vieh)hir­te  <<<

Als Kopf­wei­de be­zeich­net man eine Wei­de, de­ren Stamm als Jung­baum auf ei­ner Höhe von etwa 1 bis 3 Me­tern ein­ge­kürzt wur­de und de­ren Zwei­ge in der Fol­ge re­gel­mä­ßig be­schnit­ten wer­den.  <<<

Die Pleša ist ein 1262 m. i. J. ho­her Berg im Na­nos in Süd­west-Slo­we­ni­en.  <<<

be­stimm­te Kon­struk­ti­ons­art ei­nes Baro­me­ters; auch sog. Do­sen­ba­ro­me­ter  <<<

Das Re­te­zat-Ge­bir­ge ist der Haupt­ge­birgs­stock der Re­te­zat-Go­de­a­nu-Grup­pe, des west­lichs­ten Teils der Süd­kar­pa­ten in Ru­mä­ni­en.  <<<