Das kleine Buch der Pflanzenheilkunde - Rudolf Theelen - E-Book

Das kleine Buch der Pflanzenheilkunde E-Book

Rudolf Theelen

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  • Herausgeber: tredition
  • Kategorie: Ratgeber
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2023
Beschreibung

Arzneipflanzen und ihre vielfältigen Zubereitungen haben im deutschsprachigen Raum eine lange Tradition und erfreuen sich auch heutzutage größter Beliebtheit. Pflanzliche Arzneimittel liegen im Trend und werden auch in Zukunft einen noch größeren Stellenwert haben. In einigen Bereichen wie z.B. Magen-Darm-Problemen, Hirnleistungsstörungen oder mittelschweren Depressionen zählen Phytopharmaka zu den meistverwendeten Arzneimitteln. Die Phytotherapie wird dabei dem Anspruch gerecht, eine Verbindung zwischen naturwissenschaftlich gesicherten Kenntnissen und empirisch orientierter Naturheilkunde herzustellen und somit einen ganzheitlichen Therapieansatz zu verwirklichen.

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Seitenzahl: 279

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Rudolf Theelen

Das kleine Buch der Pflanzenheilkunde

Rudolf Theelen

Das kleine Buch der Pflanzenheilkunde

Mit 70 Heilpflanzenportraits und 50 Teerezepturen

Der Autor

Rudolf Theelen, geboren 1966, konnte als Heilpraktiker in eigener Praxis umfangreiche Erfahrungen im Bereich der Pflanzenheilkunde sammeln. Als Dozent hat er Phytotherapie über viele Jahre hinweg an Heilpraktikerschulen unterrichtet. Aktuell ist er Inhaber und Leiter eines renommierten Lehrinstituts zur Ausbildung von Heilpraktiker*innen mit dem Schwerpunkt der integrativen Medizin. Zusätzlich zu einer fundierten Ausbildung in Naturheilkunde studierte er Philosophie und Medizingeschichte an der LMU München. Als Autor hat er Bücher zu verschiedenen naturheilkundlichen Themen veröffentlicht.

www.hpl-lotz.de www.rudolf-theelen.de

Impressum

Zur Beachtung: Die in diesem Buch wiedergegebenen Informationen sind nach bestem Wissen und Gewissen dargestellt und wurden mit größtmöglicher Sorgfalt geprüft. Da sie den Rat einer kompetenten Fachperson nicht ersetzen, ist es gegebenenfalls empfehlenswert, sich an eine Ärztin oder Heilpraktikerin bzw. einen Arzt oder Heilpraktiker des Vertrauens zu wenden. Der Autor möchte ausdrücklich darauf hinweisen, dass die genannten Heilanwendungen nicht in jedem Fall auch als Empfehlungen zu verstehen sind. Die Einnahme der genannten Heilmittel wie auch die Anwendung der Rezepturen geschieht stets auf eigene Verantwortung und ist unbedingt individuell sorgfältig abzuwägen. Der Autor übernimmt keinerlei Haftung für Schäden oder Folgen, die sich aus dem Gebrauch oder Fehlgebrauch der hier vorgestellten Informationen ergeben.

© 2023 Rudolf Theelen

Druck und Distribution im Auftrag des Autors:

tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg, Deutschland

ISBN

Softcover

978-3-347-87608-8

Hardcover

978-3-347-87610-1

E-Book

978-3-347-87612-5

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Für die Inhalte ist der Autor verantwortlich. Jede Verwertung ist ohne seine Zustimmung unzulässig. Die Publikation und Verbreitung erfolgen im Auftrag des Autors, zu erreichen unter: tredition GmbH, Abteilung "Impressumservice", Halenreie 40-44, 22359 Hamburg, Deutschland.

Inhalt

1 Einführung

2 Geschichte der Pflanzenheilkunde

2.1 Frühzeit und Antike

2.2 Mittelalter

2.3 Neuzeit

2.4 Moderne

3 Wissenschaftliche Grundlagen

3.1 Rationale Phytotherapie

3.2 Phytopharmaka

3.3 Monographien

3.4 Botanik

3.5 Morphologie der Heilpflanzen

3.6 Pflanzensystematik

4 Inhaltsstoffe

4.1 Allgemeine Definitionen

4.2 Kleines Lexikon der Wirkweisen

4.3 Ätherische Öle

4.4 Alkaloide

4.5 Bitterstoffe

4.6 Gerbstoffe

4.7 Glykoside

4.8 Schleimstoffe

4.9 Begleitstoffe

5 Pflanzliche Zubereitungen

5.1 Sammeln, Trocknen, Aufbewahren

5.2 Teezubereitungen

5.3 Tinkturen

5.4 Medizinalweine

5.5 Salben

5.6 Cremes

5.7 Kräuteröle

5.8 Umschläge und Kompressen

5.9 Abkürzungen und Bezeichnungen

6 Heilpflanzen im Portrait

6.1 Ackerschachtelhalm (Equisetum arvense)

6.2 Andorn (Marrubium vulgare)

6.3 Anis (Pimpinella anisum)

6.4 Arnika (Arnica montana)

6.5 Artischocke (Cynara scolymus)

6.6 Baldrian (Valeriana officinalis)

6.7 Bärentraube (Arctostaphylos uvae ursi)

6.8 Beinwell (Symphytum officinale)

6.9 Benediktenkraut (Cnicus benedictus)

6.10 Birke (Betula pendula, Betula pubescens)

6.11 Bitterklee (Menyanthes trifoliata)

6.12 Blutwurz (Potentilla tormentilla)

6.13 Brennessel (Urtica dioica)

6.14 Efeu (Hedera helix)

6.15 Eibisch (Althaea officinalis)

6.16 Eiche (Quercus robur)

6.17 Engelwurz (Angelika archangelika)

6.18 Enzian, gelber (Gentiana lutea)

6.19 Faulbaum (Rhamnus frangulus)

6.20 Fenchel (Foeniculum vulgare)

6.21 Flohsamen (Plantago ovata)

6.22 Frauenmantel (Alchemilla vulgaris)

6.23 Galgant (Alpinia officinalis)

6.24 Gänsefingerkraut (Potentilla anserina)

6.25 Ginkgo (Ginkgo biloba)

6.26 Goldrute (Solidago virgaurea)

6.27 Herzgespann (Leonorus cardiacus)

6.28 Hirtentäschel (Capsella bursa-pastoris)

6.29 Holunder (Sambucus nigra)

6.30 Hopfen (Humulus lupulus)

6.31 Huflattich (Tussilago farfara)

6.32 Ingwer (Gingiber officinalis)

6.33 Johanniskraut (Hypericum perforatum)

6.34 Kamille (Matricaria chamomilla)

6.35 Kapuzinerkresse (Tropaeolum majus)

6.36 Knoblauch (Allium sativum)

6.37 Königskerze (Verbascum densiflorum)

6.38 Kümmel (Carum carvi)

6.39 Lavendel (Lavandula angustifolia)

6.40 Lein (Linum usitatissimum)

6.41 Linde (Tilia cordata)

6.42 Löwenzahn (Taraxacum officinale)

6.43 Mädesüß (Filipendula ulmaria)

6.44 Malve, wilde (Malva sylvestris)

6.45 Mariendistel (Silybum marianum)

6.46 Meerrettich (Amoracia rustica)

6.47 Melisse (Melissa officinalis)

6.48 Mistel (Viscum album)

6.49 Mönchspfeffer (Vitex agnus-castus)

6.50 Mutterkraut (Chrysanthemum parthenium)

6.51 Nadelbäume (Larix decidua, Picea sp., Pinus sp.)

6.52 Passionsblume (Passiflora incarnata)

6.53 Pfefferminze (Mentha piperita)

6.54 Ringelblume (Calendula officinalis)

6.55 Rosmarin (Rosmarinus officinalis)

6.56 Rosskastanie (Aesculum hippocastanum)

6.57 Salbei (Salvia officinalis)

6.58 Schafgarbe (Achillea millefolium)

6.59 Schlüsselblume (Primula veris)

6.60 Senf (Sinapis alba, Sinapis nigra)

6.61 Sonnenhut (Echinacea purpurea)

6.62 Spitzwegerich (Plantago lanceolata)

6.63 Steinklee (Melilotus officinalis)

6.64 Tausendgüldenkraut (Centaurium erythraea)

6.65 Thymian (Thymus vulgaris)

6.66 Weide (Salix sp.)

6.67 Weißdorn (Crataegus sp.)

6.68 Wermut (Artemisia absinthium)

6.69 Zaubernuss (Hamamelis virginiana)

6.70 Zwiebel (Allium cepa)

7 Immunstimulation und Erkrankungen des Atemsystems

7.1 Pflanzliche Immunstimulantien

7.2 Erkältungskrankheiten und grippale Infekte

7.3 Akute und chronische Bronchitis

7.4 Hals-, Nasen- und Rachen-Erkrankungen

8 Erkrankungen des Bewegungsapparates

8.1 Indikationen und Anwendungsgebiete

8.2 Heilpflanzen zur inneren Anwendung

8.3 Heilpflanzen zur äußeren Anwendung

9 Erkrankungen der Haut

9.1 Indikationen und Anwendungsgebiete

9.2 Heilpflanzen zur äußeren Anwendung und zur Wundbehandlung

9.3 Salben, Cremes, Öle, Gel

10 Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems

10.1 Herzerkrankungen

10.2 Kreislauferkrankungen

10.3 Gefäßerkrankungen

11 Erkrankungen des Verdauungssystems

11.1 Erkrankungen des Magens

11.2 Erkrankungen des Darms

11.3 Erkrankungen von Leber, Galle, Bauchspeicheldrüse

12 Erkrankungen von Niere, Blase und Genitalsystem

12.1 Harnwegsinfekte und Vorbeugung von Nierengrieß

12.2 Benigne Prostatahyperplasie

12.3 Gynäkologische Erkrankungen

13 Nervensystem und Psyche

13.1 Erkrankungen des Vegetativums und der Psyche

13.2 Schmerzzustände

13.3 Geist und Gehirn

Literatur

Quellennachweis

Teerezepturen verstehen

Danksagung

Empfohlener Wegweiser durch dieses Buch:

1. Die gesuchte Erkrankung in den Kapiteln 7 bis 13 finden

2. Die dort aufgeführten Heilpflanzen im Kapitel 6 genauer kennenlernen

3. Die Inhaltsstoffe der einzelnen Pflanzen im Kapitel 4 erforschen

4. Fremdwörter im kleinen Lexikon in Kapitel 5.9 nachschlagen

5. Die Teerezepturen verstehen auf Seite 405 und entweder in der Apotheke fertig mischen lassen oder die Einzelbestandteile im Kräuterladen kaufen und selber mischen

6. Die Teemischungen nach Angabe im Rezept und nur so lange anwenden, bis eine Besserung oder Heilung eingetreten ist

7. Die passenden Fertigarzneimittel nach Angabe des Herstellers anwenden

8. Die Erkrankung mit selbst hergestellten Heilmitteln (pflanzliche Zubereitungen in Kapitel 5) behandeln (für Fortgeschrittene)

1

Einführung

Arzneipflanzen und ihre vielfältigen Zubereitungen haben im deutschsprachigen Raum eine lange Tradition und erfreuen sich auch heutzutage größter Beliebtheit. Pflanzliche Arzneimittel liegen im Trend und werden auch in Zukunft einen noch größeren Stellenwert haben. In einigen Bereichen wie z.B. Magen-Darm-Problemen, Hirnleistungsstörungen oder mittelschweren Depressionen zählen Phytopharmaka zu den meistverwendeten Arzneimitteln. Die Phytotherapie wird dabei dem Anspruch gerecht, eine Verbindung zwischen naturwissenschaftlich gesicherten Kenntnissen und empirisch orientierter Naturheilkunde herzustellen und somit einen ganzheitlichen Therapieansatz zu verwirklichen.

Das vorliegende Buch orientiert sich einerseits an der historisch gewachsenen Mannigfaltigkeit in der Anwendung pflanzlicher Heilmittel und andererseits an dem Versuch, das erfahrungsheilkundlich erworbene Wissen mit den Ansprüchen wissenschaftlicher Untersuchungen in Einklang zu bringen. Die Erläuterungen des pharmakologischen Hintergrunds und die Betonung von Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit sollen aufzeigen, dass die Phytotherapie in vielen Bereichen der Medizin durchaus gleichwertige Behandlungsmöglichkeiten anzubieten hat und sich nicht den heute üblichen Analysen und Bewertungen einer evidenzbasierten Medizin verschließt. Weitere Kapitel tragen dazu bei, die Pflanze als Ganzes betrachten zu lernen. Dazu gehören botanische Grundkenntnisse wie Wuchsformen, Struktur und Aufbau von Blütenpflanzen genauso wie die Darstellung arzneilich wirksamer Bestandteile von Heilpflanzen. Ein besonderes Augenmerk liegt auf den verschiedenen Anwendungsformen, welche die Praxis der Pflanzenheilkunde so vielseitig und abwechslungsreich machen. Natürlich dürfen in einem Buch über Pflanzenheilkunde die Protagonisten selbst nicht fehlen, weshalb eine Auswahl besonders wertvoller Heilpflanzen vorgestellt wird. Den Abschluss des Buches bilden Empfehlungen zur Anwendung von Heilpflanzen bei häufigen Erkrankungen, die auch zur Selbstmedikation geeignet sind. Die professionelle Diagnose und therapeutische Behandlung sollte aber immer in den Händen von Ärzt*innen oder Heilpraktiker*innen liegen.

Abb. 1: Historische Darstellung des Tausendgüldenkrauts (Centaurium erythraea) aus dem 6. Jhdt. n. Chr., Wiener Dioskurides

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Geschichte der Pflanzenheilkunde

Der Begriff „Phytotherapie" entstammt im ersten Wortteil dem altgriechischen „phytòn", was ursprünglich nicht nur Pflanze, Baum oder Pflanzenwelt, sondern auch Geschöpf bzw. Lebewesen bedeutete. Dem griechischen Substantiv liegt das Verb „phyto" mit seiner zweifachen Bedeutung „zeugen" und „gezeugt werden" zugrunde. In der altgriechischen Kultur war der Begriff „Pflanze" sehr eng mit der Schöpfung, der Zeugung und der Fruchtbarkeit verbunden. Die Pflanze als „Geschöpf“ stand also im Altertum in engster Verbindung zum Menschen. Diese begriffliche Bedeutung scheint heutzutage wieder enorm wichtig zu sein, da sich die moderne Phytotherapie auf die rationale, d.h. pharmakologisch objektivierbare Wirkung der Pflanzeninhaltsstoffe beschränkt und eine ganzheitliche Betrachtungsweise von Mensch und Natur in den Hintergrund gedrängt hat. Die jahrtausendelange Entwicklung der Pflanzenheilkunde bildet das entscheidende Fundament dafür, die verschiedenen Ansätze zu verstehen und auf der Grundlage des historischen Entstandenseins miteinander in Einklang zu bringen.

2.1 Frühzeit und Antike

Die Geschichte der Pflanzenheilkunde wurzelt in der Vorgeschichte der Menschheit, als unsere Ahnen begannen, bestimmte Pflanzen zur Behandlung verschiedener Störungen zu verwenden. Auch ein berühmter Vertreter jener Zeit, „Ötzi“ - der „Mann aus dem Eis" -, hatte einige antibiotisch wirkende Pilze in einem Lederbeutel auf seine letzte Reise mitgenommen. Bereits in ältesten Überlieferungen finden wir Hinweise auf Pflanzenheilkunde, oft in Verbindung mit religiösen Handlungen, da sie meist von Priestern angewendet wurde. Vor über 10.000 Jahren statteten die Menschen der Jungsteinzeit die Gräber ihrer Toten mit umfangreichen Gaben für das „Jenseits" aus. Darunter waren auch Früchte, Samen und Kräuter, die den Lebenden zu Heilzwecken dienten und die den Toten einen Schutz vor unbekannten „Gefahren“ bieten sollten. Vor etwa 5.000 Jahren ritzten die Sumerer erste schriftliche Zeugnisse über die Anwendung von Arzneipflanzen in Tontafeln, die man in den Ruinen von Nippur, Mesopotamien, fand und die als älteste medizinische Abhandlungen überhaupt gelten. Die ca. 60.000 Jahre alten Funde, die Ralph Solecki zwischen 1951 und 1960 in der Shanidar-Höhle im Irak ausgrub, spielten eine wichtige Rolle bei der Vermittlung des Neandertaler-Bildes an eine breite Öffentlichkeit. Die Analyse von Blütenpollen, die in der Grabgrube eines dort bestatteten Neandertalers enthalten waren, legte damals nahe, dass Blumenarrangements bewusst neben die Toten gelegt worden waren. In der Flower-Power-Zeit sprach man deshalb gerne von der „ersten Blumenzeit der Menschheit“, in der Phytotherapie gelten die Funde als erste Hinweise auf die Verwendung von Heilpflanzen. Erst in den letzten Jahren hat sich herausgestellt, dass die Pollen vermutlich durch Kleinsäuger in die Höhle gelangt sind.

Pflanzenheilkunde in Indien und China

Die Verwendung von Heilpflanzen in der traditionellen indischen Medizin, dem Ayurveda, wurde vor etwa 3500 Jahren in Lehrsammlungen, so genannten Samhitas, beschrieben. Auch die indischen Veden (im Sanskrit steht Veda für Wissen bzw. Weisheit), die schon wesentlich älter sind als die medizinischen Ayurveda-Schriften, überliefern seit Jahrtausenden die gezielte Heilung mit Arzneipflanzen und bilden noch heute eine wesentliche Grundlage für die traditionelle indische Medizin. Einige der bekanntesten indischen Heilpflanzen, die schon damals gezielt angewendet wurden, sind Aloe, Eisenhut, Hanf, Myrrhe, Sandelholz und Weihrauch. In allen einschlägigen Werken der ayurvedischen Pflanzenheilkunde findet man heute noch die Beschreibung der Energetik und Wirkrichtung einer Pflanze: den Geschmack einer Pflanze, ihre Eigenschaften, die mit dem Tastsinn erfahren werden können, ihre subjektiv erlebte und objektiv erkennbare Wirkung auf den Stoffwechsel, ihren Geschmack, den sie nach der Verdauung erzeugt und schließlich ihre spezifischen pharmakologischen Wirkungen, die sich nicht aus den obigen Eigenschaften ableiten lassen. Nach ayurvedischer Vorstellung haben alle Heilpflanzen konkret beschreibbare Wirkungen auf die drei grundlegenden Doshas (Konstitutionstypen).

In Oxford (in der Bodlion Library) wird eine Handschrift buddhistischer Mönche aus den Jahren 350-375 n. Chr. aufbewahrt. Sie ist auf 51 Birkenbastblättern geschrieben und wurde, zwischen zwei Brettchen verschnürt, in der chinesischen Stadt Turkestan gefunden. Sie enthält drei medizinische Schriften, darunter auch ein Loblied auf den Knoblauch. Die Erwähnung von medizinisch wirksamen Substanzen verwundert nicht, galt Buddha doch als Schutzherr der Heilkunde. Die chinesische Pflanzenheilkunde hat eine lange Geschichte - genauso wie die Geschichte der chinesischen Medizin im Ganzen. Bereits 2800 v. Chr. soll ein chinesischer Kaiser namens Shen-nung, auch der gelbe Kaiser genannt, Bücher über die pharmakologische Pflanzenkunde verfasst haben. Heute nimmt man an, dass sein Werk aus drei Bänden bestand und zwischen 300 und 200 vor Christus entstanden ist. Es enthielt Darstellungen von insgesamt 365 Heil- und Arzneipflanzen, darunter Ginseng, Ackerdistel, Süßholz, Ingwer, Zimt, Pfingstrosen, Tigerlilie, Eisenhut, Rhabarber und Pfirsich-Kerne.

Um 100 n. Chr. erschien ein anderes, sehr wichtiges Werk, die Chan Han Lun, die Lehre von den fieberhaften Erkrankungen. Sie empfiehlt als Heilmittel Pflanzen wie Ginseng zur Stärkung der Abwehrkräfte, Eisenhut gegen Lähmungen, Moschus und Kampfer als Nervenmittel, sowie Rhabarber als Abführmittel. Die Chinesen mochten stark wirkende Mittel und hatten dazu noch eine Vorliebe für hohe Dosen. Auch erkannten sie, dass der Boden, der Zeitpunkt der Ernte und die Art des Trocknens einen Einfluss auf den Wirkstoffgehalt und damit auch auf die Wirkung der Heilpflanze hatten.

Pflanzenheilkunde in Ägypten und zur Zeit Mose

In Ägypten war, wie in Indien, die Heilkunde mit der religiösen Lehre vermischt. Die Pastophoren, ägyptische Priester, studierten die Heilkunde aus Hermesbüchern (Hermes Trismegistos, mythische Gestalt, auf die die hermetischen Gesetze zurückgehen, die als esoterische Lehre eine große Rolle spielen), von denen das 4. Buch besonders die Heilmittel beschrieb. Für jede Erkrankung gab es einen eigenen Priesterarzt. Die Priester hatten strenge Lebensregeln, sie hielten strenge Diät, aßen keine Hülsenfrüchte, kein Schweinefleisch und waren sehr auf Hygiene bedacht. Es wurden Reinigungskuren mit Brechmitteln, Klistieren und Abführmitteln durchgeführt. Auch verstanden sie das Einbalsamieren von Leichen. Dazu füllten sie die leeren Körperhöhlen mit Zimt und Myrrhe. Die erste nachgewiesene Ärztin war die Ägypterin Merit Ptah um 2500 v. Chr., die ihre umfangreichen Heilkräuter-Kenntnisse von Priestern und Priesterinnen empfing.

Eine medizinische Rezeptsammlung der besonderen Art stellt der Papyrus Ebers dar, der bereits etwa 1600 v. Chr. verfasst wurde und noch heute in der Universitätsbibliothek in Leipzig aufbewahrt wird. Er misst eine Länge von 20 m und enthält Beschreibungen von über 700 Naturstoffen. Die ägyptische Medizin damaliger Zeit verwendete die Meerzwiebel bei Wassersucht, Rettich als Brustmittel, und auch Knoblauch und Zwiebel standen hoch im Kurs. So berichtet Herodot, dass jeder Arbeiter beim Bau der großen Pyramide täglich Rettich, Zwiebel und Knoblauch erhalten hätte.

Für die Geschichte der Pharmazie ist eine kleine Erzählung aus dem alten Ägypten interessant: In einem schwankenden Nachen führte der Gott Thot einst eine himmlische Schöne über den hochgehenden Nil. Glücklich am anderen Ufer angekommen, wandte sich die Göttin dankbar zum Fährmann und rief ihm „ph-arm-aki“ zu, was so viel wie „Verleiher der Sicherheit“ heißt. Thot hatte in der ägyptischen Mythologie verschiedene Funktionen. Als Erfinder der Schrift wurde der ibisköpfige Gott zunächst zum Schutzpatron der Schreiber und der Gelehrten. Später wurde er zum Gott der Heilkunde, denn seine Kenntnisse der Hieroglyphen ermöglichten es ihm, die Geheimnisse der heiligen Bücher zu lesen. Er kannte aus diesen Büchern alle Rezepturen, die zur Heilung von Krankheiten nötig waren und rückte hierdurch in den Bereich der „Pharmazie“.

Die ägyptische Medizin wurde auch vom jüdischen Volk aufgenommen und in Form religiöser Gebote umgesetzt. Moses erließ 1500 v. Chr. Speiseregeln und gab Vorschriften für Bäder und Reinigungen heraus. In der Bibel finden wir im Psalm 51 David folgende Aufforderung: „Entsündige mich mit Ysop, dass ich rein sei, wasche mich, dass ich weißer sei als der Schnee". Ysop wurde in jüdischen Tempeln als Sprengwedel benutzt. Auch waren Frühjahrskuren wohlbekannt. So wurden zum Passahfest bittere Kräuter wie Lattich, Endivie, Zichorie und Löwenzahn genossen. Schließlich heißt es im Alten Testament: „Gott hat die Kräuter heilsam gemacht und ein Vernünftiger verachtet sie nicht.“

 

Pflanzenheilkunde in Griechenland

Die griechische Kultur hatte ebenfalls großes Wissen um Heilpflanzen, was sich auch in den griechischen Sagen widerspiegelt. Der thessalische Centaur Cheiron heilte die Wunde des Achilles mit Schafgarbe (Achillea millefolium) und soll Großes in der Chirurgie geleistet haben. Ihm zu Ehren wurde das Tausendgüldenkraut lateinisch mit dem Pflanzennamen „Centaurium“ benannt. Sein Schüler war Asklepios, ein Sohn des Apollon, dem heilenden Gott der Griechen. Für Asklepios baute man Tempel, deren Priester Asklepiaden genannt wurden und die Heilkunde in Verbindung mit der Religion ausübten. Streng hüteten sie die Geheimnisse um diese Heilkunde. Dann vollzog sich eine Trendwende, die Priesterschulen wurden von Philosophenschulen abgelöst, in denen jetzt die wirksamen Heilkräuter und ihre Anwendung offen gelehrt wurden. Der größte Lehrer dieser Philosophenschulen war Pythagoras von Samos (584-504 v. Chr.). Er verkündete die Lehre von der Reinheit und Größe der sittlichen Seelenanschauung. Er plädierte für vegetarische Diät und körperliche Betätigung (Sport) und war gegen den Genuss von Fleisch, Fisch und Bohnen. An Heilpflanzen verwendete er vor allem die Meerzwiebel zur Abwehr allen Übels, ferner Anis und Senfsamen zur Anregung der Verdauung und Kohl als harntreibendes Mittel.

Die Pflanzenheilkunde erreichte bei den Griechen eine Blütezeit, vor allem in dem Wirken des Hippokrates (ca. 460-377 v. Chr.), einem Wanderarzt aus Kos. Er beschrieb in seinem Werk 234 Heilpflanzen und gilt als größter und berühmtester Arzt des Altertums. Auf ihn geht der Hippokratische Eid zurück und der Satz: „Lasst eure Heilmittel Nahrungsmittel sein und eure Nahrungsmittel Heilmittel“. Nach hippokratischer Auffassung durchläuft eine Krankheit drei Stadien: das Stadium der Rohheit (Apepsie), das der Kochung (Pepsie, Koktie) und das der Ausscheidung (Crisis). Diese Krankheitslehre blieb über Jahrhunderte bestehen. Hippokrates war auch der Begründer der Viersäftelehre oder Humoralpathologie. Nach dieser Lehre herrschen im menschlichen Organismus vier Kardinalsäfte: Blut (sanguis) - Schleim (phlégma) - Gelbe Galle (cholé) - Schwarze Galle (melancholé). Gesundheit beruht auf der richtigen Mischung (Eukrasie) dieser vier Säfte, und Krankheit auf einem fehlerhaften Mischungsverhältnis (Dyskrasie). Diese Dyskrasie kann hervorgerufen werden durch falsche Lebensweise, zurückgehaltene Ausscheidungen, klimatische Einflüsse, seelische Faktoren, Gifte usw. und kann mit Diätetik und Heilpflanzen korrigiert bzw. palliativ behandelt werden. Hippokrates hat in seinen Büchern „Über die Hygiene der Lebensweise", „Über die Diät bei akuten Krankheiten", „Über die Leiden" und „Über die alte Medizin" viele Vorschriften zur gesunden Lebensführung gegeben und Heilpflanzen beschrieben.

Aristoteles (384-322 v. Chr.), Schüler des berühmten griechischen Philosophen Platon, unterteilte die Welt in vier Elemente: Wasser - Erde - Feuer - Luft, basierend auf den Werken der Vorsokratiker. Seine Lehre wirkt fort bis in die Kräuterbücher der Renaissance und bildet noch heute die Grundlage für die traditionelle europäische Elementelehre.

Theophrastos von Eresos (372-287 v. Chr.) gilt als „Begründer der Phytotherapie", da er sich in seinen Büchern „Untersuchungen über Pflanzen - De causis plantarum" und „Die Herkunft der Pflanzen - De historia plantarum" eingehend mit der Pflanzenwelt beschäftigt und dabei auch etwa 450 Heilpflanzen botanisch beschreibt.

Auch Frauen waren im antiken Griechenland als Heilkundige tätig. Wir wissen etwa von Helena der Schönen, die um 200 v. Chr. eine der bedeutendsten Heilerinnen war, oder von Phytia, Priesterin in Delphi, die mit Kräuterrezepturen arbeitete. Helena soll dem Heldensohn Telemachos einen schmerzlindernden Saft namens „Nepenthes“ verabreicht haben, der u.a. aus Haschisch und Schlafmohn bestand, und aus ihren Tränen soll der Alant (Inula helenium) entstanden sein.

Pflanzenheilkunde der Römer

Für die Römer hatte die Pflanzenheilkunde zunächst keinen hohen Stellenwert. Erst mit Ankunft jener Ärzte, die in Griechenland studiert hatten und wie Asklepiades (128-56 v. Chr.) heimkehrten ins römische Reich, wurde das Interesse für Heilpflanzen neu belebt.

Mit Pedianos Dioskurides erlebte die Pflanzenheilkunde dann einen weiteren glanzvollen Höhepunkt. Dioskurides stammte aus dem griechischen Anazarbos, verdingte sich aber als Militärarzt in Rom unter Kaiser Nero 40-90 n. Chr. und beschrieb in seinen Werken mehr als 600 Arzneipflanzen. Besonders hob er Kalmus, Wegwarte, Distel, Zinnkraut, Erdrauch, Huflattich, Labkraut, Hauhechel, Wegerich, Klee und Baldrian hervor. Schöllkraut empfiehlt er bei Wechselfieber, wilden Bertram bei Epilepsie und Alantwurzel bei Magen- und Lungenleiden. Sein Werk mit dem Titel „De materia medica“ war bis ins 15. Jahrhundert maßgeblich und noch heute wird seine Arzneipflanzensammlung in arabischer Übersetzung im Orient verwendet.

Zur gleichen Zeit veröffentlichte der Römer Plinius (Plinius secundus, der Ältere, 25-79 n. Chr.) 37 Bücher mit dem Titel „Historia naturalis". Seine Bücher sind für die Entwicklung der Naturwissenschaften von großer Bedeutung gewesen, auch wenn sich im Gegensatz zu den Werken des Dioskurides einige Flüchtigkeitsfehler in seinem Werk finden, denn er war weder Arzt noch Anhänger der Heilkunde. In seinem Werk stellt er die therapeutischen Eigenschaften unzähliger Pflanzen heraus und macht auch das Wissen von heilkundigen Frauen öffentlich zugänglich. Die Schriften von Dioskurides und Plinius dem Älteren wurden zur wichtigsten Quelle für die Autoren der mittelalterlichen Kräuterbücher.

Bei Galen (Claudius Galenos, 129-216 n. Chr.), einem Leibarzt des Kaisers Marc Aurel, finden wir erstmalig die gedankliche Verbindung von Pflanzen und ihrer pharmakologischen Wirkung. Man musste die Qualität der Pflanze kennen, um Rückschlüsse auf ihre Wirkung ziehen zu können (Qualitätenlehre). Diese Qualitätenlehre bedeutet: in der Grundqualität ist eine Substanz warm oder kalt, feucht oder trocken. Ein Beispiel: Meerwasser ist feucht, hat aber einen trocknenden Effekt auf den Menschen (Kochsalz zieht Wasser). Die zweite Qualität beschreibt den Geschmack der Pflanze: bitter, salzig, süß, sauer. Und die dritte Qualität gibt die spezifische Wirkung an wie: abführend, Übelkeit erregend usw. Darüber hinaus teilte er die Wirkungen in vier Intensitätsgrade ein: unmerklich, offenkundige, heftige und vollständige Wirkungen. Für die Praxis bedeutete dies, dass eine Krankheit, die im 2. Stadium kalt war, mit einem Mittel behandelt werden musste, das im 2. Stadium warm war. Hiermit schuf er ein Heilsystem, das später von den Scholastikern aufgegriffen wurde und auch heute noch in der Humoralpathologie Verwendung findet (siehe Friedemann Garvelmann: Pflanzenheilkunde in der Humoralpathologie). In seinen Büchern finden sich ausführliche Anleitungen zur Herstellung von pflanzlichen Destillaten, Tinkturen und Salben, die auch heute noch als „Galenik“ bezeichnet wird.

 

Pflanzenheilkunde der Germanen und Kelten

Das Heilwesen der Germanen entwickelte sich aus dem Zusammenleben mit der Natur. Sie sahen Krankheit als Folge astrologischer Einflüsse, speziell der Einfluss des Mondes spielte eine große Rolle. Zum Beispiel ist die Warzenbehandlung bei abnehmendem Mond germanischen Ursprungs. Die Heilkunde wurde vorwiegend von Frauen ausgeführt, und in der Edda ist von den neun heilkundigen Jungfrauen die Rede. Schon die ersten isländischen Germanen hatten eine hoch entwickelte Heilkunde und verwendeten Lauch und Angelika als Wundpflanzen. Bestimmte Pflanzengruppen waren Göttern oder Göttinnen zugeordnet, deren Segen man zur Heilung benötigte. Die Pflege der Kranken und der Umgang mit Heilkräutern oblag vor allem ausgewählten Frauen, die „Hagazussa“ genannt wurden, was etwa so viel heißt wie „Zaunreiterin“. Wenn man die keltische Religion zugrunde legt, so versteht man unter der Hagazussa eine Person, die zwischen den Welten hin- und herwechseln kann, also die Fähigkeit besitzt, sich in der Welt jenseits der bekannten Dimensionen zu bewegen. Die Hagazussa (Hexe) überschreitet den Zaun in die Anderswelt, eine Fähigkeit, die ihr im Zuge der Ausbreitung des Christentums bekanntermaßen zum Verhängnis geworden ist.

Bei den Kelten, die vor etwa 3000 Jahren die Kultur in Europa bestimmten, waren es die Druiden, hoch angesehene Heiler, die das reiche Wissen über die Pflanzenheilkunde pflegten und vermehrten. Besonders die Mistel hat durch ihre Heiltätigkeit eine beachtliche Berühmtheit erlangt. Für die Germanen war dann die Reichsverordnungen Karls des Großen (768-814) von großer Bedeutung. In dieser Reichsverordnung mit dem Titel „Capitulare de villis“ erließ er Vorschriften über den Anbau von Heilpflanzen in Kloster-, Wirtschafts- und Bauerngärten. Wörtlich hieß es darin: „Wir wollen, dass man in den Gärten alle diese Kräuter halte: Lilien, Rosen, Bockshornklee, Salbei, Raute, Eberraute, Gurken, Kürbisse, Melonen, Schminkbohnen, Kümmel, Rosmarin, Meerzwiebel, Schwertlilie… und viele andere mehr. An Bäumen sollen sie haben: Apfel-, Birn- und Pflaumenbäume verschiedener Art, Ebereschen, Mispeln, Kastanien, Pfirsiche, Quitten, Haselnüsse, Mandel- und Maulbeerbäume, Lorbeer- und Feigenbäume, Nuss- und Kirschbäume verschiedener Art. Diese Früchte sollen in trockenen Kellern aufbewahrt werden."

2.2 Mittelalter

Pflanzenheilkunde in der Klostermedizin

Besondere Aufmerksamkeit erfährt die Klostermedizin der Karolingerzeit, seit im Jahr 1989 das „Lorscher Arzneibuch" vorgestellt wurde, das bis dahin nur Eingeweihten als sogenannter Bamberger Codex (Staatsbibliothek Bamberg, Cod. med. 1) bekannt war. Dieser Codex entstand im Jahr 795 und stellt die älteste erhaltene medizinisch-pharmazeutische Handschrift deutscher Herkunft dar. Der Wert der Handschrift liegt in der Zusammenstellung verschiedener Texte, die quasi ein Handbuch für den Mönchsarzt darstellen, der im frühen Mittelalter auch Apotheker war. Das „Lorscher Arzneibuch“ beinhaltet ein Fragment des so genannten Hippokratischen Eids, Pflanzenlisten, mehr als 500 Rezepte für Heilmittel, die zum größten Teil aus der Antike stammen, Vorschriften für vorbeugende Monatstränke und schließlich die Abschrift eines Briefes des griechischen bzw. oströmischen Arztes Anthimus (450-530) an den Frankenkönig Theuderich I. (484-533) über gesunde Ernährung.

Zur Zeit des Bamberger Codex, als das Christentum in Deutschland Fuß fasste, wurden erste Krankenhäuser gebaut, und es waren Mönchsorden, vor allem der Orden der Benediktiner, die die Heilkunde ausübten. Diese Mönchs- oder Klostermedizin stellte eine Verschmelzung von antikem Wissen und naturbezogenem germanischem Wissen dar. Eine Neuheit in den Bauplänen von frühmittelalterlichen Klöstern war die Anlage von naturverbundenen Kräutergärten, die zur Veranschaulichung der Pflanzenheilkunde und zur Herstellung von klösterlichen Arzneimitteln dienten.

Der Mönch Wahlafried Strabo (807-849), Begründer des Klostergartens auf der Insel Reichenau im Bodensee, verfasste um das Jahr 847 seinen „Hortulus“, eine Sammlung von 23 wichtigen Heilpflanzen in poetischer Reimform.

Für die weitere Entwicklung war auch das Werk der Äbtissin Hildegard von Bingen (1098-1179) mit den Büchern „Physica“ und „Causa et Curae" wegweisend. Sie war das jüngste von zehn Kindern des Burggrafen von Bökelheim. Da sie oft kränkelte und das Gehen nur schwer erlernte, interessierte sie sich schon früh für Medizin. Sie sah den Menschen eingebunden in die verschiedenen Elemente und das Weltall, brachte antikes Wissen, christlichen Glauben und germanisches Weltbild zu einer Synthese. In ihren Büchern beschreibt sie Pflanzen wie Bibernell, Bockshornklee, Brennnessel, Engelsüß, Galgant, Huflattich, Klette, Lorbeer, Majoran, Raute, Storchenschnabel, Tormentill, Wermut und Zittwer. Als gläubige Äbtissin hatte sie viele Eingebungen, unter anderem auch zu den Wirkungen von Heilpflanzen, deren Anwendung heute durch Erfahrung und Forschung allerdings überprüft und differenziert werden sollte.

Auch die christliche Religion spiegelt sich in der Pflanzenheilkunde wider. Heilkräuter wurden besonders der heiligen Maria und Johannes, dem Lieblingsjünger Jesu, geweiht. So glaubte man, dass in den 30 Tagen nach Mariä Himmelfahrt (15. August) die Heilkräuter besondere Kräfte besäßen und nannten diese Zeit „Frauendreißigst". Am Tag Mariä Himmelfahrt selbst weihte man drei mal drei (neunerlei) Kräuter als Symbol der höchsten Kraft der heiligen Dreieinigkeit. Diese waren Wermut, Beifuss, Stabwurz, Kunigundenkraut, Alpenampfer, Alant, Rainfarn, Baldrian und Wollblume. Auch am 24. Juni, dem Tag Johannes des Täufers, wurden neunerlei Kräuter geweiht. Hierzu wurde besonders das Johanniskraut ausgewählt. Ein neunerlei Kräuterspruch lautet: „Schüttelt dich das Fieber, schaudert dich die Haut, mache dann zu Pulver Tausendgüldenkraut / Cardobenedicten, Salbei, Scordium, Eisenkraut und Wermuth, Erdrauch mit der Blum´, Wasserklee desgleichen, Rosmarin dabei / Diese Kräuter alle, sind ja neunerlei, nimm sie ein in Weine, deck´ dich fest zu, so lässt dir das Fieber und die Kälte Ruh´.“

Pflanzenheilkunde im Hochmittelalter

In kaum einem anderen Werk des Mittelalters wird die Humoralpathologie (auf der Grundlage der Schriften Galens) so umfassend ausgebreitet wie im „Canon medicinae“ des Avicenna (um 980 bis 1037). Der arabische Philosoph und Arzt stellte zu Beginn des 2. Buches (über die Simplicia) die Wirkung der Heilmittel und ihrer Qualitäten ausführlich dar. Viele der Pflanzenarten, Pflanzenprodukte oder tierischen Drogen waren jedoch nicht ins Lateinische übersetzbar und sind noch in den Drucken des 16. Jahrhunderts nur in arabischer Sprache angegeben.

Die Geschichte der akademischen Medizin Westeuropas hat in Salerno ihren Ausgangspunkt. Hier unterhielt das Kloster Monte Cassino eine Art Kurspital für die erkrankten Mitbrüder, auf die der Nordafrikaner Constantin (Constantinus africanus, gest. 1087) als Händler von Gewürzen und Drogen traf, selbst in medizinischen Fragen bewandert. Er trat in das Kloster Monte Cassino ein und übersetzte, meist kürzend, medizinische Texte aus dem Griechischen sowie aus dem Arabischen ins Lateinische. Dabei entstand auch eine Arzneimittellehre, der „Liber graduum“. Dieses Buch bespricht in kurzen Kapiteln die Heilwirkungen von 209 Pflanzen und Mineralien, wobei sich hier die Ordnung nach den Wirkungsgraden der Mittel ausrichtet, ganz im Sinne der Qualitätenlehre von Galen.

Trotula (Trota von Salerno, gest. 1097), eine Ärztin aus der Schule von Salerno, setzte mit ihrem Werk „Passionibus mulierum curandorum“ Maßstäbe in der Behandlung von Frauenleiden und verhalf der Gynäkologie und Geburtshilfe zu ihrem angemessenen Stellenwert in der ärztlichen Heilkunst. Sie verordnete z.B. Rosenöl bei Knöchelödemen und Pfefferminze bei Verdauungsbeschwerden.

Albertus Magnus (um 1200-1280) verfasste naturkundliche Werke über die Pflanzen („De vegetabilibus libri VII“), in denen die Botanik im Vordergrund stand. Im 6. Buch kommt Albert zu den einzelnen Pflanzen, die hierarchisch abgehandelt werden: zuerst die Bäume als edelste Pflanzen, dann folgen die Sträucher (arbusta), die nicht nur einen Stamm, sondern mehrere verholzte Stängel besitzen. Die Kräuter sind in zwei Abteilungen geteilt: die „olera", das sind Kräuter, die Stängel besitzen, die jedoch nicht oder erst spät verholzen - und die „herbae“ als Kräuter, die nur Blätter und keine Stängel hervorbringen. Als fünfte Gruppe, und gegenüber Theophrast neu, fügt Albert die „fungi“ hinzu, die Pilze, welche die unterste Klasse der Pflanzen darstellen, weil sie keine Blätter besitzen und auf andere Pflanzen für ihre Existenz angewiesen sind. An dieser Einteilung kann man die naturwissenschaftliche Orientierung von Albertus Magnus deutlich ablesen.

1231 verkündete der Hohenstauferkaiser Friedrich II. für sein Erbkönigreich Sizilien die „Constitutiones Regni Siciliae“ - ein Meilenstein in der Geschichte des Europäischen Heilwesens. Erstmals wurde der Beruf des Apothekers auf eine gesetzliche Basis gestellt und eine klare Trennung der beiden Heilberufe Arzt und Apotheker vorgeschrieben. Für das gemeine Volk veränderte sich die Situation durch die Verordnung allerdings nicht, denn es konnte sich die teure Behandlung beim Arzt oder die teure Arznei in der Apotheke nicht leisten. So blieben die weisen Kräuterfrauen und umherziehenden Heiler weiterhin hoch im Kurs.

2.3 Neuzeit

Pflanzenheilkunde im 15. bis 17. Jahrhundert

Die erste deutsche Naturenzyklopädie schuf Konrad von Megenburg, Rektor der Wiener Domschule und Domherr in Regensburg. Das „Buch über die natürlichen Dinge“ wurde 1350 vollendet und stellt u.a. 89 Kräuter vor. Dieses Werk war nicht nur in zahlreichen handschriftlichen Exemplaren verbreitet, Buch V über die Kräuter wurde auch das erste gedruckte Kräuterbuch (1477 bei Anton Koberger in Nürnberg).

Mit Beginn der Buchdruckerkunst erschienen auch zahlreiche andere Pflanzenbücher. Dazu gehört das Kräuterbuch „Garten der Gesundheit“, herausgegeben und verlegt im Jahr 1485 von Peter Schöffer, in dem u.a. 368 Pflanzen dargestellt sind. Ebenfalls erwähnenswert ist das im Jahre 1483 in Rom gedruckte reich bebilderte Buch „Herbarium" des Apulejus Barbarus. 1497 erschien von dem Straßburger Hieronymus Brunschwygk ein Buch über Chirurgie und seine Erfahrungen, die er als Wundarzt machte. Er erforschte und beschrieb europäische Pflanzen und brachte ein Destillierbuch heraus. Diese Liste ließe sich noch lange weiterführen, denn die auf Naturbeobachtung basierenden Kräuterbeschreibungen wurden zu den beliebtesten Sujets für den Buchdruck und hatten die höchsten Auflagen.

Otto von Brunfels (1488-1534), ein Carthäusermönch und späterer Arzt, ordnete die Pflanzen in seinem Werk „Contrafeyt Kreuterbuch“ erstmalig nicht alphabetisch, sondern nach ihren Familien. Diese Zuordnung brachte ihm den Namen „Vater der Botanik" ein.

Hieronymus Bock (1498-1554), ein deutscher Botaniker, Arzt und lutherischer Prediger, war ein profunder Kenner der süddeutschen Pflanzenwelt und veröffentlichte im Jahr 1539 ein Kräuterbuch, in dem er seine naturgetreuen Pflanzenbeschreibungen mit kurzweiligen Geschichten verband.

Der pflanzenkundige Arzt und Hochschulgelehrte Leonhart Fuchs (1501-1566) legte mit seinem „New Kreuterbuch“ (erschienen 1543) ein wunderschön bebildertes Werk vor, in dem er über 400 europäische und 100 exotische Pflanzen kunstvoll portraitiert. Er zählt auch heute noch zu den Vätern der Pflanzenheilkunde.

Ein enorm erfolgreiches Buch schrieb der italienische Arzt Pierre Andrea Mattheoli (1501-1577). Es trug den Titel „De plantis Epitome“, hatte zu seiner Zeit die höchsten Auflagen und wurde schließlich von dem deutschen Arzt und Botaniker Joachim Kammermeister (Camerarius der Jüngere, 1534-1598) übersetzt.

Jacob Theodor (1522-1590), ein Patrizier aus Bergzabern, der sich selbst nach der lateinischen Übersetzung seines Geburtsortes Tabernaemontanus nannte, war ein überaus angesehener Botaniker, Arzt und Professor für Botanik und Medizin. 1588 veröffentlichte er sein „New Kreuterbuch“, das ihn berühmt machte, v.a. weil er darin unverblümt zur Selbstmedikation aufruft.

Der Frankfurter Stadtarzt Adam Lonicerus (Adam Lonitzer, 1528-1586) war auch als Naturforscher und Botaniker tätig und veröffentlichte ab 1550 mehrere Kräuterbücher, in denen er die Pflanzen vor allem unter medizinisch-pharmazeutischen Aspekten beschrieb, darunter auch die Tabakpflanze, die erst 1497 nach Europa gebracht wurde. Damit wurde eine „Mode“ in Gang gesetzt, sich auch mit exotischen Heilpflanzen medizinisch zu beschäftigen, wie zum Beispiel mit der Chinarinde gegen Malaria.

Conrad Gesner (1516-1565) war Arzt, Naturforscher und Altphilologe und lebte in der Schweiz. Er arbeitete an einer botanischen Systematik, lange bevor Linné geboren wurde. In seinem Werk „Stirpium historia“ beschreibt er die Bedeutung von Pflanzenteilen, insbesondere von Blüten und Früchten. Er gründete den alten Botanischen Garten in Zürich sowie eine bedeutende Naturaliensammlung.

Für die heutige Botanik von Bedeutung ist auch das Buch „Pinax theatri botanici“ des schweizerischen Professor für Botanik und Anatomie, Caspar (Gaspard) Bauhin (1560-624), der auch die Bauhin´sche Klappe (Ileozökalklappe) entdeckte. Er legte in Basel einen Garten mit etwa 4000 Pflanzen an und beschrieb in seinem Buch über 6000 Pflanzen, die er vor allem in der Benennung methodisch ordnete.

In dieser Zeit des beginnenden Buchdrucks und der verstärkten naturwissenschaftlichen Betrachtung erblickte der wohl berühmteste Arzt, den man heute mit Naturheilkunde in Verbindung bringt, das Licht der Welt: Philippus Aureolus Theophrastus Bombastus von Hohenheim (1493-1541), auch Paracelsus genannt, geboren in Einsiedeln in der Schweiz. Er schrieb ein viele Bände umfassendes Werk und setzte Heilpflanzen in Beziehung zu Astrologie, beobachtete dabei, genauso wie die Germanen, besonders den zu- und abnehmenden Mond. Sein Werk ist wohl das erste in diesem Umfang, das in deutscher Sprache verfasst wurde. Er studierte Medizin an italienischen Hochschulen und besaß ein Wissen von enormem Umfang. Er führte Begriffe der Chemie in die Medizin ein, Vorgänge wie sublimieren und destillieren von Substanzen wurden erstmals von ihm für die Herstellung von Arzneimitteln beschrieben. Für ihn ist der Lebensprozess hauptsächlich ein chemischer Prozess, und es ist die Aufgabe der Chemie, krankhafte Prozesse zu heilen. Damit steht er erstmalig im krassen Gegensatz zur Viersäftelehre des Hippokrates. Er setzte zur Behandlung verstärkt Schwefel, Blei, Antimon, Quecksilber, Eisen und Kupfer ein, und nannte diese chemischen Heilmittel Spagyrik. Auf den Vorwurf, er gebe seinen Patienten Gift, antwortete er: „Alle ding sind gift und nichts on gift; allein die dosis macht, dass ein ding kein gift ist". Dabei achtete er stark auf die Eingebundenheit des Menschen in die Natur und den Kosmos. Er versuchte, das wirksame Prinzip zu isolieren, sei es aus Pflanzen oder aus Heilwässern. Dieses Prinzip nannte er Arkanum.

Paracelsus wurde dazu von der Signaturenlehre beeinflusst, die besagt, dass bei Erkrankungen der Organe die Pflanzen heilend wirken, die den Organen in Farbe, Form und Aussehen ähneln, so z.B. Schöllkraut bei Gelbsucht (der gelbe Pflanzensaft als pflanzliches Äquivalent zur gelben Farbe der Galle bzw. der pathologisch verfärbten Haut) oder Augentrost, der dem Aussehen des menschlichen Auges ähnelt. Paracelsus war Zeit seines Lebens ein unruhiger und querköpfiger Geist, ein unermüdlicher Forscher, der sich durch keine Tradition oder vorgegebene Theorie in seinen eigenen Erkenntnissen beirren ließ und so zu vielen genialen Einsichten kam. Nach dem Tod von Paracelsus entbrannte ein Kampf um die Behandlung von Krankheiten mit galenischen (zurückgehend auf die Viersäftelehre von Galen) oder spagyrischen (zurückgehend auf die alchemistische Lehre von Paracelsus) Heilverfahren.