Das Leben ist hart, aber ich bin härter! - Anne Estermann - E-Book

Das Leben ist hart, aber ich bin härter! E-Book

Anne Estermann

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Beschreibung

Jahrelang quälte sich die Autorin von Arzt zu Arzt. Keiner schien die junge Mutter ernst zu nehmen, dabei klagte sie schon seit längerem über Übelkeit, Nackenschmerzen und Gleichgewichtsstörungen. Als 2019 bei ihr dann zufällig ein Hirntumor festgestellt wird, geht dann plötzlich alles ganz schnell und sie muss sich einer Operation unterziehen. Doch der Tumor hat schon viel kaputt gemacht und sie lebt seither mit einigen Beeinträchtigungen wie einer Fazialisparese (Gesichtslähmung) sowie Gehörlosigkeit. Wie sie alles erlebt hat, mit den Beeinträchtigungen umgeht, was ihrer physischen wie psychischen Gesundheit hilft und was sie anderen Betroffenen rät, erzählt sie auf äusserst einfühlsame und humorvolle Art in diesem Buch. Daneben gibt es noch viele Tipps rund um die richtige Einstellung, den Umgang mit der Fazialisparese sowie der Gehörlosigkeit. Dies, um anderen Betroffenen Mut zu machen. «Menschen wie Anne, die nicht aufgeben und den Mut besitzen, ihre Heldenreise beherzt anzutreten, sind die wahren Autoren und Autorinnen im Leben, denn sie haben sich entschlossen, ihre persönliche Geschichte zu erzählen und damit anderen Kraft zu geben und Hoffnung zu schenken.» - Monika Mansour, Schweizer Buchautorin «Annes Weg aus der Ferne beobachten zu können, erfüllt mich mit grosser Freude und inspiriert mich über alle Massen. Weiter, weiter, immer weiter.» - Andy Brings, Musiker, Produzent und Filmemacher

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1. Inhaltswarnung

2. Vorwort

3. Du, ich hab da was im Kopf!

4. Drei wichtige Dinge, die ich gelernt habe!

5. Optimistisch sein und bleiben

6. Meine Eigenpflegetipps [für meine physische und psychische Gesundheit]

7. Kinder sind auch nur Menschen

8. Das Leben ist hart, aber …

9. Meine Diagnose

10. Begriffserklärung: Was ist ein Akustikusneurinom?

11. Meine Pflegetipps rund um den Kopf und die Narbe

12. Meine Pflege während der Fazialisparese

13. 10 Make-up-Tipps bei einer Fazialisparese

14. Hör mir mal zu! [Infos rund um das Hören]

15. … und gewusst? Es gibt Stars, die hatten da was im Kopf!

16. 10 Fragen rund um Hirntumore

17. Zu guter Letzt ein paar Tipps für Angehörige

18. Nachwort(e)

19. Zur Autorin

20. Hinweise

21. Quellenverzeichnis

22. Impressum

1. Inhaltswarnung

Dieses Buch enthält die Erzählung einer Erkrankung sowie deren Verlauf mit Bildmaterial, welche von manchen Lesern möglicherweise als verstörend empfunden werden könnten.

Die Leser werden hiermit ausdrücklich darauf hingewiesen.

2. Vorwort

Hallo, ich bin Anne. Und ich bin ein ziemlich hartnäckiger, kleiner Organismus, welcher sich nicht so leicht unterkriegen lässt!

Doch, wenn man mich fragt, «Wie ist das Schlimmste, was dir je passiert ist, das Beste, was dir je passiert ist?», dann ist meine Antwort klar: Der Hirntumor.

Denn er hat mich mental stärker gemacht. Er hat mich gelehrt, noch dankbarer zu sein und meine Gesundheit nicht als gegeben anzusehen. Sie ist mein höchstes Gut – psychisch wie physisch. Er hat mir auch grossartige und unterstützende Menschen ins Leben geschickt, wobei er andere (nicht so unterstützende) Menschen genommen hat. Und er hat mich zu euch geführt – eine grossartige (Online-)Community von «Neuros» (mein Spitzname für alle Betroffenen mit Hirnerkrankungen), «Deafpeople» (mein Spitzname für all meine gehörlosen und schwerhörigen Mitmenschen) und «Weird Faces» (mein Spitzname für alle, die an einer Fazialisparese, also einer Gesichtslähmung, leiden).

Manchmal ist es aber nicht so einfach, positiv zu sein und auch zu bleiben. Und ich muss zugeben, dass ich auch nicht immer so unbeschwert war, wie ich es heute bin. Und selbst heute habe ich Momente, in denen mir schier alles zu viel wird.

Wenn es jedoch mitunter eine Sache gibt, die mir schon immer geholfen hat, dann ist dies schreiben.

Ich habe demnach schon im Laufe meiner Schulzeit einige Notizhefte (und ich gebe zu, auch Schulhefte), Tagebücher und auch einzelne Zettel vollgeschrieben, welche nun in einer Kiste im Keller stehen und wo meine geistigen Ergüsse ruhen. Wirklich ansehen tue ich mir diese sehr selten, doch vor nicht zu allzu langer Zeit, habe ich einen Brief verfasst. Einen Brief an meinen Hirntumor.

Die einen oder anderen unter Euch werden sich jetzt fragen: «Wie? Was? Wieso?»

In diesem Brief habe ich ihm aber meine Gefühle mitgeteilt und gerne lasse ich Euch an meinen Gedanken teilhaben.

An August

Du warst nur ein Gast in meinem Kopf.

Wollte ich dich? Nein.

Habe ich nach dir gefragt? Nein.

Hast du mein Leben durcheinandergebracht? Ein wenig schon, das gebe ich gerne zu.

Aber ganz nach dem Motto «Wer keine Miete zahlt, muss raus!» musstest du weg!

Du hattest schon genug Schaden angerichtet, mit welchem ich nun leben muss.

Bin ich aber deshalb traurig? Nein.

Bin ich deshalb nachtragend? Nein.

Werde ich damit leben können? Ganz sicher!

Denn wenn du mir etwas beigebracht hast, dann noch dankbarer und stärker zu sein. Ich werde weiterleben, du nicht.

Wenn ich mir den Brief heute so durchlese, muss ich schmunzeln. Dies ab meinem Optimismus, aber auch meinem Willen. Und beides wurde mir nicht unweigerlich in die Wiege gelegt, aber Menschen können in der Tat etwas erleben, was sie zu unglaublichen Kräften kommen lässt – psychisch wie physisch. Bei Letzterem fällt mir immer die Geschichte von Werner Doehner ein, dem einstig letzten Überlebenden der Hindenburg.

Er wurde mit seinem Bruder angeblich von der Mutter aus dem brennenden Inferno hinausgeworfen. Diese sprang dann angeblich hinterher und brachte ihre Kinder mit doppelt gebrochenem Beckenbruch in Sicherheit. [1]

Man mag sich fragen, wie sie das gemacht hat, doch der Körper scheint in der Tat auf den Überlebensmodus zu schalten, wenn man einer Gefahr ausgesetzt ist. Und es erstaunt mich jedes Mal aufs Neue, was er dabei alles leisten kann. Was jedoch nicht vergessen gehen darf, ist die innere Einstellung.

Positiv zu denken und sich glücklich zu fühlen fängt immer bei einem selber an. Man kann niemand anderen glücklich machen, wenn man es selber nicht ist. Und es hat auch nichts mit Egoismus zu tun, wenn man sich mal auf sich konzentriert und das tut, was der Seele und dem Körper guttut. Wir sind Menschen, keine Maschinen. Wir funktionieren nicht auf Knopfdruck und selbst Maschinen brauchen ab und an eine Wartung.

Und auch für mich waren die letzten Jahre nicht gerade einfach. Dabei hat sich vieles in meinem Kopf abgespielt.

Im wahrsten Sinne des Wortes!

Aber was ich tue, um physisch und psychisch gesund zu sein, oder auch wieder zu werden und zu bleiben, verrate ich gerne in diesem Buch. Und ich hoffe sehr, dass ich damit dem einen oder anderen Betroffenen etwas helfen und auch Mut machen kann.

Gehen wir also mal zurück ins Jahr 2012.

3. Du, ich hab da was im Kopf!

«… Irgendetwas passierte in mir. Seit ich wusste, dass es August gab, lebte ich mit noch mehr Ehrfurcht. Zwar war ich vorher schon mit meinem Leben zufrieden und vor allem auch dankbar, doch durch das Wissen seiner Präsenz verstärkte sich einmal mehr der Wille, an meinem Optimismus festzuhalten.»

Alles fing während meiner Schwangerschaft im Jahr 2012 an.

Zu der Zeit war ich jedoch mit anderen Dingen beschäftigt. Zum Beispiel, schwanger zu sein und alles für die Ankunft meines Wunschkindes vorzubereiten. Ich hatte auch glücklicherweise keinerlei Beschwerden, bis auf zwei Hörstürze und die Vor- und Senkwehen im letzten Schwangerschaftsmonat, welche ich aber dem körperlichen Stress sowie dem normalen Ablauf einer Schwangerschaft zuschrieb.

Vor allem bei den Hörstürzen meinte mein damaliger Arzt, «dass man während einer Schwangerschaft wenig dagegen tun kann». Ich machte mir deshalb keine weiteren Gedanken und hatte auch keinerlei seltsame Gelüste. Auch arbeitete ich bis eine Woche vor Ankunft meines Kindes, was jedoch in der Schweiz normal ist. Da arbeitet man in der Tat, bis das Kind auf die Welt kommt – vorausgesetzt, der Schwangeren geht es natürlich gut und wurde nicht vom Arzt krankgeschrieben.

Das wurde ich dann aber, da ich arbeitstechnisch pendelte und es zunehmend anstrengend wurde. Zum Pendeln nahm ich nämlich den Zug und während der Vor- und Senkwehen rutschte ich ständig auf dem Sitz hin und her, weil ich nicht mehr wusste, wie ich mich hinsetzen sollte.

Und genau einen Tag nach dem errechneten Geburtstermin hatte ich wieder diese beschwerlichen Wehen. Ich war gerade im Wohnzimmer und hörte den Song „Green Pale Ghost“ von John Grant, der mich richtig hypnotisierte. Ich hörte den Song gefühlt hundertmal und neben mir sassen unsere drei Hauskatzen. Sie schauten mich die ganze Zeit mit grossen Augen an, als ich den Bauch im Takt hin- und herwippte. Im Nachhinein glaube ich, dass sie ahnten, dass es bald losgehen würde. Da es aber meine erste Schwangerschaft war, hatte ich gar keine Ahnung und konnte die Wehen nicht voneinander unterscheiden. Als diese jedoch stärker wurden, rannte ich wie eine Wilde um unseren Esszimmertisch, da es mir half, wenn ich mich bewegte. Es sah aber bestimmt komisch aus, denn die Katzen bekamen immer grössere Augen und wurden ganz nervös.

Mein Mann arbeitete zu dieser Zeit auswärts und kam an diesem Samstag gegen 13 Uhr nach Hause. Die Wehen waren bereits seit 10 Uhr morgens stärker geworden und ich rief im Krankenhaus an.

Die Hebamme meinte, ich solle vorbeikommen und so sind wir um 14.30 Uhr ins Spital, wo meine Tochter fünf Stunden später das Licht der Welt erblickte. Und dies punktgenau zu meinem Lieblingssong «The Strangest Thing '97» von George Michael.

Mein Mann wollte vorgängig eine Metal-CD laufen lassen, doch ich hatte Angst, dass der Geburtsarzt wie auch die Hebamme fluchtartig die Stätte verlassen würden. So griff ich nach einer CD von einem meiner Lieblingssänger und alle wippten vergnügt im Takt.

Und als mein Kind da war, war ich in meinem ganzen Leben nie stolzer, etwas so Schönes in den Armen halten zu können.

Die Jahre vergingen danach wie im Flug und nebst einigen Erkältungen und Grippen, die mich ab und an einholten, ging es mir wie auch meinen Liebsten eigentlich ganz gut. Ich war auch mit dem Kind zu beschäftigt, als mir darüber Gedanken zu machen, ob ich nun krank war oder nicht.

Trotzdem ging ich zwischendurch zum Arzt, denn ich fühlte mich seit der Geburt recht schlapp und müde. So begann ich, einiges auszuprobieren, um mein Immunsystem zu stärken. Ich ging davon aus, dass ich durch die Geburt ein geschwächtes Immunsystem erhalten hätte. Ab 2015 wurde es dann aber beschwerlicher. Augenprobleme liessen mich öfter zum Augenarzt gehen, denn ich konnte nur noch verschwommen sehen, hatte gerötete Augen und Schmerzen.

Die damalige Augenärztin meinte, «dass man mich vielleicht auch zum Neurologen schicken müsste, wenn bei den augenärztlichen Untersuchungen nichts herauskommen würde. Womöglich wären die Beschwerden dann neurologischer Art.» Bald schon diagnostizierte man bei mir eine chronische Blepharitis, eine Augenlidrandentzündung. Ich wurde therapiert und musste mehrmals in der Woche zum Augenarzt, dies über Monate. Vergessen war die Abklärung beim Neurologen.

2018 toppte jedoch alles!

Es war ein etwas, ich möchte sagen, bescheidenes Jahr. Es war das Jahr, in dem ich auseinander zu fallen drohte. Ich fühlte mich in der Tat wie eine zusammengesetzte Gestalt von Viktor Frankenstein.

Angefangen hat es mit einer Übelkeit, welche mich mitten in der Nacht aufschrecken liess und mich für Stunden im Bad festhielt.

Dieser folgten andauernd grippeartige Symptome, immer begleitend mit Fieber und Schweissausbrüchen.

Und jeden Morgen nach dem Aufstehen, hatte ich einen steifen, schmerzenden Nacken, der meinen Radius einschränkte. Ich war wirklich froh, keine Giraffe gewesen zu sein, aber damit hörten die Beschwerden nicht auf. 

Kurze Zeit später bekam ich nämlich einen Tinnitus im rechten Ohr, der erst ein Zirpen war und zum Dauerrauschen wurde, ehe ich auf dem Ohr gar nichts mehr gehört hatte. Auch fingen plötzlich neurologische Ausfälle an, die ich mir nicht erklären konnte. Nach jahrelangem Augenleiden, welches mich manchmal wie Dracula auf Koks aussehen liess, kamen auch noch diese Hör- und Gleichgewichtsprobleme hinzu. Diese wurden von einem Drehschwindel begleitet, der mich unkontrolliert gegen Gegenstände oder Menschen laufen liess und nicht einmal aufhörte, wenn ich im Bett lag.

Es schien, als ob ich meinen Körper nicht mehr unter Kontrolle hatte und meinen Gang nicht mehr koordinieren konnte. Zuerst lachte ich darüber, denn ich fragte mich, ob mit meinen Beinen etwas nicht stimmte. Auf die Idee, dass mein Kopf womöglich nicht mitspielte, kam ich gar nicht.

Zu der Zeit konnte mein Mann aber bereits an einer Hand abzählen, an welchen Tagen ich mal nicht krank war. Und wenn er am Wochenende daheim war, hütete ich das Bett und versuchte, mich so gut es ging zu schonen.

So dümpelte ich dahin und war langsam physisch wie psychisch ziemlich am Limit.

Und obwohl ich seit langer Zeit Dauergast beim Augenarzt war, ging ich im März 2018 mal wieder zu meinem Hausarzt. Und danach sass ich fast jeden Monat im Wartezimmer.

Mittlerweile war es mir schon egal, was man mir gab. Nur her damit! Ich nahm vor allem Antibiotika oder Kortison.

Zwar brachten sie eine vorübergehende Besserung meiner Symptome, aber eben nur vorübergehend. Der Arzt jedoch, den man mir in der Gemeinschaftspraxis auf das Auge drückte, war noch jung und kam gerade frisch von der Universität.

Er hatte noch nicht seinen Doktor gemacht, aber dieses überhebliche Grinsen auf den Lippen als er mir sagte, «dass man als Mutter eben öfter krank sei, denn Kinder schleppen nun mal allerhand Viren mit nach Hause.»

Ich schaute wohl wie ein Karnickel, wenn es donnert, denn er schien mich nicht ernst zu nehmen. So schaute ich zur meiner damals fünfjährigen Tochter und wunderte mich, ob sie wohl immer «Hier!» schreien würde, damit Bakterien und Viren sich in unserem Haushalt breit machen konnten. Komisch war aber, dass nur immer ich krank wurde, doch nie mein Mann (Gott sei Dank) oder mein Kind (Doppel Gott sei Dank).

Ich sagte dem Arzt dann, «dass ich ständig Fieber hatte und dass dies ja nicht ganz normal sei». Letztlich weiss selbst ich als medizinischer Laie, dass der Körper gegen irgendetwas ankämpft, wenn man auf mir sogar hätte rohe Eier braten können.

Auch die ganzen anderen Symptome passten nicht ganz zum Krankheitsbild einer Grippe. Zumindest dachte ich das. Aber was weiss ich schon? Ich habe ja nicht Medizin studiert und das liess mich der Arzt auch spüren. Er sagte: «Ein MRT oder CT ist zu teuer und würde sicher nichts bringen.» So redete ich mir weiterhin ein, dass seit der Geburt meines Kindes wohl in der Tat mein Immunsystem geschwächt sei.

Zumindest war der Arzt aber bereit, an mir einen Allergietest durchzuführen. Was dieser nun mit meinen Beschwerden zu tun hatte, wusste ich zwar auch nicht, aber ich war froh, dass er überhaupt irgendetwas testete. Und wie nicht anders zu erwarten und was ich eigentlich schon wusste, war ich gegen einige Gräser und Hausmilben allergisch. Also wechselte ich alle paar Tage meine Bettwäsche und kaufte wegen den Nackenschmerzen sogar neue Kissen. (Auf Anraten des Arztes!) Aber man staune: Auch das half nicht gegen mein Unwohlsein und auch nicht gegen die Nackenschmerzen.

Wegen meinem Ohr leitete er mich aber dann doch noch an einen Ohrenarzt weiter, denn ich hörte weiterhin nichts auf dem rechten Ohr. Den Termin hatte ich aber erst drei Wochen später und obwohl mein Ohr nicht mehr funktionierte, hörte ich auf diesem 24 Stunden lang ein Zirpen.

Als ich endlich den Termin bekam, war der Ohrenarzt an der Laune nach zu beurteilen überarbeitet, denn das Wartezimmer war voll und als die Assistentin drei Stunden brauchte, um einen Schwindeltest bei mir durchzuführen, bin ich ebenfalls schlecht gelaunt aus der Praxis raus und fühlte mich einfach nur düpiert.

So vergingen einige Monate. Ohne Ergebnis, aber weiteren Antibiotikapillen gegen mein Fieber, einem unkontrollierbaren Drehschwindel, Übelkeit, Nackenschmerzen und einem mittlerweile schrillen 24-Stunden-Klingelton im rechten Ohr.

Im Sommer musste ich dann mal andere Luft schnuppern und besuchte meine Familie in Deutschland. Zu dieser Zeit war mein Gleichgewichtssinn dermassen ausser Kontrolle, dass ich mich ohne Licht im Dunkeln gar nicht mehr bewegen konnte. Aber auch mit Licht bin ich ständig gegen Wände oder Türen gelaufen. Und das Licht tat wiederum meinen Augen nicht gut. Diese waren dermassen rot und geschwollen, dass ich vermehrt Schmerzen hatte. Auch war ich mal wieder krank.

Meine Familie liess mich deshalb notfallmässig bei ihrem Ohren- sowie Augenarzt vorsprechen. Während der Augenarzt meinte, ich bräuchte Hilfe von einem Hornhautspezialisten, gab mir der Ohrenarzt eine Hörgeräteverordnung mit.

Da war ich nun wieder.

Herumtorkelnd wie eine fiebrige Betrunkene, die immer noch aussah, als ob sie gleich aus allen Latschen kippen würde. Mir fehlten einfach die Antworten darauf, was mein Körper da eigentlich fabrizierte.

Wieder in der Schweiz bin ich dann erst einmal in die Augenklinik. Mein Augenarzt hatte nämlich mal wieder Ferien, weswegen ich an einem Sonntag notfallmässig in die Klinik bin. Bei der Anmeldung misste man mir die Temperatur und die Assistentin meinte, dass ich Fieber hätte. Sie zeigte mir das Fieberthermometer während ich auf dem Stuhl vor ihr sass und mit den Schultern zuckte. «Ich weiss, das ist nichts Neues.», winkte ich ab.

Nach vierstündiger Wartezeit schaute dann die Oberärztin in meine Augen und realisierte eine Hornhautverletzung, welche man dann versuchte zu behandeln.

Zwischen zwei bis vier Mal wöchentlich musste ich in die Augenklinik und dies über Monate. Ich bekam Augentropfen, welche aus meinem eigenen Blut gewonnen wurden und ich «freute» mich schon auf die Rechnung der Behandlungen. Aber obwohl die Augen etwas besser wurden, blieben die anderen Symptome gleich. So gab ich mir einen Ruck und ging im Winter 2018 noch einmal zu dem Ohrenarzt.

Jeder verdient eine zweite Chance, oder?

Zu meiner Überraschung war das Wartezimmer leer und der Ohrenarzt freundlich. Erst machten wir einen Hörtest und er kam mit einem bemitleidenswürdigen Blick und der Bemerkung «Sie sind auf dem rechten Ohr taub.» auf mich zu.

Ach, sagen Sie bloss!, wollte ich schon fast sagen, verkniff es mir jedoch.

Einen Schwindeltest gab es auch wieder, aber auch dieser blieb wieder ergebnislos. Die Symptome passten dem Ohrenarzt nun auch nicht zusammen und so meinte er, dass er mich zu einem MRT-Termin anmelden würde. «Nur, um sicher zu gehen, dass nicht etwas anderes dahinterstecken würde.»

Ich sagte zu, wusste aber nicht ganz, was dabei herauskommen sollte. Na, wenn sie Glück haben, finden sie mein Gehirn., grinste ich innerlich.

Nun gut …

Also ging ich am Montag, den 07. Januar 2019, zum MRT (Magnetresonanztomographie). Immer noch dachte ich, dass dabei nichts herauskommen würde und ich freute mich einfach, dass mich eine Freundin begleitete.

Michaela hatte ich zufällig im Supermarkt kennengelernt, als unsere Töchter ins Gespräch kamen. Beide kannten sich vom Kindergarten und wir Mütter waren uns sofort sympathisch. An dem Nachmittag machten wir sofort ein Treffen zum Schlittenfahren aus und trafen uns danach auch noch öfter. An dem Montag, an dem sie mich zum MRT begleitete, hatte sie frei. Sie arbeitete aber in dem Krankenhaus, in dem dieses stattfand, und das als Röntgenassistentin.

Zuerst musste ich mich in einer Garderobe bis zur Unterhose ausziehen und einen Patientenkittel anziehen. Also solch einer, der hinten offen ist und nur durch eine kleine Schleife zusammengebunden werden kann. Da ich so zierlich bin, hätte ich mit dem Kittel zum Tanzen gehen können und hielt den Kittel noch schützend mit meinen Händen zu. Die Schleife stand einfach zu weit von meinem Körper ab und der Kittel blieb deshalb nicht ganz geschlossen. Ich wollte einfach vermeiden, dass mir alle auf meinen Schlüppi starren.