Das Lo Man Kam Wing Chun System - Geschichte, Berichte und Techniken - Marc Debus - E-Book

Das Lo Man Kam Wing Chun System - Geschichte, Berichte und Techniken E-Book

Marc Debus

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Beschreibung

In diesem Buch legen wir eine Zusammenstellung von Texten verschiedener Personen vor, die versuchen ihre Trainingserfahrungen mit ihrem Sifu zu beschreiben. Dabei freuen wir uns, auch Texte von Trainierenden anderer Linien vorstellen zu können. Gleichzeitig haben Schüler Yip Mans das Buch mit Geschichten und Anekdoten aus der Zeit, in der sie noch in der Schule ihres Meisters trainierten, bereichert. Des weiteren wird auf verschiede Trainingsgeräte, Trainingsmethoden und Techniken eingegangen. In der dritten Auflagen sind die meisten Grafiken farbig darstellbar, wenn der Reader es zuläßt. Ich habe versucht möglichst viele verschiedene Personen, die das Wing Chun Kung Fu trainieren, dazu zu motivieren, Berichte zu diesem Buch beizutragen. Dies soll ermöglichen, Trainingsweisen, Eigenheiten und Trainingswahrnehmungen von Schülern Lo Man Kams zu beleuchten, ohne dabei Vergleiche anstellen zu wollen.

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Inhaltsverzeichnis

1. Das Lo Man Kam Wing Chun System

2.Vorwort

3. Unterricht beim Neffen des letzten Großmeisters Yip Man

3.1. Mein Training bei Sifu Lo Man Kam

3.2. Wing Chun in my life

3.3. Wing Chun in meinem Leben

3.4. Meister Lo Man Kams „Vereinte Nationen des Kung Fu“

3.5. Unterricht bei Lo Man Kam

3.6. Mein Lehrer, Sifu Lo Man Kam

3.7. Das Formentraining im Wing Chun Kung Fu

3.8. Wing Chun Kung Fu aus der Sicht eines Schülers von Marc Debus

4. Verschiedene Interviews

4.1. Ein Interview mit Sifu Gorden Lu

4.1. Ein Interview mit Sifu Lo Man Kam

4.3. Erinnerungen an frühere Zeiten

5. Mein Weg mit Sifu Wong Shun Leung

6. Trainingsgeräte und Hilfsmittel

6.1. Der Stock als Hilfsmittel im Lo Man Kam Wing Chun System

6.2. Der Federarm - ein traditionelles Trainingsgerät?

6.3. Der Dreier Dummy im Wing Chun Kung Fu

7. Cham Kiu (1. Sektion – 2 Teile), gezeigt von Marc Debus

8. Erste Sektion der Holzpuppe demonstriert von Sifu Lo Man Kam

9. Technikserien

9.2. Sifu Philipp Müggler und Iwan demonstrieren eine Chi Sao Technik

9.3. Sifu Lo Man Kam und Sifu Philipp Müggler zeigen eine Chi Sao Angriffssequenz.

9.4. Hebeltechniken mit Sigung Lo Man Kam

9.5. Abwehr einer Geraden / Sifu Lo Man Kam und André Achnitz

9.6. Abwehr einer Geraden / Sigung Lo Man Kam und Sifu Marc Debus

9.7. Abwehr einer Geraden / Sifu Lo Man Kam und Sifu Marc Debus

9.8. Chi Sao Technik mit Sifu Lo Man Kam und Sifu Andreas Zerndt

9.9. Chi Sao Technik mit Sifu Lo Man Kam und Clarissa Muzammil

10. Die Verbreitung des Lo Man Kam Wing Chun Systems

11. Grußworte

12. Danksagung

1. Das Lo Man Kam Wing Chun System

Geschichte, Berichte und Techniken

Trainingserfahrungen und Geschichten rund um

das Wing Chun Kung Fu

Autor: Marc Debus u.a.

Schreibstark-Verlag

Saalburgstr 30

61267 Neu-Anspach

„Wing Chun Kuen“

Kaligraphie von Sifu Lo Man Kam

2.Vorwort

In diesem Buch legen wir eine Zusammenstellung von Texten verschiedener Personen vor, die versuchen ihre Trainingserfahrungen mit ihrem Sifu zu beschreiben. Dabei freuen wir uns, auch Texte von Trainierenden anderer Linien vorstellen zu können. Gleichzeitig haben Schüler Yip Mans das Buch mit Geschichten und Anekdoten aus der Zeit, in der sie noch in der Schule ihres Meisters trainierten, bereichert. Des Weiteren wird auf verschiede Trainingsgeräte, Trainingsmethoden und Techniken eingegangen.

Ich habe versucht möglichst viele verschiedene Personen, die das Wing Chun Kung Fu trainieren, dazu zu motivieren, Berichte zu diesem Buch beizutragen. Dies soll ermöglichen, Trainingsweisen, Eigenheiten und Trainingswahrnehmungen von Schülern Lo Man Kams zu beleuchten, ohne dabei Vergleiche anstellen zu wollen.

Oft werden Unterschiede und Trainingsweisen verschiedener Wing Chun Linien diskutiert, die historische Belegbarkeit von Trainingsweisen hinterfragt oder Vermutungen über die Kampftauglichkeit der Systeme angestellt. Leider wird dabei meistens vergessen, dass sich die meisten Wing Chun Linien weltweit auf die gleiche Wurzel, nämlich auf den Großmeister Yip Man, berufen. Bei vielen Gesprächen hat sich gezeigt, dass Yip Man Trainingsweisen im Laufe seiner Lehrtätigkeit selbst geändert hat oder andere Methoden der Vermittlung entwickelte.

In einem Gespräch mit Sifu Wang Kiu konnte ich zum Beispiel erfahren, dass in den frühen Tagen der Lehrtätigkeit von Sigung Yip Man keine Holzpuppe in dessen Schule vorhanden war und die Holzpuppenform ohne Holzpuppe gelehrt wurde oder ein Mitschüler als „Puppe“ diente. Aus dieser Trainingserfahrung hat Sifu Wang Kiu eine Trainingsmethode entwickelt, die er „Living Dummy“ nennt. Dabei wird die gesamte Holzpuppenform zusammen mit einem Partner trainiert. Diese Trainingsweise wurde oft diskutiert oder in Frage gestellt. Die historischen Tatsachen, die mir Meister Wang Kiu dazu berichtete, zeigen allerdings, dass diese Trainingsweise durchaus auch in der Schule Yip Mans bereits existierte. Außerdem nennt Sifu Wang Kiu ein weiteres positives Argument für seine Trainingsmethode: „Alle Schüler einer Wing Chun Schule können auf diese Weise gleichzeitig die Holzpuppenform trainieren, obwohl in den meisten Schulen meistens nur eine Holzpuppe vorhanden ist“.

Diese alten Geschichten und die damit verbundenen Erfahrungen haben mir gezeigt, dass es falsch ist zu glauben, man könne von anderen Wing Chun Betreibenden und deren Erfahrungen nicht auch Vorteile für sein Training oder die eigene Lehrtätigkeit ziehen. Die Meister und Lehrer, die diese Kunst seit Jahren betreiben, haben viele gute Ideen entwickelt, wie man bestimmte Techniken und Bewegungen an Schüler weitergeben kann und ihnen dadurch Hilfen zum Erlernen an die Hand gibt.

Im Endeffekt wollen wir alle Schüler hervorbringen, die die Kampfkunst beherrschen und eventuell auch weitergeben können, damit unser Stil nicht ausstirbt. Ein Lehrer sollte stolz sein, wenn ein Schüler in der Kampfkunst besser wird und vielleicht sogar seinen Lehrer an Perfektion irgendwann übertrifft. Ein guter Schüler zeichnet einen guten Lehrer aus. Die Essenz einer Kampfkunst ist im Kampf nicht aufzugeben und zu siegen. Das ist der Grundgedanke, den jeder Kämpfer verfolgt. Somit trifft ein berühmter Satz eines berühmten Kämpfers auch auf das Wing Chun System zu: „Hasta la victoria sempre – Vorwärts bis zum Sieg“.

3. Unterricht beim Neffen des letzten Großmeisters Yip Man

Training in Taiwan 2004

Wie ist das Training in einer der Schulen, die noch von einem langjährigen Schüler des berühmten Großmeisters Yip Man geführt wird? Diese Frage hat sich sicher mancher Kampfkünstler bereits gestellt. Lo Man Kam hat nicht nur viele Jahre Training bei Yip Man genossen, sondern er ist auch noch der Neffe dieses letzten Großmeisters. Erste Eindrücke und Training im Wing Chun Kung Fu erhielt er bereits in Foshan (Zentralchina), als er noch ein Junge war und Yip Man noch nicht in Hong Kong lebte. Zur damaligen Zeit lebte Lo Man Kam mit seiner Mutter und seinem Onkel auf einem Hof in dieser Provinz. Später hatte er zehn Jahre Unterricht in einer der Schulen von Sigung Yip Man in Hong Kong.

Sifu Lo Man Kam berichtet manchmal darüber, wie das Training bei seinem Onkel gewesen ist oder er erklärt eine Technik und gibt den Schülern weiter, was sein Onkel damals dazu gesagt hat. Im Sommer 2004 waren Marc Debus, Dr. Frank Kuhnecke und Klaus Jeske von der German Lo Man Kam Wing Chun Association zum Training in Taipeh und ein kurzer Bericht des Trainings vor Ort soll einen Einblick in das Geschehen in der Schule von Sifu Lo Man Kam ermöglichen.

Sifu Lo in Taiwan – 70er Jahre

Nicht für alle drei Schüler ist es das erste Mal, dass sie in der Schule ihres Sifus trainieren. Marc Debus und Frank Kuhnecke besuchten die Schule des Meisters bereits in den beiden vorangegangenen Jahren, während Klaus Jeske seine ersten Erfahrungen mit dem Training in der Schule von Sifu Lo Man Kam macht, nachdem er ihn in den letzten zwei Jahren in Deutschland kennen lernen konnte. Schüler aus verschiedenen Ländern, Philipp Mueggler und Horst Uecker aus der Schweiz, John Kang und Bradley Temple aus Amerika und viele andere fahren regelmäßig nach Taiwan um dort zu trainieren.

Das Training in Sifus Schule ist in zwei Trainingseinheiten unterteilt. Morgens von 10.00 bis 12.00 Uhr findet die „Morning class“ statt, die meist nicht so gut besucht ist wie die „Evening class“ von 20.00 bis 22.00 Uhr. In dieser Zeit wird viel Chi Sao trainiert und mit anderen Schülern zusammen an Formen und Kampftechniken gearbeitet. An den Nachmittagen gibt Sifu seinen ausländischen Schülern, die oft auch in seinem Haus leben, manchmal noch zusätzlich Unterricht, um die Zeit des Aufenthaltes trainingsintensiv zu nutzen. Hierbei legt er viel Wert auf die Ausführung der Formen und korrigiert viele Details in Techniken, damit sein Kung Fu in allen Feinheiten in den Schulen außerhalb Taiwans weitervermittelt werden kann.

M. Debus an der Holzpuppe in Taipeh

Sifu kümmert sich intensiv um alle Schüler während seiner Trainingsklassen. Er korrigiert ständig Studenten und läuft zwischen den Trainierenden umher, um das Training aller im Blick zu behalten. Er erklärt unermüdlich, wenn er das Gefühl hat, eine Technik verbessern zu können. Manchen Schülern gibt er spezielle Aufgaben, um ihnen zu helfen einen Fehler zu beseitigen. Dies kann manchmal anstrengend sein, da Sifu Lo Man Kam erst dann ein Voranschreiten im Training erlaubt, wenn er sieht, dass eine vorangegangene Übung verstanden worden ist und nun korrekt ausgeführt wird.

Taifun in Taipeh

Als besondere Anstrengung kommen die klimatischen Bedingungen hinzu. Oft betragen die Temperaturen zwischen 38 und 40 Grad Celsius. Die meisten ausländischen Schüler sind eine solche Hitze beim Training nicht gewohnt. Man benötigt viel Wasser um dem Flüssig­keitsver­lust entgegenzuwirken. Hinzu kommen eine extrem hohe Luftfeuchtigkeit und die Tatsache, dass es sich in der Nacht kaum abkühlt. Im Jahr 2004 konnten M. Debus, F. Kuhnecke und K. Jeske zusätzlich noch einen starken Taifun in Taipeh erleben, der die Heimreise fast verhindert hätte. An einem der Tage war der Sturm so stark, dass kein Training auf dem Dach, wo sich Sifus Schule befindet, möglich war. Eine kleine Gruppe von 5 Personen trainierte stattdessen im Wohnzimmer der Wohnung von Sifu Lo Man Kam.

3.1. Mein Training bei Sifu Lo Man Kam

von Marc Debus

Bereits in der Mitte der achtziger Jahre begann ich mich für die Kampfkünste zu interessieren. Zur damaligen Zeit trainierte ich viel mit Studienkollegen, die bereits mehrere Jahre verschiedene Kampfsportarten trainierten. Problem dieses Trainings war, dass wir weder regelmäßig trainieren konnten noch einen festen Trainingsort hatten.

Sifu Lo Man Kam mit Marc Debus 1996

Ich entschied mich eine Kampfkunstschule zu besuchen, um regelmäßiger trainieren zu können. So fand ich in der Stadt, in der ich studierte, eine Wing Chun Kung-Fu-Schule, in der ich mich anmeldete und trainierte. Schnell faszinierte mich die Kunst derart, dass ich mit einer Trainerausbildung anfing. Mein damaliger Trainer empfahl mir nach einiger Zeit eine eigene Schule zu eröffnen. Nach einer einjährigen Vorbereitungszeit eröffnete ich mit einer Trainingskollegin zusammen eine eigene Schule in Nordrhein-Westfalen, die wir zusammen erfolgreich drei Jahre leiteten.

Mittlerweile trainierte ich selbst mehrere Jahre und besuchte auch weiterhin einmal wöchentlich das Training für Schulleiter, das zwischen zwei und drei Stunden dauerte. Dort trainierten wir die Siu Lim Tao und die Cham Kiu Form des Wing Chun, Techniken, Gefühlsschulung und Freikampf. Da das Training sich allerdings im Wesentlichen über längere Zeit nicht veränderte und Fragen zu Anwendungen und Techniken für meine Begriffe nicht ausreichend beantwortet wurden, entschied ich mich nach einer authentischeren Quelle zum Erlernen des Wing Chun Kung Fu Systems zu suchen.

Im Jahr 1996 hatte ich auf einem Seminar den ersten Kontakt mit Sifu Lo Man Kam. Das hervorragende Training und die freundliche Art des Chinesen veranlassten mich und drei weitere befreundete Trainingskollegen (Olaf Buschke, Gregor Eichenauer und Andreas Zerndt), die ebenfalls mit ihrem derzeitigen Training unzufrieden waren, Ende des Jahres 1999 erneut Kontakt zu Sifu Lo Man Kam zu suchen.

Sifu Lo Man Kam besuchte uns dann im Jahr 2000 erstmals für zwei Wochen, die wir ausschließlich für unser Training nutzten. Sifu Lo Man Kam lehrte als erstes die Siu Lim Tao des Wing Chun Systems. Das erste Mal erfuhr ich, was es heißt einen Lehrer zu haben, der auch die kleinsten Fehler beim Ausführen der Form sehen konnte und in der Lage war, Hilfestellungen bei Problemen zu geben, die mir halfen meine Fehler schnell und effektiv zu korrigieren. Sifu Lo Man Kam erklärte uns außerdem bei jedem Fehler, welche Gefahren und Probleme im weiteren Verlauf des Erlernens der Kampfkunst entstehen können, wenn man diesen Fehler eintrainiert. Er untermauerte dies grundsätzlich mit Beispielen, in denen er den Unterschied zwischen der richtigen und falschen Ausführung darstellte. Schnell wurde uns bewusst, dass das Erlernen der ersten Form bereits einen wesentlich größeren Zeitrahmen in Anspruch nehmen würde als von uns angenommen.

Gleichzeitig erlernten wir die Hilfestellungen, die Lo Man Kam ebenfalls an uns weitergab, damit wir das Gelernte auch später unseren Schülern lehren konnten. Er zeigte uns verschiedene Hilfsmittel und gab einfache Beispiele, die uns später im Unterricht wertvolle Dienste leisten sollten. Gleichzeitig erlernten wir das richtige Ausführen des Dan Chi.

Der Unterricht von Sifu Lo Man Kam in diesen zwei Wochen löste für mich viele unbeantwortete Fragen, die sich in den letzten Jahren meines Trainings angesammelt hatten und mir nie beantwortet werden konnten. Deshalb beschlossen wir, den Kontakt zu Sifu Lo Man Kam zu intensivieren um mehr Wissen um das Wing Chun Kung Fu zu erlangen.

Andreas Zerndt mit Yan Tin San in Taipeh

Der nächste Schritt war die Kontaktaufnahme zu langjährigen Schülern von Sifu Lo Man Kam, um mit diesen zusammen zu trainieren und das Erlernte zu festigen. Gleichzeitig planten wir mit Sifu telefonisch seinen nächsten Besuch in Deutschland und unseren Besuch im Verbandshauptsitz in Taipeh, sowie die Gründung der German Lo Man Kam Wing Chun Association.

Das Training in Taipeh war wiederum völlig anders als das Privattraining in Deutschland. Viele langjährige Schüler von Sifu Lo trainieren hier in zwei Trainingsein­hei­ten täg­lich das Wing Chun Kung Fu System. Der Kontakt mit den oft einheimischen Mitschülern, gestaltete sich bei unserem ersten Aufenthalt in Taiwan nicht so schwierig, wie wir anfangs angenommen hatten. Die meisten Trainingskollegen sprachen ein gutes Englisch und waren immer bereit, Fragen zu beantworten oder zu helfen, wenn man Probleme hatte. Sifu Lo Man Kam selbst war im Training immer anwesend und korrigierte seine Schüler oder gab ihnen neue Aufgaben, wenn er den Eindruck hatte, dass sie die letzte Aufgabe gemeistert hatten.

Viele der fortgeschrittenen Schüler waren eine große Hilfe, da man ständig im Training, gerade beim Chi Sao, neue Situationen erlebte. Viele Schüler waren in der Lage Problemsituationen im Training immer wieder herzustellen, bis man zu einer Lösung gekommen war. Gleichzeitig bekam ich immer wieder Tipps von Sifu Lo Man Kam oder er trainierte eine Situation selbst mit mir. Ich erlebte hier erstmals ein Training, das mich auch mehrere Stunden später noch beschäftigte. Einige Trainingspartner waren auch bereit, außerhalb der offiziellen Trainingszeiten mit mir zu trainieren und so gewöhnte ich mich schnell an die völlig andere Art des Trainings.

Sifu Lo Man Kam demonstriert eine Messerabwehr

Die Lebensumstände in Taiwan und China und das Kennen lernen chinesischer Sichtweisen haben mir auch geholfen, Trainingsweisen und Erklärungen von Sifu Lo Man Kam besser zu verstehen. Die Schüler von Kung-Fu-Schulen in Europa oder Amerika verhalten sich völlig anders, als die Schüler dies in der Schule von Sifu Lo Man Kam tun. Die Schüler trainieren ausschließlich das, was Sifu Lo ihnen gezeigt, bzw. als Aufgabe gestellt hat. Sie nehmen dieses Training auf, nachdem sie einige Zeit ihre Formen geübt haben. Die Schüler stellen Sifu keine Fragen, sondern überlassen es seiner Sicht als Meister, welche Übungen sie trainieren sollen. Selten habe ich erlebt, dass Schüler Sifu mit Fragen belästigten oder ihn baten etwas anderes trainieren zu dürfen.

Sifu Lo lehrt Techniken

Die Qualität des Kung Fu, das ich in der Schule von Sifu Lo Man Kam erleben durfte, spricht für diese Art des Unterrichts. Man hat den Eindruck, dass chinesische Schüler oder Personen, die längere Zeit in China leben, mit größerer Geduld und Ausdauer an ihr Training herangehen. Auch die Tatsache, dass die Schüler täglich zwei Stunden in das Erlernen der Kampfkunst investieren, führt dazu, dass die Kunst in einer wesentlich intensiveren Art erlernt wird, als in den meisten westlichen Schulen.

Die Kritik und Ermahnungen, die Sifu Lo Man Kam seinen Schülern gibt, werden von den Schülern als positiv aufgefasst, da sie immer berechtigt erscheinen. Sifu hat mich auf manche Fehler so oft aufmerksam gemacht, dass ich selbständig begann immer wieder an diesem Fehler zu arbeiten. Den Erfolg meiner Bemühungen bekam ich allerdings nicht mit einem Lob seinerseits honoriert. Dass ich meine Übung richtig ausführte erfuhr ich dadurch, dass Sifu während einer Übungsphase plötzlich neben mir stand, mir zuschaute und dann kommentarlos weiterging. Ich wusste sofort, dass ich es jetzt richtig machte. Ca. 10 Minuten später kritisierte Sifu eine andere Übung und ich wusste, was ich zu trainieren hatte. Gleichzeitig habe ich gelernt, dass Sifu Lo Man Kam daran interessiert ist seine Schüler immer besser werden zu lassen. Dies erreicht er dadurch, dass er Fehler korrigiert und die Schüler zum Training animiert. Das Hinwegschauen über kleine Fehler ist in seiner Schule nicht üblich. Es war anfänglich schwer, mit meiner westlichen Mentalität diese ständige Kritik hinzunehmen. Ich lernte allerdings schnell, dass sie dazu beitrug, dass ich mich intensiver mit meinen Fehlern beschäftigte und mich dadurch in meinen Ausführungen von Übungen genauer werden ließ.

Sifu unterrichtet Keith Bewegungen der Bat Cham Dao

Der Umgang in der Schule war erstmals so, dass mir der Satz „Wing Chun ist ein Familiensystem“ logisch erschien. Der Respekt der Schüler beschränkt sich nicht auf ein stupides Abgrüßen oder inhaltlose Rituale, wie man sie in Kampfkunstschulen oft vorfindet. Die Schüler reden Lo Man Kam grundsätzlich mit dem chinesischen Titel „Sifu“ (väterlicher Lehrer) an. Bewusst wurde mir die Bedeutung der Verwendung dieses Wortes in dem Moment, als ich wahrnahm, dass der leibliche Sohn von Sifu Lo Man Kam, Gorden Lu (Lo) ebenfalls das Wort „Sifu“ als Anrede für seinem Vater verwendet. Die Schüler untereinander ließen kein Konkurrenzdenken erkennen. Meine Sihings (ältere Kung Fu Brüder) waren immer bereit mir zu helfen oder auf meine Fragen zu antworten. Sie haben niemals ein Geheimnis aus irgendetwas gemacht. Selbst wenn ich Fragen zu Formen stellte, die ich im Training noch nicht selbst trainierte, bekam ich höfliche und informative Antworten, die mir später beim Training dieser Formen immer hilfreich waren.

Erstaunlich erschien mir nach diesen Erfahrungen, welche Stilblüten das Lehrer-Schüler-Verhältnis in einigen Kampfkunstschulen in Europa treibt. Auch der Umgang der Schüler in westlichen Schulen untereinander wurde mir unter Betrachtung des Trainings in Taipeh immer unverständlicher. Hatte ich doch früher zu hören bekommen, dass man einem niedriger graduierten Schüler nicht so viel zeigen dürfe, bzw. als Lehrer darauf achten müsse, dass talentierte Schüler nicht „zu viel“ erlernen, da man sonst in seiner Rolle als „Sifu“ gefährdet würde. Das Lehren und der Umgang mit dem Lernenden in seiner Schule machte mir klar, dass ein talentierter Schüler ein Geschenk für einen Lehrer darstellt. Das Wissen um das Wing Chun Kung Fu kann nur dann erhalten werden, wenn wir als Lehrer in der Lage sind Personen besser oder genauso gut werden zu lassen, wie wir selbst es sind. Wenn in der Generation unserer Schüler keiner unser Können erlangt, dies sich in den weiteren Generationen fortsetzt, geht immer mehr Wissen um die Kampfkunst verloren. Deshalb sollte jeder Lehrer versuchen, Talente zu fördern, um die Kunst für spätere Kung Fu Betreibende zu erhalten.

Die Bemühungen verschiedener westli­cher Lehrer in verschiedenen Verbänden zeigen, dass immer mehr Personen versuchen, die Kunst des Wing Chun Kung Fu zu erhalten und dafür auch längere Trainingsaufenthalte in China bzw. in einer Schule eines Yip Man Schülers auf sich nehmen. Es ist sogar zu beobachten, dass in den letzten Jahren einige langjährige, bekannte Wing Chun Lehrer Kontakte zu ehemaligen Yip Man Schülern suchen, um nun doch eine Verbindung zu den Wurzeln des Wing Chun Kung Fu nach Sifu Yip Man herzustellen, obwohl sie solche Kontakte viele Jahre ablehnten oder Yip Man Schüler lediglich für ein oder zwei Tage zur Veranstaltung eines Seminars einluden. Auch diese Entwicklung kann positiv gewertet werden, da dadurch die Kampfkunst letztendlich authentischer vermittelt werden kann.

3.2. Wing Chun in my life

by Gorden Lu

Wing Chun was just like a game in my childhood memory, playing around with friends and my father’s students and at that time, looking people workup & training Wing Chun kung fu every night also was part of my life. But the most enjoy part then was listened the Wing Chun stories from my father Sifu Lo Man Kam. A great man and a warrior, who also is a Wing Chun master deep & far influence to the west countries.

Learn kung fu & play kung fu there has a big different. Playing just playing, something you will always missing there. Wing Chun is no for play & it is just like art that you need to know what is the profound there. I was realized that thought when I started to learn Wing Chun. I studied Wing Chun when I was 15 with my father and that is 18 years ago. Playing is the pass for me. Listen, think, understand, feel & experience the firsthand were what I enjoyed. Learning Wing Chun is not just like some other martial arts to know hot to fight is enough…… I always feel this way, the Wing Chun ideas are the essence of Wing Chun and those ideas not only good for you skills also they are really good and can help in your life to face different things in a lot of different ways and that is also what I most benefit thing’s in my life.

Gorden Lu und Marc Debus in Taipeh 2002

Sifu Duncan Leung, another great man & Wing Chun master who is my father’s good friend also is my father’s joiner kung-fu brother. My father encouraged me go to Duncan’s school to see more Wing Chun and get more feeling. Make your Wing Chun more alive and be your own style that is he wanted me to be. I moved to Virginia Beach, USA at 1994 fall and start to train & help to teach at Duncan’s school.

Gorden Lu und Andreas Zerndt – Taipeh 2002

He trained me hard and taught me a lot. Not only physical also mental. No doubt, different people develop to different Wing Chun style. Learning with Uncle Duncan, many techniques may have different approach & usage than my father, but the Wing Chun idea is always the same. That is learning Wing Chun you need to learn how to not get hit and is not learn how to hit people first and I think that also is the art part of Wing Chun.

Using your thought & ideas to present on the movement and be a body language and be your own style and it is art too and that is Wing Chun. Like my father says “Kung-fu is dead, you need to make it alive”. Uncle Duncan says “The best technique is no technique”… two meaning are the same for what I see. They try to say “react for what you should react, and it is not react for what you want to react”. Because the art is no rule, some time it is no make any sense. If you can express your feeling & idea at right timing with right move, then it maybe the best technique, even that movement is not looks like Wing Chun. For sure, their ideas influence me a lot and help me to improve my skills. Learning from them so many years, in my feeling “Free to do things, but have to be right” this saying always gives me a faith to achieve what I can get from these two great sifu of my.

3.3. Wing Chun in meinem Leben

Von Gorden Lu, übersetzt von Marc Debus

In meinen Kindheitserinnerungen ist Wing Chun mir immer wie ein Spiel erschienen, ich spielte mit meinen Freunden und mit den Studenten meines Vaters, sah ihnen jeden Abend beim Training des Wing Chun Kung Fu zu und so war Wing Chun immer ein Teil meines Lebens. Aber das Schönste war, den Geschichten rund um das Wing Chun Kung Fu zu lauschen, die mein Vater Sifu Lo Man Kam mir erzählte. Ein großer Mann und Kämpfer und ein Wing Chun Meister, der einen großen Einfluss auf diese Kampfkunst in westlichen Ländern ausübt.

Pratentraining in der Schule von Gorden Lu in Hsinchu Taiwan

Kung Fu zu erlernen oder es als Spiel zu betreiben ist ein großer Unterschied. Spielen ist Spielen und es wird dabei immer etwas fehlen. Wing Chun ist kein Spiel, es ist eher eine Kunst, die man braucht, um zu erfahren was der Ursprung (die Tiefe) ist. Ich habe das realisiert, als ich begonnen habe Wing Chun zu lernen. Ich habe bei meinem Vater zu lernen angefangen als ich 15 war und das ist jetzt 18 Jahre her. Das Spielen ist für mich vorbei. Zuhören, denken, verstehen, fühlen und erfahren war das Erste was ich zu Lieben begann. Wing Chun zu erlernen ist nicht das Gleiche wie in anderen Kampfkünsten, in denen es ausreicht zu wissen, wie man gut kämpft. Ich fühle den Weg der Kunst immer, die Wing Chun Ideen sind die Essenz dieser Kampfkunst und diese Ideen sind nicht nur gut für das Training, sondern sind auch hervorragend geeignet um verschiedene Situationen im Leben auf verschiedenen Wegen zu meistern und das sehe ich als einen der größten Vorteile für mein Leben an.

Abendessen in Hsinchu 2002

Sifu Duncan Leung ist ein weiterer großer Mann und Wing Chun Meister, der auch ein guter Freund meines Vaters ist und gleichzeitig der jüngere Kung Fu Bruder von Sifu Lo Man Kam (In Bezug auf die Trainingszeit in der Schule von Sigung Yip Man). Mein Vater hat mich ermutigt in die Schule von Sifu Leung zu gehen, um mehr Wing Chun zu sehen und mehr Gefühl für die Kunst zu bekommen. Mein Wing Chun zum Leben zu erwecken und es als individuellen eigenen Stil zu praktizieren war dabei seine Intention. So ging ich 1994 nach Virginia Beach USA, um zu lernen und später Duncan Leung beim Unterricht in seiner Schule zu helfen

In Gorden Lus Schule in Virginia Beach 2007

Er trainierte mich hart und ich lernte eine Menge. Nicht nur in Bezug auf das Körperliche, sondern auch mental. Ohne Zweifel, verschiedene Menschen entwickeln verschiedene Wing Chun Stile. Der Unterricht unter „Onkel“ Duncan zeigte mit, dass viele Techniken ein unterschiedliches Herangehen und einen anderen Nutzen hatten als bei meinem Vater, aber die Wing Chun Idee war immer die gleiche. Wing Chun zu lernen, heißt zu lernen, wie man nicht von einem Gegner getroffen wird. Man erlernt nicht, wie man Andere zuerst schlägt und ich denke, das ist der Teil des Wing Chun Kung Fu, den man als Kunst bezeichnen kann.

Das Erlernte und die eigenen Ideen in Bewegungen einfließen zu lassen, eine eigene Körpersprache zu sprechen und einen eigenen Stil zu zeigen, ist ebenfalls eine Kunst und ebenfalls Wing Chun. Wie mein Vater zu sagen pflegt: “ Kung Fu ist tot, du musst es zum Leben erwecken“ und Onkel Duncan sagt: „Keine Technik ist die beste Technik“…. Und beides meint dasselbe wie ich das sehe. Sie versuchen damit zu sagen: „Reagier auf das, worauf du reagieren solltest aber reagiere nicht auf das, worauf du reagieren willst“. Die Kunst ist es, keine Gesetzmäßigkeiten zu befolgen und manchmal erscheint es keinen Sinn zu ergeben. Wenn man sein Gefühl und die eigene Idee im richtigen Moment in einer Bewegung nutzen kann, ist es vielleicht die beste Technik, auch wenn diese in dem Moment nicht so aussieht, als sei sie Wing Chun. Sicherlich haben die Ideen und das Training unter beiden Meistern mir geholfen meine Fertigkeiten zu entwickeln. Das Lernen unter beiden hat mich folgendes gelehrt: „Frei zu sein Dinge zu tun, aber diese richtig zu tun“. Daraus schöpfe ich das Vertrauen das auszuführen, was ich von diesen beiden großen Lehrern meines Lebens bekommen habe.

3.4. Meister Lo Man Kams „Vereinte Nationen des Kung Fu“

Von John Kang, übersetzt von Marc Debus

Auf Grund des Fehlens historischer Beweise ist es unmöglich Vermutungen über ein konkretes Entstehungsjahr des chinesischen Kung Fu anzustellen. Nach vorsichtigen Schätzungen kann davon ausgegangen werden, dass sich das Kung Fu vornehmlich in den letzten Jahr­hunder­ten der chinesischen Ge­schichte entwickelt hat.

Dennoch, wenn wir die Kriege, die der „Gelbe Eroberer“ ausgefochten hat, als Grund der Entstehung der chinesischen Kampfkünste ansehen, dann kann man das Jahr der Entstehung auf 2698 vor Christus annehmen. Darauf folgten einige tausend Jahre der Entwicklung. Ob von der Periode der „Drei Reiche“ (220 nach Christus) bis zur Quing Dynastie oder von der frühen Republik (1911 nach Christus) bis zum heutigen Tag, berühmte Meister der verschiedenen Stile der chinesischen Kampfkünste sind selten und können namentlich aufgelistet werden.

Traurig genug, aber die Verachtung für ihre Kunst war ein Teil der kulturellen Entwicklung und die breite Masse wurde darüber erst in der Zeit der Stummfilme aufgeklärt. Für eine sehr lange Zeit konnte der durchschnittliche Chinese mehr mit koreanischem Tae Kwon Do oder japanischem Karate anfangen. Ausgenommen davon sind einzig die älteren Tai Chi Betreibenden und die meisten anderen Darbietungen, die man jeden Morgen in den Parkanlagen sehen kann. Wie z.B. Schwerttänze, die aussehen, als ob sie direkt aus einem Film herausgenommen worden wären und mit Musik unterlegt sind. Diese dienen aber einzig der Demonstration und Erholung.

Nach dem Bekannt werden von Bruce Lee durch die Filmszene in „The Big Boss“ fingen die Menschen an, ihre Sicht des Kung Fu zu verändern. „Fists of Fury“, „Return of the dragon“ und „Enter the dragon“ folgten nach und beschäftigten sich thematisch mit unausgesprochenen Unsicherheitsgefühlen der Chinesen dieser Zeit. Bruce Lees schauspielerische Darstellung ließ eine neue Welle der Begeisterung für die chinesischen Kampfkünste entstehen. Der hohe Level der artistischen Darstellungen in den Filmen und spektakuläre Darbietungen auf diesem Sektor entfernten ohne Zweifel den Ruf des „kranken Asiaten“ von der chinesisch stämmigen Bevölkerung. Des Weiteren brachten die Grundlagen, die Lee im südlichen Kung Fu Stil des Wing Chun hatte, diesen Stil in das Rampenlicht und er wurde immer mehr von Interesse für die westlichen Kampkunst-begeisterten. Danach fanden sich schnell in allen Gebieten, in denen sich Chinesen angesiedelt hatten, Kung-Fu-Schulen. Egal ob ein chinesischer oder ein westlicher Trainer in der Schule Unterricht gab, die Mitgliederzahlen stiegen ständig. Wing Chun konnte von diesem Trend bis heute einen großen Nutzen ziehen, obwohl Großmeister Yip Man und Bruce Lee seit über 20 Jahren tot sind. In jeder Hauptstadt der Welt auf sechs Kontinenten kann man eine Wing Chun Kung-Fu-Schule finden mit immer größer werdenden Schülerzahlen. Heute sind es allerdings nicht alleine die Filme Bruce Lees die Menschen dazu bewegen sich für die Kampfkünste zu begeistern.

Lo Man Kam in seiner ersten Schule in Taipeh

Der dritte Schüler seines leiblichen Onkels Großmeister Yip Man, Meister Lo Man Kam, studierte das Wing Chun zehn Jahre in dessen Schule in Hong Kong. Weltweit anerkannt ist Meister Lo die führende Autorität für Wing Chun in Taiwan. Seine Schule in Taipeh wurde 1975 eröffnet. In diesem Jahr kamen Daniel Duby aus Frankreich und Daniel Anyou aus Madagaskar nach Taiwan mit dem Wunsch Wing Chun Kung Fu von Meister Lo Man Kam zu erlernen. Sie wurden seine ersten ausländischen Schüler.

In den folgenden Jahren kamen Wing Chun Begeisterte aus Süd Afrika, Deutschland, Schweiz, Belgien, Italien, England etc. hinzu, denen Meister Lo keine Pause während des Lernens gönnte. 1982 lernte Ralph Guzman, der Sohn des Botschafters der Dominikanischen Republik in China, von Meister Lo und brachte ihn dazu, in der Botschaft in Taipeh Wing Chun zu unterrichten. Der Enthusiasmus Wing Chun zu unterrichten und sein gutes Englisch brachten immer mehr ausländische Schüler in seine Schule. In den letzten zwanzig Jahren unterrichtete er Studenten aus Amerika, Australien, Belgien, Brasilien, Dänemark, Deutschland, der Dominikanischen Republik, England, Frankreich, Hong Kong, Indien, Indonesien, Irland, Israel, Italien, Japan, Kanada, Korea, Macao, Madagaskar, Malaysia, Mexiko, Neu Seeland, Panama, von den Philippinen, Rumänien, Saudi Arabien, der Schweiz, Spanien, Singapur, Süd Afrika, Thailand, Österreich, und Ungarn; aus insgesamt 34 Nationen und Gebiete über alle sechs Kontinente verteilt. Lo Man Kams Schule kann wirklich als die Vereinten Nationen von Taiwan bezeichnet werden.

Internationale Trainingsgruppe mit Sifu Lo Man Kam:

Schüler aus Australien, der Schweiz, Deutschland und England

Wing Chun genießt den Ruf ein Stil zu sein, der keine unnötigen Techniken benutzt, leicht zu erlernen ist und in sich logisch aufgebaut ist. Weltweit gilt es als eines der besten Kampfkünste überhaupt. Das alles und das Interesse vieler Menschen von einem namentlich bekannten Meister den Stil zu erlernen, haben es Meister Lo erlaubt seine Kung Fu Linie weltweit zu verbreiten.

Sifu Lo Man Kam in Taiwan 1980

Trotz vieler einzigartiger Übungen und Techniken glaubt Sifu Lo Man Kam nicht, dass Wing Chun die „ultimative“ Kampfkunst ist. Er glaubt, dass man die Kunst in Verbindung bringen muss mit physikalischen Gesetzen, militärischer Strategie, Kombinationen von Techniken und der natürlichen menschlichen Bewegung. Wenn man Kung Fu anwendet, gleichen die Techniken einer militärischen Operation, die sich damit beschäftigt die eigene Kraft in natürliche, reflexgebundene Bewegungen umzusetzen. Aus biologischer Sicht bedeutet dies, Wing Chun nutzt die Idee, dass eine Person ein dynamisches Wesen ist und sich deshalb einer dynamischen Theorie des Kampfes bedient. Dies ist ähnlich, wie die Spaltung eines Atoms. Die Dynamik hier verkörpert nicht die Idee eine Technik zu benutzen, um eine andere zu kontern oder eine Form auszuüben, um eine andere zu komplettieren, sondern instinktiv und reflexartig zu reagieren. Dieses wissenschaftliche Herangehen an die Kunst ist es, was viele ausländische Schüler von Meister Lo hoffen, bei ihm zu finden. Die Wissenschaft des Wing Chun, die Meister Lo gleichzeitig als Professor an der Chinesischen Universität für Kultur unterrichtet, begeistert auf diese Weise unzählige Schüler. Zu seinen Seminaren in Deutschland kamen sogar Kampfkunstbegeisterte aus dem entfernten Italien und der Schweiz um Meister Lo zu sehen.

Neben seiner Hingabe zur Kampfkunst hat Meister Lo auch ein großes wissenschaftliches Wissen erlangt. Einige seiner kunstvollen Kaligraphien sind sogar in nationalen Ausstellungen zu sehen. Gleichzeitig hat er das Handbuch für den waffenlosen Kampf der taiwanesischen Nationalpolizei verfasst: „Die Kampfkunst der Polizei“. In unseren modernen Zeiten ist er eine seltene Verschmelzung eines Lehrers, Kampfkünstlers und Gentlemans; und gleichzeitig ist er dabei sehr bescheiden geblieben. Ebenso kann man in ihm etwas wie einen kulturellen Diplomaten sehen, der viel für die Verbreitung der chinesischen Kampfkünste tut. Seit 1992 wird er häufig eingeladen, die nationalen Polizeieinheiten von Taiwan zu unterrichten. Dabei erörtert er Themen wie „Kung Fu für den Polizeidienst“, „Die Kunst des Krieges“ und ähnliches. Er bekam dafür bereits hohe Ehrungen vom „General Commander“ der taiwanesischen Polizei, Dr. Lu Yusheng.

Lo Man Kam mit dem Sohn und dem Enkel von Chiang Kai Shek

3.5. Unterricht bei Lo Man Kam

-Versuch einer Übersetzung-

Von Horst Uecker

Ich wurde von Marc Debus angefragt, ob ich nicht etwas über meinen Kung Fu Lehrer schreiben könne. Dieser Aufforderung bin ich gerne gefolgt (dieser Text entstand bei meinem Taiwanaufenthalt bei Lo Man Kam im Januar 2005). Mir ist dabei klar, dass alles, was ich schreibe, mehr über meine Art der Beobachtung aussagt, als über Lo Man Kam. Dieser Umstand ist zu berücksichtigen. Ich möchte im Folgenden versuchen, die Metaphern, die Lo Man Kam im Unterricht verwendet, zu bündeln und zu übersetzen.

Sifu Lo Man Kam und Horst Uecker

Alltäglich beobachtet, geht man davon aus, dass es eine Kampfkunst (hier ist an jede mögliche Kampfkunst zu denken, aber auch an andere Körperbewegungskünste wie beispielsweise den Tanz) gibt und man nur lange genug unter richtiger Anleitung trainieren muss, um sie zu entdecken. Eine solche Sicht hat jedoch fatale Folgen. Wenn man davon ausgeht, dass es „die Kampfkunst“ gibt, verstrickt man sich in eine Ontologie, die Richtigseher und Falschseher erzeugt. Die jeweilige konstruierte Kampfkunstwelt spaltet sich auf diese Weise in diejenigen Personen, welche ein vermeintliches Wissen (die Lehrer) haben, in diejenigen Personen, welche sich auf dem Weg dorthin befinden (die Schüler) und in Anhängigkeit der ersteren begeben und die, die falsch liegen (die Unwissenden). Mit der Zuhilfenahme von Theorie (oder Metaphern) kann man sich von dieser Sicht distanzieren. Schaut man dann, theoriegeleitet, etwas kühler auf das Phänomen Kampfkunst, kann man schnell sehen, dass es eine solche nicht als „Sein“ geben kann. Keine Kampfkunst lungert irgendwo in der Welt herum und wartet darauf entdeckt zu werden. Jede Kampfkunst entsteht immer wieder neu, wenn sie praktiziert und kommunikativ als eine solche bezeichnet wird und wenn nicht, dann eben nicht. Dass diese Praktiken und Beschreibungen im Laufe der Geschichte Veränderungen und Variationen unterworfen sind, ist schnell einzusehen.

Auch das Wing Chun Kung Fu reproduziert sich über nonverbale (die Bewegungen) und verbale (die Erklärungen) Kommunikation. Es lebt, neben den konkreten Beispielen, weitgehend von den Beschreibungen, welche die der Kampfkunst zugrunde liegende Theorie beinhalten. Mittels dieser Beschreibungen erhalten die Studenten die entscheidenden Unterschiede, welche sie in ihre Körperformen einzubauen versuchen. Man wird Konsens darüber finden, dass die alten Meister wenig über die fundamentalen Prinzipien in schriftlicher Form niedergelegt haben. Das kann daran liegen, dass es eine Sache ist, die korrekten Bewegungen zu lernen und deren biomechanische Prinzipien zu verstehen, eine andere Sache jedoch, ein Gefühl für deren situativ anzuwendenden Kombinationsspielräumen zu bekommen. Dieser Sachverhalt ist kaum in Worte zu gießen. Worte und Zeichen greifen hier zu kurz, um das komplexer Wahrgenommene präzise zu beschreiben. In Bildern, Bewegungen und Metaphern zu denken, eröffnet ergo Wege, welche erst mit dem Begehen entstehen.

Bei der Entwicklung des hier angesprochenen Gefühls kommt es im Kern darauf an, eine gewisse situative Intelligenz zu entwickeln. Das meint, dass sich an das Körperverhalten des Gegenübers wie von selbst das eigene Körperverhalten anpasst. Dieses Körperverhalten „geschieht“, wie man so schön sagt, ohne Absicht. „Es“ geschieht, „Es“ kämpft, würden vermutlich die Japaner sagen. Damit ist gemeint, dass keine bewusste Absicht hinter den vorangegangenen Körperbewegungen lag, sondern diese reflexartig selbst reagiert haben (Klar ist, dass es dafür ein langes Training der Grundbewegungen braucht. Ich habe mal einen Satz auf einem Kung Fu Werbeplakat gelesen, der dies gut wiedergibt. Der Autor ist mir nicht mehr in Erinnerung: „Tausend Stunden Training für ein paar Sekunden Gebrauch“). Es geht um eine bestimmte Form der Körpersprache in der das Bewusstsein ausgeschaltet ist. Dieses bemerkt dann im Nachhinein, was punktuell geschehen ist. Man kann noch weiter gehen und das Einschalten des Bewusstseins im Ablaufgeschehen gar als Krise (Das Training sollte daher als fehlerfreundliche Anlage konstruiert werden. Genau hier können dann solche Krisen bearbeitet und in Lerngelegenheiten transformiert werden) markieren. Sobald es eingeschaltet ist und Pläne schmiedet, stockt der Ablauf der Bewegungen. Dann ist der Fluss unterbrochen, den das „Es“ ermöglicht. „Es“ ist durch das „Ich“ zerstört worden. Diejenige Person der beiden Trainingspartner, welche dann noch weiter ihre Bewegungen miteinander, den Prinzipien des Wing Chun folgend, verketten kann, wird sich Positions- und Distanzvorteile erwirtschaften, welche ihren Erfolg wahrscheinlicher werden lässt. Von Erfolg sprechen wir hier, wenn man es schafft, sich gegen Angriffe aller Art zu schützen. Für Lo Man Kam ist es immer wichtig zu markieren, dass gutes Kung Fu zu haben, den Eigenschutz meint und nicht zwingend ist. Dieser erhält eine sekundäre Position.

Sifu Lo Man Kam und Horst Uecker beim Chi Sao

Kriterium der Bewährung

Damit der Schüler im Chi Sau seine Formen überprüfen kann, muss er testen, ob sie in jeder Situation anschlussfähig sind. Jede Form muss im Auftauchen wieder durch eine andere ersetzt werden, um sich den ständig wechselnden Situationen anpassen zu können. Um seinen Eigenschutz zu gewährleisten, muss der Schüler seine Formen auf eine Art verketten, in der sich seine Position, seine Distanz, sein Timing und sein Feeling in einer optimalen Balance befinden. Erreicht er das nicht, gerät das Chi Sau ins Stocken, dann steckt er in einer Krise und kann den Eigenschutz nicht mehr sichern. Diese Krise drückt sich einerseits dadurch aus, dass er getroffen werden könnte (was das Gegenüber im Idealfall freundlich andeutet), oder andererseits dadurch, dass er mit seinem Gegenüber (wir meinen hier im Trainingsetting) über das Geschehene zu sprechen anfängt. Jede Krise birgt neben den Risiken stets auch Chancen. In der Krise kann der Schüler seine Formen analysieren und sich von seinem Lehrer, insofern er über präzisere Unterscheidungsmöglichkeiten verfügt, alternative Sichtweisen aufzeigen lassen. Alle Beteiligten sollten zur Analyse ihrer Entwürfe und damit zur permanenten gemeinsamen Reflexion bereit sein, ansonsten behindern sie sich selbst in ihren Fortschritten.

---ENDE DER LESEPROBE---